Weinglossar

China

China gilt als der Zukunftsmarkt für Wein. Etwas über sieben Prozent des weltweiten Weinkonsums findet bereits auf chinesischem Boden statt – und er steigt weiter um etwa 15 Prozent jährlich. Trotzdem beträgt der Verbrauch, unter Berücksichtigung der Bevölkerungsdichte, pro Kopf lediglich etwa eine Flasche pro Jahr. Da China aber eine Gesamtbevölkerung von 1,4 Milliarden Einwohner hat steckt hier also ein enormes wirtschaftliches Potential.

Im Land selbst wurden vor der Corona-Pandemie angeblich 11,4 Millionen Hektoliter Wein produziert, was etwa 1,51 Millionen Tonnen Trauben entspräche, die zu Wein verarbeitet wurden. Das „Land der Mitte“ wäre damit bereits an dritter Stelle der Wein produzierenden Länder weltweit. Zuletzt jedoch lag die Weinproduktion wohl nur noch bei etwa 5,9 Millionen Hektoliter (2022) – und das ist angesichts der großen Gesamtbevölkerung weniger beeindruckend, als man im ersten Augenblick vielleicht vermuten möchte. Denn das bedeutet, dass pro Einwohner nur etwa zwei Gläser Wein selbst produziert werden, weniger also als nachgefragt wird. Enorme Mengen Wein müssen somit importiert werden – und insbesondere den Produzenten aus Bordeaux ist es gelungen, hier Umsatz zu machen (über 40 Millionen Flaschen haben sie 2022 nach China exportiert).

Inzwischen aber investieren Chines*innen nicht mehr nur in teure Rotweine vornehmlich aus Frankreich (oder direkt in französische Weingüter, zumeist aus wirtschaftlichem Interesse), sondern sie versuchen verstärkt, qualitativ hochwertigen Wein auch im eigenen Land zu produzieren. Denn lange war es in China – wie überall in Asien – üblich, importierten Traubenmost beziehungsweise Traubenmostkonzentrat mit einheimischem Wein zu vermischen (von Gesetz wegen musste Wein in China lange nur 70 Prozent vergorenen Traubenmost enthalten). Solche fragwürdigen Mischerzeugnisse bleiben jedoch dem Inlandsmarkt vorbehalten. Denn seit den späten 1990er Jahren, als China begann mit der Organisation Internationale de la Vigne et du Vin (OIV) zu kooperieren, darf Wein auch hier nur dann als „Wein“ bezeichnet werden, wenn er auch zu 100 Prozent aus Traubensaft hergestellt ist. Auch wenn China der Organisation noch immer nicht beigetreten ist, hält sich doch die überwiegende Mehrzahl der Weinproduzenten inzwischen an die Qualitätstandards und den Kodex der OIV, werben mitunter sogar damit. Dieser Kodex füllt gewissermaßen auch jene Lücke, die fehlende gesetzliche Bestimmungen und unklare behördliche Zuständigkeiten im Hinblick auf Herkunft und Qualität der chinesischen Weine lassen.

Seit dem späten 20. Jahrhundert tritt Wein in Chinas (städtischer) Gesellschaft vermehrt in Erscheinung. Zuvor dominierte bei den Alkoholika – er tut es noch immer deutlich – Schnaps auf Getreidebasis (baijiu). Schon 1956 sprach sich Staats- und Parteichef Mao Zedong (1893-1976) deshalb dafür aus, den Weinbau und die Weinproduktion massiv voranzutreiben und den Weinkonsum zu fördern, um die Engpässe in der Getreideversorgung angesichts des rapiden Bevölkerungswachstums damals zu mindern und eine Senkung der Getreideimporte herbeizuführen. Und tatsächlich hat sich die Gesamtrebfläche des Landes seit dieser Zeit – verstärkt noch einmal seit den 1980er Jahren – kontinuierlich vergrößert von etwa 10.000 Hektar in den 1950er Jahren auf mittlerweile etwa 785.000 Hektar (wenngleich solche Angaben nicht unabhängig erhältlich sind und auch nicht alle Trauben allein der Weinproduktion dienen). Wein wird heute von 500 bis 1.000 Betrieben hergestellt (auch hierfür gibt es keine verlässlichen Zahlen).

China_Weinanbaugebiete

Umweltbedingungen

Dank seiner riesigen Ausdehnung bietet China eine immense Vielfalt an Böden und verschiedenste Breitengrade. Problematisch für den Rebbau ist dabei vor allem das Klima: Die Küstenregionen im Süden und die Mitte des Landes werden zu Unzeiten für den Weinbau von Taifunen und dem Monsun heimgesucht, der feuchte Luft vom tropisch warmen Pazifik ins Landesinnere befördert, weshalb man in Zusammenhang mit diesen unmittelbar vom Pazifik beeinflußten Regionen auch von der „Monsunregion“ spricht. Das hier herrschende tropische und subtropische Klima eignet sich nur wenig für den Weinbau. Dennoch wurden hier in den vergangenen Jahren mehrere Projekte in der Autonomen Region der Zhuang Guangxi und in weiteren Südprovinzen wie Guizhou, Hunan und Jiangxi initiiert, mit denen versucht wird, den Weinbau auch im subtropischen Klima wieder zu aufzunehmen. Allerdings befindet man sich hier noch in einem Anfangsstadium, wenngleich die ersten Resultate, wie der Sinologe Peter Kupfer schreibt, „auf eine interessante Zukunft hoffen (lassen), in der sich diese traditionell rückständigen Regionen für die Weinwirtschaft“ öffnen.

Im Landesinneren und im Norden des Landes hingegen, wo der Weinbau heutzutage schon wieder etabliert ist, herrscht insbesondere in den Wintermonaten extreme Kälte. Die Weinbaugebiete hier, am südlichen Rand der Wüste Gobi, leiden unter kontinentalen Extremen, sodass die Reben jeden Herbst zum Schutz vor den Winterfrösten eingegraben werden müssen. Das führt zwar zu einer Erhöhung der Produktionskosten, der Aufwand jedoch scheint sich langsam zu lohnen.

Etwa 135 Millionen Hektar der insgesamt rund 645 Millionen Hektar großen Fläche Chinas stehen der Landwirtschaft und damit auch dem Weinbau zur Verfügung. Die Nutzfläche ist insofern vergleichsweise klein: nur etwa 0,09 Hektar pro Einwohner können in China landwirtschaftlich genutzt werden, in Deutschland sind es im Vergleich dazu 0,14 Hektar, in der Europäischen Union durchschnittlich sogar 0,22 Hektar. Dabei gibt es nirgends so viel verseuchte Nutzfläche wie in China: etwa 20 Prozent von Chinas Agrarböden sind mit chemischen oder giftigen Substanzen belastet beziehungsweise verseucht, was die Nutzung natürlicher Ressourcen zusätzlich erschwert – und Abhängigkeiten von anderen Weltregionen schafft (worin die Regierung der Volksrepublik auch zunehmend eine „geostrategische Gefahr“ erkennt).

Der Grund für die Verseuchung liegt zum einen in industriellen Verunreinigung des Grundwassers, andererseits werden in der chinesischen Landwirtschaft wohl auch viel zu viel synthetischer Dünger und Pestizide eingesetzt: „Erhöhte Stickstoff-, Phosphor- und Treibhausgasemissionen überschreiten Sicherheitsgrenzen. Gegenwärtig ist China das Land mit den größten eingesetzten Mengen an chemischen Düngemitteln und Pestiziden weltweit“, sagt ein Professor am Institut für Bodenwissenschaft und -technologie an der China Agricultural University in Beijing. Etwa 33 Prozent des globalen Stickstoff- und sogar 36 Prozent des Phosphatdüngers werden in China eingesetzt – vielfach aus der Produktion der eigenen Agrochemieindustrie.

Neuerdings verdichten sich die Hinweise darauf, dass China seinen Einfluss in der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen nutzt, um über seine Agrochemieindustrie auch geostrategischen Interessen durchzusetzen. Unter der Führung des 2023 wiedergewählten Chinesen Qu Donque als Generaldirektor der Food und Agriculture Organization of the United Nations (FAO) hat die FAO jedenfalls „jahrelang Lieferungen umstrittener Pestizide nach Afrika, Asien und Ozeanien freigegeben, wie internen Unterlagen aus den Jahren 2020 bis 2023 zeigen. Demnach genehmigte die FAO-Zentrale in Rom Pestizide für den Einsatz in Projekten in diversen Ländern. Viele dieser Pestizide beinhalten Wirkstoffe, die in der Europäischen Union wegen ihrer Toxizität verboten sind“, berichtet die ARD 2023 in diesem Zusammenhang.

Ursprünge des Weinbaus

China hat auf seinem Territorium eine 9.000 Jahre – bis ins Neolithikum – zurückreichende Weinkultur. Immer mehr neue Einsichten, so Peter Kupfer, deuten darauf hin, dass das Wissen über Weinbau, alkoholische Gärung und die Weinbereitung „trotz unterschiedlicher Entwicklungen in China eine mindestens ebenso lange Vergangenheit aufzuweisen hat wie an der westlichen Peripherie des eurasischen Kontinents“ und sich über die später so genannte „Seidenstraße“ zeitlich überall relativ synchron verbreitete.

Man geht heute davon aus, dass die Domestizierung und Kultivierung von Wein vor etwa 8.000 Jahren erstmals im Kaukasus erfolgte, insbesondere in der Region des heutigen Georgien und Armenien. Von hier stammen jedenfalls die ältesten Funde in Zusammenhang mit der Kultivierung von Wein. Ältere Funde von vergorenen Weintrauben gibt es allerdings in China. Dort hat man 2004 bei Ausgrabungen in einer neolithischen Siedlung 110 karbonisierte Traubenkerne von wildem Wein in den Scherben von Keramikgefäßen gefunden. Von „Wein“ ist in Zusammenhang mit diesen 9.000 Jahre alten Kernen aber noch nicht die Rede, wie Jancis Robinson in dem renommierten, von ihr herausgegebenen „The Oxford Companion to Wine“ schreibt: „To date, the earliest chemically attested instance of grapes being used in a fermented beverage is at the Neolithic site of Jiahu in the Yellow River in the central plains of ancient China during the 7th millennium BC. Yet, the probable native wild grape was only one of serval other fermentated ingredients in this mixed beverage.“

Dass man die 9.000 Jahre alten Traubenkerne ausgerechnet in China gefunden hat, ist Kupfer zufolge kein Zufall, denn hier wuchs damals die größte Vielfalt und Dichte an wilden Weinarten: Auf chinesischem Territorium findet man seit dem Erdzeitalter des Paläogen mindestens 40 Arten wilder Weinreben, das heißt weit über die Hälfte aller Vitis-Arten weltweit. (Die Weinrebe zählt botanisch gesehen zu den Vitaceae und gehört hierin zur Gattung der Vitis, der Wildrebe, die sich selbst wiederum in zahlreiche verschiedene Arten oder Spezies unterteilt. Die wichtigsten werden nach ihrer geografischen Herkunft unterschieden, wobei asiatische Arten wie Vitis amurensis oder amerikanische Arten wie beispielsweise Vitis labrusca nur eine untergeordnete Rolle spielen gegenüber der europäischen Vitis vinifera, die aus veredelten Wildreben stammen: Fast alle bekannten Rebsorten sind von der Spezies Vitis vinifera, entsprechend stammt heutzutage fast das ganze zu Wein verarbeitete Traubengut von ihr.)

Etwa 30 der 40 in China vorkommenden Arten von Vitis sind autochthone Spezies und gibt es entsprechend nur hier. Allein in der Provinz Henan gibt es heute noch immer mindestens 17 einheimische Wildreben und auch in der Provinz Shandong sind mindestens zehn Wildrebenspezies zu Hause. Die bekannteste dürfte sicher die typisch chinesische Vitis amurensis mit ihren zwei Varietäten sein, die vor allem in den Bergwäldern der drei Nordostprovinzen des Landes – Liaoning, Heilongjiang und insbesondere in der Provinz Jilin – weit verbreitet ist, wo sie sich wegen ihren hohen Kälteresistenz (bis zu minus 50 Grad Celsius) bewährt hat. Nicht zuletzt deshalb ist sie auch für Rebneuzüchtungen interessant. Die tiefdunklen Beeren der Vitis amurensis schmecken dabei, wie Peter Kupfer weiß, „fruchtig-säuerlich“ und werden in der Volkstradition allgemein als „Bergwein“ (shanputao) oder „wilder Wein“ (ye putao) bezeichnet.

Neben der roten Rebsorte „Drachenauge“ (Longyan) – auch als „Perlen des Nordens“ (beigua mingzhu) bekannt -, und der Weißweinsorte „Stuten-“ (Manai) beziehungsweise „Kuhzitze“ (Niunai) sind im kälteren Westen und Norden Chinas – in den Provinzregionen Hebei, Shanxi, Shaanxi, Gansu, Ningxia und Xinjiang – auch veredelte Weinreben von Vitis vinifera schon länger bekannt. Sie wurden bereits in der Bronzezeit von nomadischen Rong- und Di-Stämmen, die im nordwestlichen und nördlichen Grenzgebiet der Provinz Shanxi lebten, aus dem Gebiet des heutigen Iran über Zentralasien hierher gebracht. Von dort wurde das Wissen um den Weinbau und Weinbereitung in der Folge auch in andere Gebiete Chinas verbreitet – liegen all diese Provinzen doch auch an der späteren Seidenstraße. Das gilt auch für Jiahu in der nordchinesischen Provinz Henan.

Jiahu liegt in einem weiten Wasser- und Feuchtgebiet zwischen den beiden grossen Flüssen Huanghe („Gelber Fluss“) und Changjiang („Jangtsekiang“) in der Provinz Henan. Die bevölkerungsreiche Provinz gilt als „Wiege der chinesischen Zivilisation“, schreibt Kupfer, jedenfalls wird in der fruchtbaren Ebene seit Jahrtausenden intensiv Landwirtschaft betrieben, wobei für die Fruchtbarkeit insbesondere auch die gelblichen Lössablagerungen aus dem Sand des wüstenhaften Ordos-Plateau in der Inneren Mongolei sorgen, die durch den Huanghe hierher gespült wurden.

Der Jangtsekiang ist für das Selbstverständlich der Chines*innen von großer Bedeutung, war er doch immer wieder Schauplatz bedeutender Ereignisse der chinesischen Geschichte. Und auch der Beginn der Weinkultur dürfte hier, in der Region zwischen ihm und dem Huanghe, anzusetzen sein. Dabei wurde der Umgang mit Wein bis zur Shang-Dynastie vom 16. bis 11. Jahrhundert v.u.Z. immer komplexer und war dann auch in verschiedene Kulthandlungen eingebunden, bevor die Weinkultur in der Nachfolge der Shang ab dem 11. Jahrhundert v.u.Z. in der Zhou-Epoche gewissermaßen vervollkommnet wurde. „Etliche der fast dreitausendjährigen Trinkrituale der Zhou-Epoche“, so schreibt jedenfalls Kupfer, „sind bis zur Gegenwart bei protokollarischen und gesellschaftlichen Anlässen in China lebendig geblieben.“

Aus der Zeit der Shang-Dynastie stammen die ältesten chinesischen Texte. In ihnen bereits gab es Schriftzeichen für „Wein“, das heißt in der chinesischen Sprache werden sämtliche Arten von Alkoholika seit den frühesten schriftlichen Aufzeichnungen vor über 3.000 Jahren als jiu bezeichnet. Das Piktogramm dafür setzte sich im Altchinesischen aus einer unten spitz zulaufenden Amphore und der Komponente „Wasser“ beziehungsweise „Flüssigkeit“ zusammen. Spätestens seit dem 2. Jahrhundert v.u.Z. wird für aus Trauben gewonnenen Wein die Bezeichnung putaojiu verwendet, wobei es sich bei dem Wort putao für „Weintrauben“ – im Altertum zugleich auch für „Wein“ – um eine Entlehnung aus dem Altiranischen bada handelt.

Moderner Weinbau

So alt die Weinkultur im Westen und Norden auch sein mag – im Osten des Landes wurde der Weinbau erst Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt, in den letzten Jahren des in eine Halbkolonie ausländischer Imperialmächte verwandelten Qing-Imperiums. Auch Deutschland hatte hier seit 1897 eine koloniale Vergangenheit, und zwar in der Bucht von Jiaozhou (von den Deutschen Kiautschou genannt) auf der Halbinsel Shandong, an der Nordost-Küste Chinas, wo die deutschen Besatzer die Hafenstadt Qingdao zur Provinzhauptstadt Tsingtau ausbauten.

Zwar hat die britische East India Company bereits im 17. und 18. Jahrhundert in den südlichen Handelshäfen Macao und Guangzhou (Kanton) Wein eingeführt – vor allem spanischen Sherry -, der aber fast ausschließlich von den Ausländern selbst getrunken wurde und von den Chines*innen abschätzig als yangiju („fremder/überseeischer Wein/Alkohol“) bezeichnet wurde. Von einem innerchinesischen Weinmarkt, so Kupfer, konnte also „bis Ende des 19. Jh. nicht im Geringsten die Rede sein“.

Moderner Weinbau entwickelte sich in China erst im Umfeld der seit dem Zweiten Opiumkrieg (1856-1860) überall im Land niedergelassenen christlichen Missionare. Ihre Missionen waren nicht nur ein politischer Faktor, sondern spielten auch eine wichtige wirtschaftliche Rolle insofern, als jede Missionsstation eine eigene landwirtschaftliche Produktion besaß. Dabei wurde, wenn das klimatisch möglich war, immer auch Wein angebaut um stets genügend Messwein zur Verfügung zu haben.

Die Halbinsel Shandong – dort, wo sich die deutsche Kolonie Kiautschou befand – eignet sich mit seinem maritimen Klima ideal für den Anbau von Wein. Peter Kupfer schreibt in diesem Zusammenhang: „Kleine Weingärten in der Umgebung von Kirchen gab es etwa in Shandong, wovon Dutzende der später dort gegründeten Weingüter profitierten. (…) In Shandong selbst gab es außer in und um Yantai an der Nordküste noch das an der Südküste gelegene Weinanbaugebiet bei der heutigen Hauptstadt Qingdao (vormals Tsingtao) … Dort betrieben vereinzelt deutsche Missionare ein wenig Weinbau für den Eigenbedarf.“ Später entwickelten sich aus diesen Anpflanzungen der Missionare Dutzende chinesische Weingüter.

Shandong gilt als Wiege des modernen Weinbaus in China: Sieht man von der unruhigen Phase bis zum Ende des chinesischen Kaisertums 1911 und der anschließenden Zeit bis zur Gründung der Volksrepublik 1949 ab, hat sich durch den Import von Rebsetzlingen von Vitis vinifera und die Einführung moderner Technologie unter industriellen Bedingungen eine ununterbrochene Entwicklung der Weinkultur vollzogen, die dazu führte, dass sich hier auch die ersten modernen chinesischen Weingüter ansiedelten. Inzwischen haben immerhin etwa ein Viertel der mehreren Hundert Weingüter Chinas ihren Hauptsitz auf der Halbinsel.

Changyu

In Shandong wurden damals die Grundlagen für die weitere Entwicklung des Weinbaus in China gelegt. Um mit seinen Weinen aber auch an die Weltspitze zu kommen holte man – seit Deng Xiaoping (1904-1997) nach seiner Machtübernahme eine Reform- und Öffnungspolitik in der Volksrepublik einführte – entweder ausländische Önologen ins Land wie beispielsweise Gerard Colin, der vorher in Bordeaux bei Château Lafite-Rothschild tätig war (ganz abgesehen davon, dass das Château Lafite-Rothschild selbst seit 2009 in Shandong tätig ist und dort die Domaine de Long Dai betreibt), oder man versuchte – zwar passabel, aber dennoch oft unausgereift und eichenlastig – Weine aus dem Bordeaux nachzuahmen.

Great Wall

Zunächst gehen chinesische Weine also noch weitgehend auf die Initiative von ausländischen Weinberatern oder Investoren – hauptsächlich aus Frankreich – zurück, die von der Kellerausrüstung bis zu den Abfüllanlagen praktisch alles importieren, auch die französischen Eichenfässer, die die Grundlage für eine sich „bis in die Gegenwart entfaltende Barriquekultur“ (Kupfer) legten. Seit einigen Jahren jedoch stößt diese auch als „Latifisierung“ bezeichnete Orientierung auf Kritik. Denn im Zuge der aktuellen Renationalisierungstendenzen, so Kupfer, machen sich in jüngerer Zeit „erste Ansätze einer Neubesinnung auf eigene Traditionen ebenso auf dem Gebiet der Weinkultur bemerkbar“.

Auch wenn es Anfang des 21. Jahrhunderts noch schwer war, einen qualitativ anspruchsvollen chinesischen Wein zu finden, haben die chinesischen Produzenten heutzutage durchaus den Anspruch, eigenen Premiumwein zu machen. Und tatsächlich tauchten ab 2010 auch erstmals sorgfältig bereitete und wirklich in China gewachsene Weine auf, die durchweg von bestens in Europa ausgebildeten chinesischen Önolog*innen gemacht wurden. Die Weinwelt war jedenfalls verblüfft, als der „Jiabeilan 2009“ (eine Cuvee aus 80 Prozent Cabernet Sauvignon, Merlot und etwas Carmenère) vom erst 2005 gegründeten Weingut Helan Qingxue in der Provinz Ninxia bei den „Decanter World Wine Awards“ 2011 einen internationalen Titel holte. Seither bringt China die bestehenden Verhältnisse in der Weinwelt ordentlich durcheinander.

Weinanbaugebiete

Derzeit gibt es zehn Weinanbaugebiete in China, die entsprechend der administrativen Gliederung der Volksrepublik gliedert sind. Es wird gegenwärtig aber auch darüber diskutiert, ob man nicht auch in China eine Definition der Weinanbaugebiete und der kontrollierten Herkunftsbezeichnung nach dem Muster des europäischen Appellationssystems einführen soll.

Liaoning

Eines der nördlichsten Weinbaugebiete in China befindet sich in der Provinz Liaoning am Hanlong-See. Die Region liegt – wie auch Heilongjiang und Jilin – im äußersten Nordosten Chinas, wo im Winter bei Temperaturen bis minus 40 Grad garantiert Frost herrscht. Gerade deshalb produziert dort Changyu in Kooperation mit einem Produzenten aus Kanada auf über 5.000 Hektar ausschließlich Eiswein vor allem aus der kälteresistenten amerikanischen Rebsorte Vidal. Changyu ist damit der größte Eisweinproduzent Chinas – und inzwischen auch weltweit.

Jilin

Ebenfalls weit im Nordosten Chinas liegt das Weinanbaugebiet Tonghua in der Provinz Jilin, am Fuß des Changbai-Gebirges, nicht weit von der nordkoreanischen Grenze. Hier ist eine der bekanntesten autochthonen Wildreben Chinas zu Hause: die Vitis amurensis (shanputao). Sie ist nach dem chinesisch-russischen Grenzfluss Amur benannt und aufgrund ihrer Kälteresistenz in Nordostchina weit verbreitet. Aus einer Hybride von ihr, der autochthonen Rebsorte Beichun, die gut an das raue Klima im Grenzgebiet angepasst ist, werden bis heute „Rotweine, ja sogar Eisweine, nur aus dieser Rebe produziert“, weiß Peter Kupfer.

Die Kultivierung der Vitis amurensis nahm mit der Gründung von zwei Weingütern in Nordostchina seinen Anfang (Jilin Changbai Mountians Wine Company 1936 und Jilin Tonghua Wine Company 1937). Beide wurden während der Zeit der japanischen Besatzung der Mandschurei in der Region der Stadt Tonghua gegründet, haben ihre Bedeutung für China aber erst seit der Staatsgründung 1949 erhalten: Der Tonghua-Rotwein wurde damals zu einem „Symbol des Triumphes der Revolution und der nationalen Einheit“, schreibt Kupfer, und wurde später bei zahlreichen staatlichen Anlässen ausgeschenkt.

Ansonsten wird auch in Jilin, auf etwa 330 Hektar an den Hängen des Changbai-Gebirges auf einer Höhe von etwa 380 Meter, die in Kanada verbreitete Rebsorte Vidal angebaut. Ähnlich wie in Liaoning herrschen hier im Winter dauerhaft Minusgrade – ideale Bedingungen also für die Produktion von Eiswein. Und auch hier ist Changyu aktiv, die jährlich etwa 10.000 Hektoliter davon herstellen.

Shandong

Für den Anbau von Vitis-vinifera-Sorten scheint auf den ersten Blick die südlich von Jilin gelegene Halbinsel Shangdong im Süden der Bohai-Bucht im Osten Chinas ideal zu sein, obwohl es in der Provinz auch mindestens zehn Wildrebenspezies gibt und sie an sich als eine der Ursprungsregionen der Vitis gilt. In den bergigen Anbaugebieten längs der Küste des Gelben Meeres – neben Shandong sind das auch Abschnitte in Hebei und Tianjin – herrschen nahezu mediterrane Bedingungen: Bei einem relativ milden Klima, gut dränierten Südhängen, ausreichend Sonneneinstrahlung und adäquaten Niederschlägen gedeihen die Weinreben auf der Halbinsel ausgezeichnet, allerdings sind im Spätsommer und Herbst die Feuchtigkeit und damit verbunden die Gefahr von Pilzerkrankungen ein Problem. Dafür ist es hier auch im Winter so mild, dass die Reben – anders als beispielsweise in Ningxia – über die kalten Monate nicht eingegraben werden müssen.

In Shandong befindet sich – trotz des enormen Wachstums in anderen Provinzen – noch immer etwa die Hälfte der chinesischen Anbauflächen. Und nicht nur weil Changyu als erstes fortschrittliches Weingut des Landes hier gegründet wurde – heutzutage gilt Shandong als Wiege des modernen Weinbaus in China. Zumindest siedelten sich neben Changyu noch zahlreiche andere moderne chinesische Weingüter hier an: Etwa ein Viertel der inzwischen mehreren Hundert chinesischen Weingüter haben heute ihren Hauptsitz auf der Halbinsel. Die Stadt Yantai mit eigener Hochschule für Önologie gilt deshalb auch als Chinas „Hauptstadt des Weins“.

Shanxi

Die nördliche Provinz Shanxi ist, wie Kupfer schreibt, „eine Gegend, die historisch und archäologisch bezüglich Wein- und Fermentationskultur die ältesten und reichhaltigsten Entdeckungen aufzuweisen hat … Dort entdeckte man in neuerer Zeit 5.000-6.000 Jahre alte Siedlungen, die auf engere Verbindungen mit den westeurasischen Kulturen hindeuten. Besonders auffällig sind die unten spitz zulaufenden Tonamphoren, die verblüffend den Exemplaren im fernen Westen ähneln“, und in der chinesischen Sprache lange auch als Bildzeichen für „Wein“ genutzt wurden.

Insbesondere die südlich der Provinzhauptstadt Taiyun gelegene Region Qingxu hat eine lange Weinbautradition. Die am Rand der zentralen Tiefebene längs des Flusses Fen (Fenhe) gelegene Region umfasst eine Gesamtrebfläche von 3.300 Hektar in über einhundert Dörfer und gilt als das „historische Zentrum des Weinanbaus und Weinproduktion“. Vor über 2.000 Jahren, während der Han-Dynastie (206 v.u.Z. bis 220 n.u.Z.) soll hier ein Weinbauer namens Wang Rebstöcken aus nordwestlichen Regionen über die Seidenstraße hierher gebracht haben.

Gleich mehrere Kaiser der den Han nachfolgenden Wei- und Tang-Dynastie (Tang 618-907, Gaozu 618-626 und Taizong 626-649) stammten aus Taiyun und verhalfen dem Wein von Qingxu in der frühen Neuzeit zu Ansehen. Und Peter Kupfer ergänzt: „Unter der Yuan-Dynastie (1271-1368) zählten die Qingxu-Weingärten zu den größten des Reiches. Und selbst während des allgemeinen Verfalls der Weinkultivierung zugunsten der Destillate aus Getreide in den nachfolgenden Dynastien Ming und Qing (14. bis 18. Jahrhundert) wurde die Tradition in Qingxu nicht unterbrochen.“

Die durch den europäischen Imperialismus ausgelösten Krisen und Kriege im 19. und 20. Jahrhundert – mit denen nicht nur die Qing-Dynastie zu Ende ging, sondern das chinesische Kaisertum insgesamt – haben es dann jedoch geschafft, die Weinbautradition hier im chinesischen Kernland in Vergessenheit geraten zu lassen. Nach gescheiterten Versuchen in den 1920er Jahren gelang es erst nach der Gründung der Volksrepublik 1949 und vor allem seit der Modernisierung des Landes in den 1980er Jahren, wieder eine vielversprechende Weinkultur zu etablieren.

Die Weinberge selbst liegen dabei nicht der Ebene, die selbst auf 800 bis 900 Metern Höhe liegt, sondern geht hinauf in Bergregionen wie die des Lüliangshan auf über 1.800 Meter Meereshöhe, wo auf 700 Hektar ökologischer Weinbau betrieben wird. Weinbau findet hier in geschützten und die Sonne speichernden Talhanglagen mit günstigen Boden- und Witterungsverhältnissen statt. Insbesondere die einheimische Rebsorte „Drachenauge“ (Longyan), mit ihren hellen, großen Beeren wird hier in der Pergolaerziehung angebaut. Sie wird heute fast 85 Prozent der Rebflächen angebaut. Daneben gibt es hier noch die georgische Rebsorte Rkatsiteli (Baiyu), die über Russland und Zentralasien hierher gelangte, sowie zahlreiche autochthone chinesische Sorten, allen voran die rote Rebsorte „Schwarzes Hühnerherz“ (Heijixin), sodass heute insgesamt etwa 50 verschiedene Rebsorten für die Weinerzeugung verwendet werden. (Ursprünglich einmal gab es hier eine noch viel größere Rebsortenvielfalt, allerdings wurde diese während der Kulturrevolution 1966-1976 stark dezimiert „wegen Misswirtschaft, Überdüngung und Krankheitsbefall“.)

Die alte Weinbautradition Shanxis – in Verbindung mit den günstigen geologischen und klimatischen Bedinungen – versucht man neuerdings zu nutzen, wie Kupfer ausführt, um eine „eigene chinesische Weinkultur mit spezifischen Terroirmerkmalen zu schaffen. Das teil von Lösshochebenen durchzogene Land ist sehr fruchtbar und mit ausreichend Regen und Sonne sowie ausgewogenen Temperaturen gesegnet. Auch drückt sich der Respekt vor der eigenen Tradition in der Architektur dieser Weingüter aus, die bewusst traditionell chinesch ausgerichtet ist“.

Château Rongzi

Hebei

Qingxu mit seinen Weinbergen liegt an einer antiken Passage nach Nordosten, die bereits Marco Polo im 13. Jahrhundert erkundet hat. Auf diesem Handelsweg liegt in der Provinz Hebei, etwa 600 Kilometer nördlich von Qingxu und 150 Kilometer nordwestlich von Beijing, die Stadt Xuanhua. In den Fangshan-Bergen in ihrer Umgebung werden, so Kupfer, die „Tausendjährigen Weinreben“ angebaut, die mindestens auf die Tang-Dynastie (ins 9. Jahrhundert) zurück weisen. Die ältesten Rebstöcke der traditionellen Rebsorte „Drachenauge“ (Longyan) sollen dabei annähernd Baumstärke haben.

Das klimatisch begünstigte Huai-Zhuo-Becken hat sich seit der Qing-Dynastie (1644-1911) zur nahmhaftesten Region für den Anbau der Rebsorte „Kuh- beziehungsweise Stutenzitze“ (Niunai) entwickelt. Heute wird sie noch auf über 200 Hektar angebaut. Weltweit einzigartig ist dabei die Reberziehung in Trichterform an quadratisch angeordneten Holzgerüsten, weshalb die Weingärten von Xuanhua auch als landwirtschaftliches Weltkulturerbe anerkannt und unter Schutz gestellt wurden.

Xuanhua liegt im Landesinneren von Hebei. An der Bohai-Bucht, gegenüber der Nordküste Shangdons, liegt die sich seit den 1980er Jahren entwickelnde Weinregion von Changli. Hier in der Nähe beginnt die während der Ming-Dynastie (1368-1644) errichtete Chinesische Mauer – und hier wurden regionalen Chroniken zufolge auch seit dem 16. Jahrhundert Reben angepflanzt. Wein allerdings wird in Changli erst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts produziert, und zwar vornehmlich aus Cabernet Sauvignon. Vier Kellereien – allesamt Ableger großer Konzerne – dominieren die insgesamt 53 kleinen Weingüter der Region.

Auch Beijing liegt in der Provinz Hebei. Seit 1910 wird dort in der Nähe des Sommerpalastes Wein angebaut – zunächst von französischen Missionaren, die hier etwa 5.000 Liter Rot- und Weißweine für ihre Gemeinde herstellte und unter der Kirche einen Weinkeller anlegten. Aus diesem Betrieb wurde nach der Öffnung des Landes durch Deng Xiaoping ab 1979 ein moderner, technisch fortschrittlicher Betrieb mit französischer Beteiligung, für den man 1988 das „Drachensymbol“ (Longhui) als Markenzeichen wählte. Seither ist eine deutliche Qualitätssteigerung zu bemerken, sodass die Longhui-Weine inzwischen über ein Drittel des gesamten chinesischen Weinexports ausmachen.

Ningxia

Der Nordwesten Chinas ist erst in jüngeren Vergangenheit als geeignetes Weinanbaugebiet in den Blick gerückt. In diesem Zusammenhang hat man auch begonnen, die Provinz Ningxia, nördlich von Gansu, zu erkunden. Das neu erschlossene Land will Ningxias Provinzregierung nun zur wichtigsten Weinregion Chinas machen: die derzeit etwa 40.000 Hektar Rebfläche in der trockenen Steppenlandschaft südlich der Wüste Gobi sollen in den nächsten Jahren auf 67.000 Hektar erweitert werden, obwohl hier bewässert werden muss.

Weinbau in Ningxia begann in den frühen 1980er Jahren, 2003 wurde hier dann das erste offiziell anerkannte Weinbaugebiet des Landes errichtet, das heißt China hat hier – angesichts der stark expandierenden Anbauflächen und Weinbetriebe – die erste Weinbaubehörde auf Provinzebene eingerichtet. Weinbau ist in der Region inzwischen der Hauptwirtschaftszweig.

Die Rebflächen in Ningxia liegt auf den kieshaltigen Ostufern des Huanghe („Gelber Fluß“) in 1.000 bis 2.000 Metern Höhe, in der autonomen Provinz der muslimischen Hui-Minderheit. Etwa 200 Produzenten haben sich hier an den Sonnenhängen des Helan-Gebirges auf kargen, aber mineralhaltigen Böden aus Sand, Kalk, Kreide und Kies niedergelassen. Die Hänge liegen östlich von einer sehr steinigen Region, die ein ehemaliges Bett des Gelben Flusses durchzieht, das in eine Schwemmlandebene verwandelt wurde. So herrschen ähnliche Bodenbedingungen wie auf den Kiesbänken im Médoc, weshalb hier auch überwiegend die bekannten Rebsorten aus dem Bordelais angebaut werden.

Die Vegetationszeit im Kontinentalklima der Region ist von April bis November, mit überdurchschnittlichen 3.000 Sonnenstunden im Jahr und starken Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht. Obwohl die Reben hier im Norden zum Schutz vor der Kälte im Winter – es hat hier bis zu minus 25 Grad Celsius – eingegraben werden müssen, herrschen also gute Voraussetzungen für Weinbau. Das hat auch das Chateau Changyu Moser XV von Lenz Moser erkannt, das hier auf bis zu 1.100 Meter Höhe im Helan-Shan-Massiv an der Grenze zwischen Ningxia und der inneren Monoglei vorwiegend Bordeauxsorten für ihre Linie „Helan Mountain Range“ anpflanzt.

Noch ist unklar, wie sich der Weinbau hier langfristig entwickelt, allerdings hat die Region mit ihrem zumindest im Sommer milden und trockenen, niederschlagsarmen Klima mit viel Sonne und dank der Bewässerungsmöglichkeiten aus der nahen Flussebene des Huanghe ein enormes Potenzial.

Shaanxi

Die Provinz Shaanxi liegt südlich von Ningxia, zwischen Shanxi und Gansu. Etwa 300 Kilometer westlich von Shanxi, im Westen von Shaanxi und am Zugang zum Ganu-Korridor liegt die Stadt Baoji. Diese Gegend gilt als Herkunftsregion der Zhou, mit denen sich vor 3.000 Jahren eine noch heute gültige chinesische Weinkultur etabliert hat.

Seit 2012 werden hier in alten Grabanlagen in der Nähe von Baoji Ausgrabungen vorgenommen, wobei man dabei auch eine verschlossene Bronzekanne fand, die tatsächlich noch Flüssigkeit enthielt, die man als „Rotwein“ (hong jiu) vom Beginn der Zhou-Zeit identifizierte. Nicht zuletzt das ist für manche der Beweis, „dass Rotwein in China eine eigene Ursprungsgeschichte hat und entgegen landläufiger Anischt keineswegs ein aus dem Ausland importiertes Kulturgut darstellt“, wie Kupfer schreibt. Entsprechend ist in Shaanxi auch Chinas erstes und weltweit größtes College of Enology angesiedelt.

Gansu

In Gansu weisen Gefäßfunde im mittleren und westlichen Gansu-Korridor – an der Hauptpassage der späteren Seidenstraße – aus der Zeit spätneolithischer Kulturen (Siba-Kultur) vor 4.000 Jahren darauf hin, dass hier schon sehr früh in Kontakt mit Zentralasien auch Wein eine Rolle gespielt hat. Bis heute hat sich dieses Erbe der Weinkultivierung nahezu durchgängig erhalten.

Für einige chinesische Dynastien endete in Gansu das Reich. Anderen allerdings, allen voran der Han- und der Tang-Dynastie (617-907), gelang es, ihr Territorium über den Gansu-Korridor auszuweiten. Während der Zeit der Han-Dynastie (206 v.u.Z. bis 220) sicherte sich General Zhang Qian (195-114 v.u.Z.) diese Passage nach Westen, von wo er von den Nachfolgern Alexanders des Großen (356-323 v.u.Z.) im iranischen Ferghana-Tal Rebstöcke bis nach Zentralchina brachte – und mit ihnen auch persische Einflüsse auf die Weinkultur.

Heute gibt es in Gansu wieder sechs größere Weingüter, die allesamt zu Beginn des 21. Jahrhunderts über etwa 1.000 Kilometer entlang der historischen Seidenstraße gegründet wurden. Auf Sand– und Lössböden, bei relativ milden Sommertemperaturen, produzieren sie qualitativ hochwertige Weine, überwiegend aus importierten französischen Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Pinot Noir, Syrah et cetera. Das trockene Klima mit seinen geringen Niederschlägen erfordert zwar eine künstliche Bewässerung der Rebstöcke, dafür aber herrschen hier optimale Bedingungen für ökologischen Weinbau. Moderne Methoden wie konsequenter Rebschnitt und Handlese „lassen in naher Zukunft interessante Qualitäten mit spezifischem Terroir erwarten“, schreibt Peter Kupfer in diesem Zusammenhang.

Xinjiang

In der Provinz Xinjiang im äußersten Nord-Westen, wo die unterdrückten muslimischen Uiguren einen Großteil der Bevölkerung ausmachen, nutzen Bewässerungssysteme das Schmelzwasser aus den höchsten Bergen der Welt um in den Oasensiedlungen rund um das Tarim-Becken, in der Turpan-Senke, am Tianshan- und Altai-Gebirge sowie im Ili-Tal Weinreben anzubauen. Doch die Anbausaison ist kurz, die klimatischen Verhältnisse an den Gebirgsausläufern extrem – oft reifen die Beeren deshalb nicht aus (viele werden zu Tafeltrauben oder Rosinen). Zudem liegen die Weinberge tausende Kilometer von den Märkten entfernt.

Obwohl sich die Uiguren seit ihrer Islamisierung zunehmend auf die Produktion von Tafeltrauben und Rosinen konzentriert haben – etwa 8 Prozent der weltweiten Rosinenproduktion stammt von hier – haben sich in den letzten Jahren einige Bauern auch wieder auf den Weinanbau und die Lieferung an neue Weinunternehmen umgestellt. Peter Kupfer schreibt in diesem Zusammenhang: „Die massive Ansiedlung von Han-Chinesen in Xinjiang und die Gründung der `Xinjiang Produktions- und Aufbaukorps´, die zugleich für den militärischen Schutz wie auch für die wirtschaftliche Erschließung der Autonomen Region stationiert wurden, waren maßgeblich an der allmählichen Wiederbelebung der Weinproduktion beteiligt. Allerdings sind die großen Unternehmen nahezu alle Neugründungen der letzten ein bis zwei Jahrzehnte mit enormen Investitionssummen …“

Das gilt zum Beispiel auch für Stadt Shihezi, Sitz von Château Changyu Baron Balboa, etwa 150 Kilometer westlich von Urumqi im Dsungarischen Becken am Nordhang des Tianshan-Gebirges, wie Kupfer erläutert: „Sie ist aus einem Aufbaukorps als neue Wirtschaftszone hervorgegangen, und die Umgebung wird wegen ihrer mineralischen Böden, ausgeglichenen Temperaturen, ausreichenden Irrigation [Bewässerung] aus dem Gebirge und vieler Sonnenstunden als ideal für hochwertige Rotweine und aufgrund bisheriger Erfolge bereits euphorisch als `Hauptstadt des Rotweins´ Chinas gepriesen. Neuerdings wird sogar für Shihezi zusammen mit den auf demselben Breitengrad liegenden Regionen Bordeaux und Napa Valley als Dreigestirn der berühmtesten Weltweinregionen geworben.“

Neben Changyu, Great Wall und Dynasty haben sich auch rund 70 kleinere Weingüter in den günstigen Zonen im Nordwesten Xinjiangs angesiedelt, wo insgesamt etwa ein Viertel der Gesamtrebfläche Chinas steht. Sie alle arbeiten mit französischen Beratern und haben Unsummen in modernstes technisches Equipment und riesige Keller mit französischen Eichenfässern gesteckt, „wobei eigentliche Barrique-Reifung wegen des frischen Fruchtaromas der hier ausgebauten Weine weitgehend vermieden wird“, wie Kupfer erklärt. Mittelfristig soll die Region mit der größten Weinanbaufläche in China – einer der größten weltweit – und den meisten Kellereien weiterhin kräftig expandieren.

Yunnan

Die Provinz Yunnan liegt im Süd-Westen Chinas, nahe Tibet. Die gesamt Region ist vom Himalayagebirge beeinflusst. Der Himalaya zieht sich in einem über 3.000 Kilometer langen Bogen von Pakistan im Westen bis Myanmar im Osten.

Der Himalaya trennt den indischen Subkontinent von Zentralasien. In geologischen Zeiträumen bemessen ist er noch jung: seine Entstehung beginnt vor etwa 40 bis 50 Millionen Jahren, als die indische Kontinentalplatte von Süden her mit der eurasischen zusammenstößt und sich unter diese schiebt. Ein Prozess, der immer noch andauert: bis heute wächst das Himalayagebirge um etwa ein Zentimeter pro Jahr – alle 8.000er unseres Planeten befinden sich hier und natürlich der Mount Everest, der höchste Berg der Welt mit einer Höhe von 8.848 Meter.

Aus den Gletschern des Himalayagebirges speisen sich die großen Flüsse Asiens wie etwa Indus, Brahmaputra oder Ganges im Süden – aber auch der Mekong hier im Norden. Der Mekong ist die Lebensader von gleich sechs Ländern Südostasiens. Seine genaue Länge ist umstritten, je nachdem, welche Quelle im tibetischen Hochland man mitzählt. So schwanken seine Angaben von 4.200 bis 4.900 Kilometern Länge, praktisch überall an seinen Ufern findet aber eine intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung statt, in der Provinz Yunnan auch Weinbau.

Neben Monsunregen und Schnee, Eis und Wind bearbeiten auch die zahlreichen Flüsse die Berge des Himalayagebirges unablässig und graben tiefe Täler zwischen den Felsen. In Yunnan gibt es gleich drei große Flüsse, darunter den Mekong, die fruchtbare Täler für einen schwierigen Weinbau – der hier durch eine starke Parzellierung der Anbauflächen auf steilen Hängen gekennzeichnet ist – durch das Gebirge gegraben haben.

Weinbau findet hier zwischen dem 24. und 29. Breitengrad statt und damit weit unterhalb jenes globalen Rebengürtels zwischen dem 30. und 50 Breitengrad, der für den Anbau von qualitativ hochwertigen Weinen als geeignet erscheint. Dennoch wird hier, im Osten der Autonomen Region Tibet am Grenzdreieck zu den Provinzen Sichuan und Yunnan, schon seit über 160 Jahren Weinbau betrieben – seit katholische Missionare aus Frankreich ihn hierher brachten. Sie gründeten in den 1860er Jahren im osttibetischen Dorf Yanjing, wie Peter Kupfer erklärt, „die noch heute einzige genutzte katholische Kirche Tibets mit über 600 Gläubigen unter den Minoritäten der Tibeter und Naxi. So wie ihre katholischen Rituale pflegen diese bis heute die von den Missionaren eingeführte Weinkultur, die auf einer Höhe von durchschnittlich 2.200-2.600 Metern auch auf dieser südlich gelegenen Breite von ca. 29 Grad seit eineinhalb Jahrhunderten gut gedeiht.“

Die tropische Wärme so weit im Süden wird also durch die Höhenlage ausgeglichen. So können hier die für China üblichen französischen Rebsorten Cabernet Sauvignon, Carmenère und Merlot angebaut werden, aber auch die typisch sizilianische Rebsorte Nero d`Avola, die hier „passend zur chinesischen Mythologie“, wie Kupfer anmerkt, als „Schwarze Perle“ firmiert. Mit diesen Rebsorten versucht man neuerdings von offizieller Seite aus, „einen modernen Weinbau mit `kontrollierter Herkunftsbezeichnung´ unter dem Label Yanjing zu etablieren“, so Kupfer. Außerdem gibt es – ähnlich wie in der Provinz Jilin – Bestrebungen, in dieser insbesondere im Winter eisigen Gebirgsgegend einen besonderen roten Eiswein zu produzieren.

Wenige Kilometer östlich von Yanjing, in der Gegend um den Ort Cizhong in der Provinz Yunnan, waren Ende des 19. Jahrhunderts ebenfalls französische Missionare unterwegs: Cizhong liegt im Hochland von Dêqên (Deqin) und gilt seit dieser Zeit als Zentrum des katholisches Glaubens in China (80 Prozent der Bevölkerung hier sind katholisch). Auch sie haben Weinreben mitgebracht und so den Weinbau in den Bergen von Yunnan initiiert, der heute von der privat geführten Shangri-La Winery fortgeführt wird. (Das Weingut ist benannt nach einem ursprünglich in der buddhistischen Literatur erwähnten Utopia, das hier, in dieser Abgeschiedenheit der Hochgebirgstäler, verortet wurde.) Hier entsteht vor allem der fruchtige „Yunnan-Rotwein“ (Yunnan Hong).

So entlegen wie es ist, bietet Yunnan dank seiner Lage soweit südlich doch wesentlich mildere Winter als anderswo im Landesinneren. Und auch die vielen Flüsse aus dem Himalayagebirge wirken ausgleichend auf die hohen Temperaturunterschiede zwischen Tag- und Nacht, die in diesen Höhen möglich sind und auf die die Reben empfindlich reagieren. Denn tatsächlich produziert die Shangri-La Winery mit chinesischer und australischer Fachkompetenz auf bis zu 3.000 Meter erstklassigen Cabernet Sauvignon – in der Tat ein Vorstoß in neue Gefilde (oberhalb von 5.000 Metern endet die Vegetationszone dann aber). Da es in der hochgelegenen Region allerdings sehr feucht ist, werden die Trauben zum Schutz in Folie eingepackt – ähnlich wie die Koshu-Traube in Japan vor Regen dadurch geschützt werden, dass man an jede ihrer einzelnen Trauben mühselig von Hand kleine Regenhütchen anbringt.

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