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Kanada

Die wichtigsten Weinbaubereiche Kanadas liegen in den Provinzen British Columbia an der Pazifikküste im Westen und in Ontario. Trotz der Nähe zur Nordküste mit der eiskalten Hudson Bay – eigentlich keine Bucht, sondern ein eigenes Meer, etwa so groß wie die Nordsee – wird auch noch ein wenig Wein in der Provinz Quebec am Atlantik und auf der dem Festland vorgelagerten Atlantikinsel Nova Scotia produziert.

Kanada_Weinanbaugebiete

Eiswein

Das Klima aller Regionen in Kanada ist kontinental und so sind trotz der niedrigen jährlichen Durchschnittstemperatur im Juli und August häufig sehr hohe Tagestemperaturen zu verzeichnen. Die großen Seen mäßigen die Extreme, dennoch sind die Winter kalt und die Temperaturen können über lange Zeiträume weit im Minusbereich liegen, was ein Problem für Vitis-vinifera-Sorten ist – allerdings der Produktion von Eiswein sehr entgegenkommt.

Hybridsorten sind für die Herstellung von Eiswein deshalb besonders geeignet, da sind kälteresistent sind. Das gilt insbesondere auch für amerikanische Reben wie Vidal. Sie hat wenig aromatischen Charakter, dafür ist sie winterhart und ergibt exzellente „Icewines“ (wenngleich sie mit ihrer Säurestruktur und aromatischen Komplexität nicht mit Riesling-Versionen zu vergleichen ist).

Eiswein wurde einst von rheinhessischen Winzern aus der Nähe von Bingen eher zufällig entdeckt. Für Eiswein muß die Temperatur bei der Lese mindestens Minus sieben Grad Celsius betragen, besser ist es noch kälter wie im nördlichen Teil des Okanagan Valley, wo die Durchschnittstemperaturen im Winter bei Minus 16 Grad Celsius liegt. Man liest dann gefrorene Trauben, die im gefrorenen Zustand 24 bis 48 Stunden lang bei Minustemperaturen gepresst werden. Dadurch konzentrieren sich Zucker und Aroma der Traube im Most, während das gefrorene Fruchtwasser als Eis mit den Schalen in der Kelter zurückbleibt. Bei Eisweinen fehlt der Botrytischarakter, den zum Beispiel eine Trockenbeerenauslese bei ähnlichen Zuckerwerten hat. (In Deutschland war 2011 das letzte gute Eisweinjahr.)

Kanadas bedeutendste Weinregion ist die Provinz Ontario, wo mehr als drei Viertel der Weine in dem durch die großen Seen gemilderten Klima erzeugt werden. Sie stammen aus über 200 Weingütern und 6.900 Hektar Rebfläche in vier Herkunftsgebieten, sogenannten „Designated Viticultural Areas (DVA)“, denen die „Vintner Quality Alliance (VQA)“, die ganz Provinzen bezeichnen, übergeordnet sind.

Ontario

Das Zentrum des Weinbaus liegt an den Hängen entlang des südwestlichen Ufers des Lake Ontario in der DVA Niagara Peninsula. Hier befinden sich 5.500 Hektar Rebland. Weinbau ist im kontinentalen Klima möglich, weil die riesige Wasserfläche im Winter die Kälte absorbiert und im Sommer die Wärme speichert. So verzögert sich im Frühjahr der Austrieb und im Herbst verlängert sich die Reifephase, da der See sich langsamer abkühlt beziehungsweise erwärmt als das umliegende Land. Vor allem der Ontariosee im Norden mildert im Winter die arktischen Luftmassen, während der Temperaturunterschied zwischen ihm und dem wärmeren Eriesee im Süden im Sommer für eine kühlende Brise sorgt.

Niagarafälle_Kanada

Zwischen dem Ontario- und dem Eriesee liegen die Niagarafälle – sie bilden auch die Grenze zwischen Kanada und den USA. Der Niagarafluss stürzt hier in drei unterschiedlich breiten Wasserfällen über eine 57 Meter Hohe Stufe, die größte ist etwa 657 Meter breit und wird Horse Shoe Falls genannt, nach seiner typischen Hufeisenform. Der Niagara und seine Wasserfälle entstanden am Ende der letzten Eiszeit vor über 10.000 Jahren, als das Schmelzwasser der großen Gletscher den Eriesee überlaufen ließ. Im Lauf der folgenden Jahrtausende hat sich der Fluß immer tiefer – als Schlucht – in eine ältere geologische Schichtstufe eingeschnitten, die zwischen den großen Seen liegt. Die Wasserfälle verdanken ihre Existenz dem geologischen Untergrund: Wenn auf ein hartes Flussbett ein weiches folgt, wird es spektakulär – wie bei den Niagarafällen: weiches Schiefergestein liegt hier unter einer harten Schicht aus Dolomit – einer Art Kalkstein, die aus harten Kristallen besteht und kaum wasserlöslich ist. Die tobenden Wassermassen erodieren das weiche Gestein, bis die oberste Schicht abbricht. So schiebt sich die Abbruchkante um gut einen Meter pro Jahr flussaufwärts.

Die „Niagara-Schichtstufe“, über die die Niagarafälle herabfallen, hält die Winde über den Seen in Bewegung, so vermindert sich das Risiko von Frostschäden und Pilzerkrankungen. Das sogenannte „Escarpment“, die Abbruchkante, wirkt wie eine vielschichtige Torte aus Ablagerungsgestein und die vielzitierten „Benches“ bilden die Hänge unterhalb dieser Kante. Sie sind tendenziell wärmer mit größerer Tag-Nacht-Kontinentalität.

Die Sommer sind in den letzten Jahren immer wärmer und länger ausgefallen, wodurch die Qualität der Weine stark angestiegen ist. (Daneben erzeugt Ontario weiterhin durchschnittlich 750.000 Liter süßen Eiswein pro Jahr.) Weinbau wird in den zehn Subregionen betrieben, zum Beispiel in Lake Erie North Share, die darauf angewiesen ist, dass der Eriesee das Klima abmildert, sodass Merlot und Cabernet Sauvignon hier reifen. Pelee Island ist Kanadas südlichster Punkt und vollständig vom See eingeschlossen. Die Vegetationsperiode dauert hier länger.

Prince Edward County ist die jüngste DVA am Ontariosee und befindet sich am Nordufer. Die DVA ist zwar ohne jede Weinbaugeschichte, allerdings prägen steinige Moränenböden mit viel Kalkstein das Terrain – ideal für die beiden Burgundersorten. Es ist jedoch relativ kühl hier und der Winter ist hart und lang, mit Temperaturen bis zu Minus 30 Grad Celsius, weshalb die wenig robusten Chardonnay– und Pinot-Noir-Reben Ende Oktober flach auf die Seite gelegt und bis Mitte April eingegraben werden müssen (Reben erfrieren bei Temperaturen unter Minus 20 Grad Celsius). Auf den harten Winter aber folgt ein intensiver Sommer, liegt Prince Edward County doch auf demselben Breitengrad wie Nizza. Zwar macht sich hier kein Einfluß des warmen Golfstroms bemerkbar, dafür aber ist die DVA von den wärmespeichernden Wassermassen des Ontario-Sees geschützt.

Quebec

Während Ontario mitten in der wegen der Klimaerwärmung und des Trends zu schlanken Weinen so angesagten „Cool-Climate“-Zone liegt, ist die nördlich davon gelegene Provinz Québec schon eher als sehr kalt zu bezeichnen, weil hier der ausgleichende Einfluß der großen Seen fehlt. Dennoch verfügt die Provinz mit rund 200 Hektar Rebfläche und mehr als 100 kleinen Winzerbetrieben über eine kleine Weinindustrie. Allerdings ist man hier auf winterharte Hybridreben angewiesen, von denen viele an der Brock University beziehungsweise dem „Cool Climate Oenology and Viticulture Institut (CCOVI)“ gezüchtet wurden.

Nova Scotia

Ebenso nördlich wie Québec liegt die Insel Nova Scotia, die vollständig von Wasser umgeben ist. Sie liegt in der Bay of Fundy an der Ostküste, die für den weltweit größten Tidenhub bekannt ist: Der Meeresspiegel liegt hier bei Flut etwa 13 Meter über dem bei Ebbe, bei einer Springflut sind es sogar 16 Meter. Das nährstoffreiche Wasser in der Bucht ernährt Massen von Krill – Nahrungsgrundlage für zahlreiche Walarten, die hier zu finden sind. Zu den häufigsten Besuchern zählen Buckelwale.

Mit den enormen Gezeiten geht auch ein ständiger Luftstrom einher, der die Pilzgefahr erheblich reduziert. Etwa 16 Kellereien und mehr als 700 Weinbauern mit fast 200 Hektar Rebland gibt es hier – vorwiegend in geschützten Tälern -, die mit winterharten Hybriden bepflanzt sind. Man produziert insbesondere auch Schaumweine in traditioneller Flaschengärung aus den drei Champagner-Rebsorten Pinot Noir, Meunier und Chardonnay.

British Columbia

Lange war Ontario die dominante Weinprovinz, inzwischen aber holt British Columbia auf. Die Weine, die hier im strahlend blauen Licht unter fast wüstenartigen Bedingungen entstehen, zeichnen sich durch eine klare Frucht wie im südlicheren Washington aus. Auf fast 4.000 Hektar ausschließlich mit Vitis-vinifera-Reben bepflanzten Flächen produzieren mehr als 230 Winzer Wein.

Bedeutendste DVA ist Okanagan Valley, rund 320 Kilometer östlich von Vancouver gelegen. Das Okanagan Valley liegt etwa 400 Kilometer von der Pazifikküste entfernt im Landesinneren. Die ersten Menschen die sich in dem Tal niederließen waren im Jahr 1811 Pelzhändler und dann ab 1849 Goldsucher und Viehhändler. Weinbau wird seit 1859 betrieben, als Missionare versuchten Reben für ihren Messwein anzubauen, aber erst um 1907 unternahm man die ersten ernsthaften Anbauversuche.

Den Durchbruch brachte das nach dem Geisenheimer Rebzüchter Dr. Helmut Becker benannte „Becker-Project“ Ende der 1970er Jahre, das den Anfang der Vitis-vinifera-Pflanzungen markiert. Zusammen mit dem GATT-Abkommen sorgte er für den internationalen Durchbruch: 1995 gab es etwa dreißig Weingüter in British Columbia (wozu neben dem Okanagan Valley vor allem auch Vancouver Island, die Gulf Islands und das Fraser Valley gehören), 2014 waren es schon über 230, Tendenz steigend.

Das Okanagan Valley ist ein langezogenes Tal mit heute 3.500 Hektar Rebland (etwa vierzig Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen werden für Rebbau genutzt), die durch Seen vor Winterfrost geschützt sind. Das Tal besitzt ein spezielles Ökosystem in einer kontrastreichen Landschaft, die insbesondere am Okanagan Lake – einem langen, schmalen Binnensee – durch zwei geologische Phänomene geprägt ist: Die Gegend ist zum einen vulkanischen Ursprungs, andererseits haben vor 10.000 Jahren Gletscher die heutige Landschaft geformt, indem sie den Gesteinsabrieb, das sogenannte „Gesteinsmehl“ zu hohen Felsen verdichtet haben.

Das Okanagan Valley ist das heißeste Tal Kanadas und insbesondere im Süden des im Regenschatten gelegenen Tals ist Bewässerung unerlässlich. Dazu hat man früher das Wasser des Okanagan-Flusses (der in den Columbia River fließt) auf die Felder gepumpt, was aber seit 1995 verboten beziehungsweise reglementiert ist. Heute haben die Winzer Brunnen gebaut, aus denen sie das Grundwasser für die Tröpfchenbewässerung der Reben schöpfen.

Die Sommer in der Halbwüste können mit vierzig Grad sehr heiß werden, Nachts aber kühlt es ab. Andererseits kann es im Winter auf Minus zwanzig Grad abkühlen. Da der Herbst früh einsetzt, bevorzugt man frühreifende Sorten wie die Pinot Blanc. Auch Riesling und Chardonnay gedeihen hier gut. Entsprechend auch zeigt das Thermometer, das die Summe der Wachstumsgradtage während der Vegetationsperiode mit mindestens zehn Grad misst, mehr als in der Champagne oder dem Rheingau. Ausserdem sind die Tage in diesen nördlichen Breitengrad während der Wachstumsperiode sehr lang, was die Zeit der Photosynthesetätigkeit verlängert und zur Traubenreifung beiträgt. Aber dennoch gibt es bislang nur eine ofizielle Subregion, die als besonders frostsicher gilt: Golden Mile Bench.

Im Norden des Okanagan Valley liegt die Stadt Kelowna. Hier entstehen klare Weine auf kargen Böden in etwa 400 Meter Höhe. Hier, weiter nördlich, macht sich der Einfluß der nördlichen Ausläufer der Sonora-Wüste mit seiner ausgeprägten Kontinentalität dennoch nicht so extrem bemerkbar.

Südöstlich des Okanagan River liegt noch das Similkameen Valley. Die Talböden hier sind von Kalksedimenten und Granit geprägt, die Luft ist noch trockener als im Okanagan Valley, der nächtliche Wind kühl. Pilzkrankheiten sind in den 265 Hektar selten und der Ökoweinbau verbreitet.

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