Weinglossar

Japan

Weinbau in Japan ist vor schwierige Herausforderungen gestellt. Auch wenn Honshu, die Hauptinsel des japanischen Archipels, auf der gleichen Breite liegt wie das Mittelmeer, herrscht hier ein ganz anderes Klima. Der Weinbau ist ein beständiger Kampf gegen hohe Luftfeuchtigkeit in der Wachstumssaison – Juni und Juli sind Regenzeit – und gegen Taifune, die in der Regel zwischen Juli und Oktober über die Insel toben. Und so wundert es auch nicht, daß es im Japanischen fünfzig verschiedene Begriffe für „Regen“ gibt.

Das Inselreich ist zwischen der riesigen Landmasse Asiens und dem Pazifik eingeklemmt und hat ein ganz eigenes, unvorhersehbares, extremes Klima entwickelt: Der Wind aus Sibirien bringt eisige Winter, der Monsun im Frühjahr und im Sommer in der Mitte des Landes viel Nässe vom Pazifik und dem japanischen Meer. Und gerade wenn die Rebe viel Sonne bräuchte, ziehen Taifune übers Land.

Das vielgeplagte Land ist rauh, gebirgig und fast zu zwei Drittel so steil, daß nur die Wälder den vulkanischen, sauren Boden daran hindern, in die kurzen, wilden Flüsse gespült werden. Der kaum durchlässige Schwemmlandboden eignet sich für den Reis und die Produktion von Sake – aber nicht für den Rebanbau. Die wenigen als Kulturland nutzbaren Hänge sind nur sehr teuer zu bewirtschaften und daher äußerst wertvoll und erfordern hohe Rendite.

Die tausenden Inseln Japans erstrecken sich zwischen dem 24. und 46. Grad nördlicher Breite, sodaß hier die unterschiedlichsten Wachstumsbedingungen herrschen. So verwundert es nicht, daß Japan lange brauchte, bis sich der Weinbau im heutigen Sinn entwickelte: Seit 1874 aber existiert er aber – und damit doch schon länger als im übrigen Asien.

Ursprünglich kam der Wein sogar schon im 7. Jahrhundert mit dem Buddhismus aus Zentralasien nach Japan (wo er für medizinische Zwecke genutzt wurde: Um sich zu entspannen, sich von den Begierden zu befreien und um sich dem Glück zu öffnen, wie ein buddhistischer Mönch sagt, der selbst Weinbau betreibt). Tischwein jedoch gibt es erst seit etwa 140 Jahren: Mit der Öffnung des Landes um 1870 schickte die erste Regierung Wissenschaftler nach Europa, die Reben mit zurück nach Japan brachten. Die Wurzeln der größten Erzeuger des Landes, „Mercian“ und „Suntory“, reichen zum Beispiel bis 1874 beziehungsweise 1909 zurück. Und sie sind nicht die einzigen in der Präfektur Yamanashi, die im späten 19. Jahrhundert gegründet wurde.

Das Gebiet ist dicht besiedelt, sodaß viele Rebflächen zwangsläufig relativ klein sind. Hier, in den Hügeln um das Köfu-Becken herrschen die höchsten Durchschnittstemperaturen des Landes. Nirgendwo sonst finden Austrieb, Blüte und Lese so früh statt. Die durchschnittliche Wachstumssaison kann zwischen 1.220 Sonnenstunden in Katsunuma und fast 1.600 Stunden in Akeno variieren. Vierzig Prozent der Kellereien Japans – nicht zu verwechseln mit den Verschneide- und Abfüllanlagen sowie den Produktionsstätten für den Reiswein Sake – sind hier ansässig. Heute wird in 36 von 47 Präfekturen Wein bereitet.

In Yamanashi ist die Wiege der modernen japanischen Weinkultur – in bequemer Nähe zu den großen Städten in einem Becken am Fuß des schneebedeckten Fuji. Der Fuji ist mit 3.776 Meter der höchste Berg Japans – und als Teil des pazifischen Feuerrings ein gigantischer sogenannter Schichtvulkan, der aus Lava, die sich aus Asche und Tuff abwechselt, besteht. Seine heutige Form hat der Berg seit etwa 11.000 Jahren. Er verdankt sie drei vulkanischen Phasen, bei denen immer höhere Kegel gewachsen sind. Der Fuji ist noch aktiv und 1707 zuletzt ausgebrochen – dabei bildete sich ein zweiter Krater bei dem ansonsten perfekten Kegel.

Etwa 150 Kilometer weiter nordwestlich liegt die Region Nagano, aufgrund ihrer vielen 3.000 Meter hohen Berge auch als „Japanische Alpen“ bezeichnet. Zahlreiche Gipfel hier sind vulkanischen Ursprungs. Und auch hier gibt es immer noch viele Geysire (wenn unterirdisch viel Druck durch Wasserdampf entsteht) und warme Quellen – die bekannteste dürfte vielleicht das „Höllental“ mit einer Badestelle für die dort heimischen Japanmakaken sein.

Japan_Weinanbaugebiete

In jüngster Zeit hat die kühlste und nördlichste Region Japans, Hokkaido, die kaum von Regenzeiten oder Taifun betroffen ist und vom Klimawandel profitiert, interessante Weine aus Kerner und Zweigelt bereitet. Die ebenfalls im Norden liegende Präfektur Yamagata produziert vielversprechend Merlot und Chardonnay.

Cabernet Sauvigon braucht viel Aufmerksamkeit, um voll auszureifen, aber einige Weingärten in Yamanashi, das zu siebzig Prozent bewaldet ist, und der Präfektur Hyogo im Hinterland von Kobe sind hier recht erfolgreich. (Hier befindet sich, neben Kyoto, auch eines der beiden Zentren zur Herstellung des Reisweins Sake.)

Nagano, etwas nördlicher gelegen, ist weniger von Monsunregen geplagt. Etwa zwanzig Kellereien bereiten hier Wein, insbesondere im Distrikt Shiojiri, in kühlen Lagen auf 700 Meter Höhe. Hochwertiger Merlot und Chardonnay entstehen hier.

Kyushu im Süden ist für seine eleganten Chardonnays und leichten, lieblichen Rosés aus Campbell-Early-Trauben bekannt. Sie alle bedienen einen der am schnellsten wachsenden Weinmärkte Asiens.

Neben den internationalen Rebsorten sind die am häufigsten gepflanzten Sorten jedoch die robusten Amerikanerreben Delaware und Niagara sowie die autochthone japanische Rebsorte Kyoho. Die Delaware nimmt sogar zwanzig Prozent der Gesamtrebfläche ein, wird heute aber wie Kyoho nur noch relativ selten zur Weinbereitung genutzt.

Die eigenständigste Traube jedoch ist die rosaschalige Koshu („Koshu“ heißt übersetzt „Drachenauge“). Die Koshu-Traube ist ein Hybrid aus einer Asiatischen- und einer Vitis-vinifera-Sorte und scheint in ganz Japan schon seit Jahrhunderten kultiviert worden zu sein – heute aber vornehmlich in der Präfektur Yamanashi. Sie diente ursprünglich als Tafeltraube und ist wohl am besten an die japanischen Bedingungen angepasst: In Yamanashi gibt es zwei Regenzeiten (im Sommer und im Herbst) mit bis zu siebzig Prozent Luftfeuchtigkeit. Dagegen schützt sich die Koshu-Traube mit einer dicken Schale. Dennoch kann sie delikate und ausgewogene Weißweine geben, die mit oder ohne Eichenausbau und süß oder trocken auf den Markt kommen.

Heute beherrschen Unternehmen die Produktion, aber auch sie müssen sechs Monate vor der Lese die Koshu-Traube manchmal vor Regen schützen – in Form kleiner Regenhütchen, die mühselig von Hand an jeder einzelnen Traube angebracht werden. Die Pergolaerziehung sorgt auch im Monsun für gute Belüftung: die Reben werden hier in die Höhe gezogen, damit die Bodenfeuchtigkeit nicht in die Trauben zieht und zu Fäulnis führt.

Trotzdem kommt es vor, dass die Koshu-Trauben nicht gut ausreifen und sie nicht genügend Zucker aufbauen. Dann müssen sie chaptalisiert werden. Um dem zu entgehen, haben manche (kleine) Erzeuger die Erziehungsform umgestellt: anstelle der Pergolaerziehung, bei der 500 bis 600 Trauben pro Rebstock wachsen, erziehen sie ihre Reben am Pfahl. Dort wachsen nur etwa zehn bis zwanzig Trauben, die dann jedoch genügend Zucker in ihren Beeren konzentrieren, damit nicht nachgezuckert werden muß.

Achtzig Prozent der Produktion Japans liegen in den Händen von Erzeugern wie „Mercian“ (Weinlinie des Getränke-Giganten „Sanraku“ mit Chardonnay, Merlot und Cabernet Sauvignon), „Suntory“ (die auch „Château Lagrange“ in Bordeaux besitzen), „Manns“, „Sapporo“ und „Asahi“. Sie alle haben Zugang zum besten Traubenmaterial. Die meisten Weingüter aber sind relativ klein und besitzen oft nicht mehr als zwei Hektar Rebfläche.

Japan importiert sehr viel Wein en gros, genau wie Traubenmost, wobei für eigene Produkte verwendeter, importierter Inhalt auf dem Etikett angegeben werden muß. Etwa drei Viertel des in Japan insbesondere für den heimischen Markt abgefüllten Weins werden mit importierten Massenweinen oder Traubensaftkonzentrat aufgefüllt. Allerdings beträgt der Weinkonsum in Japan auch nur etwa zwei Liter pro Kopf im Jahr.

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