Asien gilt heute als der Schlüssel zur Zukunft für die Weinwelt. Wein wird hier aber nicht länger nur in China (nirgends wächst die Weinanbaufläche schneller), Japan (hatte als erstes asiatisches Land eine Weinkultur und besitzt einige alte Weinberge) oder den zentralasiatischen Republiken (haben eine lange Weinbaugeschichte mit traditionell süßen Weinen) produziert, sondern auch in Indien, Thailand, Vietnam, Taiwan, Indonesien (Bali), Myanmar (Shan-Stadt), Kambodscha (Battanbang) und Südkorea (Gyeongju). Und sogar, man kann es sich gar nicht vorstellen, in Ozeanien wird Wein angebaut: seit 1999 werden in Polynesien Trauben gelesen.
Man spricht in Zusammenhang mit all diesen Ländern nicht von „Wein aus der Neuen Welt“, sondern vom „Wein der neuen Breitengrade“. Denn in allen diesen Ländern wird Weinbau auf Basis eines tropischen oder subtropischen Klimas betrieben. In einem solchem Klima würden Reben normalerweise mehrfach jährlich Früchte sehr unterschiedlicher Güte tragen, doch drosselt man deren Wüchsigkeit auf eine Lese pro Jahr durch rigorosen Rebschnitt sowie gezielte Wassergabe beziehungsweise -entzug. So gelingt es in diesen für den Weinbau eher exotischen Ländern immer besser eine gute Qualität zu erzielen.
Indien
Über siebzig Jahre nach der Unabhängigkeit bietet in der Republik Indien die sich zunehmend am Westen orientierende, immer wohlhabendere Mittelschicht der heimischen Weinindustrie viel Anreiz zur Weiterentwicklung. Auch wenn der durchschnittliche jährliche Weinkonsum pro Kopf in Indien noch immer nur bei einem guten Schluck liegt, so beträgt die Wachstumsrate des Weinkonsums doch stolze 15 Prozent jährlich.
Dabei verbietet der Hinduismus Alkohol zwar nicht ausdrücklich, steht seinem Konsum allerdings extrem kritisch gegenüber. Unabhängig davon, dass Wein einmal als „Getränk der Könige“ galt und insofern auch Teil der Tradition war, sorgten die religiösen und auch kulturellen Vorbehalte dafür, dass Wein lange verpönt war (Ghandi betrieb auch eine Politik der Prohibition gegen die britischen Kolonialisten, die die Weinkultur nach Indien gebracht haben). Heute jedoch ist eine neue Epoche angebrochen und Wein wird zunehmend als Teil der Alltagskultur begriffen. Und so werden auch die Anbauflächen größer, wobei die Zahlen varriieren: von etwa 13.000 Hektar sprechen die einen, nach anderen Angaben ist die Rebfläche im Jahr 2018 120.000 Hektar groß (von denen allerdings nicht alle bewirtschaftet werden).
Der Norden Indiens ist geprägt vom Himalayagebirge, dem auch der Ganges entspringt. Er ist mit über 2.600 Kilometer der zweitlängste Fluss des Landes und durchfließt die weite Ebene südlich des Himalaya von Westen nach Osten, bevor er in Bangladesch in den Golf von Bengalen mündet. Diese fruchtbare Region ist so dicht bevölkert, wie kaum eine andere auf unserem Planeten: Über eine halbe Milliarde Menschen leben im Einzugsgebiet des Ganges – entsprechend belastet und verschmutzt ist der Fluss auch, obwohl er neben dem Indus und dem Brahmaputra, seinem wichtigsten Nebenfluss, einer der Hauptströme Vorderindiens ist: Der Ganges ist der heilige Strom der Hindus, ein Bad in ihm an einem der heiligen Pilgerorte gehört zum Ritual der Hindus (genauso wie die Waschung der Toten im Fluss vor ihrer Verbrennung). Weinbau findet an seinen Ufern nicht statt. Sieht man von Kashmir und Punjab ab, wird Wein in Indien eher weiter südlich angebaut.
In Indien gibt es sieben Weinanbaugebiete, im Zentrum stehen derzeit aber nur zwei, in denen die Pioniere des Weinbaus im Land hauptsächlich tätig sind:
- Karnataka (nördlich von Bangalore)
- Maharashtra (östlich von Nashik im Nord-Westen Indiens, etwa vier Autostunden von Mumbai entfernt)

Seit 2001 fördert der westindische Bundesstaat Maharashtra sowohl den Weinbau als auch die Weinproduktion durch finanzielle Anreize (hinzu kam, daß Indien bereits 2005 hohe Importzölle auf ausländische Weine einführte) und erzeugt heute zwei Drittel der Produktion.
Maharashtra ist ein riesiges Hochplateau, das sich im Regenschatten der Westghats befindet – einem Gebirge im Westen Indiens, welches das Plateau von einem schmalen Küstenstreifen und dem Arabischen Meer trennt. Die Rebflächen sind hier also von zu viel Regen geschützt und liegen außerdem auf 600 Meter Höhe. Die Höhenlage kompensiert gewissermaßen den niedrigen Breitengrad: Maharasthtra liegt auf dem 20. Breitengrad und damit außerhalb jenes Bereiches zwischen dem 30. und 50. Breitengrad, der ideale klimatische Bedingungen für Weinbau bereithält. Die Höhenlage und der Schutz vor zu viel Regen schafft verhältnismäßig günstige Bedingungen für die Weinproduktion im tropischen Klima Indiens.
Entsprechend auch stammt der erste Wein, der international Aufsehen erregte, von hier: es war der 1985 in Zusammenarbeit mit „Piper-Heidsieck“ von der Kellerei „Chateau Indage“ in den Maharashtra-Bergen bei Pune gekelterte Schaumwein „Omar Khayyám“. Erfolgreich ist auch das Unternehmen der Familie Grover in den Nandi Hills oberhalb von Bangalore, in Karnataka. Bereits Mitte der 1990er Jahre lassen sie sich vom Weinexperten Michel Rolland aus Pomerol beraten. Heraus kam „La Réserve“, ein Rotwein, der selbst in Bordeaux „nicht deplaziert“ wäre, wie Hugh Johnson bemerkt.
Indiens erste moderne Kellerei wurde 1966 in Hyderabad im 2014 auf dem Gebiet von Andra Pradesh neu geschaffenen Bundesstaat Telangana gegründet – 2013 waren es bereits siebzig Kellereien. Heute ist das erfolgreichste Weingut das Mitte der 1990er Jahre von dem aus Kalifornien nach Indien zurückgekehrten Rajeew Samant gegründete „Sula Wineyards“. „Sula“ bereitet seit 1997 im Gangapur-Tal in Maharashtra frisch-fruchtige, trockene Weißweine aus denen der „Sula Sauvignon Blanc“ hervorsticht. 2012 war „Sula“ mit insgesamt 4,5 Millionen Flaschen bereits Markführer in Indien, inzwischen beträgt die Jahresproduktion zwölf Millionen Flaschen Wein. Und „Sula Wineyards“ ist mit über eine Million Besucher jährlich das meistbesuchte Weingut der Welt.
Im tropischen Klima Indiens gehen die Reben nie in Winterruhe, aber rigoroses Entlauben und Schneiden unmittelbar nach der Lese – bevor der Monsun übers Land hereinbricht und sich die Böden wieder mit Wasser vollsaugen – sorgt für nur eine Lese pro Jahr im März/April. Dennoch sind Transport- und Lagerbedingungen immer noch eine ständige Herausforderung, auch weil Unternehmen in Indien nur jeweils eine bestimmte Menge Land pro Bundesstaat besitzen dürfen (unabhängig davon, dass dabei bisweilen noch ungenutztes Land durch die Pflanzungen von Reben überhaupt erst in Kulturland umgewandelt wird). So kommt es vor, dass die Rebflächen eines Weingutes zum Teil hunderte Kilometer weit voneinander entfernt im Land verstreut sind.
Südkorea
Mit rund 600 Hektar Rebfläche verfügt Südkorea über eine Weinwirtschaft, die ihren Namen gerade noch verdient. Lokaler Wein wird generell „Majuang“ genannt. Man produziert ihn überwiegend aus billigen Massenimporten, denen man um der „Authentizität“ willen etwas einheimische Seibel– und Muscat d`Hamburg-Trauben beimengt.
Thailand
In Thailand ist die Weinindustrie wesentlich kleiner als in Indien und es gibt nur wenige Weinproduzenten im Land: die „Thai Wine Association“ hat elf Mitglieder, die gemeinsam jährlich etwa 800.000 Flaschen Wein aus bekannten internationalen Vitis vinifera-Sorten produzieren, vorwiegend für Touristen. Denn der Buddhismus warnt vor Alkohol und vielleicht auch deshalb verlangt der Staat 300 Prozent Steuer für den Inlandsverkauf von Wein – ständig droht ein komplettes Alkoholverbot.

Vom Äquator zieht sich Thailand gut 1.700 Kilometer nach Norden. Es gibt hier vier Weinanbauregionen, von Norden nach Süden sind das:
- Northern Thailand, das aus den Regionen Chiang Rai, Loei und Phichit besteht. Hier stehen etwa 40 Hektar unter Reben, vornehmlich Rotwein (Shiraz, Tempranillo, Dornfelder und die unbekannte Rebsorte Durif). Zwei Produzenten gibt es in Chiang Rai, „Mountain Creek“ und „Mae Chan“, während die Rebflächen in Loei vom „Chateau de Loei“ bewirtschaftet werden und jene in Phichit von „Shala One“.
- Khao Yai befindet sich etwa 160 Kilometer nordöstlich von Bangkok und ist mit 240 Hektar Thailands wichtigstes und größtes Anbaugebiet. Hier sind die Bedingungen für Weinbau am günstigsten: „Khao Yai“ heißt „Großer Berg“, entsprechend stehen die Rebflächen hier in Höhen von bis zu 550 Meter. Die Höhe und die Urwälder, die das Anbaugebiet umgeben, sorgen für Kühle und die Böden sind fruchtbar. Deshalb finden sich hier gleich vier Weinproduzenten: „PB Valley“, „Alcidine“, „Granmonte“ und „Village Farm“.,
- Pattaya ist mit etwa 33 Hektar das kleinste Anbaugebiet des Landes. Bewirtschaftet wird es von „Silverlake“, das hier Shiraz, Colombard sowie Chenin blanc anbaut.
- Hua Hin liegt am südlichsten und ist Thailands älteste Weinregion, was sich auch bei der Vielzahl der angepflanzten Rebsorten widerspiegelt: auf etwa 100 Hektar findet man Sangiovese und Shiraz sowie die weißen Sorten Colombard, Viognier, Muscat und Chenin Blanc, die von „Monsoon Valley“ und der „Siam Winery“ bewirtschaftet werden.
Wie überall in Südostasien herrscht auch in Thailand das heiße und feuchte Klima der Tropen. Ein Problem für den Weinbau in diesen Breitengraden ist grundsätzlich die Feuchtigkeit, die mit einer großen Krankheitsgefahr für die Reben verbunden ist. Außerdem ist in Äquatornähe nur zwölf Stunden Tageslicht und die Sonne fällt zudem fast senkrecht in den Weinberg ein. Um ihren Reben dennoch genug Sonne zukommen zu lassen, haben sich manche Winzer für die Lyra-Erziehung beziehungsweise eine breitere V-Erziehung entschieden. Dadurch sind die Rebstöcke zum einen relativ gut durchlüftet und stehen andererseits in einem verhältnismäßig guten Winkel zur Sonne.
Wie in Brasilien ist das halbe Jahr Regenzeit und im März beginnen die letzten Wochen der Trockenzeit. Die Lese der Trauben sollte unbedingt vor dem Einsetzen des Monsuns erfolgen – gewöhnlich zwischen Januar und März – und idealerweise Nachts, wenn Temperatur und Luftfeuchtigkeit sinken (damit das Aroma der Trauben bestmöglich erhalten bleibt).
Obwohl die Reben in den Tropen keine Ruhepausen haben und durchaus mehrere Ernten jedes Jahr möglich wären, bemühen sich die Produzenten um nur eine Lese, das heißt unmittelbar nach der Lese werden die Rebstöcke – wie in Indien – zurückgeschnitten.
In Asien mischt man heimische Trauben mit importiertem Wein oder Saftkonzentrat. Die „Thai Wine Association“ besteht aber darauf, daß diese Weine deutlich als nicht-thailändisch gekennzeichnet sind, wenn sie mehr als zehn Prozent Import enthalten.
Vietnam
Französische Kolonialisten führten den Weinbau in Vietnam ein, wo er heute in kleinem Maßstab fortgeführt wird. Traditionell hat Reiswein hier einen höheren Stellenwert als Traubenwein, dennoch begann die Kellerei „Dalat“ 1999 mit der Produktion. Sie holt das Lesegut aus Plan Rang, dem wichtigsten Anbaugebiet. Zum Einsatz kommt meist die Sorte Cardinal – Ergebnisse sind aber nicht bekannt.
Indonesien
Das einzige Weinbauunternehmen des Inselstaates Indonesien, „Hatten Wines“, wurde 1994 gegründet und hat seinen Sitz in Bali. Es kultiviert die dunkelschalige Isabella, eine Vitis cabrusca-Sorte, in Weinbergen wenige Kilometer südlich der Stadt Singaraja, wo die Hänge einen gewissen Schutz vor tropischer Hitze und Luftfeuchtigkeit bieten. Das umfassende Sortiment enthält alles: Weißwein, Rosé, Rot- und Schaumwein – und sogar Versuche einen „Pineau de Charantes“ nachzuahmen, weiss Hugh Johnson.
Polynesien
Auch in Französisch-Polynesien, mitten im Pazifischen Ozean, wird Wein angebaut: Im Jahr 1999 wurden in Tahiti erstmals Trauben gelesen. Obwohl hier ein heißes und feuchtes tropisches Klima herrscht und die jährliche Durchschnittstemperatur nie unter 30 Grad Celsius sinkt, klappt das erstaunlicherweise. Denn normalerweise bilden sich bei Temperaturen über 35 Grad keine Trauben aus. Aber da die Bodenbedingungen eigentlich gute Voraussetzungen bilden – er besteht aus Kalkrückständen von Korallen -, hat man den Anbau von 50 Rebsorten probiert, aus denen dann schließlich drei Sorten ausgewählt wurden, darunter Carignan und Muscat d`Hamburg, die unter der Aufsicht eines französischen Önologen von mehreren einheimischen Winzern angebaut werden und regelmäßig, trotz der widrigen Umstände, gelesen werden können.