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Weinbau

Ursprünge des Weinbaus

Man geht davon aus, dass die Kultivierung von Wein erstmals im Kaukasus erfolgte, insbesondere in der Region des heutigen Georgien und Armenien. Von hier stammen jedenfalls die ältesten Funde in Zusammenhang mit der Kultivierung von Wein, hier ist der Beginn des Weinbaus zu verorten – auch wenn es ältere Funde von vergorenen Weintrauben in China gibt. Von „Wein“ ist in diesem Zusammenhang aber noch nicht die Rede. Jancis Robinson schreibt dazu in dem renommierten, von ihr herausgegebenen „The Oxford Companion to Wine“: „To date, the earliest chemically attested instance of grapes being used in a fermented beverage is at the Neolithic site of Jiahu in the Yellow River in the central plains of ancient China during the 7th millennium BC. Yet, the probable native wild grape was only one of serval other fermentated ingredients in this mixed beverage.“

Die Küsten des Kaspischen- und Schwarzen Meeres gelten jedenfalls als natürliche Heimat der Weinrebe Vitis vinifera. Sie stammt aller Wahrscheinlichkeit nach von der Wildpflanze Vitis silvestri ab und ist im eurasischen Raum die meistverbreitete Rebenspezies, die fast das ganze zu Wein verarbeitete Traubengut erbringt (es gibt noch verschiedene andere Rebenspezies, zum Beispiel sogenannte Amerikanerreben wie beispielsweise Vitis labrusca, oder auch verschiedene asiatische Spezies, von denen aber keine sogenannten „edlen Rebsorten“ abstammen). Robinson bemerkt in diesem Zusammenhang: „The earliest domesticated Eurasian grape pips, which are generally longer and narrower than their wild counterparts (although Pinot is an exception), are reported from the Neolithic sites of Shulaveris-Gora in Georgia, Chokh in Dagestan, and Shomutepe in Azerbaijan. (…) Shulaveris-Gora and nearby Neolithic sites are also notable for having some of the earliest Near Eastern pottery …“

Wein wächst weltweit im sogenannten „Rebengürtel“ zwischen dem 30. und 50. Breitengrad nördlich und südlich – und man geht davon aus, dass der Homo sapiens sapiens erstmals in der Levante, genauer gesagt im Libanon, damit in Kontakt kam (der Libanon jedenfalls ist Robinson zufolge „the souternmost point where wild vines grow in the Near East today and probably for the last 100.000 years“). Beweise dafür gibt es aber nicht („Containers, which can be chemically analysed, have not survived since they were made of perishable materials such as leather or wood“), weshalb sich der Blick heute auf die Region zwischen Kaukasus, Ost-Anatolien und dem Zagrosgebirge im Iran richtet. Robinson bemerkt dazu: „These areas comprise a sort of world centre of the Eurasian grapevine, where its geatest genetic diversity is found and where a wine culture consolidated itself in the Neolithic period, c.9500-5000 BC.“

Man geht davon aus, dass bereits die Kultur der Natufier wilden Wein kannte: „Exploitation of wild grapes had been going on since the Natufian period (c.11000-10.000 BC), as evidenced by the finding of pips at numerous sites along the middle Euphrates River in Syria.“ Außerdem schreibt Robinson: „Several hundred kilometres upstream in the Taurus Mountains of Turkey, Cayönü, on the upper Tigris has yielded wild grape seeds dating back to around 9000 BC …“ Die ältesten Funde in Zusammenhang mit der Herstellung von Wein aus Reben von Vitis vinifera finden sich aber im Hajji Firuz Tepe im iranischen Zagrosgebirge: „For an alcoholic beverage fermented solely from the Eurasian grape, the earliest chemical evidence for grape wine comes from the Neolthic village of Hajji Firuz Tepe, about 5400-5000 BC, in the northern Zagros Mountains of Iran.“ Allerdings hat man hier keine Beweise für eine Kultivierung beziehungsweise Domestizierung der Weinrebe gefunden.

Man diskutiert heute zwar auch Südost-Anatolien in der Türkei als Ursprung der Weinkultivierung (hier, am Berg Ararat, ist der biblischen Erzählung folgend auch Noah gelandet, der in der Bibel als erster Weinbauer genannt wird), die ältesten Funde in diesem Zusammenhang stammen aber aus Georgien und Armenien: In Georgien, genauer gesagt bei der Stadt Wani in Imeretien in Transkaukasien, wurden angeblich 5.000 Jahre alte Tonkrüge mit Kernen der Rkatsiteli-Rebe gefunden. Ältere Kerne von Weintrauben in der Region (allerdings ohne Gefässe) stammen aus der Zeit um 6.000 bis 5000 v.Chr. – und deuten auf eine ebensoalte Selektion und Züchtung besserer Rebsorten hin.

Die älteste Gesamtanlage zur Weinherstellung allerdings – gewissermaßen das erste Weingut – wurde in einer Grabungsstätte bei Areni in Armenien entdeckt und ist 6.100 bis 6.000 Jahre alt: In der Anlage „Areni 1“ stieß man 2011 neben Traubenpressen, Gärbehältern und Tinkgefäßen auch auf organische Überreste von Blättern und Trauben (biochemische Tests haben ergeben, dass es sich um Rotwein gehandelt haben muss).

Moderner Weinbau

Die wesentlichen Herausforderungen des Weinbaus und der Landwirtschaft liegen heutzutage – und das gilt insbesondere im Hinblick auf Ertragssicherheit – bei

  • der Bodenfruchtbarkeit,
  • der Nährstoffversorgung der Pflanze (Düngung)
  • und dem Pflanzenschutz.

Weinbau macht in der Landwirtschaft innerhalb der Europäischen Union nur drei Prozent aus, aber zwanzig Prozent aller Pestizide werden hier verwendet. Deshalb suchen Winzer nach Alternativen zum konventionellen Weinbau. Entsprechend entwickelten sich schon früh unterschiedliche neue Weinbaupraktiken als eine Art Gegenbewegung:

Alle versuchen auf ähnliche Weise Bodenpflege, Pflanzenschutz und Kellertechnik wieder bio- beziehungsweise ökologisch zu praktizieren, was konkret bedeutet, auf Herbizide, Funghizide und synthetische Stickstoffdünger zu verzichten und stattdessen über Kompost (Leguminosen) zu düngen, auf geschlossene Betriebskreisläufe zu achten und vieles mehr.

Grundsätzlich sind Reberziehung und -schnitt, Unterstützungssysteme und Pflanzdichte die wichtigsten Techniken, mit denen der Weinbauer seine Reben auf die im Weinberg herrschenden Bedingungen (Temperatur, Sonnenlicht, Wasser und Bodennährstoffe) einstellen kann. Daneben begleiten den Winzer aber das ganze Jahr über weitere Arbeiten, die wichtigsten in diesem Zusammenhang sind sicherlich Schädlingsbekämpfung, Laubwandmanagement und schließlich natürlich die Weinlese.

Reberziehung

Die Weinrebe ist eine Kletterpflanze und benötigt daher Unterstützungssysteme, die die Form des Rebstockes festlegen, das heißt mit der Reberziehung legt man die Form des mehrjährigen Holzes fest. Grob kann man im Weinbau unter anderem zwischen folgenden Erziehungsformen unterscheiden:

Buscherziehung

Die Form der Buscherziehung – in Frankreich Gobelet und in Italien Alberello genannt – ist die einzige Erziehungsform im Weinbau, die ohne Unterstützungssystem für die Rebe auskommt. Es handelt sich insofern vielleicht um die ursprünglichste Art der Reberziehung, jedenfalls wurde sie in der Antike bereits von den Griechen praktiziert und dann auch von den Römern übernommen.

Bei der Erziehung in Buschform wächst der Rebstock als Einzelpflanze ohne Stützhilfen wie Drahtrahmensysteme – die Triebe wachsen einfach auf dem Boden liegend oder werden manchmal doch an einzelstehende Pfähle hochgebunden, sodass die Rebe die Form eines Bechers („Gobelet“) annimmt. Bisweilen verzichtet man auch auf den Pfahl und läßt die zusammengebundenen Triebe sich selbst tragen.

Die Buscherziehung ist ein Erziehungssystem, das sich insbesondere für schwach wachsende Reben in trockenen, niederschlagsarmen Weinbaugebieten eignet, da eine mechanische Bewirtschaftung solcher Buschreben kaum möglich ist. In trockenen Klimata aber kann man den Rebstock während der Vegetationsperiode praktisch sich selbst überlassen – die „Erziehung“ besteht hier dann insbesondere im Rebschnitt im Herbst („Winterschnitt“). Es erfolgt dann eine sogenannte Kopferziehung mit Zapfenschnitt, das heißt ein kurzer, kräftiger, aber nicht sehr hoher Rebstock mit etwa 40 Zentimeter Höhe – der aufgrund seines Alters gewöhnlich einen kugelförmigen Kopf hat – wird jedes Jahr auf wenige frische Triebe zurückgeschnitten, die als kleine „Zapfen“ mit jeweils zwei bis drei „Augen“ genannten Knospen stehen bleiben. (Mit dem Winterschnitt im Januar wird festgelegt, wieviele Knospen jetzt platzen sollen und damit, wieviele Triebe daraus wachsen sollen. Denn Reben bilden Früchte nur an Trieben, die aus solchen, im Vorjahr gebildeten Augen wachsen.)

Heute ist diese Reberziehungsform – mit der natürlich auch immer eine Schwächung des Rebstockes verbunden ist – vor allem im Mittelmeerraum verbreitet beziehungsweise in heißen Gegenden wie zum Beispiel in Rioja, im Priorat, in Barossa Valley oder am Ätna praktiziert, da das Blätterdach der herunterhängenden Äste des Rebstocks viel Schatten bieten und die Trauben so vor allzu starker Sonneneinstrahlung schüzten. Gleichwohl bleiben die Erträge bei dieser Erziehungsform natürlich gering – und die Lese der Trauben kann nur relativ aufwändig von Hand erfolgen.

Während der Rebstock bei der Buscherziehung zumindest etwas in die Höhe wächst, auf dessen „Kopf“ die Triebe zurückgeschnitten werden, wird die Rebe in ganz seltenen Fällen sogar noch ohne diesen Stamm, sondern liegend auf dem Boden erzogen. Das geschieht bisweilen zur Beschattung des Bodens, auf dem sich die Triebe dann ungehindert ausbreiten, manchmal aber umgekehrt auch – in sehr kalten Regionen wie in Rostov und Dagestan (Rußland) oder in manchen Gegenden in China -, um die Reben bei Frost über den Winter leichter vergraben und sie so vor dem erfrieren schützen zu können. Manchmal wird das auch praktiziert, um die Rebstöcke vor starken Winden zu schützen, wie zum Beispiel auf der Insel Santorin in Griechenland, wo die Reben zu kleinen runden „Nestern“ geformt werden.

Guyot-Erziehung

Hier wird ein kleiner Stamm erzogen, auf dem jedes Jahr ein oder zwei Fruchtruten (Triebe, die im Winter verholzen, werden von da an so genannt) mit 8 bis 12 Augen stehen bleiben, die an ein Drahtrahmensystem zurückgebunden werden. 1860 führte der Agronom Jules Guyot die nach ihm benannte Erziehungsmethode – die bedingt, dass die Reben auf Drahtrahmensysteme gezogen werden müssen – im Bordelais ein, wo die Guyot-Erziehung noch heute praktiziert wird.

Anders als bei der Buschrebe, wo beim Winterschnitt praktisch bis auf den Stamm zurückgeschnitten wird, auf dem nur kurze Zapfen stehen bleiben, aus denen dann im Frühjahr neue Triebe wachsen („Zapfenschnitt“), bleiben hier eine oder zwei längere Fruchtruten mit mehreren Augen stehen – weshalb der Guyot-Schnitt auch „Fruchtrutenschnitt“ genannt wird. Eine Ertragsreduktion ist schon beim Anschnitt möglich, indem man weniger Augen läßt.

Kordon-Erziehung

Auch als „Zapfenschnitt“ bekannt, das heißt hier entstehen neue Triebe an bereits verholzten Fruchtruten, das heißt „Kordon“ ist ursprünglich eine Fruchtrute, die über die Jahre verholzt ist. Die Zapfen mit den Augen, auf die der Rebstock zurückgeschnitten wird, stehen hier also nicht wie bei der Buscherziehung auf den Kopf des Stamms, sondern verteilen sich auf längeren verholzten ehemaligen Trieben (Fruchtruten) – also einem oder zwei Kordons aus mehrjährigem Holz, die links und rechts aus dem Stamm gewachsen sind und an einem Drahtsystem befestigt wurden.

Dadurch können die Trauben vielleicht etwas kleiner werden, aber dafür ist diese Erziehungsform frostresistenter wegen der Verholzung. Ausserdem wird damit auch eine gute Luftzirkulation ermöglicht – was die Kordon-Erziehung auch zu einer Alternative zur Pergola-Erziehung in feuchten Gebieten wie dem Vinho Verde macht. In Deutschland arbeitet zum Beispiel das Weingut Luckert im kühlen Weinanbaugebiet Franken mit der Kordon-Erziehung.

Pergola

Das ist ein aufwendiges Unterstützungssystem der hohen Spaliererziehung, das bis heute angewandt wird, wenn hohe Säure- und niedrige Zuckerwerte das Ziel sind (etwa für die Schaumweinproduktion). Hier wird der Rebstock in die Höhe gezogen und gewissermaßen ein Blätterdach gebildet, das für eine Beschattung des Bodens sorgt. In Südtirol zum Beispiel bietet das Laubdach der empfindlichen Vernatsch-Traube Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung und Sonnenbrand, und auch der Boden trocknet so nicht so schnell aus.

Die Pergola-Erziehung verlangsamt die Reife und sorgt für das gewünschte Gleichgewicht zwischen Zucker und Säure. Außerdem wirkt es drohendem Pilzbefall bei viel Niederschlag entgegen, weil dadurch die Luftzirkulation begünstigt wird (beispielsweise in Rias Baixas und Vinho Verde, aber auch bei der Koshu-Rebe in Japan). Unter der Pergola bleiben Feuchtigkeit, Temperatur und Luftverhältnisse weitgehend konstant. Das Pergola-System ermöglicht außerdem, die Trauben bei Frostgefahr hoch über dem Boden und im Schutz eines Laubdaches wachsen zu lassen.

Vertikaldrahtrahmensysteme

Inzwischen überwiegen bei der Reberziehung Vertikaldrahtrahmensysteme (Vertikal Positioning System, VPS) mit hoher Pflanzendichte. VPS eignet sich besonders für flachere Gegenden in nicht zu heißen Gegenden und erlaubt im Gegensatz zur Busch-, Pfahl- und Pergolaerziehung eine maschinelle Lese, weshalb es wohl das am häufigsten verbreitete Unterstützungssystem für die Rebe ist. Beim VPS wird bisweilen der Guyot- oder Fruchtrutenschnitt praktiziert, das heißt die Fruchtruten werden auf die Seite gebogen und an parallel verlaufenden, horizontal gespannten Drähten befestigt. Dasselbe gilt auch für verholzte Fruchtruten – sogenannte Kordons.

Pfahlerziehung

An der Rhône und an den Steilhängen der Mosel ist kein Vertikaldrahtrahmensystem möglich, weshalb hier noch eine Pfahlerziehung praktiziert wird, bei der einzelne Reben an einem Pfahl befestigt werden und nach oben wachsen.

Lyra-Erziehung

Eine eher seltene Form der Reberziehung ist die Lyra: Hier werden die Triebe der Rebe an zwei auseinanderlaufenden Drahtrahmensystemen, in deren Mitte ein V-förmiger Hohlraum gebildet wird, erzogen. Diese Erziehungsform führt zu einer großen Blattoberfläche und erfordert ein aufwändiges Laubwandmanagement, hat aufgrund der guten Belüftung des Weinstocks jedoch Vorteile in sehr regenreichen Regionen (wie beispielsweise in Uruguay).

Auch in Thailand wird diese Erziehungsform praktiziert, da hier – wie überall in Südostasien – das heiße und feuchte Klima der Tropen herrscht. Zum Problem für den Weinbau in diesen Breitengraden wird grundsätzlich die Feuchtigkeit, die mit einer großen Krankheitsgefahr für die Reben verbunden ist. Außerdem ist in Äquatornähe nur zwölf Stunden Tageslicht und die Sonne fällt zudem fast senkrecht in den Weinberg ein. Um ihren Reben dennoch genug Sonne zukommen zu lassen, haben sich manche Winzer für die Lyra-Erziehung beziehungsweise eine breitere V-Erziehung entschieden. Dadurch sind die Rebstöcke zum einen relativ gut durchlüftet und stehen andererseits in einem verhältnismäßig guten Winkel zur Sonne.

Pflanzdichte

Je dichter und konzentrierter, desto weniger Ertrag pro Rebstock. Ein Hektar entspricht einer quadratischen Fläche von je 100 Metern Seitenlänge, die Pflanzdichte variiert, je nach: Verfügbarkeit von Wasser, Nährstoffmengen und Niederschlag sowie Erträgen.

So werden beispielsweise im hochgelegenen und trockenen spanischen Priorat manchmal nur 2.500-3.000 Rebstöcke pro Hektar gepflanzt (durchschnittlich 5.000) und nur 12 Hektoliter Ertrag pro Hektar produziert, während in der feuchten Champagne 8.000 Rebstöcke pro Hektar stehen (davon werden etwa 10.400 Kilogramm Trauben geerntet, das entspricht etwa 66 Hektoliter pro Hektar). In der Champagne beträgt der Pflanzreihabstand maximal 1,50 Meter die Rebstöcke stehen 90-150 Zentimeter auseinander. Neupflanzungen dürfen maximal ein Prozent der Gesamtrebfäche ausmachen.

Noch dichter als in der Champagne stehen die Reben im Burgund, wo es viele kleine Parzellen aufgrund der napoleonischen Erbfolgeregelung gibt: 8-12.000 Rebstöcke pro Hektar stehen hier. Und im Bordelais stehen sogar bis maximal 33.000 Stöcke pro Hektar.

Weinbaujahr

Mit dem Lebenszyklus der Weinrebe verbunden sind das ganz Jahr über viele Maßnahmen im Weinbau. Schon mit dem Winterschnitt im Januar wird festgelegt, wieviele Knospen – Augen genannt – jetzt platzen sollen und damit, wieviele Triebe daraus wachsen sollen. Denn Reben bilden Früchte nur an Trieben, die aus solchen, im Vorjahr gebildeten Augen wachsen (wobei späte Fröste den Austrieb immer gefährden können). Deshalb wird beim Rebschnitt im Winter altes Holz entfernt und je nach Schnittart beziehungsweise Erziehungsform des Weinstocks festgelegt, wieviel Fruchtruten beziehungsweise Augen bleiben sollen.

Man unterscheidet zwischen dem Zapfen- und dem Fruchtrutenschnitt, wo der Rebstock auf zwei kürzere oder eine längere Fruchtrute mit einer unterschiedlichen Anzahl von Trieben beziehungsweise Augen – zwischen 8 und 20 – reduziert wird. Beim Zapfenschnitt wird das einjährige Holz auf kurze Zapfen mit nur 2-3 Augen zurückgeschnitten. Die Zapfen verteilen sich entweder auf einen Kordon aus mehrjährigem Holz, bei der Kordonerziehung, oder stehen an der Spitze des Stamms bei der Kopferziehung.

Mit dem Rebschnitt wird grundsätzlich versucht, das wildwüchsige natürliche Wachstum der Rebe zu zähmen und zu gewährleisten, dass alle Triebe im Frühjahr genügend Nährstoffe aufnehmen können. Dem Schnitt folgt das Biegen, denn Reben ranken von Natur aus nach oben. Durch Schneiden und Biegen wird die Rebe erzogen – eine gleichmäßige Versorgung der Triebe mit Nährstoffen soll gewährleistet werden. Dazu befestigt man die Fruchtruten beispielsweise an einem vorgespannten Vertikaldrahtrahmengerüst und bringt sie so in Form. Mit der Anordnung der jungen Triebe kann man die Menge an Sonnenlicht kontrollieren, die später ins Laubdach eindringt.

In Regionen mit wenig Sonnenschein schafft ein Vereinzeln der Triebe ein offenes Laubdach, das den Trauben durch maximale Besonnung eine gute Reife ermöglicht. In Regionen mit intensivem Sonnenlicht hingegen verhindert eine Beschattung der Trauben sogenannten „Sonnenbrand“, der eine unerwünschte Bitternote im Wein hervorrufen kann (und bei Temperaturen über 40 Grad innerhalb von wenigen Tagen auftritt). Außerdem führt Sonnenexposition zu einer Abhärtungsreaktion der Traube, indem die Schale dicker wird. Ideal ist eine Temperatur zwischen 25 und 28 Grad bei unbedecktem Himmel.

Nach der Blüte und dem Fruchtansatz schneiden die Winzer mitunter in Zusammenhang mit dem Sommerschnitt im Juni auch einige Fruchtansätze weg, Grünlese genannt, um die Qualität der verbliebenen Trauben zu verbessern. (Nach dem Menge-Güte-Gesetz beträgt die Erntemenge für einfachen „Deutschen Wein“ 300 Hektoliter pro Hektar, Spitzenweine hingegen haben nicht mehr Ertrag als 15-40 Hektoliter pro Hektar. Durchschnittlich werden in Deutschland 100 Hektoliter pro Hektar gelesen.)

Durch Ausbrechen oder Ausgeizen unerwünschter Triebe wird ausserdem der Wuchs gefördert: Das Laubdach wird mittels Laubwandmanagements (canopy management) ausgedünnt, um das Wachstum der Blätter und damit auch die Photosynthese einzudämmen und die Zuckerproduktion der Pflanze in die Trauben zu lenken beziehungsweise umgekehrt darauf zu achten, den Zuckergehalt nicht zu sehr ansteigen zu lassen. Es werden – schon möglichst früh im Jahr (vor Mitte Juli) gezielt Blätter entfernt, um eine optimale Besonnung einzelner Trauben zu erreichen. Ausserdem wird oft mit einem Drahtrahmensystem versucht, das Laubdach offen zu halten, um eine gute Luftzirkulation zu ermöglichen, die Pilzbefall entgegenwirkt.

Eine Vielzahl von Schädlingen und Krankheiten kann die Reifung beeinträchtigen. Die verschiedenen Weinbaupraktiken unterscheiden sich hier insbesondere hinsichtlich der Verwendung von Schädlings- und Krankheitsbekämpfungsmitteln. Schon mit Beginn des Austriebs werden im konventionellen Weinbau oft Funghizide und Herbizide gespritzt – mehrere Male, je nach Witterungsverlauf, über das ganze Jahr verteilt. Diese künstlichen Mittel wurden synthetisch hergestellt und wirken systemisch, das heißt sie müssen nur ein Mal ausgebracht werden. Allerdings erschweren sie bei der Weinbereitung später auch eine spontane Gärung, denn mit den unerwünschten Pilzen werden auch die dafür notwendigen wilde Hefen, die eben wichtig für die „Angärung“ sind, zerstört (Hefen sind auch nur Pilze). Deshalb gibt es zwar seit den 1970er Jahren gefriergetrocknete Reinzuchthefen – im Bereich Premiumwein gibt es aber keine Option zur Spontanvergärung.

Nach dem Abschluß der Reifung erfolgt die Weinlese in der Zeit von August bis Oktober, je nach Witterungsverlauf und physiologischer Reife der Trauben (kühles Klima beispielsweise verlangsamt zwar die Entwicklung der Trauben, dafür wiederum können diese aromatisch voll ausreifen und verlieren dabei nichts von ihrer Säure).

Weinlese

Ausschlaggebend für den Lesezeitpunkt ist in Deutschland allein der Zuckergehalt der Traube (amtlich geprüfte „Qualität im Glas“). Demgegenüber richtet sich der Zeitpunkt der Lese im Bordelais nicht nach dem Zucker- oder Säuregehalt (wie in Südafrika), sondern nach dem Tanningehalt. Aus diesem Grund wird erst einige Tage nach der maximalen Zuckerkonzentration mit der Traubenlese begonnen, nämlich dann, wenn die Tannine wasserlöslich und dadurch zarter werden.

Seit 1993 wird der Lesebeginn in Deutschland nicht mehr behördlich festgelegt, allerdings ist nach wie vor ein Herbstbuch zu führen, in dem Erntemenge, Herkunft, Lesart und Mostgewicht erfaßt sind. Lesarten entsprechen den Prädikaten mit der Ausnahme von Kabinett, BA und TBA, die zwingend Handlese erfordern. Auch muß die Gesamterntemenge bis 15. Januar gemeldet werden zur Kontrolle der zulässigen Hektarhöchstgrenzen.

Seit der Novellierung des Weingesetzes 1971 fungiert in Deutschland nicht mehr der Herstellungsprozess als Kriterium für die Qualität eines Weines – es geht nicht mehr um seine Naturbelassenheit -, sondern entscheidend wird nun allein das in Oechslegraden gemessene Mostgewicht des Leseguts beziehungsweise der in der Traube eingelagerte Zuckergehalt. Er ist der Maßstab für die physiologische Reife der Trauben, die wiederum das in Oechslegraden ausgedrückte Mostgewicht ausmacht (und selbst von der Rebsorte, dem Lesezeitpunkt, den Wetterverhältnissen, den Standortbedingungen und dem Ertrag abhängt).

Most ist ein Zucker-Säure-Mineralstoff-Gemisch mit folgenden Inhaltstoffen (15-20 Prozent, 80-85 Prozent ist Wasser):

  • für den Körper des Weines: Alkohol und Restzucker (Kohlenhydrate – Saccharide: Trauben- und Fruchtzucker beziehungsweise Glucose und Fructose im Restzuckergehalt des Weines. Mono-Saccharid wird zuerst gebildet, befindet sich dann bei der Gärung aber im Verhältnis 1 : 1 mit Fructose im Traubenmost, wobei Fructose etwa 2,5 Mal so stark süßt wie Glucose!).
  • für die Haltbarkeit: Tannine und Fruchtsäure (Apfel-, Wein-, Milch-, Zitronen- und Essigsäure sind die wichtigsten Säuren im Wein).
  • Stickstoffverbindungen: Eiweißstoffe beziehungsweise Aminosäuren. Als Gärnebenprodukt entstehen zum Beispiel Histamine.
  • Aroma- und Farbstoffe
  • Mineralstoffe und Spurenelemente
  • Vitamine
  • Kohlendioxid (für die Spritzigkeit)
  • Schwefel (wirkt als Antioxidantium) et cetera.

Mit den Oechslegraden wird in Deutschland das Gewicht des Mostes gemossen (auch in der Schweiz übrigens, während man in Österreich die „Klosterneuburger Mostwaage (KMW)“ verwendet), das einen wichtigen Indikator für die Traubenreife darstellt, denn reife Trauben haben mehr Zucker eingelagert, wodurch ihr Gewicht steigt. Gemessen wird dabei die Dichte des Mostes, das heisst, der Oechslegrad des Traubenmostes gibt wieder, um wie viel Gramm ein Liter Most mehr wiegt als ein Liter Wasser. Dabei gilt folgende Formel:

  • Oechslegrad = Dichte des Mostes in Gramm pro Liter – 1000, das heißt eine Mostdichte von 1080 Gramm bedeutet 80ºOe. (Jedes Gramm, das ein Liter Most mehr wiegt als ein Liter Wasser, zählt als ein „Grad Oechsle“.)

Gemossen wurde das ursprünglich mit einer Senkspindel beziehungsweise Mostwaage, die der Pforzheimer Mechaniker Christian Ferdinand Oechsle in den 1830er Jahren erfunden hat, um das spezifische Gewicht, das heißt die Dichte des Mostes (Oechslegrade) zu bestimmen – je nachdem, wie Tief sich die Spindel in den Most senkte. Heutzutage benutzen die Winzer hingegen ein optisches Messgerät, den so genannten Refraktometer, bei dem an Hand der Lichtberechnung des Mostes die Oechslegrade ermittelt werden.

Heutzutage geschieht das mit einem Refraktometer – wobei damit nicht mehr die Mostdichte, sondern die Lichtdurchlässigkeit beziehungsweise Trübnis des Mostes gemessen wird. Dazu wird ein Tropfen Saft aus der Beere auf das Messprisma des Refraktometers geträufelt: Je höher der Extrakt und konzentrierter der Zuckergehalt des Mostes, desto höher die Trübnis beziehungsweise die Lichtbrechung anhand derer man dann den Oechslegrad ermittelt.

Um nun anhand des im Refraktometer angezeigten Oechslegrades den Zuckergehalt zu berechnen verwendet man folgende Formel:

  • Zuckergehalt = Oechslegrad x 2,5 – 25, das heißt, zeigt die Messung mit dem Refraktometer 80ºOe an, hat der Most einen Zuckergehalt von etwa 175 Gramm pro Liter. (Will man den Zuckergehalt wie beispielsweise bei der Chaptalisierung anheben, gilt die Faustregel, dass dem unvergorenen Most zur Anhebung um 1ºOe ungefähr 2,3 Gramm Zucker zugefügt werden müssen.)

Will man aus dem Zuckergehalt den potentiellen Alkoholgehalt des fertigen Weines berechnen, kann man wiederum folgende Berechnungsgrundlage heranziehen:

  • Alkoholgehalt =Oechslegrad / 7,83, das heißt, bei 80ºOe liegt der zu erwartende Alkoholgehalt des durchgegorenen Weines etwa bei 10,2 Volumenprozent. (Etwa 8ºOe ergeben also ungefähr 1 Volumenprozent mehr Alkohol.)

Je mehr Zucker eingelagert wurde, desto dichter beziehungsweise trüber ist der Most, desto mehr potentiellen Alkohol hat er. Die Rebsorte Pedro Ximenes, die vornehmlich für die Herstellung von Sherry verwendet wird, ist dabei mit einem natürlichen Zuckergehalt von bis zu 400 Gramm pro Liter eine der süssesten Trauben weltweit. Gleichwohl bedeutet ein hoher Zuckergehalt nicht zwangsläufig, dass dadurch auch der aus diesem Most hergestellte Wein süß ist, da der Zucker ja zu Alkohol vergoren wird.

Nur bei extrem hohen Zuckerwerten – beispielsweise bei Trauben mit Botrytis cinerea (Edelfäule) wie bei Beerenauslesen oder Trockenbeerenauslesen – wird tatsächlich auch ein süßer Wein gekeltert. Grundsätzlich unterscheidet man in diesem Zusammenhang in Deutschland:

  • Landwein: muss ein Mostgewicht zwischen 47 und 55ºOe haben (Chaptalisierung ist erlaubt)
  • Qualitätswein: Mindestmostgewicht zwischen 50 und 72ºOe (Chaptalisierung ist erlaubt)
  • Prädikatswein (hier darf nicht mehr chaptalisiert werden)
    • Kabinett: Mindestmostgewicht zwischen 67 und 82ºOe, verwendet werden reife Trauben
    • Spätlese: Mindestmostgewicht zwischen 76 und 90ºOe, verwendet werden vollreife Trauben
    • Auslese: Mindestmostgewicht zwischen 83 und 100ºOe, verwendet werden ebenfalls vollreife Trauben, wobei unreife Trauben ausgesondert werden. Botrytis cinerea kann eine Rolle spielen.
    • Beerenauslese (BA): Mindestmostgewicht zwischen 110 und 128ºOe, verwendet werden überreife, edelfaule Trauben
    • Trockenbeerenauslese (TBA): Mindestmostgewicht zwischen 150 und 154ºOe, verwendet werden rosinenartig eingeschrumpfte, edelfaule Beeren
    • Eiswein: Mindestmostgewicht zwischen 110 und 128ºOe, verwendet werden bei Eiswein gefrorene Trauben, Botrytis cinerea spielt hier keine Rolle

Grundsätzlich läßt sich dann zwischen Hand- und maschineller Lese unterscheiden: Bei der Handlese fallen etwa 300 Arbeitskraftstunden pro Hektar an. In steilen Lagen wie am Douro, der Mosel oder der nördlichen Rhône ist Handlese die einzige Möglichkeit des Erntens. Bei der Maschinenlese hingegen fallen nur zwei bis drei Arbeitskraftstunden pro Hektar an. Und auch die Anpassung an den perfekten Lesezeitpunkt ist so möglich, was beispielsweise bei Sauvignon Blanc, wo sich der Übergang von Reife zu Unreife sehr schnell vollzieht, von Vorteil ist. Auch im spanischen Rueda, wo Drahtrahmensysteme eine maschinelle Lese Nachts erlauben: die hier angebaute Rebsorte Verdejo kann so seine Säurestruktur– die er in der langen Reifung in der trockenen Hochebene mit 2.600 Sonnenstunden jährlich erworben hat – gut erhalten, da das Lesegut schnell verarbeitet werden kann. Der Nachteil jedoch ist, daß hier keine Selektion stattfindet und auch unreifes Lesegut geerntet wird (MOG: matter other than grapes). Ausserdem bleiben hier die Stiele nicht erhalten, die Trauben also nicht ganz.

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