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Reberziehung

Die Weinrebe ist eine Kletterpflanze und benötigt daher Unterstützungssysteme, die die Form des Rebstockes festlegen, das heißt mit der Reberziehung legt man die Form des mehrjährigen Holzes fest. Grob kann man im Weinbau unter anderem zwischen folgenden Erziehungsformen unterscheiden:

Buscherziehung

Die Form der Buscherziehung – in Frankreich Gobelet und in Italien Alberello genannt – ist die einzige Erziehungsform im Weinbau, die ohne Unterstützungssystem für die Rebe auskommt. Es handelt sich insofern vielleicht um die ursprünglichste Art der Reberziehung, jedenfalls wurde sie in der Antike bereits von den Griechen praktiziert und dann auch von den Römern übernommen.

Bei der Erziehung in Buschform wächst der Rebstock als Einzelpflanze ohne Stützhilfen wie Drahtrahmensysteme – die Triebe wachsen einfach auf dem Boden liegend. Manchmal werden die Triebe aber auch auf etwa einem halben Meter Höhe selbsttragend zusammengebunden, sodass die Rebe mit ihren überhängenden Trieben die Form eines Bechers („Gobelet“) annimmt.

Die Buscherziehung ist ein Erziehungssystem, das sich insbesondere für schwach wachsende Reben in trockenen, niederschlagsarmen Weinbaugebieten eignet, da eine mechanische Bewirtschaftung solcher Buschreben kaum möglich ist. In trockenen Klimata aber kann man den Rebstock während der Vegetationsperiode praktisch sich selbst überlassen – die „Erziehung“ besteht hier insbesondere im Rebschnitt im Herbst („Winterschnitt“).

Bei älteren Rebstöcken erfolgt eine sogenannte Kopferziehung mit Zapfenschnitt, das heißt ein kurzer, kräftiger, aber nicht sehr hoher Rebstock mit etwa 40 Zentimeter Höhe – der aufgrund seines Alters gewöhnlich einen kugelförmigen Kopf hat – wird jedes Jahr auf wenige frische Triebe zurückgeschnitten, die als kleine „Zapfen“ mit jeweils zwei bis drei „Augen“ genannten Knospen stehen bleiben. (Mit dem Winterschnitt im Januar wird festgelegt, wieviele Knospen im Frühjahr platzen sollen und damit, wieviele Triebe daraus wachsen sollen. Denn Reben bilden Früchte nur an Trieben, die aus solchen, im Vorjahr gebildeten Augen wachsen.)

Heute ist diese Reberziehungsform – mit der natürlich auch immer eine Schwächung des Rebstockes verbunden ist – vor allem im Mittelmeerraum verbreitet beziehungsweise in heißen Gegenden wie zum Beispiel in Rioja, im Priorat, in Barossa Valley oder am Ätna, da das Blätterdach der herunterhängenden Äste des Rebstocks viel Schatten bieten und die Trauben so vor allzu starker Sonneneinstrahlung schützen. Gleichwohl bleiben die Erträge bei dieser Erziehungsform natürlich gering – und die Lese der Trauben kann nur relativ aufwändig von Hand erfolgen.

Während der Rebstock bei der Buscherziehung zumindest etwas in die Höhe wächst, auf dessen „Kopf“ die Triebe zurückgeschnitten werden, wird die Rebe in ganz seltenen Fällen sogar noch ohne diesen Stamm, sondern liegend auf dem Boden erzogen. Das geschieht bisweilen zur Beschattung des Bodens, auf dem sich die Triebe dann ungehindert ausbreiten, manchmal aber umgekehrt auch – in sehr kalten Regionen wie in Rostov und Dagestan (Rußland) oder in manchen Gegenden in China -, um die Reben bei Frost über den Winter leichter vergraben und sie so vor dem erfrieren schützen zu können. Manchmal wird das auch praktiziert, um die Rebstöcke vor starken Winden zu schützen, wie zum Beispiel auf der Insel Santorin in Griechenland, wo die Reben zu kleinen runden „Nestern“ geformt werden.

Guyot-Erziehung

Hier wird ein kleiner Stamm erzogen, auf dem jedes Jahr ein oder zwei Fruchtruten (Triebe, die im Winter verholzen, werden von da an so genannt) mit 8 bis 12 Augen stehen bleiben, die an horizontal gespannte Drähte zurückgebunden werden. Für diese Reberziehungsmethode ist also ein Drahtrahmensystem erforderlich. 1860 führte der Agronom Jules Guyot die nach ihm benannte Erziehungsmethode im Bordelais ein, wo sie noch heute praktiziert wird.

Anders als bei der Buschrebe, wo beim Winterschnitt praktisch bis auf den Stamm zurückgeschnitten wird, auf dem nur kurze Zapfen stehen bleiben, aus denen dann im Frühjahr neue Triebe wachsen („Zapfenschnitt“), bleiben hier eine oder zwei längere Fruchtruten mit mehreren Augen stehen – weshalb der Guyot-Schnitt auch „Fruchtrutenschnitt“ genannt wird. Eine Ertragsreduktion ist schon beim Anschnitt möglich, indem man weniger Augen läßt.

Kordon-Erziehung

Die Kordon-Erziehung ist auch als „Zapfenschnitt“ bekannt, das heißt hier entstehen neue Triebe an bereits verholzten Fruchtruten: „Kordon“ ist ursprünglich eine Fruchtrute, die über die Jahre verholzt ist. Die Zapfen mit den Augen, auf die der Rebstock zurückgeschnitten wird, stehen hier also nicht wie bei der Buscherziehung auf dem Kopf des Stammes, sondern verteilen sich auf längeren, verholzten ehemaligen Trieben (Fruchtruten) – also einem oder zwei Kordons aus mehrjährigem Holz, die links und rechts aus dem Stamm gewachsen sind und an einem Drahtsystem befestigt wurden.

Dadurch können die Trauben vielleicht etwas kleiner werden, aber dafür ist diese Erziehungsform frostresistenter wegen der Verholzung. Ausserdem wird damit auch eine gute Luftzirkulation ermöglicht, was die Kordon-Erziehung auch zu einer Alternative zur Pergola-Erziehung in feuchten Gebieten wie dem Vinho Verde macht. In Deutschland arbeiten zum Beispiel manche Weingüter im kühlen Weinanbaugebiet Franken mit der Kordon-Erziehung.

Pergola

Das ist ein aufwendiges Unterstützungssystem der hohen Spaliererziehung, das bis heute angewandt wird, wenn hohe Säure- und niedrige Zuckerwerte das Ziel sind (etwa für die Schaumweinproduktion). Hier wird der Rebstock in die Höhe gezogen und gewissermaßen ein Blätterdach gebildet, das für eine Beschattung des Bodens sorgt. In Südtirol zum Beispiel bietet das Laubdach der empfindlichen Vernatsch-Traube Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung und Sonnenbrand, und auch der Boden trocknet so nicht so schnell aus.

Die Pergola-Erziehung verlangsamt die Reife und sorgt für das gewünschte Gleichgewicht zwischen Zucker und Säure. Außerdem wirkt es drohendem Pilzbefall bei viel Niederschlag entgegen, weil dadurch die Luftzirkulation begünstigt wird (beispielsweise in Rias Baixas und Vinho Verde, aber auch bei der Koshu-Rebe in Japan). Unter der Pergola bleiben Feuchtigkeit, Temperatur und Luftverhältnisse weitgehend konstant. Das Pergola-System ermöglicht außerdem, die Trauben bei Frostgefahr hoch über dem Boden und im Schutz eines Laubdaches wachsen zu lassen.

Vertikaldrahtrahmensysteme

Inzwischen überwiegen bei der Reberziehung Vertikaldrahtrahmensysteme (Vertikal Positioning System, VPS) mit hoher Pflanzendichte. VPS eignet sich besonders für flachere Gegenden in nicht zu heißen Gegenden und erlaubt im Gegensatz zur Busch-, Pfahl- und Pergolaerziehung eine maschinelle Lese, weshalb es wohl das am häufigsten verbreitete Unterstützungssystem für die Rebe ist. Beim VPS wird bisweilen der Guyot- oder Fruchtrutenschnitt praktiziert, das heißt die Fruchtruten werden auf die Seite gebogen und an parallel verlaufenden, horizontal gespannten Drähten befestigt. Dasselbe gilt auch für verholzte Fruchtruten – sogenannte Kordons.

Pfahlerziehung

An der Rhône und an den Steilhängen der Mosel ist kein Vertikaldrahtrahmensystem möglich, weshalb hier noch eine Pfahlerziehung praktiziert wird, bei der einzelne Reben an einem Pfahl befestigt werden und nach oben wachsen. Eine Maschinelle Bearbeitung der Rebstöcke ist dabei nicht mögliche und auch die Lese erfolgt von Hand.

Lyra-Erziehung

Eine eher seltene Form der Reberziehung ist die Lyra: Hier werden die Triebe der Rebe an zwei auseinanderlaufenden Drahtrahmensystemen, in deren Mitte ein V-förmiger Hohlraum gebildet wird, erzogen. Diese Erziehungsform führt zu einer großen Blattoberfläche und erfordert ein aufwändiges Laubwandmanagement, hat aufgrund der guten Belüftung des Weinstocks jedoch Vorteile in sehr regenreichen Regionen (wie beispielsweise in Uruguay).

Auch in Thailand wird diese Erziehungsform praktiziert, da hier – wie überall in Südostasien – das heiße und feuchte Klima der Tropen herrscht. Zum Problem für den Weinbau in diesen Breitengraden wird grundsätzlich die Feuchtigkeit, die mit einer großen Krankheitsgefahr für die Reben verbunden ist. Außerdem ist in Äquatornähe nur zwölf Stunden Tageslicht und die Sonne fällt zudem fast senkrecht in den Weinberg ein. Um ihren Reben dennoch genug Sonne zukommen zu lassen, haben sich manche Winzer für die Lyra-Erziehung beziehungsweise eine breitere V-Erziehung entschieden. Dadurch sind die Rebstöcke zum einen relativ gut durchlüftet und stehen andererseits in einem verhältnismäßig guten Winkel zur Sonne.

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