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Carmenère

Carmenère ist eine alte Rebsorte, die vermutlich aus einer natürlichen Kreuzung aus Cabernet Franc und einer inzwischen verschwundenen Rebsorte entstanden ist. Bis zur Reblauskatastrophe gegen Ende des 19. Jahrhunderts war sie im gesamten Südwesten von Frankreich weit verbreitet, insbesondere aber auch in Bordeaux. Gemeinsam mit Cabernet Franc begründete sie dort im Médoc bereits Anfang des 18. Jahrhunderts das Renommee der heutzutage berühmten Châteaux.

Das war einmal – denn die Rebsorte galt nach dem Auftritt der Reblaus in ihrer ursprünglichen Heimat als praktisch komplett ausgerottet. Auch deshalb, weil man bei den Neuanpflanzungen danach auf Carmenère verzichtete, die als ertragsarme Rebsorte galt, weil sie aufgrund ihrer empfindlichen Art nicht nur anfällig für Pilzerkrankungen war, sondern auch für die „coulure“ genannte Verrieselung (gewöhnlich findet immer im Mai die Blüte und der Fruchtansatz bei der Rebe statt, wo aus jeder Blüte im Laufe des Sommers eine Traube wird, wenn sie befruchtet, das heißt bestäubt wurde und Hagel oder Regen das nicht verhindern. Klappt die Befruchtung jedoch nicht, spricht man von „Verrieselung“, bei der die Traubenbildung ausbleibt, was natürlich mit einer Ertragsreduktion verbunden ist).

Obwohl die Rebsorte in Bordeaux offiziell noch immer zu den sechs zugelassenen roten Rebsorten zählt, kommt sie dort inzwischen praktisch nicht mehr vor. Die Reblaus vernichtete in Frankreich fast den gesamten Bestand der Rebstöcke des Carmenère.

Anders die Situation allerdings in Chile. Dort spielte Weinbau lange keine bedeutendere Rolle, bis sich reich gewordene Bergwerksbesitzer (Kupfererz) ab 1851 französische Önologen ins Land holten. Sie brachten nicht nur ihr Wissen, sondern auch französische Rebstöcke mit – neben den anderen ursprünglich in Bordeaux beheimateten auch Carmenère, für die das südamerikanische Land sozusagen der rettende Hafen war.

In Chile gab es aufgrund der isolierten Lage des Landes zwischen Pazifik und Anden nie eine Reblausplage – die Laus hat es nie über die Anden geschafft – und so existieren hier noch immer viele Direktträger, also Rebstöcke ohne amerikanische Unterlagsreben wie hierzulande inzwischen vorgeschrieben. Für einen neuen Weinberg setzt man einfach Stecklinge bestehender Reben in den Boden, ohne sie mit großem Zeit- und Kostenaufwand auf resistente Unterlagen zu veredeln. So gestaltete sich die Ansiedlung neuer Rebsorten wie der Carmenère als relativ unkompliziert.

Allerdings wurde die Rebsorte noch bis in die 1990er Jahre mit Merlot verwechselt! Das mag vor allem daran gelegen haben, dass sich die beiden Sorten äußerlich tatsächlich sehr ähnlich sind, sowohl hinsichtlich der Blatt- als auch der Traubenform. Gleichwohl jedoch hat Carmenère, anders als der höherwertige Merlot, rötlich gefärbte Blätter und ist eine ausgesprochen wuchskräftige Pflanze – die noch dazu drei Wochen nach dem Merlot ausreift.

Nicht zuletzt aufgrund der eigentlich doch recht deutlichen Unterschiede behaupten manche kritischen Stimmen, man habe die beiden Rebsorten aus finanziellen Gründen absichtlich verwechselt. Wie dem auch sei, 1994 jedenfalls stellten Ampelographen aus Montpellier anhand von Genanalysen zweifelsfrei fest, dass zahlreiche Weinberge in Wirklichkeit mit Carmenère bestockt sind. Die Trauer darüber dürfte in Chile nicht lange angehalten haben, begründet die Rebsorte heute mit 10.000 Hektar Rebfläche doch das Renommee des chilenischen Weinbaus: nirgends werden bedeutendere Weine aus Carmenère gekeltert als hier.

Der Name „Carmenère“ leitet sich vermutlich von Farbe „Karminrot“ ab, jedenfalls erbringt die Rebsorte ausgesprochen dunkle und wesentlich körperreichere Weine als jene von Merlot. Das allerdings nur, wenn Carmenère tatsächlich ausgereift ist, weshalb sich ihr Anbau in Regionen mit warmem Klima grundsätzlich lohnt – jedoch nur, wenn sie wiederum im Ertrag begrenzt wird. Es entstehen dann bisweilen im Barrique gereifte, gehaltvolle, aber gleichsam aromatisch komplexe Weine mit relativ wenig Säure und Tannin, aber voller dunkler Beerenfruchtigkeit und herben, rauchigen Noten. Andernfalls dominieren schnell Noten unreifer grüner Paprika den Wein – das gilt es zu vermeiden.

Unbestritten besitzt Chile die meisten und besten Rebflächen für Carmenère, ansonsten finden sich damit bestockte Weinberge in geringerem Umfang auch noch in Norditalien – während man sich in China langsam dafür zu interessieren beginnt.

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