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Kampanien

Kampanien umfasst das Gebiet um die Hauptstadt Neapel und liegt südlich von Latium. Die Landschaft hier ist vielgestaltig und erstreckt sich von der Westflanke des Apennin bis ans Tyrrhenische Meer mit der berühmten Küste von Amalfi. Sanfte, fruchtbare Hügelketten und Küstenebenen erlauben den Anbau verschiedener Traubensorten. Das Klima an der Küste ist heiß und niederschlagsarm, was für schwere, körperreiche Rotweine sorgt. Im Landesinneren, wo Weißwein gemacht wird, erfolgt die Lese später, aber auch hier ist der Einfluß des Mittelmeers noch bemerkbar.

Kampanien_Weinanbaugebiete

20.000 Hektar stehen in Kampanien unter Reben, zwanzig Prozent davon sind als „Denominazione di Origine Controllata (DOC)“ geschützt. Es gibt 19 solche geschützte Herkunftsgebiete und sogar vier noch höher bewertete „Denominazione di Origine Controllata e Garantita (DOCG)“ – mehr als in jeder anderen Region Süditaliens. Die wichtigsten sind:

  • Taurasi (Rotwein)
  • Fiano di Avellino (Weißwein)
  • Greco di Tufo (Weißwein).

Geschichte des Weinbaus

Schon griechische Kolonisten betrieben Landwirtschaft auf den unglaublich fruchtbaren Böden in Kampanien – und damit auch Weinbau. Dass der Boden hier so fruchtbar ist liegt an der vulkanischen Erde. So erwuchsen auch nach dem verheerenden Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 bald wieder neue Möglichkeiten für den Weinbau.

Sofort nach dem Ausbruch des Vesuv wurde von Kaiser Titus eine Kommission zum Wiederaufbau Kampaniens in die Region geschickt. Der Wiederaufbau selbst wird dann aber erst etwa fünfzig Jahre später unter Hadrian beendet. Dazu gehörte auch, das veränderte Land neu aufzuteilen – erst dann konnten die Menschen beginnen es zu bearbeiten, darauf anzubauen und es wieder zu benutzen.

Die Herstellung von Wein war das wirtschaftliche Hauptgeschäft in Kampanien, insbesondere auch um den Vesuv. Während man andere landwirtschaftlichen Produkte wie Olivenöl sogar importierte, konzentrierte man sich hier ganz auf den Weinanbau: Vor dem Ausbruch des Vesuv waren zwei Drittel des Vulkans von Weinbergen bedeckt. Sichtbar wird die damalige Bedeutung des Weinbaus in der Region heute beispielsweise an der Casa del Centenario in Pompeji, dessen Fresken ganz den Mysterien des Bacchus gewidmet sind: Da man damals noch nicht vorhersagen konnte, wie der Wein des neuen Jahrgangs werden würde oder wie man die Natur überhaupt kontrollieren konnte, verließ man sich auf die Götter, das heißt den Weingott. Überwiegend ihm sind die antiken Fresken und Darstellungen in der Region gewidmet.

Kampanien ist in der Antike das „glückliche Land“, wie Plinius der Ältere schwärmt, dessen Wein überall verfügbar ist und alle beseelt. Grundsätzlich tranken damals alle Wein – Wein und alles was damit zusammenhängt hatte eine große Bedeutung für das römische Gesellschaftsleben. Und obwohl er überall im Römischen Reich hergestellt wurde, war insbesondere der Wein aus Kampanien sehr bekannt und wurde deshalb von Pompeji aus im gesamten Römischen Reich vertrieben: Anhand von Scherbenfunden von über 1.300 Amphoren in einer antiken Villa in Oplontis im Umland von Pompeji lässt sich nachweisen, dass kampanischer Wein von dort aus nach Griechenland, Gallien, Spanien, Britannien, Nordafrika und sogar nach Indien verschifft wurde. Vor allem der exzellente Wein der Region erklärt auch, warum soviel Aufwand zum Wiederaufbau der Region nach dem Ausbruch des Vesuv betrieben wurde.

Von der großen Bedeutung der Weinwirtschaft in der Region zeugen noch heute mehrere Villen in Pompeji wie jene der beiden Vettier – freigelassene Sklaven, die ihr Vermögen im Weinhandel erwirtschafteten -, insbesondere aber die sogenannte Mysterienvilla (Villa dei Misteri) unmittelbar vor den Stadtmauern. Sie wurde im ersten vorchristlichen Jahrhundert erbaut, ist eine der größte Villen in Pompeji und umfasst etwa 90 Räume. Ihre kunstvollen farbigen Fresken wie das Große Wandfresko im Triclinium (antikes Speisezimmer) mit Szenen der dionysischen Mysterien zeugen vom Reichtum ihrer einstigen Bewohner. Hier wurden rauschende Feste gefeiert – zu denen auch eigener Wein gereicht wurde, der in derselben Anlage hergestellt wurde: In Pompeji und überhaupt in der Region um den Vesuv gibt es in allen Villen beziehungsweise Landhäusern (villae rustica) die Kombination aus Produktionsstätte und luxuriös ausgestatteten repräsentativen Räumlichkeiten, oft mit Fresken des Weingottes. Auch in den zahlreichen villae rusticae außerhalb von Pompeji finden sich Fresken von Bacchus als Beschützer der Weinproduktion.

In der Mysterienvilla in Pompeji blieb im Produktionsteil bis heute eine große Weinpresse erhalten. Durch sie wurden die Weintrauben in Holzbehältern gepresst. Ihr Saft floss in ein großes Becken und von dort über Kanäle in die charakteristischen Terrakottagefäße, die sogenannten Dolia. Sie sind – wie heute wieder die Kvevri – in den Boden eingelassen um Temperaturschwankungen auszugleichen und dem Wein ideale Bedingungen zur Reifung zu bieten.

Damals produzierte man typischerweise das, was man heute als angereicherten Wein bezeichnen würde: einen kräftigen Wein, der dann mit Wasser verdünnt wurde. Der Römer trank dabei einen ganz anderen Wein als wir heute: Man kannte nicht nur verschiedene Rebsorten, sondern stellte auch unterschiedliche Weine her, wie beispielsweise mit Honig vermischten Wein beim sogenannten Mulsum, einem enorm süßen Aperitifwein.

In Pompeji gab es vor dem Ausbruch des Vesuv schätzungsweise 80 bis 95 Tavernen (wo auch Speisen angeboten wurden) bei einer Gesamtbevölkerung von 10-12.000, was etwa einem Ausschank für 125 Menschen entspricht. Nach der Entdeckung einer Inschrift gehen neuere Schätzungen inzwischen zwar von wesentlich mehr Einwohnern aus – Gabriel Zuchtriegel, Direktor des Archäologischen Parks Pompeji, schreibt in diesem Zusammenhang: „Von den 45.000 Menschen, die laut Inschrift … in Pompeji lebten, dürften mindestens 20.000 im städtischen Zentrum ansässig gewesen sein, vielleicht waren es sogar mehr“ – unbestritten aber ist die große Bedeutung des Weinbaus. Zuchtriegel erklärt: „Das landwirtschaftliche Umland Pompejis umfasst etwa 130 Quadratkilometer. (…) Doch auch wenn die Fläche etwas größer war, dürfte sie dennoch nicht ausgereicht haben, um 45.000 Menschen zu ernähren. (…) Aber damit nicht genug. Ein erheblicher Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche, wohl mehr als die Hälfte, wird in den Jahren vor dem Vesuvausbruch gar nicht zur Versorgung der Bevölkerung genutzt! Anstatt Getreide und Olivenöl wird dort Wein produziert – für den Export“, wie bei den beiden Vettiern. Um zu Überleben war man deshalb erheblich auf Importe angewiesen: „Die Stadt exportierte Wein und andere Güter, um Getreide zu importieren, das sie selbst nicht in den nötigen Mengen anbauen konnte.“

Grundsätzlich wurde Wein außerhalb der Stadt angebaut, man fand aber auch innerhalb der Stadt, zum Beispiel beim Amphitheater, alte Rebstöcke und Wurzeln aus der Antike auf Flächen, die man heute wieder für den Weinanbau nutzt. Aufgrund des vulkanischen Ursprungs war die Erde fruchtbar und der Sarno-Fluss bewässerte die Ebene um Pompeji. Allerdings war die Weinwirtschaft um den Vesuv damals bereits im Umbruch begriffen, das heißt es gab starke Konkurrenz, vor allem aus Gallien und Spanien, wo Wein in guter Qualität zu niedrigeren Preisen produziert wurde. Der Ausbruch des Vesuv jedenfalls zerstörte die kampanische Weinproduktion dann zunächst vollständig.

Die Kulturlandschaft im Süden des Vesuv wurde durch den Ausbruch im Jahr 79 praktisch völlig zerstört: Pompeji wurde unter 6 Metern Asche begraben und das direkt am Golf gelegene Herculaneum zuerst von pyroklastischen Strömen verbrannt und dann unter einer 20 Meter mächtigen Schlammlawine begraben. Nicht zerstört wurde allerdings die Landschaft nördlich des Vulkans. Dort befindet sich unter anderem auch die Villa von Somma Vesuviana aus der Mitte des 2. Jahrhunderts. Hier konnte sehr schnell ein Neustart initiiert werden.

Die riesige Anlage – bislang wurde mit 2.500 Quadratmeter nur etwa ein Zehntel der vermuteten Größe der Villa ausgegraben – vermittelt einen Eindruck davon, wie in Kampanien nach dem Ausbruch des Vesuvs bis ins Mittelalter hinein Landwirtschaft beziehungsweise Weinbau betrieben wurde. Denn in der Villa von Somma Vesuviana wurde im fast schon industriellen Stil Wein hergestellt: etwa 100.000 Liter Wein wurden hier jedes Jahr produziert. In einem ausgeklügelten System wurde der ausgepresste Most weitergeleitet in die im Boden eingelassenen Dolia, wo er weiter gären konnte.

Das zeigt, dass sich die Situation bis ins 2. Jahrhundert hinein wieder völlig erholt hatte – der Boden sogar fruchtbarer geworden ist. Dass sich die Weinwirtschaft relativ rasch wieder erholen konnte liegt auch einem kaiserlichen Dekret von Dometian am Ende des ersten Jahrhunderts, mit dem er den konkurrierenden Weinproduzenten in Spanien und Gallien das Leben schwer machte um die am Boden liegende kampanische Weinwirtschaft zu unterstützten. Die Villa von Somma Vesuviana ist dabei nur ein Beispiel für eine große Weinproduktionsstätte – in der Gegend vermutet man noch zahlreiche weitere, sprechen antike Autoren doch von „blühenden Landschaften“ nach dem Ausbruch. Schon am Ende des 2. Jahrhunderts jedenfalls war der Vesuv wieder voll mit Weinreben.

Campo Flegrei

Mitten in Neapel, im Westen der Stadt, liegen die sogenannten Campo Flegrei, die „brennenden Felder“: sie sind eigentlich die Caldera eines Supervulkans praktisch mitten in der Stadt, direkt neben dem Vesuv. Der römische Dichter Vergil verortete hier den Eingang zur Unterwelt, jedenfalls erkennt man die vulkanische Tätigkeit an den austretenden schwefelhaltigen Gasen – und Temperaturanstiege in den Phlegräischen Feldern bedeuten, dass sich die Magmablase der Erdoberfläche genähert hat, was sich auch an Hebungen und Senkungen des Bodens zeigt (der gesamte Küstenabschnitt lag noch in der Römerzeit mehrere Meter tiefer). Vielleicht liegt es am eisen-, zink- und magnesiumhaltigen Vulkanboden, jedenfalls dienen die Campo Flegrei im Westen von Neapel etwa zwanzig Weinbauern als Anbaugebiet für die Rebsorte Falanghina – der DOC Campo Flegrei.

Das der Boden am Golf von Neapel von geologischen Gegebenheiten geprägt ist liegt daran, dass sich im Süden Italiens die afrikanische Kontinentalplatte unter die europäische schiebt, was regelmäßig für Erdbeben (zuletzt 1980) und vulkanische Tätigkeit sorgt. So gilt der Vesuv auch als der gefährlichste Vulkan weltweit – obwohl er seit 1944 ruht, geht von ihm doch noch immer eine permanente Gefahr aus.

Der fast 1.300 Meter hohe Vesuv besteht eigentlich aus den Resten eines früher wesentlich höheren Schichtvulkans: des Monte Somma, dessen Spitze vor etwa 17.000 Jahren einstürzte und nun das Innere des Einsturzbeckens des neu gebildeten Kegels des Vesuvs bildet, der sich mitten in der Caldera des alten Vulkans gebildet hat. Noch ist der Krater des Vesuv durch diesen Pfropfen verstopft, in der nur etwa 5.000 Meter unter der Erde liegenden Magmakammer aber baut sich unaufhörlich eine gigantische Gasblase auf und der Druck steigt. Ein verheerender Ausbruch ist insofern jederzeit möglich: Wenn der Druck höher als die Resistenz des Propfens wird kommt es zu einem gewaltigen Ausbruch – mit einer Lavafontäne, die mindestens 20 Kilometer in die Höhe geschleudert wird. Hinzu kommen dann gefährliche pyroklastische Ströme, eine im Inneren bis zu 800 Grad heiße Aschewolke, die mit mehreren hundert Kilometern pro Stunde die Hänge hinunter strömen würde.

Wann es dazu kommt, kann man vorraussichtlich erst einige Monate vorher voraussagen. Dass es aber jederzeit geschehen kann, weiß man seit dem Jahr 79, als Pompeji sowie die Hafenstadt Herculaneum, beide am Fuße des Vesuvs gelegen, unter einer sechs Meter dicken Schicht aus Asche und Bimssteinkieseln (in Herculaneum war es eine 20 Meter dicke Schlammlawine und Lava) begraben wurden. Auch damals herrschte vor dem Ausbruch am 24. August 79 eine längere Ruhephase. Danach allerdings war Pompeji eine Geisterstadt – die Toten verharrten dort, wo die Schwefeldämpfe sie übermannt hatte. Ihr Fleisch verweste unter der Asche und hinterließ Hohlräume, die man später mit Gips ausfüllte. Dann wurde die Asche weggeschaufelt und die Körper verblieben an Ort und Stelle – wohin sie es eben noch geschafft hatten, auf der Flucht vor dem Berg.

Lange blieb Pompeji unentdeckt – seine Wiederentdeckung löste dann aber im 18. Jahrhundert die Epoche des Klassizismus aus. Was man jedoch heute sieht und zu rekonstruieren versucht, ist selbst erst 17 Jahre alt: Ursprünglich eine etruskische Siedlung, wurde Pompeji unter den Griechen zur Stadt und schließlich im 1. Jahrhundert v.u.Z. zur römischen Kolonie, bevor ein Erdbeben im Jahr 62 die Stadt verheerte. Der Wiederaufbau war noch gar nicht abgeschlossen, als der Vesuv alles unter einer Ascheschicht begrub. Von vielen darin konservierten Häusern mit ihren kunstvollen Marmor-Mosaiken weiß man gar nicht, wer darin lebte, zahlreiche öffentliche Gebäude wiederum konnte man als solche identifizieren (die wichtigsten Artefakte aus Pompeji befinden sich heute im Archäologischen Nationalmuseum in Neapel). Das Amphitheater am Rande der Stadt bietet bis zu 20.000 Besuchern Platz und gilt als das älteste steinerne Amphitheater überhaupt.

Im Laufe seiner Geschichte wurde Neapel immer wieder von Vesuvausbrüchen heimgesucht, genauso wie von Erdbeben und Seuchen. Denn die Landflucht führte bereits im 16. Jahrhundert zu Überbevölkerung – und als in der Stadt der Wohnraum knapp wurde, hörte man nicht auf zu bauen, sondern baute einfach in die Höhe: die ersten fünf- bis sechsstöckigen Hochhäuser Europas entstanden hier schon in dieser Zeit, mit fensterlosen Kleinwohnungen für arme Grossfamilien im Erdgeschoss. Armut also, Kriminalität und eine unblaubliche soziale Dichte, drängende und laute Enge – kein Wunder, dass eines der größten Gebäude Neapels die Armenherberge aus dem 16. Jahrhundert ist. Im 17. Jahrhundert war Neapel mit 450.000 Einwohnern sogar die größte Stadt Europas. Dann allerdings raffte die Pest zwei Drittel davon hinweg. Heutzutage mögen die Zustände in den Vierteln mit historischer Bausubstanz vielleicht nicht mehr ganz so gravierend sein – die Gefahr durch den Vesuv allerdings besteht nach wie vor.

Etwa drei Millionen Menschen leben im Großraum Neapel – damit ist die Region zehn Mal so dicht besiedelt wie andere Gegenden Italiens. Fast die Hälfte der Stadt ist dabei in den Krater des Supervulkans gebaut, dessen sichtbares Zeichen die Phlegräischen Felder sind. Er ist neben dem Vesuv der zweite vulkanische Unsicherheitsfaktor für die Stadt.

Ischia und Capri

Auch die Neapel vorgelagerten Inseln Capri (DOC Bianco) und Ischia (DOC Bianco) im Golf von Neapel sind Vulkaninseln und erzeugen guten Wein – der letzte Ausbruch auf Ischia fand allerdings im Jahr 1302 statt. Weinbau findet hier traditionell auf Terrassen statt. Es waren die Euböer, die um 750 v.u.Z. auf der Insel Ischia erstmals Wein erzeugten. Aus dieser Zeit stammt auch Nestors Becher – ein in Rhodos gefertigter Trinkbecher, den man auf Ischia fand und der mit einem berühmten Spruch verzierte war: „Nestor besaß einen schönen Trinkbecher, aber wer daraus trinkt, wird bald von Begehren nach der hübsch gekrönten Aphrodite ergriffen.“

Die Hexameterzeilen auf Nestors Becher sind die ältesten Verweise auf Homers Odyssee beziehungsweise den Trojanischen Krieg: sie stammen aus dem 8. vorchristlichen Jahrhundert – der Zeit, in der das Homerische Epos vermutlich geschrieben wurde – und stellen die früheste datierbare griechische Inschrift in Alphabetform dar. Da sich die Schriftzeichen jedoch deutlich von älteren, phönizischen unterscheiden, muss auch das phönizische Alphabet schon längere Zeit vorher in Griechenland übernommen worden sein.

Auf Ischia und Capri steht, wie überhaupt an der Küste, die Falanghina-Traube im Mittelpunkt der Weinbaubemühungen. Unbestritten die besten Weißweine liefern aber die Sorten Fiano und Greco im Landesinneren.

Fiano di Avellino

Fiano ist eine alte autochthone weiße Rebsorte, deren Hauptanbaugebiet rund um die Hauptstadt der Region Irpinia, Avellino liegt. Entsprechend heißt die dazugehörige DOCG Fiano di Avellino. Fiano wächst hier in einer satten, grünen Landschaft auf weit verstreuten Parzellen in einer ausgedehnten Fläche, das von zwei langgestreckten Bergketten (mit bis zu 1.800 Meter Höhe) eingerahmt wird. Das Mittelmeer liegt sechzig Kilometer entfernt, somit herrscht ein kontinentales Klima mit kalten Wintern und heißen, trockenen Sommern vor. Erst im September sorgen kältere Nächte für Abkühlung, was aber zeitig genug ist, um die feingliedrigen Aromen und die Säure in den Trauben zu halten. Fiano wird hier nämlich erst im Oktober geerntet, Wochen später also als an der Küste und mehr als einen Monat später als die Weißwein-Trauben der nördlichen Anbaugebiete.

In den tiefer gelegenen Weingärten stehen die Reben auf lockereren Böden mit relativ hohem Ton- und niedrigem Lehmanteil. Diese Bodenzusammensetzung gefällt nicht nur den Reben, sondern auch Haselnußsträuchern, was beinahe zum Aussterben von Fiano geführt hätte. Heute wird er wieder in insgesamt 24 Gemeinden angebaut – und darf mit maximal 15 Prozent der autochthonen Rebsorte Coda di Volpe verschnitten werden, was aber kaum gemacht wird.

Fiano hat eine blasse Farbe und liefert Weine mit vollem Körper und Aromen von Steinobst, Melone und Mango. Bessere können in Eiche ausgebaut sein und in der Flasche reifen (Wachs und Honig). Wie aber auch Greco ist Fiano keine sehr aromatische Rebsorte, passt aber gut zu Mozzarella die Buffala Campana DOP (einem Kuhmilchkäse mit fünfzig Prozent Fett in der Trockenmasse)

Greco di Tufo

Wie auch Fiano animiert Greco mit seiner Saftigkeit, die fast etwas Salziges hat zum (Weiter-)Trinken. Beiden ist eine an Feuerstein erinnernde Mineralität und eine lebendige, natürliche Säure zu eigen – Charakterzüge, die bei Weißwein aus dem Süden Italiens eine Seltenheit sind. Auch Greco ist eine alte Rebsorte, die vermutlich vor mehr als 2.000 Jahren von griechischen Einwanderern nach Süditalien mitgebracht und dann hier heimisch wurde. Im Gegensatz zu Fiano war sie nie vom Aussterben bedroht.

Zwar grenzt das Anbaugebiet direkt an das des Fiano, dennoch setzte sich hier der Haselnußanbau nie durch, was vielleicht auch damit zu erklären ist, dass die Anbauregion mit nur 8 Gemeinden relativ klein und kompakt ist. Sie beginnt mit dem auf 300 Meter Höhe gelegenen Tufo, der seinen Namen vom dort zu findenden Tuffstein erhielt. Er ist auch namensgebend für die DOCG Greco di Tufo. Von dort breiten sich die Weinberge bis zum sechs Kilometer entfernten höchsten Hügel der Region aus. Die Reben wachsen hier auf Böden aus einem Gemisch aus ockerfarbenem Lehm, Ton und Sand, wobei der Lehmgehalt anders als im Anbaugebiet für Fiano relativ hoch ist. Mikroklima und Höhe sind aber identisch. Einzigartig aber sind die über mehrer Etagen in den Tuffstein geschlagenen Keller.

Ob ein Greco oder ein Fiano im Glas ist erkennt man an der Farbe: der Greco ist intensiv sonnen-goldgelb, der Fiano dagegen blaß. Ansonsten ist der Greco würzig, körperreich mit einer guten Säurestruktur. Oft Edelstahl, manchmal Eiche und Hefesatzaufrühren für mehr Textur.

Neben Franciacorta entstehen hier auch die einzigen in traditioneller Flaschengärung hergestellten Schaumweine in Italien, ebenfalls aus Greco.

Taurasi

Der prestigeträchtigste Rotwein der Region ist Aglianico, der „Barolo des Südens“, der, wie der Name schon andeutet, vor 2.500 Jahren von den Griechen eingeführt wurde: „Aglianico“ stammt von „ellenico“ („hellenisch“). Die Rotweine, die die Besonderheit von Aglianico am eindrucksvollsten zum Ausdruck bringen, sind die Weine aus Taurasi, dem traditionsreichsten Rotwein-Gebiet Kampaniens, auch wenn die Rebsorte in einer ganzen Reihe von Weinen Kampaniens und anderer Regionen vorkommt. Entsprechend auch heißt die DOCG Taurasi. Weine von hier müssen zu mindestens 85 Prozent Aglianico enthalten.

Das Anbaugebiet Taurasi beginnt dort, wo die Anbaugebiete für Fiano und Greco enden – zwanzig Kilometer östlich von Avellino in einer weitläufigen Gegend, in der die kleinen Weingärten auf 17 Gemeinden verteilt sind. Sie befindet sich im Vorgebirge in einer kontrastreichen Landschaft mit imposanten Gebirgszügen. Die siebzig Weinbaubetriebe befinden sich auf Hügeln mit einer Höhe von 250 bis 550 Meter, im Extremfall sogar bis 1.000 Meter.

Der Frühling erreicht die Aglianico-Reben nach einem harten Winter erst zwei Wochen später als die nicht weit entfernte Amalfiküste. Der Sommer ist sonnig und heiß, Abendwinde sorgen aber für etwas Abkühlung. Es regnet selten und der Herbst dauert länger als an der Küste – zwei bis drei Wochen später wird hier gelesen, also erst im November die letzten Trauben.

Auch wenn es die Nähe zum Vesuv nahelegt, stehen die Reben im Taurasi-Gebiet nicht auf schwarzem Vulkangestein, sondern auf hellen, von Tuffstein oder Kalkgestein durchsetzten Lehmböden mit geringerem Sandanteil. Das spiegelt sich auch im Wein wieder: Die schweren Böden führen dazu, dass sich die urwüchsige Kraft und die prägnanten Gerbstoffe des Taurasi zusätzlich hervorgehoben werden. Es entstehen so schwere komplexe Weine.

Taurasi ist dunkel, mit so viel Säure, dass deren biologischer Abbau beileibe keine Routinangelegenheit ist, und hat sehr viel Gerbstoff (deshalb muß Taurasi laut Gesetz drei Jahre reifen, Reserva mindestens vier Jahre), während sich andere Rotweine über ihre Fruchtigkeit erschließen, sind bei Aglianico die Tannine der Schlüssel zum Verständnis (deshalb: karaffieren). Sie sitzen in der dicken Beerenhaut und stammen zusätzlich von den Kernen, die hier nicht immer vollständig ausreifen (und grundsätzlich zuletzt reifen). Dennoch hat Taurasi auch Noten schwarzer Früchte. Auf den Ausbau im Eichenfass folgt eine Flaschenreifung, was zu erdigen Noten führt.

Amalfi

Amalfi liegt auf der Halbinsel von Sorrento am Tyrrhenischen Meer an einer Felsenküste – eben der etwa vierzig Kilometer langen Amalfiküste. Ähnlich wie in der Cinque Terre in Ligurien wird Weinbau auch hier auf Terrassen betrieben, die man in bis zu 550 Meter Höhe in die kalkhaltigen Felsen der Monti Lattari gebaut hatte. Der DOC Costa d`Amalfi darf zwar in insgesamt 13 Gemeinden produziert werden, auch wenn sie nicht direkt am Meer liegen, es gibt hier allerdings nur zehn Weinbaubetriebe, die insgesamt auch nur etwa 35 Hektar Rebfläche bearbeiten. Neben den unterschiedlichen Böden, die auch von vulkanischem Gestein geprägt sind, die vom Vesuv stammen, bestimmen insbesondere die Höhenlage und der Wind vom Meer die unterschiedlichen Mikroklima in den Weinbergen.

Als weiße Rebsorten werden hier die weitgehend unbekannten Fenile, Ripoli, Ginestra und Pepella angebaut sowie Falanghina. Bei den roten Rebsorten dominieren Aglianico und Piedirosse sowie die autochthonen Rebsorten Tintore, Sciascinoso, Olivella, Taralluzzo und Porcino. Das es hier so zahlreiche autochthone Rebsorten gibt liegt womöglich daran, dass Amalfi lange Zeit abgeschlossen und nur zu Fuß oder per Boot erreichbar war – der Küste von Amalfi wurde einst von Flüchtlingen besiedelt, die vor den Sarrazenen flohen. Diese Abgeschiedenheit und Unberührtheit erklärt vielleicht auch den besonderen Reiz der Amalfiküste, die erst 1861 an das Königreich Italien angeschlossen wurde.

Nicht zuletzt auch durch die Weinbergsterrassen – die Küste von Amalfi ist eine über viele Generationen geschaffene Kulturlandschaft. Dolce vita war das Leben hier sicherlich nicht, sondern eher mühselig und hart, wenn auch vielleicht nicht unbedingt arm. Dazu waren die Dörfer damals auch noch zu klein, das heißt man mußte nocht nicht, wie heute in Amalfi, 8.000 Menschen versorgen, die sich auf nur drei Quadratkilometer drängen, die überdies an einem steilen Hang liegen, der nur kräftezehrend über Treppen erreicht werden kann. Kaum zu glauben, dass von hier einst dennoch eine mächtige Seerepublik regiert wurde. Der Dom von Amalfi erinnert jedoch noch an diese glanzvolle Vergangenheit.

Amalfi war schon 958 die erste Seerepublik Italiens – reich, unabhängig und weltoffen. Die Handelsschiffe segelten damals zu Stützpunkten in Konstantinopel, Libanon und Nordafrika. Aber die Blüte währte nur kurz – Pisa und Genua liefen der Seerepublik bald den Rang ab, während Amalfi lange in Vergessenheit geriet und die Dörfer an der Küste wieder verarmten. Positano beispielsweise – im 9. Jahrhundert um eine Abtei der Benediktiner gegründet, die ihr Stammkloster nördlich von Neapel in Montecassino haben – war noch vor fünfzig Jahren ein armes Fischerdorf – und konservierte sich dieses Flair, von dem die Amalfiküste vielleicht noch heute zehrt.

Denn insbesondere seit Goethes „Italienischer Reise“ (1786-1788) ist das mediterrane Italien wieder ins Bewußtsein ein breiteren Öffentlichkeit getreten, zahlreiche sentimentale und schwärmerische Beschreibungen und Berichte beflügeln seither die Fantasie. War Goethe noch über die Alpen gereist um den Geist der Antike zu studieren, dann entdeckte man jetzt die Reize der Landschaft und das Licht des Südens – und wo ist das strahlender als an der lichtdurchfluteten Amalfiküste mit seinen pitoresken Dörfchen?

Paestum

Im Süden Kampaniens, an der Grenze zur Basilikata, liegt die DOC Cilento – ein Anbaugebiet, das insgesamt 58 Gemeinden in einem ausgedehnten Hügelgebiet umfasst. Die Weine aus Cilento werden überweigend aus autochthonen Rebsorten wie Agliancio oder Greco hergestellt, die bisweilen antike griechische Ursprünge haben. Das gilt auch für einen Ort Mitten in dem Weinanbaugebiet, südlich von Salerno: Paestum.

Paestum war eine der antiken griechischen Städte in Süditalien und gehörte als solche zum damaligen Magna Graecia (lateinisch für „großes Griechenland“), das alle Gebiete umfasst, die von griechischen Siedlern ab dem 8. Jahrhundert v.u.Z. kolonisiert wurden. Gegründet wurde Paestum von griechischen Siedlern aus Kleinasien um 600 v.u.Z. als Poseidonia. Gleich mehrere antike Tempelruinen stehen hier – sie wurden erst kurz vor Goethes berühmter Italienreise (1786-1788) hinter einer fast fünf Kilometer langen zyklopischen Mauer wiederentdeckt, als man eine Straße durch Kampanien baute. Nun allerdings hob eine gesamteuropäische Begeisterung an – und alle lernten hier erst, was überhaupt ein griechischer Tempel ist. Goethe behauptete gar, Paestum habe seine Auffassung von Schönheit für immer verändert.

„Was das Auge hier erblickt, sind eben keine bloßen Steine, sondern lebende Wesen“, schrieb auch der bekannte Kunsthistoriker Jacob Burckhardt in seinem Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlichen „Der Cicerone“ – einem der ersten Wegweiser zu allen damals bekannten Denkmäler Italiens. Burckhardt meinte damit in erster Linie den größten der drei in Paestum als Ruinen erhaltenen Tempel, von dem man inzwischen weiß, dass es sich um einen Apollotempel wie in Delphi handelt. Denn dieser Tempel schien tatsächlich zu leben, irgendwie. Oder wie Goethe in diesem Zusammenhang im Faust II schreibt: „Ich glaube gar, der ganze Tempel singt.“

Tatsächlich ist es beim Apollotempel in Paestum wie bei der Akropolis in Athen: es gibt hier keine gerade Linie, keine ebene Fläche, und was gerade oder rechtwinkling scheint, ist in Wahrheit gewölbt oder gebogen. Der ganze Tempel ist eine optische Täuschung, die erst die Illusion von Harmonie oder Symmetrie – mithin die von Schönheit – erzeugt: Denn die Säulen des Tempels sind bauchig und verjüngen sich nach oben, ihre Kannelierung, also die senkrechten Rillen, verstärken diese Aufwärtsbewegung noch zusätzlich. So entsteht eine visuelle Spannung, durch die es scheint, als ob sich der Tempel bewege, als ob er irgendwie lebe.

Ab dem 5. Jahrhundert verliert Paestum immer mehr an Bedeutung, auch weil sich das zuvor fruchtbare Land durch Abholzung immer mehr in einen malariaverseuchten Sumpf verwandelt. So sind von Paestum bis zu seiner Wiederentdeckung nur Ruinen geblieben. Wer aber hier baute und lebte ist unbekannt. In Velia, griechisch Elea, etwa fünfzig Kilometer südlich von Paestum, stehen keine Ruinen mehr, sondern nur noch die Reste von Grundmauern. Hier ist alles untergangen und liegt im Staub – einer grauen porösen Schicht. Es ist Vulkanasche, die sich nach dem Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 legte, als Pompeji und Herculaneum verschüttet wurden. Nichts also steht mehr – aber man weiß, dass hier in Elea um 500 v.u.Z. Parmenides lebte. Und was er dachte, beschäftigt die Philosophie mitunter bis heute: Was kann der Mensch wissen? Was ist Sein? Und können Menschen, Seiende, etwas über das Nichtsein wissen?

Parmenides näherte sich diesen Fragen logisch – und so tat es auch sein Schüler Zenon von Elea. Von ihm ist die Parabel über Achilles und die Schildkröte überliefert: Sie handelt von einem Wettlauf zwischen dem für seine Schnelligkeit berühmten griechischen Helden und einer für ihre Langsamkeit bekannten Schildkröte, die dafür aber einen Vorsprung erhält. Gerade deshalb aber, so Zenon, könne Achilles sie nie einholen – denn jedes Mal, wenn er den Punkt erreicht habe, an dem die Schildkröte zuletzt war, hat die sich schon wieder weiter fort bewegt. Bis Achilles nun diesen Punkt erreicht, ist die Schildkröte schon wieder weiter et cetera. Zenon führt den vermeintlich logischen Beweis, der Philister aber – so Andreas Christoph Schmidt in einem Kommentartext: „Der Philister winkt ab und beugt sich über seinen Nudeltopf …“

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