Essay

vade retro

Von ihren Abteien aus haben Benediktiner- und die aus ihrem Orden heraus entstandenen Zisterziensermönche großen Einfluß auf den Weinbau ausgeübt. Sie verbesserten die Produktionsmethoden nicht nur im Burgund, sondern auch in Deutschland. Anlässlich des Jubiläums der Benediktinerabtei Cluny. Ora et labora oder …

Für Jean Baudrillard sind Begriffe Denkformen, die Ideen generieren, „und zwar vielleicht mehr noch als andersherum“, wie er schreibt. In jedem Begriff sind sprachlich strukturierte Vorstellungsinhalte subsumiert, die den Blick auf die Wirklichkeit bestimmen. Mit diesem Blick ist aber stets auch eine Praxis verbunden und die Art und Weise, wie über etwas gedacht wird, ist entscheidend dafür, wie man mit diesem Sachverhalt umgeht. Die zündende Idee beschreibt vielleicht diesen Umschlag ins Performative, die Umsetzung in die Tat. Begriffe sind insofern immer auch Gesten – menschliche Praxis ist in diesem Verständnis stets auch bewußte, reflektierte Praxis, wobei die handlungsleitende Reflexion, die Zielvorstellung des Handelns, dann auf eine Ideologie oder einen ideologisch affizierten Begriff bezogen bleibt. Insofern denken wir zwar innerhalb einer sprachlichen Matrix, haben aber auch die Macht, Begriffe umzuschreiben und zu reformieren.

Thorsten Melsheimers Riesling „vade retro“

Der Winzer Thorsten Melsheimer von der Mosel tut das mit einem Riesling, den er auf den Namen Vade Retro getauft hat. Damit spielt er auf die mittelalterliche Formel Vade retro, Satana! an, die ursprünglich Weiche, Satan! oder Zurück, Luzifer! bedeutet und eine Beschwörungsformel während des römisch-katholischen Exorzismusrituals ist. Sie nimmt Bezug auf zwei Stellen in der Bibel: Zum einen auf die Versuchungsgeschichte Jesu, wie sie im Matthäus-Evangelium (4,10) festgehalten ist, wo Jesus Satan mit dem Satz Vade, Satana! befiehlt von ihm abzulassen, und außerdem im Markus-Evangelium (8,33), wo Jesus Petrus anfährt mit dem Ausspruch Vade retro me, Satana!

Diesen Bedeutungszusammenhang nun schreibt Melsheimer um, indem er die exorzistische Beschwörungsformel umdeutet und den Namen als Verweis darauf nimmt, dass sein Wein Vade Retro nicht geschwefelt ist – und auch sonst nicht weiter mit „Teufelszeug“ bearbeitet wurde, also ohne Verwendung von chemischen Stabilisatoren, Hefenährsalzen und vielem mehr. Es handelt sich um einen unter ökologischen Kriterien hergestellten Naturwein, man möchte sagen einen auf ursprüngliche, traditionelle Weise hergestellten, naturbelassenen Wein. Vade Retro ist dann begriffen als Aufforderung, zurück zu kehren zum ökologischen Weinbau, „Methoden der biodynamischen Wirtschaftsweise zu nutzen“, wie er selbst schreibt, zum Wohle der Natur.

Entsprechend auch lagerte der Vade Retro ein Jahr lang unbearbeitet im gebrauchten Barriquefass. Seine Farbe hat er dabei nicht, wie bei einem Orange Wine, von der Maischestandzeit (hier resultiert die orange Farbe aus dem Kontakt mit der Schale, indem Farbpigmente, und außerdem auch Tannine, aus der Beerenhaut extrahiert werden), sondern allein von der Oxidation des Weines im Holzfass.

Schwefel wird im Rahmen der Weinbereitung normalerweise zur mikrobiologischen Stabilisierung des Weines verwendet, um eine bakterielle Verunreinigung auszuschließen. Um seinen Wein dennoch zu stabilisieren, hat Melsheimer auf einen biologischen Säureabbau verzichtet und dem Riesling seine natürliche ausgeprägte Säure gelassen: ein niedriger ph-Wert ist eine Alternative, Wein mikrobiologisch zu stabilisieren. (Allerdings kann zu viel Apfelsäure auch zu Fehltönen beziehungsweise einer ungewollten Sauerkrautnote führen.)

Die Benediktiner

Blickt man in der Geschichte zurück, ist das Vade Retro, Satana! in seinem Ursprung mit dem Benediktinerorden verbunden: Die Formel findet sich in einem Manuskript aus dem Jahr 1415 in der bayerischen Benediktinerabtei Metten. Von ihren Abteien aus haben die Mönche großen Einfluß auf den Weinbau ausgeübt, auch in Deutschland.

Seit dem Niedergang des römischen Imperiums lag die Weinproduktion hier praktisch brach. Die seit Karl dem Großen (768-814) erstarkenden Klöster, vor allem die Benediktiner aus dem Burgund, haben die Produktionsmethoden, die seit den Römern kaum Fortschritte gemacht hatten, entscheidend verbessert. Das macht sich, wie man heute vielleicht besser weiß, insbesondere bei Spätburgunder bemerkbar, den die burgundischen Mönche mit nach Deutschland brachten. Denn er ist anfällig gegen Fäulnis und auch sonst sehr arbeitsintensiv. Ein zu hoher Ertrag macht sich außerdem schnell negativ in der Qualität bemerkbar. Spätburgunder ist insofern ein Paradebeispiel für die These, daß Weinqualität zu einem überwiegenden Teil aus dem Weinberg kommt und nicht im Keller gemacht wird. (Riesling hingegen taucht erst sehr viel später in deutschen Weinbergen auf: im Jahr 1435 wird er zwar erstmals in einer Rechnung der Stadt Rüsselsheim urkundlich erwähnt, aber erst im Jahr 1720 entsteht der erste zusammenhängende Riesling-Weinberg in Deutschland, als die Benediktinerabtei in Johannisberg im Rheingau 294.000 Riesling-Rebstöcke pflanzt.)

Ihren Stammsitz hatten die Benediktiner im italienischen Kloster Montecassino nördlich von Neapel (den Orden gegründet hat Benedikt von Nursa, der von 480 bis 560 in Kampanien lebte) und in Cluny, das ein idyllisches Dorf im Burgund war, als hier am 11. September 910 die neue, von bischöflicher Autorität unabhängige, Benediktinerabtei geweiht wurde. Von hier aus sollte, nach der geistigen Krise und dem Niedergang des klösterlichen Lebens in Folge der Auflösung des Karolingerreiches, die Erneuerung der Kirche erfolgen. Und das Reformkloster Cluny sollte einen lang andauernden Einfluss ausüben. Schon Mitte des elften Jahrhunderts hatte sich die Abtei zum Zentrum eines Ordensverbandes entwickelt, dem tausendfünfhundert Klöster angehörten, davon etwa 160 in Deutschland.

Der Akzent des Ordensmottos ora et labora, bete und arbeite, verschob sich durch die Einführung von Konversen (Laienbrüdern ohne Priesterweihe), die die Arbeit verrichteten, bald auf ersteres und die Mönche konnten sich uneingeschränkt dem geistlichen Leben widmen. Gleichzeitig gelang es dem Orden jedoch, sich zunehmend Reichtum und weltlichen, das heißt politischen Einfluß zu verschaffen und gründliche Reformen auch außerhalb der Kirchenordnung durchzusetzen. Eine ursprünglich in der Auvergne entstandene Friedensbewegung beispielsweise wurde erst wirklich in weiten Regionen Frankreichs angenommen, als sich Cluny involvierte. Diese weltlichen Erfolge und die zunehmende Opulenz des Mönchslebens jedoch sorgten auch zunehmend für Unmut und führten zu einer „Krise des Mönchtums“: Sollte mönchisches Leben nicht in Kontemplation stattfinden und war nicht Bescheidenheit eine mönchische Tugend?

Die Zisterzienser und der Weinbau

Der Unmut einiger Benediktinermönche führte zur Gründung eines neuen Klosters in Cîteaux (lateinisch Cistercium, deutsch Zisterze, von dem sich auch der Ordensname herleitet), keine hundert Kilometer von Cluny entfernt. Etwas später wurde auch in Clairvaux eine Abtei errichtet. Hier wurde ein asketisches Gegenbild zur der von Schönheit und Pracht inspirierten Religiosität in Cluny entworfen: Scharf wandten sich die Zisterzienser gegen die Elite der benediktinischen Mönche in Cluny, gegen die Machtgelüste der römischen Kurie und die Prachtenfaltung in den Bischofskirchen. Sie forderten stattdessen Askese und Arbeit, die mönchischen Regeln des heiligen Benedikt sollten strenger ausgelegt, die Regelsätze gewissermaßen umgeschrieben werden – in freiwilliger Armut und Bescheidenheit.

Die Mönche in Citeaux wollten zu den einfachen christlichen Idealen zurückkehren und reformierten das Klosterleben. Angetrieben wurden sie dabei vom später so genannten Bernhard von Clairvaux (1090-1153), der im Jahr 1112 in das Kloster Citeaux eingetreten ist und bald zum Abt in Clairvaux wurde. Über den neuen Mönchsorden sagte er: „Hier treten nur Seelen ein. Das dient zu nichts.“ Unter ihm verbreitete sich der Orden der Zisterziensermönche, wie sie sich nannten, rasch. Wälder wurden gerodet, Flüsse reguliert – und ein Kloster nach dem anderen errichtet, zunächst im Burgund: in La Ferté, Pontigny, Morimond, Foigny, Troisfontaines und schließlich auch in Fontenay, dessen Bau Bernhard persönlich überwachte. Die Abtei in Fontenay gilt deshalb als wichtigstes Zeugnis für den bernhardinischen Plan, also die Umsetzung seiner Vorstellungen, wie ein Kloster und das monastische Leben auszusehen habe.

Anders als die Benediktiner hielten die Zisterzienser auch das labora des heiligen Benedikt in Ehren. Bernhard predigte: Demjenigen, der besonnen und nüchtern lebt, reiche als einziges Gewürz das Salz und der Hunger. Den Clunyzianern rief er mit Verweis auf die Benediktusregel entgegen, sie mögen das Nichtstun des otium mit der Arbeit vertauschen um so einen natürlichen Hunger anzuregen. Entsprechend übertraf ihre wirtschaftliche Tätigkeit, die sich vom Prinzip der klösterlichen Eigenwirtschaft löste und zunehmend marktorientiert war, die anderer Orden bei weitem. Ein Mönch der durch das Klostertor trat, unterwarf sich strengen Ordensregeln: Der Tagesablauf ist von harter Arbeit geprägt, ansonsten läutete schon Nachts um 2 Uhr die Glocke zum ersten Mal – sieben Mal täglich ruft sie die Mönche zum Gebet.

Die Klosterkirche von Fontenay entspricht in ihrer Schlichtheit ganz und gar den Vorstellungen des heiligen Bernhards. Anders als die meisten Zisterzienserkirchen besteht sie aus einem etwa 17 Meter hohen und 66 Meter langen Raum mit großen Arkaden. Der Chor ist quadratisch angelegt, sechs Fenster lassen reichlich Licht herein. Bei Sonnenschein taucht der gelbe Stein das Gotteshaus in mystisches Licht. Der Altar bestand zu Berhards Zeiten vermutlich aus einem einfachen Tisch, die figürlichen Reliefdarstellungen an der Wand dahinter wurden erst nach seinem Tod dort angebracht. Bernhard hatte in seinen Klöstern Abbildungen verboten – nichts sollte die Mönche vom Beten abhalten -, nur die Gottesmutter Maria war davon ausgenommen. Ihr waren grundsätzlich alle Zisterzienserklöster geweiht.

Über eine kleine Treppe gelangten die Mönche von der Kirche hinauf ins Dormitorium, den Schlafsaal im oberen Stockwerk. Sie schliefen in ihrer Kleidung, die Kapuze über den Kopf gezogen. Das Lager war hart – eine dünne Lage Stroh auf dem Boden, ein Tuch, eine Wolldecke und ein Kissen waren das einzige Zugeständnis an ein wenig Bequemlichkeit. Druch eine niedrige Wand waren die einzelnen Schlafplätze voneinander getrennt. Tagsüber konnten sich die Mönche in den Kreuzgang zurückziehen, wenn sie ihre Arbeit getan hatten. Hier waren sie unter sich – und mit Gott.

An den Kreuzgang schließen sich in Zisterzienserklöstern die Gemeinschafts- und Versorgungsräume an. So gelangt man in Fontenay vom östlichen Kreuzgang durch einen großen Rundbogen in den Kapitelsaal, den Versammlungsraum der Mönche mit seinen stämmigen romanischen Säulen, die das Dormitorium darüber tragen. Nur im Kapitelsaal war die Schweigepflicht aufgehoben, hier wurden die Angelegenheiten und Belange des Klosters besprochen. Zunächst las ein Mönch aus der Heiligen Schrift vor, der Abt kommentierte das Vorgelesene dan und erteilte praktische Anweisungen für die Arbeit im Klostergut. Danach beichteten die Mönche: Mit lauter Stimme bekannten sie ihre Verfehlungen. Über Buße und Bestrafung entschied der Abt.

Schon bei der Trockenlegung von Sümpfen und der Bezwingung von Wildwasser beim Bau ihrer Abteien hatten die Mönche bemerkt, dass sich mit der Wasserkraft vieles tun läßt. So gebrauchten sie das Wasser nicht nur zum Trinken und Waschen und zur Bewässerung ihrer landwirtschaftlichen Kulturen, sondern auch für das Mühlrad und für das Hammerwerk, mit dem Metalle bearbeitet wurden. Erze aus der Umgebung wurden verarbeitet – und aus dem gewonnen Eisen wurde insbesondere auch andere Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände hergestellt. Die Schmiede von Fonenay – fast fünfzig Meter lang ist das Gebäude – war einer der ersten Industriebetriebe Europas.

Beim Bau des Klosters wurden große Arbeitsräume geschaffen. In dem einzigen beheizbaren Raum des Klosters konnten sich die Mönche im Winter aufwärmen. Hier wurden auch die wertvollen Schriften aufbewahrt, die von den schriftkundigen Mönchen kopiert wurden. Ansonsten waren die Mönche insbesondere auch in der Landwirtschaft tätig: Die Zisterzienser versorgten sich mit allem Notwendigen selbst, die Versorgung des Klosters sollte autark und unabhängig sein. Besonders auch der Weinbau war ihnen dabei ein Anliegen, schon unmittelbar nach der Ordensgründung in Citeaux pflanzten sie die ersten Weinstöcke in den steinigen Boden eines nahegelegenen Hanges. „Gab es ein besseres Pendant zur geistlichen Arbeit, als im Schweiße seines Angesichts aus Trauben das Blut Christi zu gewinnen?“, fragt Bart Van Loo in seinem Buch über die Geschichte des „Burgund“ (2020).

Es bleibt nicht bei dem einen Weinberg, unermüdlich pflanzen sie Rebstöcke überall in der Nähe ihrer Klöster. Die Zisterzienser begründen damit die reiche Geschichte des Weinbaus im Burgund. Im Jahr 1212 wird in einem Dokument erstmals das 50 Hektar große Clausum de Vougeaut erwähnt, ein ummauerter Weingarten, „clos“ genannt, im nördlichen Teil der Côte d`Or, den man vielleicht besser als den berühmten Grands Cru Clos de Vougeaut kennt (den sich heute 80 Weinbauern teilen). Und im Jahr 1273 bewirtschaften die Mönche alle Weinberge in Gevrey-Chambertin, ebenfalls im nördlichen Burgund. Auch im südlichen Burgund, in Meurseult, sind sie bald tätig.

Wie zahlreiche andere Klöster wird auch das Kloster in Fontenay im Verlauf der französischen Revolution 1790 enteignet – und drohte anschließend komplett zu verfallen. Im 19. Jahrhundert jedoch wurde es in seiner ursprünglichen Gestalt wieder aufgebaut. Eine große geistige Bewegung ließ sich nun freilich nicht mehr organisieren, aber so wurde zumindest das vollkommendste Abbild einer Zisterzienserabtei wiedererrichtet. Nach seinem Vorbild wurden damals in ganz Europa Zisterzienserklöster gebaut, über 700 sollten es werden. In Deutschland ist das prominenteste Beispiel – neben dem bereits 1136 errichteten Kloster Eberbach im Rheingau (das als Kulisse für die Verfilmung von Umberto Ecos Der Name der Rose diente, das von einer mysteriösen Mordserie handelt, die im Jahr 1327 eine norditalienische Benediktinerabtei erschüttert) – sicherlich die 1147 errichtete Klosteranlage Maulbronn – die einzige vollständig erhaltene Klosteranlage aus dem Mittelalter nördlich der Alpen.

Maulbronn war eine von vielen hundert Klostergründungen der Zisterzienser zu Lebzeiten von Berhard von Clairvaux: Schon bald nach den Klostergründungen im Burgund gelingt es ihm, die Verbreitung des Zisterzienserordens auch über den Rhein voranzutreiben. So erreichen zwölf Mönche aus Clairvaux 1147 über das Elsass auch das Tal der Salzach. Der Bischof von Speyer hatte ihnen dort Land überlassen – ein versumpftes, unwirtliches Waldgebiet am Fuße des Stromberges zwischen Heidelberg und Stuttgart – und sogleich beginnen die Mönche dort eine Abtei zu erreichten. Wie hier in Maulbronn, trugen die Zisterzienser überall in Deutschland zur Erschließung bisher noch unbewohnter Waldgebirge bei, indem sie ihre Klöster – oft weiträumige Klosteranlagen nach dem Vorbild von Fontenay – in dieser Weltabgeschiedenheit gründeten.

In stillen Tälern und Wäldern wollten die Mönche zur höheren Ehre Gottes beten und sich unabhängig von der Welt versorgen. So entwickelten ihre Abteien nicht nur zu geistlichen Zentren, sondern nach und nach auch zu wirtschaftlichen. Zum Kloster Maulbronn gehörten deshalb von Anfang an auch landwirtschaftliche Betriebe (sogenannte Grangien) und Nutzflächen sowie, aufgrund der Fastenregeln, oftmals auch Fischteiche, deren Wasser in einem ausgeklügelten Kanalsystem gesammelt wurde. Um Maulbronn lassen sich etliche solcher Teiche finden, in denen vermutlich auch Karpfen gehalten wurden. Sie sind etwas größer als Schleie und wurden im Mittelalter von den Zisterziensermönchen aus der Schwarzmeerregion zu uns gebracht. Weil die Zisterzienser fleißig waren, erwarb das Kloster rasch Eigentum. Außerdem wurden weitere Lagerhallen, Werkstätten und Mühlen gebaut.

Da Reichtum verlockend ist, entstand auch eine Klosterbefestigung. Damals wurde auch der Eingangsbereich der Kirche neu gestaltet. Bernhards Klöster sollten eigentlich einfach sein. So durften die Mönche für das Glockenwerk auch keinen Turm errichten. Ohnehin wollten die Mönche allein sein und keine weltlichen Pflichten haben. Deshalb war auch in ihren Kirchen kein Platz für eine Gemeinde. Nur die Mönche sollten hier ihre Gottesdienste feiern.

Die Kirche des Maulbronner Klosters wurde erst 31 Jahre nach Baubeginn, im Jahr 1178 eingeweiht – Bernhard von Clairvaux war zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben. Ursprünglich war der Innenraum der Kirche sehr sparsam ausgestattet, dann allerdings erhielt er im 14. und 15. Jahrhundert sein heutiges Gesicht – und zwar gegen alle bernhardinischen Bauvorschriften. Schon Anfang des 13. Jahrhunderts änderte sich der Baustil: aus bodenhaftiger einfacher Romanik wird nun reich gegliederte Gotik. So erhielt das ursprünglich einfache, flache Holzdach des Mittelschiffes jetzt ein geschmücktes Netzgewölbe. In den Ostchor wurden große Fenster gebrochen – die ursprünglich dunkle Zisterzienserkirche hat in ihrem Altarraum jetzt reichlich Tageslicht, dass das aus einem Stein geschlagenen Kreuz und Körper Christi des Maulbronner Kreuzes beleuchtet. Schließlich ist auch das Chorgestühl mit seinen 92 Plätzen ein typisches Werk der Spätgotik: Die kunstvollen Schnitzereien zeigen Szenen des Alten Testaments. Viele Stunden verbrachten die Mönche hier betend und singend – dem strengen Sinn des heiligen Bernhard hat das Gestühl aber sicherlich nicht entsprochen, hat er bildliche Darstellungen doch eigentlich verboten. Das gilt auch für den Hochaltar, der etwa zeitgleich mit dem Chorgestühl Mitte des 14. Jahrhunderts im gotischen Stilumgestaltet wurde. Die Holzreliefs am Altarblock stellten nun auch Szenen der Kreuzigung und des Todes Christi dar – und bis auf die Gesichter waren die Figuren früher sogar komplett vergoldet.

Nach der Reformation wurde das Land und auch das Kloster evangelisch – und die Zisterzienser mußten das Kloster verlassen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich einzig das Refektorium der Mönche, der Speisesaal, in seinem ursprünglichen Zustand: Er ist eine zweischiffige gewölbte Halle mit schmalen, hohen Rundbogenfenstern. An der Decke sind hier Ansätze einer ornamentalen Zeichnung zu sehen, die jedoch nicht weiter ausgefürt wurde. Der Refektorium ist sicherlich einer der schönsten erhalten Säle aus dem Mittelalter.

Maulbronn war nicht unbedingt für Weinbau bekannt, es waren aber die Zisterziensermönche die ihre Weinreben aus dem Burgund mit nach Deutschland brachten. So kam auch der Spätburgunder hierher – nach Malterdingen in Baden beispielsweise. Vor siebenhundert Jahren fanden die Zisterzienser in dem Gewann Mönchhofmatten dasselbe Kalksteinterrain vor wie im burgundischen Gevrey-Chambertin. So war „Malterdinger“ auch lange Zeit ein Synonym für Pinot Noir. Eine Liste mit Lagennamen, die auf die Mönche Bezug nehmen oder den Einfluß der Kirche für den Weinbau unterstreichen, wäre lang, der Mayschosser Mönchberg im Ahrtal, wo Benediktinermönche des Klosters zu Deutz Wein anbauten, ist nur ein weiteres Beispiel für eine solche Lage.

In Deutschland, aber nicht nur hier, sind die Zisterzienser für viele technische Innovationen und Entwicklungen im Weinbau verantwortlich, wie etwa die Veredelung der Reben, moderne Keltern, Barriquefässer oder den Bau von Steinmauern zum Schutz vor Wildverbiss. Wie bereits erwähnt, wurde auch das Kloster Eberbach im Rheingau im Jahr 1136 von Zisterziensern gegründet. Bis heute bewirtschaftet es in Assmannshausen einen Spätburgunder-Weinberg, der aus dem Rheingauer Riesling-Rebenmeer herausragt. Dass es sich bei diesem Weinberg aber ausgerechnet um den Höllenberg handelt, ist eine besondere Ironie der Geschichte.

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