„Wie ein Amphitheater“ schmiegt sich der Mönchberg um das Weingut, schreibt der Deutzerhof aus Mayschoss im Ahrtal. Tatsächlich ähnelt der Weinberg mit seiner konkaven Formung und den eingearbeiteten Steinterrassen dem antiken Dionysostheater in Athen, das zum Modell für alle Theaterbauten der Römer werden sollte. Sie waren es auch, die den Weinbau in Deutschland begründeten …
Das Ahrtal
Vor etwa 325 Millionen Jahren faltete sich das Rheinische Schiefergebirge und schuf so die Voraussetzungen für die etwa fünf Millionen Jahre alte Ahr. Der Fluß schuf über Jahrtausende ein äußerst enges, wärmestauendes Tal mit steilen Hängen an beiden Seiten und damit eine warme Mikroklimazone, die erfolgreichen Weinanbau so weit nördlich überhaupt erst möglich macht. Denn das Ahrtal liegt geografisch zwischen dem fünfzigsten und einundfünfzigsten Breitengrad und damit eigentlich knapp zu weit nördlich der für den Qualitätsweinanbau als gut geltenden Temperaturzone zwischen dem dreißigsten und fünfzigsten Breitengrad (nur hier herrschen jährliche Durchschnittstemperaturen um die zehn Grad und hat der Rebstock eine klimatisch bedingte Ruhepause). Dennoch wird im Ahrtal auf 550 Hektar Wein angebaut – und überraschenderweise sogar hauptsächlich Rotwein, der so weit nördlich normalerweise nicht gut ausreift. Das Ahrtal ist in Deutschland damit das nördlichste zusammenhängende Rotweinanbaugebiet.
Eines der Weingüter, die sich im Ahrtal überwiegend auf den Anbau von Rotwein konzentrieren, ist der Deutzerhof – und einer seiner Spitzenweine der Spätburgunder vom Mayschosser Mönchberg. Wie im gesamten Ahrtal wird auch am Mönchberg überwiegend Spätburgunder angebaut, denn Spätburgunder ist früh austreibend und reifend und braucht eine lange Reife- beziehungsweise Vegetationsphase. Insofern ist er bestens geeignet für kühlere Regionen wie das Ahrtal – es muß sogar kalt sein, damit er wenig von seiner natürlichen Säure verliert und sich seinen schlanken Körper bewahrt beziehungsweise nicht zu „marmeladig“ wird (oft wird Spätburgunder an guten Rieslingstandorten angepflanzt). Andererseits aber darf es auch nicht zu kalt sein, damit er ausreifen und seine typischen Aromen ausbilden kann.
Der Mayschosser Mönchberg
All das ist im Ahrtal gewährleistet und am Mönchberg so gut realisiert, dass ihn der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) sogar als Grosse Lage klassifiziert hat. Der Mönchberg ist somit eine von insgesamt vierzig klassifizierten Einzellagen an der Ahr (mit 46 Hektar mithin die größte), die die Anforderungen der Reben in idealer Weise erfüllt und höchste Qualität ermöglicht. Damit die Rebe nämlich ihren jährlichen Wachstumszyklus durchlaufen kann, müssen bestimmte Anforderungen erfüllt werden – neben genügend (aber nicht zuviel) Wasser, Sonnenlicht für die Photosynthese (etwa 1.450 Sonnenstunden im Jahr sind es im Ahrtal) und Nährstoffen aus dem Boden, ist dabei auch Wärme von entscheidender Bedeutung, damit die Reben wachsen und die Trauben reifen können.
Ist das Klima im Ahrtal schon vergleichsweise mild für die nördliche Lage (die Durchschnittstemperatur beträgt 9,8 Grad), ist es im Mönchberg nochmal etwas wärmer. Und das ist auch wichtig, denn die Rebstöcke stehen hier in 200 bis 220 Metern Höhe über Mayschoss. Sie wachsen auf einem Boden aus massivem Schiefer im Untergrund sowie einem kleinen Lehm- und Lössanteil und Schieferverwitterungsgestein (Grauwacke) an der Oberfläche. Für seinen im Mönchberg angebauten wurzelechten Spätburgunder verwendet der Deutzerhof einen kleinbeeriger Klon, der sich schon seit Jahrzehnten tief in den Schiefer gebohrt hat. Dadurch geraten die Weine mineralisch, wobei die kühle Mineralik des Schiefers durch den Lehm und Löss etwas abgepuffert wird, was sich im Spätburgunder dadurch bemerkbar macht, dass der Wein etwas weicher und früher zugänglicher ist.
Dieser Reifeeffekt ist aber insbesondere auch auf das warme Mikroklima im Mönchberg zurückzuführen, der durch die Ausrichtung der Rebflächen nach Süden und seine konkave Krümmung die Sonnenstrahlen den ganzen Tag über optimal einfängt. Oberhalb der Reben wächst Wald (Eifel), der den Weinberg nach Norden abgrenzt und gegen kalte Winde schützt. Die Hänge des Mönchberg sind perfekt zur Sonne hin exponiert, ermöglichen einen steilen Sonneneinfall, und haben viele Weinbergsmauern aus Schiefergestein, die die Wärme zusätzlich speichern und nachts wieder abgeben. Die natürlichen geografischen Bedingungen werden so bestens genutzt.
Mit den eingearbeiteten Steinterrassen und seiner konkaven Krümmung ähnelt der Mönchberg tatsächlich sehr einer antiken Sitztribüne, die man bisweilen auch – wie die Weinbergterrassen in den Mönchberg – in natürliche Abhänge gegraben beziehungsweise in Stein gehauen hat. Zum ersten Mal realisiert wurde das im Dionysostheater am Südhang der Akropolis in Athen. Es ist das älteste erhaltene Theater dieser Art und das älteste dieses Typus und wurde zum Vorbild für den gesamten griechischen Theaterbau: Von Athen aus verbreitet sich die muschelförmige Theaterform überall in der Mittelmeerregion.
Das Dionysostheater in Athen
In Athen befand sich seit der Mitte des 6. Jahrhunderts vor Christus, erbaut noch vom Tyrannen Peisistratos, das wichtigste Heiligtum des Gottes Dionysos. Es wurde am Südhang der Akropolis errichtet, wo man jährlich Ende März die Großen Dionysien feierte, das glänzendste Fest zu Ehren des Gottes. Das Heiligtum stand in direktem Bezug zum Theater, das im Prinzip „seine organische und funktionelle Erweiterung darstellte“, wie es in einem Katalog des Athener Akropolismuseums heißt. Denn ursprünglich war die Tempelanlage oberhalb eines runden Tanzplatzes errichtet worden, auf dem die heiligen Kultriten stattfanden. Diese erste orchestra (abgeleitet vom Verb orchoúmai für tanzen; Bei der Orchestra handelt es sich ursprünglich also um einen kultischen Tanzplatz) bildet den Kern des Dionysostheaters.
Seine heutige Form hat das Dionysostheater um 460 vor Christus erhalten, als das sogenannte theatron, von dem sich unser Theater ableitet, in den Burgberg der Akropolis eingearbeitet wurde. Zum theatron gehört neben dem bisher hölzernen, ab jetzt steinernen Zuschauerraum mir Platz für 16.000 Zuschauer, koilon genannt (für Keil, da die Zuschauerreihen mittels Treppen in mehrere Blöcke unterteilt wurde, die sich im steilen Hang von oben nach und unten keilförmig zuspitzen und der Tribüne so eine Muschelform geben), die kreis- oder später halbkreisförmige orchestra, um die die Zuschauerterrassen angelegt wurden, sowie als drittes Element die skene, anfangs ein Bühnengebäude, aus dem sich dann die (erhöhte) Bühne im eigentlichen Sinn entwickelte. (Ursprünglich fand sich in jedem antiken Theater auch noch ein Altar – und zwar mitten in der Orchestra –, was den essentiellen Charakter unterstreicht, den die rituelle Opferhandlung für die Entstehung des Theaters hatte. Entsprechend auch hat der Begriff des theatron einen Wandel durchgemacht, denn ursprünglich war damit nur die Zuschauermenge bei einem Opfer bezeichnet, später dann jede Anlage im kultischen Bereich, von der aus man religiösen Ritualen oder Prozessionen zusehen konnte – also der Zuschauerraum –, bevor er zum Theater als Gesamtanlage auch in unserem heutigen Verständnis wurde.)
Die Orchestra war ursprünglich einem Chor zugedacht, der hier seine Dionysos geweihten Kultlieder und Tänze aufgeführt hat – die im Laufe der Zeit immer epischeren Charakter annahmen und einen antwortenden Schauspieler hervorgebracht haben. Das ist die Geburtsstunde des Theaters in unserem heutigen Verständnis: Während der großen Dionysien traten maskierte, bocksgestaltige Chorsänger (sogenannte tragodoi, Bockssänger) mit kultischen Tänzen auf, denen im Verlauf ein einzelner, antwortender Schauspieler gegenüber trat. Damit vollzog sich ein entscheidender Schritt vom chorischen Tanz zum Drama (abgeleitet vom Verb dráo für handeln, spielen), in dem sich die Darstellungen mythischer Geschichten außerdem bald nicht mehr ausschließlich auf Dionysos bezogen. Dass die Tragödie zur festen Form gelangte, ist wesentlich Aischylos` Verdienst, indem er einen zweiten Schauspieler einführte, wodurch der zu einem dramatischen Konflikt verdichtete Mythos in These und Gegenthese ausgetragen werden konnte. Komplexer wurden die Dialogszenen noch, als Sophokles einen dritten Schauspieler einführte. Euripides schließlich komplettiert die Trias der klassischen Dramatiker.
Die Theater des antiken Griechenland waren in der Regel in natürliche Hänge eingebettet, denn die Lage an einem Hang verringerte den Aufwand für den Unterbau des Zuschauerraumes. Das muschelförmige Koilon besitzt dabei viele Vorzüge: Wie die konkave Formung des Mayschosser Mönchberg die Sonnenstrahlen optimal einfängt, bietet die runde Formung des Koilon eine ideale Akustik, wie man beispielsweise noch heute auf jedem der 14.000 Sitzplätze im Theater von Epidauros unmittelbar erfahren kann. Unterstützt wird die Akustik dadurch, daß an natürlichen Hängen warme Luft von unten nach oben steigt und dadurch den Schall bis in die obersten Reihen trägt. So nutzt man auch hier, wie im Weinbau, einen natürlichen Effekt, der durch die Ausrichtung nach Süden, wie im Fall des Dionysostheaters, noch verstärkt wird.
Abgesehen von der einheitlichen Akustik bewirkt die Form des Koilon mit seiner architektonischen Einfachheit und Klarheit auch eine Einheit des Sitzraumes, in der das politische, demokratische, Selbstverständis der Athener Polis um 500 vor Christus zum Ausdruck kommt: Jeder Zuschauer hat bestmögliche Sicht und zugleich wird ihm bewußt gemacht, daß er Teil eines „einheitlichen Zuschauerkörpers“ (Hans Lauter) ist, in dem das Ganze der Polis repräsentiert ist. (Entsprechend wurden die Bürgervollversammlungen, ekklesiai genannt, von der agora, dem Marktplatz, nach der Fertigstellung ins Dionysostheater verlagert.)
Das römische (Amphi-)Theater
Als Bauform hat das griechische Theater auch in römischer Zeit keine nennenswerte Veränderung mehr erfahren, sie adaptieren diese – aus dem griechischen theatron wird das lateinische theatrum. Allerdings werden diese dank der von den Römern eingeführten Betonbauweise jetzt öfter auch freistehend errichtet und kreisrund. (Der Begriff Amphitheater bezeichnet ein Rundtheater!) Deren Bauweise, die ausführlich von Vitruv in seinem Werk De Architectura beschrieben wird, dienen auch als Vorlage für römische Umbauten älterer griechischer Theater. Das Dionysostheater beispielsweise in seiner heutigen Gestalt mit halbkreisförmiger Orchestra ist Resultat eines Umbaus nach römischem Muster. Oft wurde so die griechische Skene auch zur lateinischen Scaenae Frons, womit ein ganzes Bühnengebäude mit bemalten Kulissen bezeichnet ist.
Umgekehrt aber ist für Rom selbst keine heimische Theatertradition überliefert. Die römische Theaterkultur entsteht ausnahmslos durch die Übernahme griechischer Vorbilder. Mit diesen war man nicht zuletzt durch Aufführungen in Magna Graecia bekannt, wie beispielsweise in den griechischen Kolonien auf Sizilien, wo die Hellenen in Syrakus ein gewaltiges Theater errichtet haben – und nicht zuletzt den Weinbau kultiviert haben. (Die Hellenen bezeichneten Italien als oenotria, Weinland, wie Sizilien später zur Kornkammer des römischen Imperiums werden sollte. Noch heute verweisen autochthone Rebsorten wie Greco oder Aglianico, das von ellenico, hellenisch, stammt, auf die 2.500-jährige Geschichte der Griechen in Süditalien.)
Dennoch werden zur Zeit des Kaiser Augustus im ganzen römischen Imperium Theater gebaut, mit denen man politische und kulturelle Hegemonie zu demonstrieren versuchte. „Das Theater war der Bau par excellence, der diese Botschaft auch mit Inhalten versehen transportieren konnte. (…) Dem Machtpolitiker Augustus wird dabei nicht entgangen sein, dass sich im Theater wie sonst kaum irgendwo die Massen konzentriert zusammenfanden und dass dort ein exzellenter Ort der Kommunikation existierte“, bemerkt Rüdiger Gogräfe in diesem Zusammenhang. Sie wurden jetzt insbesondere auch benutzt für öffentliche Ehrungen, die vielen Statuen politischer Persönlichkeiten, die man mitunter noch heute im Umkreis dieser Theater findet, geben davon Zeugnis.
Die Römer in Deutschland
Das dürfte auch für Mainz gegolten haben, wo zwar kein vollständiges römisches Theater erhalten ist, aber auch hier, wo sich ein Zwei-Legionen-Lager befand, wurde am Fuß der heutigen Zitadelle ein römisches Theater errichtet, dessen Ruinen sowie einige wenige Artefakte noch zu sehen sind. Über die Veranstaltungen dort wird zwar leider kaum etwas berichtet, dennoch dürfte die Bedeutung des Mainzer Theaters nicht zu unterschätzen gewesen sein, zeigten sich doch einige dort ansässige Heerführer andernorts als „Männer des Theaters“ (Gogräfe), allen voran Kaiser Hadrian (er lebte von 76 bis 138 nach Christus), der zunächst in Mainz als Militärgouverneur stationiert war und später im Dionysostheater in Athen mehrfach geehrt wurde und auch in der Umgebung seiner Villa in Tivoli gleich drei Theater bauen ließ.
Nicht nur das Theater brachten die Römer mit nach Deutschland, sondern sie führten ebenso den Weinbau hier ein – auch an der Ahr. Hier allerdings wohl eher mit einzelnen Hausweinbergen und zur Selbstversorgung. Dafür sprechen Münzen des römischen Soldatenkaisers Gallienus (der von 260 bis 268 nach Christus regierte), die in einem Weinberg bei Neuenahr gefunden wurden.
Wie an der Ahr errichteten die Römer in unterworfenem Land ein eigenes System von Agrarbetrieben auf Basis der Villa rustica. Wer in einer dieser Villen lebte, dachte als Agrarier beziehungsweise Landwirt und führte einen arrondierten Betrieb in der Landwirtschaft. Entsprechend sollte, wie bereits Plinius der Jüngere ausgeführt hat, die Villa rustica auch angelegt sein. Im Hinblick auf die Auswahl des geeigneten Grundstücks schreibt der Agrarschriftsteller Columella (4-70) in seinen „Zwölf Büchern über Landwirtschaft“ („Rei rusticae libri duodecim), das neben Catos „De agri cultura“ das wohl bedeutendste erhaltene Werk über die Landwirtschaft aus römischer Zeit ist: „So wesentlich es ist, welcherlei Boden man bearbeitet und auf welche Weise man es tut, so ist es doch nicht weniger wichtig, wie man das Wirtschaftsgebäude anlegt. (…) Ein Landwirt wird … – nach Cato – den Boden seines Areals soweit in Beschlag legen, dass ‚weder dem Haus das Ackerland noch dem Ackerland das Haus fehlt‘. Wie dieses im ganzen gelegen sein soll, will ich im folgenden darstellen (…) Wer sich anschickt, ein Gebäude zu errichten, muss es nicht nur in einer gesunden Gegend, sondern am gesündesten Platz dieser Gegend tun (…) Erstrebenswert ist also eine in Wärme und Kälte gemäßigte Atmosphäre, wie sie etwa auf halben Hängen zu herrschen pflegt, wo sie nicht, in Niederungen eingesenkt, zur Winterzeit von Reif erstarrt oder im Sommer in der Gluthitze brät, noch zu den höchsten Erhebungen emporgehoben, bei den geringsten Windstößen und Regenschauern zu jeder Jahreszeit wütet. Die beste Lage ist also die am halben Hang …“ (genau hier, in der Mitte des Hanges, haben übrigens auch die Burgunder ihre besten Lagen für die Weinrebe verortet).
Villen wurden von den Römern bisweilen in der Nähe von Städten angelegt, nur in ihrer Nähe konnten überhaupt landwirtschaftliche Kulturen wie Weinberge angelegt werden, die erst nach drei Jahren eine erste Lese und damit Einnahmen ermöglichen: Erträge eines Weinberges konnte nur derjenige nutzen, der ihn perspektivisch anlegte. (Im Gegensatz zu den Germanen, deren Lebensweise sie zur beständiger Verlagerung ihrer Siedlungen zwang, wies das römische System des Ackerbaus Stabilität aus, genauso, wie ein Weinstock erst mit der Zeit die besten Erträge liefert, wenn sein Stamm verholzt ist.) Dennoch entwickelte sich der Weinbau unter den Römern – vor allem im Moselgebiet, aber auch am Mittelrhein, in der Pfalz, im Neckargebiet (sowie im Donautal in Niederösterreich). Wie Hansjörg Küster in seiner „Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa“ (2010) schreibt, ließen sich Oliven „aus klimatischen Gründen nicht nördlich der Alpen anbauen, aber die Techniken, die zur Behandlung des Ölbaumes erforderlich waren, wurden auf die Kulturen anderer Bäume übertragen, zum Beispiel das Okulieren und das Propfen.“
Die Erschließung einer Region erfolgte bei den Römern stets in den Flusstälern als natürlichen Verbindungswegen. So war es bereits in Frankreich, wo sie von Masalla (Marseille) aus das Rhône-Tal hinauf in die Provinicia Narbonensis (das heutige Languedoc) und bis ins Burgund (wo allerdings kein schiffbarer Fluß fließt) wanderten: Versorgungsgüter wurden aus dem Mittelmeergebiet durch einen geologischen Grabenbruch entlang der Route Rhône – Saône – Mosel bis an die Oberläufe von Rhein und Donau geschafft. Dieser Wasserweg diente ihnen für den Transport von Waren aus dem Mittelmeer nach Germanien – oder sie schafften Güter zunächst (zum Teil auch über Land) bis ans Basler Rheinknie, nach Augst, wo sie einen wichtigen Stützpunkt unterhielten, und von dort aus nach Mainz, Köln bis ins Rheinmündungsgebiet und sogar nach Britannien. Überall dienten ihnen die Flüsse als Transportwege für ihre mit Wein gefüllten, 35 Liter fassenden Tonamphoren. Wein kam, wie man Anhand von Tonscherben weiß (im ehemaligen Kölner Hafen aus dem 1. Jahrhundert nach Christus wurden Unmengen an Scherben gefunden, von denen 350 Pinselaufschriften, sogenannte „tituli picti“ tragen) aus Spanien, Südfrankreich, Italien, von Rhodos, Kreta und von der kleinasiatischen Küste. Süßes „defrutum“ – ein eingedickter Traubenmost – wurde aus Italien und Spanien an den Rhein geliefert.
Ansonsten legten die Römer überall, wo sie sich niederließen auch selbst Weingärten beziehungsweise eben Villen an. Wein von Mosel, Rhein und Donau wurde in Holzfässer, die nur in den Provinzen Gallien und Germanien zum Einsatz kamen, stromaufwärts verschifft. Diese Fässer war gewöhnlich aus dem Holz der Tanne hergestellt, die nur in Süddeutschland (Schwarzwald, Frankenwald, Bayrischer Wald) beziehungsweise im Alpenraum wächst (weshalb sich die Herkunft der Fässer und Verbreitungsgebiet des Weines auch relativ leicht bestimmen läßt).
Als die Römer unter Gaius Julius Cäsar in den gallischen Kriegen im 1. Jahrhundert vor Christus, also vor über 2.000 Jahren, immer weiter vorrückten, besetzten sie auch die Moselregion und gliederten das eroberte Gebiet in die römische Provinz Gallia Belgica ein. Zu dieser Provinz gehörte das ganze linksrheinische Gebiet vom Bodensee bis zur Nordsee, während sie das rechtsrheinische Gebiet nach der sogenannten „Hermannsschlacht“ den verschiedenen germanischen Stämmen überließen und ihm deshalb auch den Namen „Germania“ gaben. Neben dem Weinbau am Rhein hatte auch die Mosel sowie die Region um Trier zur Zeit des römischen Imperiums bald größere Bedeutung. Im 2. Jahrhundert wurde hier auch ein Amphitheater errichtet, das nach seiner Fertigstellung 20.000 Besucher fasste.
Tatsächlich ist Trier die älteste Stadt Deutschlands: Als Cäsar unter Kaiser Augustus Gallien eroberte und dem römischen Weltreich einverleibt hat, wurden die dort lebenden Treverer zu einem Stamm unter vielen im römischen Vielvölkerstaat. Sie arrangierten sich jedoch schnell mit der Weltmacht, vielleicht ließ Augustus deshalb vor 2.000 Jahren auf ihrem rechtsrheinischen Stammesgebiet, am Flussufer der Mosel, eine Stadt errichten, Augusta Treverorum, die heute als Trier bekannt ist. Weitab von den Frontlinien sollte von hier aus ein großes Gebiet verwaltet, das heißt Trier wurde der Sitz des Statthalters über drei Provinzen: neben zwei germanischen Provinzen auch noch Gallia Belgica.
Scheinbar überall drangen die römischen Legionen in den folgenden Jahren vorwärts. Unter Kaiser Trajan (98-117) erreichte das Imperium schließlich seine größte Ausdehnung. Das Imperium Romanum war zu einem Weltreich geworden das nicht mehr von Rom aus und auch nicht mehr von einem Menschen alleine regiert werden konnte, weshalb Diokletian (284-305) die Macht nun zwischen vier Kaisern aufteilte und die sogenannte Tetrarchie errichtete. Augusta Treverorum, das inzwischen „Treveres“, Stadt der Treverer, genannt wurde, war zu dieser Zeit bereits eine bedeutende Stadt im Römischen Reich und wurde nun sogar zur Residenzstadt für einen dieser vier Kaiser – es war der Vater von Konstantin dem Großen (270?-337), der später zum ersten christlichen Kaiser wurde.
Bis Anfang des 4. Jahrhunderts stieg Trier so zu einer der Hauptstädte des Römischen Reiches auf und wurde sogar als „zweites Rom“ bekannt. Entsprechend prunkvoll waren seine Bauten. Schon im 2. Jahrhundert wurde das bekannte Stadttor Porta Nigra als nördlicher Zugang zur Stadt errichtet. Nachdem es Konstantin nach dem Tod seines Vaters und der Auflösung der Tetrarchie im Jahr 306 gelang die Macht in einem eigentlich usurpatorischen Akt an sich zu nehmen und so die Kontrolle über Britannien und Gallien (später auch noch Hispanien) zu erlangen, begann er bald die Stadt umgestalten und erneuerte in diesem Zusammenhang auch das ursprüngliche Amphitheater.
Von den zahlreichen Bauten die die Römer in Trier errichteten, überragte die kaiserliche Palasthalle, die heutige Basilika, mit ihren dreißig Metern Höhe alle. Sie wurde von Konstantin im Jahr 310 vollendet und ist zu der Zeit der größte Hallenbau nördlich der Alpen – eine architektonische Machtdemonstration des Imperium Romanum. Unter dem Triumphbogen im Inneren stand der Thron des Imperators, hier empfing Konstantin seine Untertanen – ein Mann, der offensichtlich nach noch mehr Macht strebte. Deshalb ist er im Jahr 312 Richtung Rom aufgebrochen, um die Alleinherrschaft zu erringen – und tatsächlich besiegt er dort seinen Rivalen in der Schlacht an der Milvischen Brücke nördlich von Rom, nachdem ihm dort in einer Vision ein untrügliches göttliches Siegeszeichen erschien, das signum crucis. In Trier hatte er seine Frau und seinen Stiefsohn als Statthalter zurückgelassen, doch der jung verheiratete Sohn wird bald des Ehebruchs mit seiner Stiefmutter, der Frau Konstantins, beschuldigt – ein Staatsverbrechen. So wird Konstantin der erste christliche Kaiser, der Sohn und Frau hinrichten läßt.
Im Mittelalter waren dann die Bischöfe die Herren der Stadt. Kirchen wurden gebaut – und der gewaltige Dom entstand an der Stelle, wo zuvor der Kaiser regierte. Insbesondere die Zisterzienser sorgten nun für die Weiterentwicklung des Weinbaus in Deutschland – dass hier aber überhaupt Wein angebaut wurde, verdankten sie den Römern. Mit ihnen gelangte im ersten Jahrhundert Reben von Frankreich aus nach Deutschland. Auf den Muschelkalkböden an der Obermosel bei Trier pflanzten sie, so glaubt man, auch Elbling. Er gehört zu den ältesten kultivierten Weißweinreben Europas und wurde vermutlich schon vor 2.000 Jahren hier angebaut. Die Römer nannten ihn wohl Vitis Alba, die Weisse Rebe. Sprachforscher nehmen an, daß sich aus dem Wort Alba über die Begriffe Alben und Elben die Bezeichnung Elbling formte. Wie auch immer – die Römer erkannten schnell die guten Bedingungen für Weinbau in der Region. Und so wundert es auch nicht, dass „der überwiegende Teil des Weins, der in römischer Zeit an der Ahr getrunken wurde, von der Mosel kam“, wie Paul Gieler weiß. Das aber ist eine andere Geschichte.