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Klimaneutraler Wein

Fast 0,9 Kilo Kohlendioxid werden derzeit durchschnittlich für die Produktion von einer Flasche Wein in Deutschland ausgestoßen, auch wenn für fast die Hälfte davon allein die Glasflasche verantwortlich ist. Folgt man dem Deutschen Institut für Nachhaltige Entwicklung (DINE) emittieren die heimischen Weingüter jährlich so viel klimaschädliches Kohlendioxid wie 160.000 Menschen. Von Tausenden Winzerinnen und Winzern hierzulande arbeiten bisher nur relativ wenige klimaneutral. Nach und nach aber wächst auch in den Weinbaubetrieben das Bewusstsein dafür, dass sich der gesellschaftliche Anspruch an die Weinproduktion – wie grundsätzlich an den Umgang mit Ressourcen – inzwischen grundlegend verändert hat. Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden insofern auch in der Weinbranche zunehmend als Notwendigkeit begriffen, um zukünftige Lebensgrundlagen zu erhalten.

Klimaerwärmung

„Die großen gegenwärtigen Veränderungen im globalen Klima sind beinahe ausschließlich ein Ergebnis menschlicher Einwirkungen auf die Umwelt“, stellt der Historiker Peter Frankopan in seiner im Mai erschienenen monumentalen Weltklimageschichte fest. Zu beobachten sind diese globalen Veränderungen insbesondere seit Beginn der Industrialisierung, mit der das Zeitalter der fossilen Brennstoffe eingeläutet wurde. Denn seit dieser Zeit stoßen wir den im Boden eingelagerten Kohlenstoff durch die Nutzung fossiler Brennstoffe wieder in die Atmosphäre aus: Bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle und Erdöl entsteht Energie in Form von Wasserdampf, aber auch Gase wie Kohlendioxid (CO₂ ), Methan (CH₄), Lachgas (N₂O) und indirekt Ozon, die die Wärme daran hindern, ins All zu entweichen, und deshalb auch Treibhausgase genannt werden: Wenn die kurzwelligen Sonnenstrahlen auf die Erde treffen, wird ein Teil zu Wärme, die als langwellige Infrarotstrahlung von der Erdoberfläche reflektiert wird. Treibhausgase wie Kohlendioxid sind für diese langen Wellen aber nicht durchlässig – sie absorbieren sie und werfen die Wärme einfach wieder auf die Erde zurück. Das ist der sogenannte Treibhauseffekt. Steigt der Anteil dieser Gase in der Atmosphäre an, so wird dort mehr Hitze gehalten – das ist der Grund für die gegenwärtig zu beobachtende globale Klimaerwärmung.

Der dramatische Anstieg der Nutzung fossiler Brennstoffe seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hat zu einem massiven Anstieg der Treibhausgasemissionen geführt und zu starken Temperaturanstiegen. Mit etwa 36,6 Milliarden Tonnen erlangte der Kohlendioxidausstoß 2018 seinen vorläufigen Höhepunkt. Die globalen Veränderungen gehen dabei heute so schnell von statten wie nie zuvor in den letzten 50 Millionen Jahren: „In den 800 000 Jahren bis zum Beginn der Industriellen Revolution kamen auf eine Million Luftmoleküle 250 CO₂ -Moleküle. Bis 2018 stieg dieser Anteil auf mehr als 408 Partikel an – das ist ein Niveau, das seit dem Pliozän vor mehr als drei Millionen Jahren nicht mehr erreicht wurde“, erklärt Frankopan.

Damals lagen die Durchschnittstemperaturen um zwei bis drei Grad Celsius höher als heute – aber inzwischen ist die Konzentration klimaschädlicher Treibhausgase in der Atmosphäre sogar noch höher, wie aus einem aktuellen Bericht der Weltwetterorganisation (WMO) der Vereinten Nationen hervorgeht: Demnach lag die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre im vergangenen Jahr bei 417,9 ppm (parts per million), das heißt Kohlendioxid macht nur etwa 0,04179 Prozent der Atmosphäre aus, das aber entspricht einer Konzentration, die 50 Prozent über dem vorindustriellen Niveau liegt und jetzt schon zu unkontrollierbaren Ereignissen führt. Und auch die Treibhausgase Methan (CH₄) und Lachgas (N₂O) erreichten 2022 Rekordwerte, Tendenz steigend. Selbst wenn es gelänge, die Emissionen bald zu senken – weil Kohlendioxid eine lange Lebensdauer hat, werde der schon jetzt eingetretene Temperaturanstieg noch Jahrzehnte anhalten, so die WMO.

Bis heute hat es keine einzige der größeren Volkswirtschaften der Welt geschafft, ausreichend Maßnahmen umzusetzen, damit die zuletzt im Rahmen des Pariser Klimaabkommens von 2015 vereinbarte Zielvorgabe – die bis auf Syrien von allen Staaten der Erde anerkannt ist –, die Erderwärmung auf 1,5 °C gegenüber der vorindustriellen Ära zu begrenzen, auch eingehalten werden kann. Das zeigt, „dass wir uns wirklich auf das Schlimmste vorbereiten müssen“, wie Frankopan mit Blick auf zahlreiche untergegangene Zivilisationen in der Vergangenheit warnt, wenn es uns nicht gelingt, hier Ergebnisse zu zeitigen. Dann würden nämlich zahlreiche sogenannte Kipppunkte erreicht, jenseits derer sich ein System unumkehrbar verändert, „oft abrupt und/oder unumkehrbar“, so der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), mit verheerenden Konsequenzen für die Ökosysteme, wie der aktuelle Global Tipping Points Report zahlreiche Studien diesbezüglich zusammenfasst.

Um die Auswirkungen der Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten zumindest zu minimieren, so haben zahlreiche Modellrechnungen ergeben, sollte die emittierte Menge an Treibhausgasen bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber dem 1990 gemessenen Wert gesenkt werden. Dazu müsste die Kohle-, Öl- und Gasproduktion in diesem Zeitraum global um 4 Prozent sinken. Außerdem dürften 60 Prozent der Reserven an Erdöl und Erdgas sowie 90 Prozent der Kohlereserven nicht abgebaut werden, wollte man das Kohlendioxid-Budget einhalten, das zur Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C unabdingbar wäre. Allerdings gibt es noch immer zahlreiche Länder, die bis heute „keine verbindlichen Klimaschutzziele festgelegt haben und wachstumsstarken Dekaden entgegenblicken, wodurch ihr relatives Gewicht an der globalen Wirtschaftsleistung, aber auch den Treibhausgasemissionen, steigen werden“, wie die Klimawissenschaftlerin Helena Ponstein in einer Artikelserie zu klimaneutralem Wein in Das Deutsche Weinmagazin, schreibt.

Auch in Deutschland hinkt man hinterher. Will man hierzulande bis 2045 klimaneutral werden, wie von der Bundesregierung avisiert, wird zum einen der politische Druck zunehmen müssen, aber auch Eigeninitiative bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen und dem Ressourcenverbrauch ist gefordert. Um tatsächlich klimaneutral zu werden, müssten alle Sektoren mitziehen, das gilt insbesondere auch für die Landwirtschaft beziehungsweise den Weinbau. Denn insgesamt sank die Emission aller Treibhausgase zwischen 1990 und 2022 laut Umweltbundesamt zwar geschätzt um 38 Prozent, aber nicht überall gleich: Während die Emissionen in der Industrie, die einen Anteil von etwa 7,5 Prozent an den Gesamtemissionen hat, im Vergleichszeitraum nämlich um knapp 39 Prozent abnahmen, sank der Emissionswert in der Landwirtschaft, die mit 7,4 Prozent etwa den gleichen Anteil an den Emissionen hat wie die Industrie, nur um 22 Prozent.

Was das nun auf das einzelne Weingut bezogen bedeutet, erklärt Helena Ponstein in ihrer Artikelserie: „In welcher Größenordnung müsste denn das eigene Unternehmen Treibhausgasemissionen (THG) reduzieren, um eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C oder wenigstens auf 2 °C zu ermöglichen? Die Science Based Targets Initiative (SBTI) hat das Emissionsbudget, also die theoretisch verbleibende Menge an THG-Emissionen, die zu der gewünschten Begrenzung der Erwärmung führen würden, mit der dafür nötigen Emissionsminderung auf individueller Ebene abgeglichen. Sie rechnet vor, dass ein Unternehmen ausgehend vom Basisjahr 2020 bis 2030 die THG-Emissionen um 42 % senken muss, um zum 1,5 Grad-Ziel beizutragen.“

Klimaerwärmung im Weinbau

Die vom Mensch verursachte Klimaerwärmung hat natürlich auch Auswirkungen auf den Weinbau. Abgesehen von extremen Wetterereignissen lassen insbesondere Hitzewellen und damit verbundene Trockenperioden den Wein leiden. Denn selbst wenn der jährliche Niederschlag durchschnittlich gleich bleibt, so sorgen höhere Temperaturen doch dafür, dass auch die Evaporation und Transpiration steigt und es so zu Wasserknappheit im Weinberg kommt.

Verglichen mit den Anbaugebieten am Mittelmeer ist der Weinbau in Deutschland noch in einer komfortablen Situation – es gibt hier, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, noch Eingriffsmöglichkeiten im Weinberg, die es erlauben, sich an den Temperaturanstieg anzupassen. Insgesamt aber, global betrachtet, wird das wachsende Wasserdefizit tendenziell sicher mit einem Rückgang der Erntemengen in vielen Weinbauregionen einhergehen und letztlich auch zu einer Abnahme an Rebflächen führen: „Im Mittelmeerraum, in Kalifornien, Chile, Südafrika und Australien werden voraussichtlich bis Mitte des Jahrhunderts große Anteile der heutigen Anbauflächen von Weintrauben wegen des Zusammenspiels aus wachsendem Wassermangel und den hohen Temperaturen, die weiter ansteigen werden, aufgegeben werden müssen“, bemerkt Helena Ponstein in diesem Zusammenhang.

Hinzu komme, dass sich „die Konkurrenz um Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung zuspitzen“ wird, weil auch die „in Richtung der Pole verdrängt“ werden, wie Ponstein bemerkt: „Die Prognose ist, dass durch die Erderwärmung die Produktionskapazität auf für den Ackerbau genutzten Flächen im Durchschnitt weltweit abnimmt. Auch der Weinbau ist von diesem Trend stark betroffen.“ Laut einer aktuellen Meldung der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) wird 2023 jedenfalls weltweit so wenig Wein hergestellt wie seit 60 Jahren nicht mehr. Auch wenn Deutschland als viertgrößtes europäisches Erzeugerland hier nicht im globalen Trend liegt – weltweit liegt die Weinproduktion mit schätzungsweise 244 Millionen Hektolitern sieben Produzent unter dem bereits unterdurchschnittlichen Volumen von 2022. (Italien und Spanien verzeichnen demzufolge einen deutlichen Rückgang, während Frankreich 2023 zum weltweit größten Erzeuger aufsteigen wird mit einem Volumen, das leicht über seinem Fünfjahresdurchschnitt liegt.)

Nun ist die Weinbranche aber nicht nur leidtragender der globalen Erwärmung, sondern die Weinbaubetriebe tragen durch ihren Energiebedarf und die verwendeten Materialien auch selbst dazu bei. Die Aufmerksamkeit dafür jedoch wächst und auch die Bereitschaft, etwas dagegen zu tun: „Das Bewusstsein wächst, dass die Notwendigkeit besteht, effektiv Klimaschutz zu betreiben, um die zukünftigen Lebensgrundlagen zu erhalten“, bemerkt Ponstein. Schon 2010 hat sie für das erste deutsche Weingut, das Weingut Zähringer in Baden, eine Emissionsbilanz erstellt als Grundlage und Voraussetzung für klimaneutrales Wirtschaften.

Emissionsbilanz und Klimaneutralität

Klimaneutral – das heißt, dass alle in der Emissionsbilanz ausgewiesenen klimaverändernden Aktivitäten an anderer Stelle wieder vollständig ausgeglichen werden, auch durch den Kauf von Emissionsrechten, mit denen Klima- und Naturschutzprojekte andernorts unterstützt werden. Oft wird der Begriff Klimaneutralität mit Treibhausgasneutralität oder Kohlendioxidneutralität gleichgesetzt – die Emissionsbilanz gibt hier grundsätzlich Auskunft darüber, welche klimaschädlichen Faktoren in welchem Ausmaß eingerechnet wurden (entsprechend spricht man mitunter auch vom CO₂-Fußabdruck beziehungsweise dem Product Carbon Footprint, PCF). Der Weltklimarat IPCC unterscheidet insgesamt sechs, im Kyoto-Protokoll 1997 festgelegte, Treibhausgase: neben den bereits genannten Kohlendioxid, Methan und Lachgas sind das noch die synthetischen Gase Fluorkohlenwasserstoffe (FKWs), Perfluorcarbone (PFCs) und Schwefelhexafluorid (SF6).

Alle genannten Gase haben einen wärmenden Effekt auf das Klima, weil die synthetischen Gase aber einen wesentlich größeren Einfluss haben als Kohlendioxid (das gilt auch für Lachgas, von dem ein Kilogramm für das Klima so schädlich ist wie 298 Kilogramm CO₂), jedoch nur in sehr geringen Mengen ausgestoßen werden, rechnet man sie auch in sogenannte Kohlendioxidäquivalente (CO₂e) um, damit sie miteinander verglichen werden können. Weil es außerdem technisch äußerst anspruchsvoll ist, Gase wie Methan und Lachgas der Atmosphäre zu entziehen, müssen deren Emissionen durch zusätzliche Aufnahme von CO₂ ausgeglichen werden.

Bei Weinbaubetrieben ist es bisweilen insbesondere CO₂ aus der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen im eigenen Fuhrpark oder dem von Transportunternehmen, sowie aus der Stromerzeugung, was hierzulande immer noch die Verbrennung von Kohle umfasst, das sich in der Bilanz auswirkt. Hinzu kommt Methan (CH₄) und Lachgas (N₂O), wie Ponstein erklärt, das durch die Ausbringung von Stickstoffdünger entsteht.

Die Berechnung der Emissionen erfolgt nach einem erstmals 2004 vom World Resources Institute und dem World Business Council for Sustainable Development herausgebrachten Standard, bei dem allein die Treibhausgasemissionen eingerechnet wurden. Inzwischen gibt es mehrere umfassendere Berechnungsstandards wie jenes der Internationalen Organisation für Normung (ISO) oder der OIV, die auf der Grundlage des internationalen Regelwerks des Greenhouse Gas Protocol herausgegeben wurden. Mit ihm wurde der Fokus auch über den einzelnen Betrieb hinaus auf die gesamte Wertschöpfungskette erweitert, also auf komplette Kette vom Weinberg über den Weinbau, die Lese und den Transport weiter zur Traubenverarbeitung, dem Ausbau und der Abfüllung der Weine bis hin zur Verpackung und dem Vertrieb. Grob lassen sich insofern die Bereiche Weinbau, Weinkeller, Verpackung und Transport unterscheiden.

Die Emissionsbilanz eines Weinbaubetriebes umfasst insofern auch alle der Vinifizierung der Weintrauben vor- und nachgelagerten Prozesse, also alle Emissionen, die vom Betrieb direkt verursacht werden oder indirekt dem Bezug von Energie, Rohstoffen und Dienstleistungen zuzurechnen sind.

Nach dem Greenhous Gas Protocol werden die Emissionen dabei in sogenannte Scopes eingeteilt, was sich mit Bereich oder Umfang übersetzen lässt, wie Ponstein erklärt: „Sinn und Zweck ist es, die Emissionsquellen dem Handlungsspielraum von Unternehmen zuzuordnen.“ Man unterscheidet folgende Scopes:

  • Die Emissionsquellen in Scope 1 werden direkt vom Weinbaubetrieb kontrolliert und betreffen die Kohlendioxidemission bie der Verbrennung fossiler Brennstoffe durch den Fuhrparksowie die Emission weiterer klimaschädlicher Gase durch Düngemittel
  • Scope 2 betrifft die Emissionen des Energieversorgers
  • Scope 3 umfasst alle weiteren Emissionsquellen wie beispielsweise solche, die bei der Herstellung von Verpackung und Vertrieb entstehen – hier wirkt sich vor allem die Glasflsche negativ auf die Bilanz aus – aber auch durch die Verbrennung von Brennstoffen durch private Kraftfahrzeug der Beschäftigten (sofern sie nicht Fahrzeuge aus dem betriebseigenen Fuhrpark benutzen)

Umfasst werden soll durch diese Scopes folglich das vollständige Inventar der wesentlichen Ressourcen und Energieträger, die bei der Weinproduktion verwendet werden.

Die Erstellung einer Emissionsbilanz ist die notwendige Voraussetzung für klimaneutrales Arbeiten, allerdings in der Regel mit finanziellen Kosten und eine gewissen Zeitaufwand verbunden. Zurecht verweist Gerald Franz in diesem Zusammenhang darauf, dass die deutschen Betriebe hier im internationalen Vergleich benachteiligt sind: „Während in Übersee Weingüter oft riesige Unternehmen sind, die über das nötige Personal und die Strukturen verfügen, um auf eine CO₂-neutrale Produktion umzustellen, handelt es sich bei den meisten Winzereien in Deutschland um kleine Familienbetriebe. Das macht zwar die Qualität der hiesigen Weinerzeugung aus. Doch die Umstellung ihrer Betriebe auf mehr Klimaschutz ist für die meisten schlicht überfordernd.“

Das allerdings galt anfangs auch für den ökologischen beziehungsweise biologischen Weinbau – auch dort waren die Vorbehalte zunächst groß. Inzwischen jedoch arbeiten zahlreiche renommierte Winzer nach ökologischen Prinzipien oder sind sogar als nachhaltig zertifiziert, wie beispielsweise das Pfälzer Weingut Philipp Kuhn, immerhin vom Weinführer Eichelmann gerade erst als Weingut des Jahres 2023 mit der besten Weißweinkollektion ausgezeichnet.

Philipp Kuhn ist einer von etwa 200 Mitgliedern des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), der bereits 2021 auf einer Mitgliederveranstaltung beschlossen hat, dass alle Betriebe sich bis ins Jahr 2025 einer nachhaltigen Zertifizierung unterziehen, mit der der Verband den Grundstein für die „Agenda 2025“ legen möchte. Sie soll „in sozialer, ökonomischer und ökologischer Hinsicht eine nachhaltige Zukunft aller VDP.Mitglieder“ sicherstellen, wie der VDP schreibt. Für eine Vielzahl von Betrieben treffe dies jedoch schon zu, berichtet der VDP: So werde bereits „ein Fünftel der deutschen Öko-Weinbaufläche von einem Viertel der Mitglieder des VDP bewirtschaftet, einige davon arbeiten gar nach biodynamischen Richtlinien, 30 % der Rebfläche ist schon jetzt nachhaltig zertifiziert.“

Nachhaltigkeit

Klimaschutz bedeutet nicht nur die Verringerung der Emission schädlicher Gase in die Atmosphäre, sondern betrifft neben ökologischen auch soziale und ökonomische Aspekte. Die Erstellung einer Emissionsbilanz ist dann eingebunden in ein umfassenderes Konzept von Nachhaltigkeit. Helena Ponstein bemerkt in diesem Zusammenhang: „Tatsächlich kommt es regelmäßig zu einem Spannungsfeld zwischen Klimaschutzzielen, Fragen der sozialen Gerechtigkeit, ökonomischer Machbarkeit und anderen ökologischen Zielsetzungen, wie die effiziente Nutzung von Wasserressourcen und Biodiversität. Klimaschutzlösungen im Sinne der Nachhaltigkeit berücksichtigen folglich diese Wechselwirkungen.“

In Deutschland hat das Deutsche Institut für Nachhaltige Entwicklung (DINE) das erste Siegel für nachhaltigen Wein FairChoice genannt, entwickelt. (Ansonsten zertifiziert auch Fair`n Green nachhaltig wirtschaftende Weinbaubetriebe.) Damit soll Wein als ökologisch verträglich, sozial gerecht und ökonomisch tragfähig produziert gekennzeichnet werden – also als ein „durchweg nachhaltiger Wein“, wie DINE schreibt. Das Siegel umfasst, so schreibt DINE weiters, neben Kriterien für umweltschonenden Weinbau von verschiedenen Bioverbänden insbesondere auch 44 messbare und für die Weinerzeugung relevante Kriterien aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales, die aus international anerkannten Rahmenwerken für Nachhaltigkeit wie dem UN Global Compact und der Global Reporting Initiative ausgewählt wurden. Maßgeblich für die Erstellung der Emissionsbilanz als einem Kriterium für das Siegel ist auch hier das Greenhouse Gas Protocol sowie das International Wine Carbon Calculator Protocol. Die Auswertung der ökonomischen Kriterien erfolgt in Zusammenarbeit mit der Hochschule Geisenheim.

Maßnahmen zum Klimaschutz

Konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz werden auf der Grundlage der jeweiligen Emissionsbilanz erstellt und insofern jedem Betrieb individuell angepasst. Sie sind vor allem dann sinnvoll, wenn sie in die Unternehmenskultur, ihre Strukturen und Prozesse, integriert sind und langfristig strategisch verfolgt werden, wie Ponstein im zweiten Artikel ihrer Serie zu klimaneutralem Wein umfassender ausführt.

Maßnahmen die grundsätzlich alle Weinbaubetriebe gleichermaßen betreffen sind die Vermeidung eines unnötigen Ressourcenverbrauchs (Recycling und Minimierung der Restmüllmenge) sowie die Schließung von Stoffkreisläufen („circular economy“) – Ponstein spricht hier von einer „systemische(n) Wirkung, die über Klimaschutz weit hinausgeht“ und nennt insbesondere den „Bezug von organischen Düngemitteln aus der Region, wodurch der Bezug von energieintensiv hergestellten synthetischen Düngemitteln vermieden werden kann. Zudem werden dadurch Nährstoffkreisläufe geschlossen, anstatt zusätzliche pflanzenverfügbare Nährstoffe in die Region einzubringen.“

Ansonsten werden konkrete Klimaschutzmaßnahmen an die Erfordernisse des jeweiligen Weinbaubetriebs angepasst, wobei sich die Klimabilanz einer Flasche Wein zusammensetzt aus den Emissionen der oben bereits genannten Bereiche:

  • Weinbau
  • Weinkeller
  • Verpackung und Transport

Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Systemgrenzen von der Wiege bis zum Werkstor“ („cradle to gate“), wie Ponstein erklärt, allerdings kann je nach Datenlage und Ziel der Untersuchung auch noch die Auslieferung berücksichtigt werden: Man spricht dann von „Systemgrenzen von der Wiege bis zum Verkaufsort“.

Weinbau: Klimaschutz im Weinberg

Als erste Stufe der Wertschöpfungskette ist der Weinbau nicht nur der Ausgangspunkt für Qualität und Erntemenge, sondern auch für die Treibhausgasemissionen von Wein. Dabei verursacht der Anbau der Weintrauben durchschnittlich nur knapp ein Fünftel der Emissionsbilanz, so Ponstein im dritten Teil der Artikelserie zu klimaneutralem Wein, während die nachfolgenden Bereiche Weinkeller (24 Prozent) und Verpackung und Transport (57 Prozent) wesentlich stärker ins Gewicht fallen.

Die meisten Emissionen im Weinberg stammen vom Kraftstoffverbrauch, gefolgt von den Düngemitteln, erklärt Ponstein: „Die Produktion der Pflanzenschutzmittel fällt in einer Emissionsbilanz üblicherweise kaum ins Gewicht. Auch die Anfahrt der Mitarbeiter, die in der Außenwirtschaft tätig sind, ist keine nennenswerte Emmisionsquelle. Dies legt nahe, Klimaschutzmaßnahmen auf die drei Bereiche Unterstützungsmaterial, Dieselverbrauch und Düngemittel zu fokussieren.“

Pauschale Aussagen zur Reduktionsmöglichkeit des Kraftstoffverbrauchs im Weinberg sind kaum zu treffen, das hängt von den jeweiligen Gegebenheiten ab, wenngleich kombinierte Durchfahrten durch die Rebzeilen, bei denen mehrere Arbeiten erledigt werden, natürlich eine Möglichkeit darstellen.

Eine weitere Einsparmöglichkeit, darauf macht Gerald Franz aufmerksam, stellen pilzwiderstandsfähige Rebsorten dar, sogenannte Piwis. Da sie gegen Rebkrankheiten wie Echten oder Falschen Mehltau resistent sind, verringern solche Rebsorten die Notwendigkeit des Einsatzes von Spritzmitteln und damit verbundene Durchfahrten mit dem Traktor. Allerdings konnten sich Piwis – die manchmal auch als „Zukunftssorten“ bezeichnet werden – geschmacklich bislang noch nicht durchsetzen. Ihnen fehlt es weitestgehend an Akzeptanz, weshalb sie bisweilen auch noch eher unauffällig in den mit irgendwelchen Markennamen versehenen Cuvées der Weingüter landen.

Ansonsten stellen Düngemittel – und hier wiederum Stickstoffdünger – eine wesentliche Emissionsquelle im Weinberg dar, wobei dabei sowohl die Herstellung als auch die Anwendung zu berücksichtigen sind. Stickstoffdünger haben einen hohen Energiebedarf bei der Herstellung, und auch bei der Ausbringen entstehen klimaschädliche Gase, erklärt Ponstein: „Bei der Applikation sämtlicher Stickstoffdünger entsteht N₂O, umgangssprachlich auch Lachgas genannt, das knapp 300-Mal so klimaschädlich ist wie CO₂. Durch die Applikation von Harnstoff wird etwas weniger Lachgas, dafür aber CO₂ freigesetzt. Auch ausgebrachter Kalk ist als CO₂-Quelle zu nennen.“

Nicht zuletzt deshalb sind organische Dünger, idealerweise aus lokalen Quellen – weite Transporte gilt es grundsätzlich zu vermeiden –, gegenüber synthetischen Stickstoffdüngern zu bevorzugen. Wenn der Boden durch biologische Düngung beziehungsweise mit Leguminosen mit pflanzenverfügbarem Stickstoff angereichert wird, kann auf die Gabe von zusätzlichen Düngemitteln mittelfristig bisweilen sogar völlig verzichtet werden, wodurch sich auch wieder der mit der Ausbringung verbundene Kraftstoffverbrauch reduzieren würde. Sind ökologisch arbeitende Betriebe in Jahren mit viel Niederschlag und feuchter Witterung hier also vielleicht benachteiligt, weil sie ihren weniger wirksamen Pflanzenschutz öfter ausbringen müssen, kann der Einsatz von Leguminosen im Weinberg die Bilanz letztlich doch auch wieder ausgleichen.

Auf einen weiteren Punkt macht Ponstein unter Verweis auf eine Studie auch noch aufmerksam: „Die Unterschiede in der Erntemenge … war der viertwichtigste Faktor von allen untersuchten Parametern und kamen vor den Faktoren Diesel, Dünger und Unterstützungsmaterial. Das bedeutet konkret, dass eine möglichst hohe Erntemenge eine wirkungsvolle Maßnahme ist, um den CO₂-Fußabdruck pro Flasche Wein in einem moderaten Bereich zu halten und dass die CO₂-Emissionen pro Flasche Wein sinken, wenn die Erntemenge steigt. (…) Dieser Sachverhalt ist einfach zu erklären: Die Treibhausgasemissionen durch den Weinbau werden zunächst pro Hektar Weinberg ermittelt. Anhand der Erntemenge und unter Berücksichtigung der Pressquote werden diese auf die Flasche Wein umgelegt und wenn diese Menge vergleichsweise hoch ist, senkt dies den CO₂-Wert pro Weinflasche.“

Für qualitätsbewusste Weingüter, die mit einer starken Ertragsreduktion arbeiten, ist das sicherlich keine gute Nachricht. Sie müssen versuchen, andere Maßnahmen zu finden. Selbiges gilt übrigens für Jahre, in denen Trockenheit oder Unwetterereignisse ausschlaggebend für geringere Erträge sind.

Ponstein schließt ihren Artikel mit folgendem Fazit: „Angesichts der dominierenden Bedeutung der Erntemenge ist es folgerichtig zu sagen, dass eine ausreichende Wasserverfügbarkeit, das Fernbleiben von (Hagel-)Schäden sowie von ertragsreduzierenden Maßnahmen einen größeren Einfluss auf die CO₂-Emissionen durch die Erzeugung der Weintrauben haben, als Unterschiede in den Anbausystemen.“

Klimaschutz im Weinkeller

Etwa ein Viertel der Emissionen eines Weinbaubetriebs entsteht durchschnittlich während der Vinifikation, im Weinkeller. Die größten Emissionsquellen sind dabei der Energieeinsatz für die Wärmeerzeugung sowie Strom, die gemeinsam etwa 16 Prozent der Emissionsbilanz eines Weinguts ausmachen, wie Ponstein im vierten Artikel ihrer Serie zu klimaneutralem Wein erklärt. Ansonsten entstehen Emissionen unter anderem noch beim Einsatz önologischer Behandlungs- sowie Reinigungsmittel, die die Bilanz insgesamt aber nur sehr gering beeinflussen.

Es geht hier im Hinblick auf die Emissionsreduktion also in erster Linie um den Energieeinsatz, wobei die Höhe des Energiebedarfs und die Art der Energieerzeugung für die CO₂-Bilanz im Weinkeller entscheidend sind. Daraus ergeben sich folgende klimaschützende Ansätze:

  • Energieeffizienz steigern
  • Emissionsintensität reduzieren
  • Energie einsparen und Dekarbonisierung vorantreiben

Bei der Steigerung der Energieeffizienz geht es insbesondere darum die benötigten Mengen an Wärme und Elektrizität zu senken. Helena Ponstein nennt hier als eine – aber besonders effektive – Maßnahme angesichts der steigenden Temperaturen die Traubenlese in der Nacht. In mediterranen Ländern wird die Lese schon seit längerem bei kühleren Temperaturen nachts durchgeführt. Das reduziert nicht nur die Oxidationsgefahr der Reben, sondern ist auch energieffizient, da der Traubenmost nachher gegebenenfalls nicht in temperaturgesteuerten Stahltanks im Keller gekühlt werden muss. Diese Maßnahme dürfte, so Ponstein, „auch mit Blick auf die Weinqualität an Bedeutung gewinnen“. Ansonsten verweist sie im Hinblick auf weitere Einsparmöglichkeiten im Weinkeller auf die Vorträge und Publikationen von Dr. Maximilan Freund von der Hochschule Geisenheim.

Bei der Reduzierung der Emissionsintensität geht es in erster Linie um die Dekarbonisierung durch den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf alternative Strom- und Wärmequellen. Abgesehen vom Wechsel auf Ökostrom sind sicherlich eigene Anlagen zur Stromerzeugung wie beispielsweise Solar- oder (Mikro-)Windkraftanlagen ideal, als alternative Wärmequellen nennt Ponstein die Nutzung von Geothermie oder auch Pellets. Zwar entstehen auch durch die Erzeugung und Bereitstellung von Holzpellets und Holz-Hackschnitzeln Emissionen, die betragen in der Summe jedoch, wie Ponstein anmerkt, nur „einen Bruchteil der fossilen Energieträger. Nachteil der nachwachsenden Rohstoffe ist jedoch, dass für ihre Erzeugung viel mehr Fläche als für fossile Brennstoffe verbraucht wird, was die weltweit verzahnten Konflikte um Landnutzung weiter anheizt.“

Der dritte Ansatz besteht aus einer Kombination der beiden ersten Möglichkeiten, also aus Energie einsparen und Dekarbonisierung vorantreiben. „Die Energiewende in Deutschland ist als Kombination aus einer Steigerung der Energieeffizienz und dem Ersatz von fossilen Brennstoffen durch Erneuerbare Energien konzipiert“, schreibt Ponstein, und „(t)atsächlich sind die CO₂-Emissionen durch die Stromerzeugung in den letzten Jahren deutlich gesunken. Während 1990 pro Kilowattstunde dank des hohen Anteils an Kohle etwa 0,763 kg CO₂ durch den Strommix der Bundesrepublik emittiert wurde (Inlandsverbrauch), hat sich dieser Wert bis 2020 halbiert. Dies ist natürlich eine stattliche Leistung, die jedoch für das Erreichen der Klimaschutzziele immer noch nicht ausreicht. Ein Blick nach Frankreich zeigt, dass dort Strom mit nur 0,058 kg CO₂e/kWh erzeugt wird, was durch den hohen Atomenergie-Anteil ermöglicht wird.“

Während also auf internationaler Ebene die Kernkraft die entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung der Stromerzeugung spielt, soll hierzulande „eine Kombination aus Energieeffizienz, Erneuerbaren Energien, Stromspeichern und intelligenten Netzen die Klimawende im Energiesektor ermöglichen. Gerade der Ausbau der Windenergie soll eine der wesentlichen Säulen für grünen Strom sein, aber der wachsende Widerstand der Bevölkerung, in deren direkter Nähe die Windenergie erzeugt werden soll, zeigt, dass auch diese Technologie Nachteile hat. Eine weitere Folge der Energiewende sind die hohen Stromkosten“, schreibt Ponstein.

Die Höhe des Energiebedarfs kann vom Weingut direkt gesteuert werde, die Art der Energieerzeugung jedoch ist indirekt auch durch politische Maßnahmen wie die Energiewende beeinflusst. Der Bezug von Ökostrom ist sicher die einfachste Klimaschutzmaßnahme, die für jedes Weingut umsetzbar ist.

Klimaschutz bei der Verpackung

Im Durchschnitt werden nur etwa 4 Prozent der Treibhausgasemissionen einer Flasche Wein den Verschlüssen zugeordnet, entsprechend ist der Effekt von Veränderungen in diesem Bereich auf die Emissionsbilanz eines Weinbaubetriebs grundsätzlich nur recht begrenzt. Dasselbe gilt für Kartonagen, die ebenfalls nur einen Anteil von etwa 4 Prozent an der Emisssionsbilanz haben. Mit durchschnittlich 57 Prozent in der Emissionsbilanz ist es die Verpackung, die mit Abstand den größten Anteil an der Emissionsbilanz hat: auf die Glasflasche allein entfallen 47 Prozent der Emissionsbilanz eines Weinbaubetriebs. Das ist eigentlich nicht die Schuld der Weingüter, schließlich entstehen diese Emissionen in den energieintensiven Glashütten, trotzdem wird sie in die Emissionsbilanz des Weinbaubetriebs einberechnet.

Es ist insofern nur logisch, dass hier das größte Potential für Einsparungen liegt: „Das Beste wäre also, ganz auf Glasflaschen zu verzichten und stattdessen [wie bei gezapftem Bier] kleine Metallfässer, auch Keg genannt, für die Gastronomie einzusetzen. Und Plastikschläuche mit Kartonummantelung, sogenannte Bags in Box, für zu Hause. Beides spart Ressourcen“, schreibt Gerald Franz in diesem Zusammenhang. Tatsächlich, so Ponstein, „verursacht die Bag-in-Box pro 0,75 Liter Wein nur rund 0,052 kg CO₂e. Der Ersatz einer durchschnittlichen Einweg-Glasflasche durch eine Bag-in-Box würde rund 45 % der THG-Emissionen vermeiden“.

Aber funktioniert die Bag-in-Box (die manchmal auch kurz „Bib“ genannt wird und die es inzwischen in verschiedenen Größen gibt, von 0,75 Liter bis 5 Liter Inhalte) in den skandinavischen Ländern gut – in Finnland werden 42 Prozent der Weißweine und 46 Prozent der Rotweine, in Schweden sogar 58 Prozent der Weißweine und 61 Prozent der Rotweine in Bag-in-Box-Verpackungen verkauft, wie Ponstein berichtet –, ist das in Deutschland leider anders: Hierzulande, so Gerald Franz, hat Wein viel „mit Emotion zu tun: eine formschöne Flasche, ein sanft ploppender Korken. Auch als Mitbringsel macht eine Flasche Wein eine bessere Figur als ein Fünfliter-Karton.“

Wein wird – nicht nur – in Deutschland also traditionell in Glasflaschen abgefüllt. Und so bleiben letztlich dann doch nur zwei Optionen zur Emissionseinsparung, nämlich die:

  • Leichtglas-, oder
  • Mehrweg-Flasche.

„Wenn schon Glasflaschen, müssen diese zumindest leichter werden“, zitiert Gerald Franz Armin Gemmrich vom DINE. Eine leichtere Glasverpackung benötigt generell weniger Material für die Herstellung und bringt dann zudem auch noch Einsparungen von CO₂-Emissionen beim Warentransport mit sich. Insofern wirkt sich eine leichtere Flasche gleicht in doppelter Weise positiv aus. Auch deshalb habe der „angesehene Weingüter-Klub VDP gerade die Umstellung auf leichte Flaschen beschlossen. Zumindest bei den auflagenstarken Gutsweinen, bei den höherwertigen Gewächsen hadert man noch“, so Franz. Der VDP selbst schreibt dazu, dass Veränderungen hin zu einem nachhaltigeren Weinbau zunächst „die Einführung einer leichten Glasflasche für den Einstiegsbereich, die VDP.GUTSWEINE, sein (soll). Diese machen bereits einen Anteil von 60 % der Produktion im VDP aus und können damit eine bemerkenswerte Senkung des CO₂-Ausstoßes bewirken, wenn man die Produktion sowie den Transport betrachtet. Darüber hinaus kann die Flasche in weiteren Klassifikationsstufen eingesetzt werden. Gleichzeitig arbeitet man auch an einer leichteren Version der VDP.GROSSES GEWÄCHS Flasche, um auch bei den Top-Weinen CO₂ zu sparen und Verantwortung zu zeigen.“

Auch die deutsche Sektkellereien haben das Gewicht ihrer Flaschen in den vergangenen Jahren durchschnittlich um fast 100 Gramm auf knapp 585 Gramm gesenkt. Das sagte zumindest der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Sektkellereien, Alexander Tacer, der Deutschen Presse-Agentur. Ihm zufolge hätten Sektflaschen noch vor wenigen Jahren etwa 650 Gramm gewogen – es gäbe aber wegen des vorgeschriebenen Drucks von mindestens 3,5 bar in Flaschen auch Grenzen.

Unabhängig davon – insgesamt gesehen bewegt sich das Flaschengewicht für eine 0,75 l-Flasche zwischen etwa 360 und 750 Gramm, der Durchschnitt liegt Ponstein zufolge bei rund 530 Gramm. „Der Emissionsfaktor für Glas setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen“, erklärt sie: „Einerseits spielt die Energieintensität der Glashütte eine Rolle, also wie viel kWh für die Erzeugung von einem kg Glas benötigt werden. Ebenfalls wichtig ist der Energiemix, also die Zusammensetzung der Energiemenge aus Gas, Öl und Strom. Je nach Hersteller gibt es hier Unterschiede. Des Weiteren ist der Anteil an Glasscherben ein entscheidender Faktor, weil dies die benötigte Menge an Sand und – für die Emissionsbilanz entscheidend – den Energieaufwand stark vermindert. Deutschland hat ein sehr gutes Recycling-System und der Anteil an Glas, der dem Recycling zugeführt wird und nicht etwa im Restmüll landet, ist im internationalen Vergleich sehr hoch. Ein Gespräch mit Stephan Mieth vom Bundesverband Glas hat ergeben, dass der Anteil an Scherben in der Glasproduktion in Deutschland bereits so hoch ist, dass er aus technischen Gründen kaum noch erhöht werden kann.“

Durch die Produktion einer Flasche mit 530 Gramm Gewicht entstehen demzufolge etwa 0,390 kg CO₂e, schreibt Ponstein, weshalb die Leichtglas-Flasche als Klimaschutzmaßnahme „auf der Hand“ liege. Reduziert man das Gewicht auf 400 Gramm, läge der Emissionswert nur noch bei etwa 0,297 kg CO₂e. Das bedeutet, wie Ponstein folgert: „Bei einem durchschnittlichen CO₂-Fußabdruck pro Flasche Wein in Höhe von etwa 0,830 kg CO₂e entspricht dies einer Reduktion von 11 %.“

Das führt sie dazu, für ein Mehrweg-Flaschen-System zu plädieren: „Wird diese durchschnittliche Flasche nun mehrfach genutzt, erhöht sich die Emissionseinsparung enorm: Bei nur fünf Nutzungszyklen und unter der Annahme, dass die Flasche in der Region bleibt, fallen lediglich 0,093 kg CO₂e pro Lebenszyklus an. Wenn es sich um eine mehrfach genutzte Leichtglas-Flasche handeln würde, würden die THG-Emissionen pro Lebenszyklus nur noch 0,074 kg CO₂e betragen. Die Emissionsreduktion würde folglich 36 % beziehungsweise 38 % betragen und wäre damit in der Größenordnung, die laut Science Based Targets Initiative für das Erreichen des 2-Grad-Ziels nötig ist. Natürlich kann eine Weinflasche weitaus mehr als fünf Nutzungszyklen durchlaufen …“

Geht man davon aus – wie oben erläutert –, dass sich die Emissionsminderung eines Weinguts bis 2030 auf etwa 42 Prozent belaufen müsste, ist klar, dass das ohne grundlegende Veränderungen bei der Verpackung kaum möglich ist. Eine Umstellung auf Leichtglas ist in diesem Zusammenhang zwar förderlich, aber leider nicht ausreichend, auch in Verbindung mit anderen Maßnahmen nicht. Ponstein kommt deshalb zum Fazit, „dass man an einem funktionierenden Mehrweg-System für Wein nicht vorbeikommt, wenn die deutsche Weinbranche dazu beigetragen will, das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Dies ist konsistent mit der Forderung nach Kreislaufwirtschaft als Lösungsansatz für viele ökologische Probleme unserer Zeit.“

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