Weinglossar

Wachau

Die Wachau ist Österreichs berühmtestes Weinanbaugebiet, selbst wenn sie mit 1.350 Hektar lediglich drei Prozent der Gesamtanbaufläche einnimmt. Sie liegt etwa 65 Kilometer westlich von Wien, am westlichen Rand des Weinlandes, zwischen Melk und Krems in Niederösterreich, wo die Donau eine Kette aus bis zu 500 Meter hohen Bergen auf einer Länge von etwa 35 Kilometern durchbricht.

Wachau_Weinanbaugebiete

Die Geografie verleiht den fast ausnahmslos trockenen Grünen Veltliner und vor allem Rieslingen ihr unverwechselbares Profil. „Wachau“ heißt die Landschaft hier vermutlich deshalb, weil ihr Name eine Ableitung von „Wagrain“, womit ein Abhang bezeichnet wird, der sich an einem wogenden Wasser entlang zieht. Und tatsächlich ist hier das zerklüftete Nordufer der Donau steil wie die Hänge an der Mosel oder Côte Rôtie – und ebenso überzogen von einem Band aus Weinbergsterrassen entlang schmaler Wege, die vom Fluss zu den bewaldeten Höhen hinaufführen.

Im Mittelalter floß die Donau noch nicht so träge bis zu ihrer Mündung ins Schwarze Meer wie sie es heute tut. Bis zu ihrer Regulierung ab dem 15. Jahrhundert – systematischer dann ab dem 19. Jahrhundert – war sie ein reißender Strom und trotzdem befahren. Zahlreiche Burgen auf den Hügeln an ihren Ufern, deren Ruinen noch heute weithin sichtbar sind – wachten über den Verkehr auf ihr. (In der Burg Dürnstein war übrigens Richard Löwenherz gefangen, angeblich weil er auf einem seiner Kreuzzüge die österreichische Fahne verspottet haben soll. Der Legende nach eilte sein Sänger Blondel daraufhin in den Sherwood Forest, um sich bei Robin Hood ein Lösegeld zu leihen, mit dem er den König freikaufte. Tatsächlich saß Löwenherz 1192 ein paar Monate in der Burg ein und wurde schließlich für 12.000 Kilogramm Silber freigelassen.)

An den steilen Hängen am Ufer der Donau wurden für den Weinbau Terrassen errichtet, insbesondere auch um der Gefahr der Bodenerosion zu begegnen – deshalb errichtete man zahlreiche Trockensteinmauern, die das verhindern sollen. Durch das Anlegen von Terrassen schafft man außerdem überhaupt erst ein begehbares Gelände, dessen kostbare Fläche man dann maximal Nutzen konnte. Die Steine werden dabei ohne Mörtel ohne ähnliches aufgeschichtet, so dass die Drainage gewährleistet ist und das Wasser nicht aufgestaut wird. Außerdem speichert eine solche Trockensteinmauer Wärme.

Über neunzig Prozent der weltweiten Weinproduktion erfolgt industriell – das ist für die Wachau nicht adäquat und eine maschinelle Bearbeitung der Rebstöcke aufgrund des Terrassenweinbaus an den bis zu 70 Grad geneigten Berghängen auch nicht praktikabel.

In der Wachau erreicht das pannonische Klima seinen westlichsten Einflußbereich. Es heizt das Donautal flussaufwärts bis zum östlichen Ende der Wachau auf, während aus dem Westen gemäßigte atlantische Luft ins Donautal gelangt. Insbesondere auch der „Spitzer Graben“ im Westen ist außerdem von kühlenden Einflüssen und Niederschlägen aus dem nördlichen Waldviertel und südlichen Dunkelsteiner Wald beeinflußt ist.

Nachts werden die Hänge von frischer Luft aus Wäldern darüber gekühlt, während nicht zuletzt auch die Donau hilft, die Temperaturen auszugleichen indem sie als Klimaregulator fungiert und die kalten Luftmassen abzieht. Die Donau hat in der Wachau in enorme Fließgeschwindigkeit, die eine Durchwirbelung der Luft bewirkt, was gegen den Frost hilft und an heißen Sommertagen für etwas Abkühlung und Frische im Tal sorgt. Tagsüber reflektiert sie die Sonnenstrahlen in die steilen Weinbergterrassen am Nordufer. So entstehen insgesamt Weine mit einem besonderen Charakter, einer volle Dichte und einer schönen Säure.

Weinbau findet in der Wachau im Uferbereich der Donau auf Löss und Sand statt, wo insbesondere der Grüne Veltliner gut gedeiht. Die Traditionstraube der Wachau liefert hier lebendige Weine, grün getönt, alkoholreich und fast pfeffrig. Die besten können so lange reifen wie feine weiße Burgunder. Grüner Veltliner findet hier ideale Bedingungen – insbesondere Richtung Kremstal im Osten, wo sich die Donau öffnet und anstelle des Gneisbodens vermehrt Löss auftritt. Er ist ein besserer Wasserspeicher und bringt fülligere, cremigere Weine.

Während die flacheren Lagen also für den Grünen Veltliner reserviert sind, verwenden die Winzer die höchsten und steilsten Lagen, die bis zu 200 Meter über der Donau aufragen, für Riesling. Ihre typische Mineralik verdanken sie insbesonderee auch dem Boden – bisweilen eine dünne Bodenauflage auf den Urgesteinsterrassen aus Granit, Schiefer und insbesondere Gneis. Auch ein erheblicher Anteil an Erz kennzeichnet die Wachauer Böden.

Auf diesen harten Böden muss die Rebe tief wurzeln um ans Wasser zu kommen. Im Hochsommer müssen die steilen, nach Süden ausgerichteten Terrassen mitunter sogar bewässert werden (Tröpfchenberieselung), denn die für den Rebbau erforderliche Mindestmenge von 500 Millimeter Niederschlag jährlich wird nicht immer erreicht. Doch die kühlen Nächte mildern die Folgen der Trockenheit, und die Donau reguliert die Wärme. Insofern vereinen die Spitzenrieslinge aus der Wachau den stahligen Einschlag eines Weines von der Saar mit der vollmundigen Struktur eines Elsässer Grand Cru.

Die Winzer der Wachau haben sich lange nicht dem „Districtus Austriae Controllata (DAC)“ angeschlossen, sondern einen eigenen Regionalzusammenschluß gebildet: die Vinea Wachau Nobilis Districtus. Bis 2020 war das ein eigenes, vom DAC unabhängiges Klassifikationssystem zum Schutz und zur Förderung der Wachauer Weine, mit dem die Winzer nicht die Reife und den Zuckergehalt zum Maßstab machten, sondern die Bereitung des Weins mit seinem Terroir: Ausschlaggebend ist die Kombination aus Trauben, Jahrgang und Lage – denn auf dem 35 Kilometer langen Streifen sind rund 900 Einzellagen, hier Rieden genannt, klassifiziert (darunter auch die berühmte Riede Achleiten nordöstlich von Weißenkirchen, wo Schiefer und Gneis den Weinen mineralische Struktur verleiht).

Das Klassifikationssystem, das von der Vinea Wachau Nobilis Districtus geschützt wird, ist älter als die DAC-Bezeichnung und unterscheidet drei Weinkategorien:

  • Steinfeder (das ist das unter Naturschutz stehende Gras „stipa pinnata“, das getrocknet den Hut der Wachauer Tracht ziert) für leichte, spritzige Weine mit maximal 11,5 Volumenprozent Alkohol
  • Federspiel (bezieht sich auf die herrschaftliche Jagd mit Falken: Jener Gegenstand, den man in die Luft wirft, um den Beizvogel zurückzuholen) für elegante, klassische Weine bis 12,5 Volumenprozent
  • Smaragd (Smaragd-Eidechsen sind das Symbol für die wertvollsten Weine der Wachau – sie kommen nur in sehr warmen Regionen vor) entspricht einer Spätlese und steht für hochreife, sehr kraftvolle Weine ab 12,5 Volumenprozent

Die Weinbautradition in einer der ältesten Kulturlandschaften Europas reicht fast 2 Jahrtausende zurück. Die Wachau ist dabei sicherlich eine der schönsten Landschaften Österreichs und nicht zu unrecht seit dem Jahr 2000 Weltkulturerbe. In der Begründung dazu heißt es unter anderem, dass es sich bei diesem Abschnitt des Donautals um „eine herausragende Kulturlandschaft“ handelt, „um eine von Bergen umgebene Flusslandschaft, in der greifbare Zeugnisse einer langen historischen Entwicklung bemerkenswert gut erhalten sind. Die Architektur, die Siedlungen und die Landwirtschaft in der Wachau illustrieren auf lebhafte Weise eine im Grunde mittleralterliche Landschaft, die sich im Laufe der Zeit organisch und harmonisch entwickelt hat. Die Abholzung der natürlichen Walddecke durch den Menschen begann im Neolithikum, zu radikalen Veränderungen der Landschaft kam es jedoch erst um 800, als die bayrischen und Salzburger Klöster begannen, die Hänge der Wachau zu kultivieren und das heutige landschaftliche Muster aus Weinterrassen anzulegen. Mehrere beeindruckende Schlösser dominieren die Städte und das Donautal; darüber hinaus gibt es überall in den Städten und auf dem Land eine Vielzahl architektonisch und künstlerisch bedeutende Sakralbauten.“

Die Weinberge mit ihren typischen Terrassen sind Zeugnis dafür, dass die Wachau eine der Natur abgetrotzte Landschaft ist – eben eine Kulturlandschaft. Insbesondere auch die Benediktiner haben sich in diesem Zusammenhang verdient gemacht. Neben den zahlreichen Burgen auf den Hügeln, sind es auch ihre Klöster und Sakralbauten, die das Donautal architektonisch prägen. Ein solcher Bau – gleichsam eine Inszenierung krichlicher Macht – steht gleich am Eingang der Wachau: Stift Melk mit seiner Bibliothek – dem ideologischen Hauptquartier des Benediktinerordens, der sich 1089 hier niedergelassen hat.

In der prachtvollen Bibliothek des Stifts – in die Umberto Eco übrigens auch den Anfang seines „Im Namen der Rose“ verlegt hat – wird alles aufbewahrt, was man Grundlage des abendländischen Geistes bezeichnen kann: Etwa 100.000 Bücher und 1.800 Handschriften, die älteste aus dem 9. Jahrhundert. In Melk wird bis heute mit ihnen gearbeitet.

Melk wird schon im Nibelungenlied erwähnt: Burgunderkönigin Kriemhild soll hier auf ihrem Weg zum Hunnenkönig Attila Station gemacht haben: „Aus Medelick [Melk] auf Händen / brachte man getragen / Manch schönes Goldgefäße / angefüllt mit Wein“, heißt es dort im 21. Abenteuer.

Fast ebenso prächitg wie Melk ist auch die Benediktinerabtei am Göttweiger Berg, die den Endpunkt der Wachau darstellt. Stift Göttweig wurde auf einem Hügel südlich der Donau am Ausläufer des Dunkelsteinerwaldes erreichtet und mitunter auch das „österreichische Monte Cassino“ genannt. Dort hat Benedikt von Nursia 526 den nach ihm benannten Orden gegründet. Trotz aller Strenge, genehmigte Benedikt jedem Mönch aber doch auch etwa einen Liter Wein täglich. Die Lage an der Donau bot ihnen für Weinbau jedenfalls beste Voraussetzungen – und vielleicht übernahmen die Benediktiner Stift Göttweig 1094 ja auch gerade deshalb.

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