Muskateller ist eine sogenannte Aromarebsorte, die sich insbesondere im warmen Klima wohl fühlt und in den Anbaugebieten am Mittelmeer eine jahrhundertelange Tradition hat. Schon in der Antike wurde sie in Griechenland ihres intensiven Duftes wegen gerühmt und noch heute wird „Muscat“, wie die Rebsorte in Frankreich heißt, als „Musqué“ bezeichnet, als ob sie tatsächlich „nach Moschus duftend“ wäre. Zahlreichen aromatischen Rebsorten allerdings wird diese Eigenschaft zugeschrieben – außer dem Muskateller, der in Italien „Moscato“ und „Moscatel“ in Spanien genannt wird, beispielsweise auch dem Gewürztraminer.
Obwohl man sich bei der Angabe der Rebsorte bisweilen des französischen „Muscat“ bedient, hat sie nicht dort ihren Ursprung, sondern kommt vermutlich aus dem antiken Griechenland – auch wenn sie erstmals 1304 in einem Text aus Bologna als „Muscatellus“ erwähnt und später „Moscadello“ genannt wird. Schon früh rückte man so die Dufteigenschaft der Rebsorte in den Vordergrund – und gerne wird dieser Duft mit jenem der Muskatnuss beschrieben. Nun allerdings gelangte die Frucht des Muskatnussbaums erst nach 1500 mit Portugiesischen Seefahrern aus ihrer Heimat in Indonesien nach Europa – der Name der Muskatnuss hat also seinerseits eine andere Bedeutungswurzel und stammt vom mittellateinischen „nux muscata“, was soviel wie „nach Moschus duftende Nuss“ bedeutet. Denn diesen Duft des stark riechenden Sekrets aus dem Moschusbeutel des Moschushirschen gelangte bereits im Altertum über Persien in unsere Region und war also schon länger bekannt.
Jedenfalls wird die Rebsorte unter diesem Namen bekannt und taucht dann auch bald im Midi auf, wo die Rebsorte bis heute Bedeutung hat. Gemeinsam mit Malvasia gelangt auch Muskateller aus Kreta bereits im 14. Jahrhundert mit den Galeeren bis nach England – und 1534 ist auch erstmals in Deutschland von der Rebsorte die Rede, als sie im württembergischen Brackenheim zum Kauf angeboten wird.
Ähnlich wie bei Malvasia, die auch ein vergleichbares Alter haben dürfte, gibt es heute zahllose Varietäten, die den Begriff „Muscat“ in irgendeiner Form im Namen tragen – annähernd 200 verschiedene Rebsorten sind es wohl. Sieht man von solchen Rebsorten ab, die ohnehin keine verwandschaftliche Beziehung zu den Muscat-Sorten haben – wie beispielsweise der insbesondere im Bordelais verbreitete Muscadelle -, lassen sich aber grundsätzlich fast alle auf folgende vier Arten zurückführen:
- Muscat Blanc à Petits Grains
- Muscat d`Alexandrie
- Muscat Ottonel
- Muscat d`Hamburg (der aber praktisch nur als Tafeltraube verwendet wird, sieht man von kleinen Rebflächen in Osteuropa oder auch in Polynesien und China ab, wo er in Kreuzungen mit Sorten von Vitis amurensis der Stammvater ganzer Generationen von asiatischen Rebsorten ist)
Muscat Blanc à Petits Grains
„Muscat Blanc à Petits Grains“ („Weißer kleinbeeriger Muskat“) wird im deutschen „Gelber Muskateller“ genannt und zählt zu den ältesten bekannten Rebsorten in Europa – wenn sie nicht überhaupt die älteste ist. Denn bei den meisten der etwa 200 Rebsorten von „Muscat“ hat sie sich als ein Kreuzungspartner erwiesen. Auf jeden Fall ist sie die am längsten kultivierte Rebsorte in Frankreich – wo sie wahrscheinlich schon von den Griechen in der Gegend um Marseille in der Provence eingeführt wurde, spätestens aber von den Römern bei Narbonne im Languedoc.
Die Beeren von Muscat Blanc sind klein und rund – und unterscheiden sich von den ovalen des Muscat d`Alexandrie. Anders aber als es der Name suggeriert, sind sie nicht weiß, sondern es gibt verschiedene Farbvarianten von hellen bis zu dunkelroten Beeren. Obwohl sich daraus kein Rotwein erzeugen läßt, so sorgt die unterschiedliche Pigmentierung doch dafür, dass die vielen Synonyme für die Rebsorte doch jeweils sehr verschiedene Beerenfarben bezeichnen. Während Muscat Blanc hierzulande eher „gelb“ ist, ist sie in Australien und Südafrika eher dunkler und wird entsprechend auch als „Brown Muscat“ bezeichnet. Gleichwohl wird aus ihr im australischen Rutherglen genauso gespriteter Süßwein erzeugt wie seit jeher in den Ländern am Mittelmeer.
Im Mittelmeerraum ist Muscat Blanc schon seit Jahrhunderten heimisch, hier fühlt sich die früh austreibende Sorte wohl. Und sie hat hier schon seit jeher eine Tradition als Rebsorte für die Herstellung von Süßwein. Bis ins 19. Jahrhundert zählte sie beispielsweise auch im Roussillon zur dominierenden Rebsorte – und zwar wohl schon seit dem 14. Jahrhundert und vor dem Auftauchen der Malvasia. Heutzutage jedoch spielt im Midi Muscat d`Alexandrie eine wichtigere Rolle, insbesondere bei den aufgespriteten Süßweinen, den sogenannten „vins doux naturels“, wie beim Muscat de Frontignan oder an der Südlichen Rhône beim Beaumes-de-Venises.
Aber nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch in zahlreichen anderen Weinbauländern werden praktisch nur süße Weine hergestellt, keine trockenen Varianten. Das gilt für portugiesischen Moscatel de Setúbal Roxo genauso wie für ungarische Tokajer aus Sárgamuskotály oder ursprünglich auch einmal Vin de Constance aus Südafrika. Und auch in Chile entsteht aus Muskateller kein trockener Wein, sondern die Rebsorte dient hauptsächlich zur Herstellung von Pisco.
Selbst in Griechenland, wo die Muscat Blanc ihren Ursprung hat, wird inzwischen vermehrt Muscat d`Alexandrie angebaut. Für den aufgespriteten, süßen Samos allerdings – er hat etwa 130 Gramm Restzucker und reift mehrere Jahre in Eichenholzfässern – wird Muscat Blanc verwendet. Süßwein hat in Griechenland ohnehin eine lange Tradition, neben Muscat gilt das insbesondere auch für Malvasia.
Hierzulande hingegen wird Muskateller trocken ausgebaut – Muscat Blanc allerdings wurde hier von der aromatischeren Sorte Morio-Muskat verdrängt. Gleichwohl zeigt das frühe Auftreten der Muscat Blanc schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts, dass es damals in Deutschland etwas wärmer gewesen sein muß und Frühjahrsfroste nicht so häufig waren. Das hat sich geändert – auch im benachbarten Elsass: auch dort dominierte jahrhundertelang Muscat Blanc, die für Pilzerkrankungen anfällige Rebsorte wurde aber inzwischen durch die weniger empfindliche Muscat Ottonel verdrängt. Ansonsten aber wird trockener Wein aus Muscat Blanc auch noch in der Steiermark in Österreich hergestellt und im Norden Sloweniens. In all diesen Regionen ist das Klima etwas kühler, wodurch Muscat Blanc eine würzige Aromatik entwickelt sowie eine frische Säure.
Der kleinbeerige Muscat Blanc ist nicht sehr ertragreich, was seinen Anbau einschränkt oder erklärt, weshalb er mitunter auch durch andere Arten ersetzt wird. Gleichwohl aber gibt es auch Regionen, wo er sich hält – wie beispielsweise im Piemont, wo Muscat Blanc à Petits Grains die älteste urkundlich erwähnte Rebsorte ist und vornehmlich Schaumwein aus ihm hergestellt wird. Hier, wie überhaupt in Italien, dominiert Muscat Blanc als „Moscato“ die Anbauflächen: etwa 13.000 Hektar des Landes sind mit Muskateller bepflanzt, davon liegen wiederum etwa 10.000 im Piemont, wo er fast zwanzig Prozent der Rebfläche belegt und zu süßem Asti Spumante oder Moscato d`Asti verarbeitet wird.
Muscat d`Alexandrie
Es war eine unbekannte Rebsorte aus Sardinien, Axina de Tres Bias, die der Kreuzungspartner für Muscat d`Alexandrie war, aus der wiederum zahlreiche andere Sorten wie beispielsweise Torrontés in Argentinien oder der insbesondere im Trentino verbreitete Moscato Rosa (Rosenmuskateller) entstanden sind. Der wird erstmals Ende des 19. Jahrhunderts erwähnt und erhielt seinen Namen weniger wegen seiner Roséfarbe, sondern insbesondere wegen seines ausgeprägten Rosen-Duftes – ist aber ausgesprochen anspruchsvoll im Anbau und noch empfindlicher und anfälliger für Krankheiten wie der Muscat Blanc, weshalb er außerhalb von Italien praktisch nicht angebaut wird.
Unabhängig vom Moscatel Rosa – der Muscat d`Alexandrie verträgt Hitze besser als der Muscat Blanc und bringt auch hohe Erträge. Vielleicht sind auch deshalb fast alle 10.000 Hektar Moscatel in Spanien mit Muscat d`Alexandrie bepflanzt, obwohl deren Weine im Vergleich mit dem Muscat Blanc doch etwas rustikaler und weniger subtil ausfallen. Ihr Kriterium ist eher Süße – weshalb er auch weniger für trockene Weine herangezogen wird, sondern insbesondere auch für die Süßweinherstellung, wie beispielsweise auf Sizilien beziehungsweise den umliegenden Inseln. Der süße, dunkle Moscato di Pantelleria ist hier nur ein Beispiel.
Muscat d`Alexandrie wird hier „Zibibbo“ genannt – gleichwohl deutet auch dieser Name auf einen afrikanischen Ursprung der Rebsorte, wenn auch nicht zwingend auf einen Ägyptischen: Der Name „Zibibbo“ leitet sich angeblich vom afrikanischen Kap Zibibb ab – das sich jedoch auf keiner Karte finden läßt. Allerdings bedeutet „zabib“ auf Arabisch „kleine Traube“ beziehungsweise „Rosine“ – der Name hat also vermutlich arabische Ursprünge. Und tatsächlich liegt die vom Scirocco windumtoste Vulkaninsel Pantelleria mit ihren fruchtbaren Böden auch gerade einmal sechzig Kilometer vom Kap Bon in Tunesien entfernt, während es nach Sizilien schon etwa hundert Kilometer sind. Dennoch gehörte das kleine Eiland zu Italien – von hier aus könnte sich die Bezeichnung also verbreitet haben. Aber obwohl sich Zibbibo respektive Muscat d`Alexandrie in ganz Süditalien verbreitet hat, wird – auf ganz Italien bezogen – nur etwa ein Drittel soviel mit dieser Muscat-Varietät angebaut, wie mit dem insbesondere im kühleren Norden dominierenden, insgesamt etwas hochwertigeren Muscat Blanc à Petits Grains.
Muscat Ottonel
Der Muscat Ottonel ist vielleicht von allen Muskatellern der am wenigsten charaktervolle, zumindest was seine Aromatik betrifft. Entstanden ist er Mitte des 19. Jahrhunderts an der Loire: Angeblich wurde die Sorte 1852 an einer Rebschulde dort aus einer Kreuzung mit Chasselas entstanden.
Muscat Ottonel läßt sich in eher kühlen Regionen grundsätzlich besser anbauen, da er früher reift als Muscat Blanc. Vielleicht ist er heute auch deshalb in Osteuropa beziehungsweise der Schwarzmeerregion verbreitet, aber auch in Österreich war er bis in die 1980er Jahre dominierend – bis kleine Bestände von Muscat Blanc entdeckt wurden, aus denen inzwischen die trockenen Weine in der Steiermark hergestellt werden.