Weinglossar

Ugni Blanc (Trebbiano)

Selten nur ließt man ihren Namen auf einem Etikett – und dennoch sind über 120.000 Hektar weltweit man Ugni Blanc beziehungsweise mit Trebbiano, wie die Rebsorte in Italien genannt wird, bestockt. Allein etwa 78.000 Hektar sollen es in Frankreich sein, wo sie allerdings praktisch nie reinsortig ausgebaut, meistens noch nicht einmal zu Wein verarbeitet wird, sondern in den Brennblasen zu Cognac und Armagnac: Die große Rebfläche erklärt sich daraus, dass sich Ugni Blanc – ähnlich wie die Airén in Spanien – mit ihrem aromatisch eher neutralen („nichtssagenden“) Charakter und ihrer ausgeprägten Säure bestens für die Destillation hochwertiger Weinbrände eignet.

So erklärt sich, dass man in der Charente, unweit von Bordeaux, wo der Cognac entsteht, nach der Reblauskrise Ende des 19. Jahrhunderts Ugni Blanc als „Saint Émilion“ auf etwa 95 Prozent der gesamten Rebfläche angepflanzt hat. Bei Armagnac werden außer ihr auch noch Rebsorten wie beispielsweise Colombard verwendet. Überhaupt ensteht hier im Südwesten, wenn die Trauben nicht für den Weinbrand reserviert sind, mit dem Côtes de Gascogne auch noch ein frischer Weißwein von Ugni Blanc im Verschnitt mit Colombard, Sauvignon Blanc und Rolle (Vermentino).

Ihre hohe Bedeutung für die Weinbrandproduktion sagt eigentlich schon alles über die Rebsorte: hochwertige Weine lassen sich aus ihr eher nicht gewinnen. Darüber darf auch nicht hinwegtäuschen, dass man in der Gascogne aufgrund der sinkenden Nachfrage nach Sprituosen schon vor geraumer Zeit begonnen hat, Ugni Blanc als trockenen Wein Landwein herzustellen. Das ist in Frankreich aber auch schon der einzige nennenswerte Wein aus der Rebsorte.

Ganz anders die Situation in Italien, wo Trebbiano „überall wächst wie Brennessel“ (Jürgen Hammer) und als eine der ältesten Rebsorten des Landes gilt. Von dort aus kam die Rebsorte im 14. Jahrhundert überhaupt erst über die Grenze nach Frankreich, wo sie nach einem alten provenzalischen Dialekt als „Ugni Blanc“ benannt wurde. Es war die Zeit der Residenz der Päpste in Avignon – und mit dem katholischen Oberhaupt kamen nicht nur Leute wie die Eltern von Francesco Petrarca aus der Toskana in die Provence, sondern mit ihnen auch der Wein: der Trebbiano Toscano.

Wahrscheinlich wurden damals noch andere italienischen Rebsorten nach Frankreich importiert, es dürften aber vor allem die hohen Erträge und die für Südfrankreich außergewöhnlich frische Säure der Rebsorte gewesen sein, die zu ihrer Verbreitung beigetragen haben. Jedenfalls gelangte sie als „Ugni Blanc“ in das Languedoc und von dort aus schließlich über die Gascgogne auch in die Charente – und ist darüber hinaus auch in fast allen Appellationen an der Südlichen Rhône und in der Provence zugelassen.

Trotz der zahlreichen Varianten und Unterarten von Trebbiano in Italien besteht heute Gewissheit darüber, dass Ugni Blanc und Trebbiano Toscano genetisch identisch, also dieselbe Rebsorte sind. Nun ändert aber gerade das am schlechten Ansehen der Rebsorte nichts, im Gegenteil: fast immer, wenn Trebbiano Bestandteil eines Weines ist, kann man davon ausgehen, dass es sich dabei um ein eher schlichtes und wenig ausdruckvolles Gewächs handelt. Und das unabhängig davon, dass die Rebsorte in Italien mit etwa 55.000 Hektar fast neun Prozent der Rebfläche einnimmt und gleich in mehreren bekannten, etwas höherwertigeren Weinen wie Verdicchio, Orvieto, Frascati und Soave oder Lugana vorkommt sowie in den Abruz­zen. Dort und in der Romagna entstehen aus ihr sogar reinsortige Weine, wäh­rend sie ansonsten in über achtzig „Denominaziones di Origine (DOCs)“ nur im Verschnitt auftaucht (eine Zeit lang sogar im Chianti). Sie hatte ja von alters her genug Zeit, sich an die jeweiligen regionalen Bedingungen anzupassen …

Sieht man davon ab, das ihr mitunter aus unerklärlichen Gründen einzelne Triebe absterben (was in Australien als „The Dead Arm“ bekannt ist), ist Trebbiano eine unverwüstliche, wuchskräftige Rebe, die spät austreibt und so von etwaigen Spätfrosten eher selten betroffen ist. Bis auf Falschen Mehltau ist sie außerdem auch pilzresistent – was für hohe Erträge förderlich ist. Und tatsächlich erreicht Trebbiano ohne Mühe auch 150 Hektoliter pro Hektar, wenn man sie in ihrem Ertrag nicht bremst. Allerdings reift sie erst relativ spät aus, bisweilen erst im Oktober, was ihrer Verbreitung nach Norden natürliche Grenzen setzt. (In der relativ kühlen Charente liest man die Trauben bisweilen bevor sie voll ausgereift sind, wichtiger ist hier ohnehin die Säure. So ähnlich handhabt man es auch in Süditalien, dort allerdings, weil die Trauben schon früher ausgereift sind.)

Da sie auf wärmeres, nicht zu heißes Klima angewiesen ist, fühlt sich Trebbiano folglich in Mittelitalien am wohlsten. Sie erbringt dann meist gro­ße Trau­ben mit nicht allzugroßen Beeren her­vor, deren Schale – bei nahezu allen Unterarten von Trebbiano – ziemlich dünn ist und eher farbarm (sieht man von der in der Romagna gebräuchlichen, fast bernsteinfarbenen Unterart Trebbiano fiamma ab). Wie bei eigentlich allen im Übermaß produzierten Weine, verliert auch der ohnehin nicht sehr aromatische Trebbiano noch zusätzlich an Extrakt, Aroma und Ausdruckskraft – zeichnet sich dafür aber durch einen relativ geringen Alkoholgehalt und eine kräftige Säure aus.

Außer in Mittelitalien und im Südwesten Frankreichs gibt es in Argentinien etwa 2.500 Hektar mit Trebbiano sowie in nicht ganz solchem Umfang auch in Griechenland, Südafrika und – wie bereits angedeutet – Australien.

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