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Tempranillo

Tempranillo ist gewissermaßen das spanische Pendant zu Cabernet Sauvignon: Ähnlich wie er ist Tempranillo eine dickschalige Rebsorte, die dunkle, langlebige Weine hervorbringen kann, die mitunter – was im heißen Klima Spaniens eher ungewöhnlich ist – zurückhaltend sind, was den Alkoholgehalt anbelangt. Das liegt daran, dass Tempranillo von Natur aus wenig Restzucker hat – jedoch auch sein Glycerinanteil ist niedrig, der ansonsten für geschmeidigeren Alkohol sorgt (und beispielsweise bei Chardonnay reichlich vorkommt, der deshalb auch bei praktisch keinem Restzuckergehalt leicht süsslich schmeckt). Da Tempranillo überdies wenig natürliche Säure hat, erbringt er in heißen Klimata ohne deutliche Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht mitunter Weine, denen zur idealen Ausgewogenheit eben auch die nötige Säure fehlt.

„Tempranillo“ heißt übersetzt: das „Frühchen“, das heißt er reift früh – bis zu zwei Wochen vor Garnacha, mit dem er in Rioja gerne verschnitten wird – und hat insofern einen kurzen Wachstumszyklus. Deshalb gedeiht er in Meeresnähe, wo Winde kühlen, oder auf kargen Höhenlagen am Besten: Tempranillo kann hier dringend benötigte Säure aufbauen und liefert deshalb bessere Ergebnisse, weil sommerliche Temperaturen durch Winde oder die Höhe gemildert werden – wie beispielsweise auf dem breiten Hochplateau von Ribera del Douro, wo Tempranillo oft reinsortig ausgebaut wird und auch „süssere“ Tannine hat als beispielsweise in Rioja.

Dennoch ermöglicht der relativ kurze Wachstumszyklus der Rebsorte, dass Tempranillo auch im oft strengen Klima der höhergelegenen und vom Atlantik beeinflußten Gebiete Rioja Alta und Rioja Alavese angebaut werden kann und gute Ergebnisse zeitigt. Über 70 Prozent der Rebfläche ist hier mit Tempranillo bepflanzt – überhaupt ist Tempranillo die die dominierende Rebsorte in den meisten Verschnitten des Rioja, wo er auf 51.000 Hektar (von insgesamt 65.000) angebaut wird. In wärmeren Gegenden wie dem Rioja Baja hingegen fehlt den Weinen aus der dickschaligen Tempranillo-Traube die nötige Säure.

Bei den insgesamt nur etwa 600 Erzeugern in Rioja stand bisher immer der Stil der Weine im Vordergrund, nicht das Terroir. Auch deshalb sind hier nur zehn Prozent der Reben älter als vierzig Jahre und nur ein Prozent über 100-jährige Reben. Sie wurden traditionell als Buschreben erzogen. Tempranillo ist aber kräftig und wächst aufrecht – anders als beispielsweise Syrah, der Unterstützungssysteme unbedingt braucht -, weshalb er auch am Drahtrahmen erzogen werden, was seine maschinelle Bearbeitung möglich macht.

Da es in erster Linie um den Weinstil ging, war Rioja lange eine klassische „blending area“, wo verschiedene Rebsorten miteinander verschnitten wurden und Weine mit wenig Extraktion und langer Reifezeit im Barrique entstanden – die weniger von Frucht als von Eichenholznoten bestimmt waren. Tempranillo wurde dabei gerne mit saftigen Traubensorten wie beispielsweise Garnacha – die im warmen Rioja Baja am besten gedeiht – verschnitten, von deren Körper, Alkohol und Duft er profitiert. (In Spanien ist Garnacha die am häufigsten angebaute Rebsorte.)

In Rioja kann Garnacha (und andere Sorten) im Verschnitt mit Tempranillo auftauchen, in den besten Weinen jedoch ist sie eher selten. Dem traditionellen Verständnis eines Rioja-Weines steht dabei ein moderneres gegenüber, bei dem Tempranillos reinsortig gemacht werden – bei dem man bestrebt ist, die Fruchtaromen und Tannine zur Geltung zu bringen. Entsprechend maischt man hier lange ein, wodurch die Extraktion höher ist, und läßt die Weine dafür umgekehrt kürzere Zeit reifen. Dadurch entstehen elegantere Weine – keine ausgesprochenen Tanninpakete mehr. Ein solcher Tempranillo-Wein hat dann weniger Geschmacksnuancen von Tabakblättern, Gewürzen oder auch Leder, sondern womöglich fruchtigere Aromen von Kirsche, Brombeere und Pflaume.

Liest man allerdings auf dem Etikett „Roble“ („Eiche“), handelt es sich um einen kurz – etwa einen Monat – im Eichenfass „aufgepeppten“ Wein mit Eichenholzaromen, ohne aber die Qualitäten eines „Madurado“ zu haben – also eines über mehrere Monate und Jahre im Barrique gereiften Weines, wie es für einen Wein mit der geschützten Ursprungsbezeichung „Rioja DOCa“ („Denominación de Origen Calificada“) vorgeschrieben ist.

Sieht man von Rioja und Ribera del Duero – einem Hochplateau nördlich von Madrid, wo Tempranillo „Tinto Fino“ genannt wird und als meistangebaute Rebsorte Weine voller Farbe, Tannin, und auch Säure hervorbringt – ab, wächst Tempranillo auch noch in Valdepenas als dominierende Rebsorte (hier wird sie „Cencibel“ genannt), wo sie bisweilen mit Eichenspänen („Chips“) versetzt wird. Außerdem ist Tempranillo eine der wenigen spanischen Rebsorten, die es im Tal des Duero beziehungsweise Douro flußabwärts auch über die Grenze nach Portugal geschafft hat. Dort ist sie als „Tinta Roriz“ bekannt und bildet eine jener Rebsorten, die für die Herstellung von Portwein zugelassen ist. In den Denominaciónes Douro und Dáo wird ansonsten aber auch ein ausdrucksstarker Stillwein von ihr gemacht.

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