Während seiner Untersuchungen zur alkoholischen Gärung und zur Oxidation entdeckte der im französischen Jura geborenen Louis Pasteur (1822-1895) nicht nur den für die Fermentation verantwortlichen Hefepilz Saccharomyces cervisiae, sondern auch zahlreiche andere Mikroorganismen (Mikroben) – auch krankheitserregende. Um sie unschädlich zu machen, entwickelte er ein nach ihm benanntes Verfahren der Erhitzung, die Pasteurisierung, mit dem es gelingt, Bakterien und Enzyme abzutöten und Flüssigkeiten dadurch haltbar zu machen.
Pasteur löste damit ein großes Problem der Winzer, kam es doch bis dahin immer wieder zu unerwünschten Nachgärungen der Weine in der Flasche aufgrund von bakteriellen Verunreinigungen. Durch die Erhitzung der Weine auf eine Temperatur zwischen sechzig und hundert Grad Celsius werden solche Bakterien abgetötet – allerdings bleiben die Auswirkungen auf die Qualität des Weines umstritten. Von Ausnahmen abgesehen (wie beispielsweise beim „Maison Louis Latour“ im Burgund, wo die Pasteurisierung noch immer praktiziert wird), verzichtet man heutzutage deshalb gewöhnlich auf die Pasteurisierung – die mikrobiologische Stabilisierung der Weine erfolgt stattdessen mittels Schwefelung, das heißt durch die Zugabe von Schwefeldioxid (SO2).
Die Schwefelung mit SO2 erfolgt aber nicht nur zur mikrobiologischen Stabilisation, sondern auch als Antioxidantium für die Sauerstoffstabilität sowie zur Konservierung und Haltbarmachung des Weines. Es zu ihr bislang keinen wirksamen Ersatz, das heißt die Herstellung von schwefelfreien Weinen ist stets mit einem gewissen Risiko beziehungweise der Einbuße an Haltbarkeit verbunden. Nicht zuletzt deshalb wird die Schwefelung selbst bei manchen Biowinzern und/oder Herstellern von Naturweinen nicht grundsätzlich abgelehnt. Wichtig ist ihnen jedoch, die Schwefelzugaben so niedrig wie möglich zu halten und zumindest auf die Mostschwefelung vor der Gärung und jene nach der Gärung zu verzichten – und das Lesegut stattdessen zügiger zu verarbeiten.
Das Schwefeln mit dem gasförmigen Schwefeldioxid kommt bei der Weinbereitung zum Einsatz entweder durch räuchern mit Schwefelkerzen oder durch versprühen (dabei stehen die Behälter unter Druck und können explodieren – Ludwig Knoll in Franken hatte so einen schweren Unfall). Früher wurden dabei die Fässer geschwefelt, inzwischen ist man dazu übergegangen Schwefeldioxide bereits während der Weinbereitung zuzugeben – und zwar zu folgenden Zeitpunkten:
- Mostschwefelung vor der Gärung, noch während des Maischestadiums: das dient dazu, Enzyme (sauerstoffübertragende Oxydasen) zu hemmen und wird insbesondere in warmen Massenanbaugebieten mit langen Wegen zwischen Weinberg und Kellerei praktiziert
- nach der Gärung: der Schwefel bindet und neutralisiert das im Wein enthaltene Acetaldehyd, das beim Kontakt von Alkohol mit Sauerstoff während des Gärprozesses entsteht
- unmittelbar vor der Flaschenabfüllung: die Schwefelung kurz vor der Abfüllung dient der mikrobiologischen Stabilisierung und Konservierung des Weines – er wird dadurch erst lagerfähig
Neben der Verhinderung der Vermehrung jener Mikroorganismen, die Wein verderben können, und dem Schutz vor Oxidation, ist der Hauptzweck der Schwefelung also die Bindung des Acetaldehyds. Acetaldeyhd (Ethanal) ist ein Nebenprodukt bei der alkoholischen Gärung und Vorstufe des Alkohols (Ethanol) – ein Zellgift, das „Kater“ verursacht und in Verbindung mit Ethanol krebserregend ist. Im Wein schmeckt es nach Apfelmost („brauner Apfel“, ähnlich wie bei einem trockenen Sherry). SO2 bindet dieses Acetaldehyd – und verbindet sich dann mit dem Wasser im Wein zu schwefeliger Säure, die wiederum zu Sulfit (SO3) wird.
Neben dem Acetaldehyd entsteht bei der alkoholischen Gärung aber immer auch schon „natürliches“ SO2 als Nebenprodukt: „Wilde Hefe“ kann so bis zu 300 Milligramm pro Liter Schwefeldioxid produzieren, Reinzuchthefen immerhin noch etwa 80 Milligramm. Auch mit der Flaschenreifung nimmt der Anteil an gebundenem SO2 zu. Streng genommen gibt es insofern überhaupt keine schwefelfreien Weine (ganz abgesehen davon, dass Schwefelatome immer schon Bestandteil bestimmter Aromastoffe sind, beispielsweise bei den Thiolen des Methoxypyrazins bei Sauvignon Blanc). Allerdings gilt es hier grundsätzlich zwischen gebundenem und freiem Schwefel zu unterscheiden.
Die Unterscheidung zwischen freiem und gebundem und freien Schwefel ist deshalb wichtig, weil nur der freie Schwefel, der im Wein als Sulfit (SO3), also in in Salzform oder als riechbare freie schwefelige Säure vorliegt, gegebenenfalls gesundheitliche Beschwerden hervorrufen kann – falls sein Wert zu hoch ausfällt. Der gebundene Schwefel hingegen ist jener, der das schädliche Acetladehyd und andere negativen Inhaltsstoffe des Weins neutralisiert hat. Er reagiert allenfalls noch mit anderen Inhaltsstoffen des Weins (unter anderem mit Bestandteilen der Säure und der Glucose) und beeinträchtigt ihn insofern aromatisch. (Gleichwohl ist SO2 ein Reizgas und wirkt grundsätzlich Schleimhaut-reizend – etwas weniger vielleicht bei vulkanischem beziehungsweise elementarem SO2 wie es beispielsweise André Ostertag im Elsass verwendet. Ansonsten aber entsteht SO2 auch bei der Umwandlung von Eiweiß im Körper – hier sind es etwa 2000 Milligramm pro Tag!)
Nicht zuletzt aufgrund der aromatischen Auswirkungen des Schwefels sind die Winzer bisweilen bemüht, die Schwefelzugabe bei ihren Weinen grundsätzlich so niedrig wie möglich zu halten. Nach der Gärung wird der Wein normalerweise nur so schwach geschwefelt, wie es für die Bindung der Acetaldehyde nötig ist. Erst die Schwefelung unmittelbar vor der Abfüllung des Weines sorgt dann – je nach Höhe – für den gegebenenfalls gesundsbedrohlichen Anteil freier schwefliger Säure (Sulfit) im Wein. Grundsätzlich jedoch sind die Mengen des im Wein vorhandenen Schwefels gering und überdies auch gesetzlich geregelt.
Die Schwefelung mit SO2 folgt seit 2009 gesetzlichen Vorgaben der Europäischen Union im Bereich Gesamtschwefel, wobei die Schwefelung ab zehn Milligramm auf dem Etikett mit „Enthält Sulfite“ angegeben werden muss. Im Hinblick auf ökologischen Weinbau gibt es seit diesem Jahr eine gesamteuropäische Einigung – allerdings nur in Hinblick auf die Schwefelung als einzige kellertechnische Maßnahme: Das Biosiegel der EU, das alle Weine tragen müssen, die eine Biozertifizierung haben wollen, bezieht sich nur auf die Arbeit im Weinberg, das heißt die Regelungen enden an der Kellertüre – hier ist annähernd alles erlaubt.
Die Schwefelgrenzwerte wurden in diesem Zusammenhang im Schnitt um zwanzig Prozent gesenkt und dürfen nun nicht übersteigen:
- bei Rotwein mit weniger als 5 Gramm Restzucker (RZ): 150 Milligramm pro Liter (bei Biowein: 100 Milligramm)
- bei Rotwein über 5 g RZ: 200 mg/l (bei Biowein: 170 mg)
- bei Weißwein und Rosé mit weniger als 5 g RZ: 200 mg/l (bei Biowein: 170 mg)
- bei Weißwein über 5 g RZ: 250 mg/l (Biowein: 220 mg)
- Je mehr Restzucker, desto höher die Grenzwerte: Für edelsüsse Weine sind 400 mg/l erlaubt (diese Grenzwerte werden jedoch selten ausgereizt, ansonsten helfen auch die fünf „S“, die Menge gering zu halten: Schnelles und schonendes Verarbeiten, Sauberkeit, spundvolle Gebinde und regelmäßiges Schwefeln in geringen Dosen)
In der Praxis sind die durchschnittlichen Mengen wesentlich geringer, wobei Weißweine wegen ihrer erhöhten Oxidationsanfälligkeit etwas mehr Schwefel benötigen, Rotweine etwas weniger. Das heißt, die Schwefelung beginnt bei etwa 500 Milliliter Schwefeldioxid pro Hektoliter bei einem geringerem Alkoholgehalt des Weins, niedriger Säure und etwas Restzucker sowie bei Weinen ohne Biologischen Säureabbau. Gewöhnlich enthält ein Weißwein aber, nachdem er abgefüllt wurde, zwischen 35 und 45 Milligramm Schwefel pro Liter und ein Rotwein zwischen 20 und 35 Milligramm. Die höchsten Mengen enthalten edelsüße Weine mit 60 bis 80 Milligramm, wobei die freie schweflige Säure normalerweise knapp 20 Prozent und der gebundene Schwefel über 80 Prozent ausmacht.