Literatur

Mensch Fried

Erich Fried war für seine Liebe berüchtigt – seine Feindesliebe. Bis an sein Lebensende verteidigt er das Gespräch, den Dialog, und damit auch ein Grundprinzip des dramatischen Theaters. Der Lyriker und Shakespeare-Übersetzer wäre heute 100 Jahre alt geworden

Dann wieder

Was keiner / geglaubt haben wird / was keiner / gewusst haben konnte / was keiner / geahnt haben durfte / das wird dann wieder / das gewesen sein / was keiner gewollt haben wollte/

Erich Fried begriff Sprache als anthropologisches Fundament, sie erst zeichnet für ihn den Menschen in seinem Menschsein aus. Sprache existiert dabei grundsätzlich immer nur als Verkörperung, das heißt als stimmliche Artikulation oder, vielleicht wichtiger für Fried, als schriftliche, gestische Gestalt – sie ist ohne diesen räumlichen und zeitlichen Verkörperungsvorgang gar nicht zu denken.

In diesem Verkörperungsprozess, stets im Hier und Jetzt, liegt zum einen etwas Theatralisches – das interessiert mich –, andererseits hat die Sprache, das Schreiben und die Schrift für Fried, glaube ich, eine erweiterte Bedeutung: Er liebt sie wie den Menschen, vielleicht sogar noch etwas mehr, wenn er eine Graphologin darüber entscheiden läßt, mit welcher Frau er sich liieren soll, wie die Auserwählte in dem Porträt „Wir sind ein Tun aus Ton“ über Fried berichtet.

Liebesbeziehungslosigkeit

Manchmal / liebe ich / eine Zeile / eines Gedichtes / das ich geschrieben habe / als hätte ich sie geschrieben // Ich weiß sogar / ich habe sie geschrieben / Aber das hilft mir nicht / denn ich schreibe sie jetzt nicht // Die Zeile / die ich liebe / liebt mich nicht wieder

Aufgrund der anthropologischen Sprachlichkeit haben Worte immer gesellschaftliche Relevanz – und bekommen bei Erich Fried bisweilen auch eine politische Bedeutung, weil er glaubt, wie er sagt, „dass es besser ist, wenn man mit Menschen spricht, als wenn man sich nur gegenseitig tot schlägt, auch wenn diese Menschen Ansichten haben, die man für ganz verhängnisvoll hält“. Man müsse folgendes unterscheiden: „die Hoffnung, einen Menschen zu beeinflussen; und das andere, dass man mit einem Menschen sprechen soll, weil er ein Mensch ist, auch wenn man ihn nicht beeinflussen kann.“ Fried war für seine Liebe berüchtigt – seine Feindesliebe.

Fragen nach den Menschen

Und wurde die Liebe gelehrt? / Ja, aber schlecht und heimlich. / Und wurde der Tod gelehrt? / Ja, aber nur zum Teil. // Wieso zum Teil? / Es wurde nur Töten gelehrt, / gelehrt und geübt, / und das Sterben totgeschwiegen. // Und wurde der Haß gelehrt? / Ja. Gelehrt und geschürt, aber nur / auf den, der Feind genannt wurde, / und nicht auf das eigene Unglück. // Und was taten sie mit ihrem Leben? / Fast alle nur das, / was zu erwarten war, / nach einer solchen Lehrzeit.

Aus dieser Feindesliebe – ein Wort, dass es eigentlich gar nicht geben kann, dass es in unserer cancel culture gar nicht geben darf – erwächst die Würde des Menschen. Fried hat sie als dialogisches Prinzip verinnerlicht, denn auch seine Kritiker sollen sich artikulieren: „Ausreden lassen! Man muss Menschen, auch mit ganz anderer Meinung, ausreden lassen“, wie er sagt.

Weltfremd

Wer denkt / daß die Feindesliebe / unpraktisch ist / der bedenkt nicht / die praktischen / Folgen / der Folgen / des Feindeshasses

Unabhängig von der Frage nach Liebe oder Hass, ist dieser Dialog, dieses humanistische Prinzip, das Fried verteidigt, das bestimmende Merkmal der szenischen Handlung im dramatischen Theater: Es hat den sich im zwischenmenschlichen Bezug entwerfenden Menschen zur Grundlage – den bisweilen im Konflikt handelnden Menschen. Damit sich dieser Konflikt allerdings zu einer dramatischen Situation entfalten kann, bedarf es, wie der Dramaturg Bernd Stegemann in seinem zwanzig Jahre nach Erich Frieds Tod entstandenen Essay „Nach der Postdramatik“ (2008) bemerkt, „noch einer genau entgegengesetzten Mechanik. Der Konflikt benötigt zwei Parteien, die ebenso stark aneinander gebunden sein müssen, wie sie durch ihren Konflikt einander fliehen oder zerstören wollen. (…) Nur durch diese innere Dialektik der Situation als Trennendes und Vereinigendes zugleich kann sie zur Ursache von Handlung werden.“

Diese Situation allerdings hat sich in der jüngeren Vergangenheit vielleicht verändert, denn im Prozess der Moderne treten sich, wie Stegemann des weiteren feststellt, „zusehends weniger Menschen in Konflikten gegenüber, als dass Menschen mit Institutionen in einen komplizierten Kampf geraten“. Das Drama der menschlichen Beziehungen, der Konflikt antagonistischer Meinungen, findet in dieser Perspektive immer seltener statt, und die dramatische Situation an sich scheint der Komplexität der modernen Welt nicht mehr gewachsen zu sein. Das Drama jedoch bleibt gefangen in der menschlichen Interaktion, wobei es „(a)uf diese Begrenzungen der dramatischen Situation als zwischen Figuren verhandelbarer Konflikt reagierte“, indem man neue dramaturgische Konzepte (naturalistisches, episches und Dokumentartheater) schuf, letztlich jedoch übersteigen die darzustellenden Probleme der Gegenwart inzwischen die Darstellungskraft der dramatischen Situation, bemerkt Stegemann.

Zwischengedanken

Weil es / menschliche Beziehungen / gab / mußte es / Menschen geben // Nun gibt es / zwischenmenschliche Beziehungen / Die lassen / auf das Dasein von Zwischenmenschen schließen // Es muß aber auch Zwischenunmenschen geben / die dafür sorgen / daß die zwischenmenschlichen Beziehungen / so unmenschlich sind.

Es entwickelte sich das postdramatische Theater, das die Versuche, „durch dramatische Situationen, Figuren und eine Geschichte Theater zu erfinden“ als obsolet betrachtet und stattdessen das bislang obligatorische Verhältnis von Drama und Theater aufkündigte. Das postdramatische Theater versteht sich nicht mehr als Inszenierung eines dramatischen Textes, und es negiert darüber hinaus die Stuktur der dramatischen Situation für die Darstellung des Schauspielers. Es beginnt stattdessen, wie Stegemann sagt, „ein emphatisches Verhältnis mit sich selbst“. Was heißt das nun?

Bisher war die Schrift und das Theater „die Mimesis von Welt“, es gab also etwas außerhalb der menschlichen Sphäre, auf das sich Sprache – und das Theater – als Zeichen bezog: die Welt war der Referent (Signifikat), auf den die sprachlichen Zeichen (Signifkanten) rekurrierten. Dieses Zeichenverhältnis wird im postdramatischen Diskurs aufgelöst: hier wird die ganze Welt zum Zeichen, das Zeichen verweist auf nichts außerhalb Liegendes mehr, nur noch auf sich selbst oder auf andere Zeichen.

Worte bedeuten in diesem Sinn nichts anderes mehr, als was sie in ihrer Aussprache selbst kreieren, sie werden performativ: „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose“ – hier verliert das Wort seine Kraft zur Referenz, an dessen Stelle tritt der performative Sinn, wie im Zeichengebrauch des Wortes bei Aussagen wie: „Hiermit erkläre ich sie zu Mann und Frau“. „Das Aussprechen des Satzes erzeugt erst die Realität, die er zugleich beschreibt“, weiß Stegemann, und genauso stellt sich die Selbstreferenz im Theater dar: Die Darstellung auf der Bühne bezieht sich nicht mehr auf etwas außerhalb der Bühne existierendes, die Welt, sondern „(d)er Akt der Darstellung ist das Gemeinte“. Was man sieht hat keine andere Bedeutung mehr, als das, was man sieht – eine Geschichte (Handlung) muss man sich im postdramatischen Theater im Zweifelsfall selbst konstruieren.

Kunst um der Kunst willen:

1 Recht auf Irrtum

Kunst / um der Kunst willen / ist ein Irrtum / den man / gegen die Irrtümer / in deren Namen / er angegriffen wird / immer wieder / verteidigen muß / um der Freiheit willen / und um der Wahrheit willen / und um der Kunst willen

2 Der linke Elfenbeinturm

Kunst / um der Kunst willen / wird am schärfsten / von dem / verurteilt / der die Revolution / um der Revolution willen / will

Die Zeichen in diesem performativen, postdramatischen Theater werden also bedeutungslos: Die Stimme zum Beispiel soll nicht mehr den Argumenten im Konflikt dienen, sondern sie soll sich befreien und ihren Eigenwert, ihren sogenannten Materialwert, erhalten. Alles Menschliche verschwindet, und es geht auch nicht mehr darum, einen auswendig gelernten Text deutlich zu artikulieren, sondern er wird dann vielleicht außer Atem so gesprochen, dass man nichts mehr versteht und Keuchen den Sinn überlagert. Die Stimme verweist im Keuchen auf nichts mehr als auf sich selbst. Alles, was auf der Bühne sinnlich wahrnehmbar ist, bedeutet nichts mehr, verfolgt keinen Sinn mehr, sondern „der Eigenwert von überhaupt allem wird zum ästhetischen Leitbegriff dieser Epoche“, weiß Stegemann. Alles muss vom Zuschauer selbst interpretiert werden – überhaupt kreiert er das Theaterstück selbst mit.

Schwache Stunde

Nun geben / die Antworten / den Antworten / fertige Antwort / und die Fragen / fragen nicht mehr // Was wären das auch / für Fragen? / „Hast du die Liebe gesehen? / Warum läuft sie davon? / Seit wann / geht Liebe / nicht mehr zur Liebe? // Was ist das für eine Liebe / die so etwas tut? / Ihre feindlichen / fernen Verwandten / sind so / Aber sie / heißt doch Liebe? // Soll man sie / anders nennen? / Und kann man sie rufen / daß sie umkehrt / und nicht davonläuft?“ / Das wären noch immer / Fragen // Aber die Fragen / fragen nicht mehr / und nur / die fertigen Antworten / geben den Antworten / Antwort

Bisher war die Figur, die vom Schauspieler verkörpert wurde, das Zentrum des dramatischen Konflikts: „Darstellen“ hieß, eine Figur zu verteidigen (nicht, sich selbst dazustellen). Der bekannte russische Theaterrefomer Konstantin Sergejewitsch Stanislawski (1863-1938) stellte in diesem Zusammenhang einen organischen Zusammenhang zwischen dem inneren Erleben und dem physischen Ausdruck her. Mit Bertolt Brecht dann wurde die Trennung von Schauspieler und Figur erstmals zum Ausgangspunkt eines neuen ästhetischen Ausdrucks: Bei Brecht beginnt der Schauspieler sein Spiel zu beobachten, „die Demonstration der Handlungen als Zeuge markiert jedes Ereignis auf der Bühne“, schreibt Stegemann. Mit der Differenz von Handlung und diese Handlung ausführende Figur wird die Handlung selbst zu einer erzählbaren Geschichte geformt.

Im postdramatischen Theater des 21. Jahrhunderts hingegen ist alles auf der Bühne zum Zeichen seiner selbst geworden, das gilt auch für den Schauspieler: „Das performierende Subjekt“, schreibt Stegemann, „ist ein Zeichenträger, der sich seiner Zeichenhaftigkeit bewusst ist und darum die Maske des erlebenden und handelnden Menschen nicht mehr glaubwürdig annehmen kann. Die Theatermittel dienen der Dekonstruktion einer Zuschauerwahrnehmung, die noch immer in schlechter Gewohnheit nach einem Zusammenhang sucht in der Figur, in der Handlung und in der Mimesis überhaupt. Eingeübt wird so die Trennung der Zeichen von ihrem Bezeichneten. Die theatralischen Mittel hierfür sind die Hervorbringung von Bedeutungsungewissheiten.“

Fügungen

Es heißt / ein Dichter / ist einer / der Worte / zusammenfügt // Das stimmt nicht // Ein Dichter / ist einer / den Worte / noch halbwegs / zusammenfügen // wenn er Glück hat // Wenn er Unglück hat / reißen die Worte / ihn auseinander

Postuliert das dramatische Theater noch die mimetische Anbindung des Schauspielers beziehungsweise der von ihm verkörperten Figur – wie überhaupt aller Theatermittel – an die Welt, löst sich dieser Zusammenhang der dramatischen Situation im performativen Theater. An die Stelle einer Außenwelt tritt die gemeinsame Anwesenheit, die Ko-Präsenz der Körper der Performer und ihrer Zuschauer und die sie verbindenden, wechselseitigen Wahrnehmungsprozesse. Die Wahrnehmung der Körperlichkeit, auch der eigenen, tritt an die Stelle des Textes, der Sprache. Allerdings, so zumindest Bernd Stegemann, sei das „auch schon Anfang und Ende allen Nachdenkens“. Eine dramatische Situation kann und darf es nicht mehr geben, denn, wie der Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann in „Postdramatisches Theater“ (1999) schreibt, „was als Drama erlebt und/oder stilisiert wird, ist nichts als die heillos trügerische Perspektivierung von Geschehen als Handeln“.

In diese Verdammung, bemerkt Stegemann, „mündet die ganze Absage der postdramatischen Theorie an das Drama. Die Wahrnehmung der Mitmenschen unter der Perspektive, ihr Leben als Handeln betrachten zu wollen, wird als illusionärer Trug und eingeübte Lüge entlarvt. Damit wird zugleich der dramatischen Situation als einer Form, Welt in erzählbare Strukturen zu übersetzen, jede Legitimation abgesprochen.“

Im dramatischen Theater ist eine Situation, Stegemann zufolge, dann tragisch, „wenn beide Seiten Recht haben und dieses in absolut gleichem Maße für sich in Anspruch nehmen. Unentscheidbarkeit ist Grundlage des Tragischen und die emotionale Erkenntnis, die in der Tragödie kathartisch begriffen werden soll.“

Links rechts links rechts

Wenn ein Linker denkt / daß ein Linker / bloß weil er links ist / besser ist als ein Rechter / dann ist er so selbstgerecht / daß er schon wieder rechts ist / Wenn ein Rechter denkt / daß es ein Rechter / bloß weil er rechts ist / besser ist als ein Linker / dann ist er so selbstgerecht / daß er schon rechtsradikal ist // Und weil ich / gegen die Rechten / und Rechtsradikalen bin / bin ich gegen / Linke / die denken / daß sie besser sind / als die Rechten / Und weil ich gegen sie bin / denke ich manchmal /ich habe ein Recht zu denken / daß ich doch besser als sie bin

Im dramatischen Theater also ist die Situation von einem Konflikt geprägt, dessen Bruchlinie für Stegemann „ins Zentrum der Welt trifft, in der sich der Konflikt ereignet“. Der Konflikt sei deshalb die beste Darstellungsform der Welt, „da sie in diesem Bruch ihre Widersprüchlichkeit als ein Dasein zeigt, das schlechthin nicht ist, wie es sein soll“.

Status quo

Wer will / daß die Welt / so bleibt / wie sie ist / der will nicht / daß sie bleibt

Dem dramatischen Theater wohne eine Kraft inne, die neuerdings gerne verkannt oder geleugnet werde, sagt Stegemann, der dieses Theater vehement gegen die Postdramatik verteidigt: „Der stereotype Einwand, es gebe eine solche Weltbeschreibung nicht mehr, verkennt die Potenz der dramatischen Kunst, die in jedem gelungenen Auftritt eine abgegrenzte Welt erschafft, indem sie diese als in sich widersprüchlich darstellt. (…) Die Situation ist ein Erkenntnismittel des Dramas, um menschliches Handeln und Erleben komplex und sinnlich zugleich in seinen Grundwidersprüchen darstellen zu können.“ Das habe nichts mit althergebrachter „Melodramatik“ zu tun.

Einerlei

„Nichts was nicht neu ist“ / sagt ihr: / „Das Alte langweilt“ // Nun gut: / Es wurde schon einmal / gelebt / Es wurde schon einmal / geliebt / Es wurde schon einmal / gerufen / zum Aufstand // Es wurde schon einmal / gebangt um ein krankes Kind / schon einmal ein Kampf / um das Recht und die Freiheit / verloren / Es wurde, schon einmal / alt geworden / gestorben // Also lohnt es sich nicht mehr / für uns / zu leben / zu lieben / uns aufzulehnen / zu hoffen / zu bangen / zu altern / zu sterben // Das alles ist nicht mehr neu / Das langweilt / euch Tote

Anders als das Gemälde im Museum, ist das Theater nicht für die Ewigkeit gedacht, sondern muss sein Publikum jedes Mal aufs neue in der Gegenwart der Aufführung erreichen, das ist seine Besonderheit. Dieser Aufführungscharakter bedingt, dass das Theater unbedingt glaubwürdig sein muss. Um die Zuwendung des Publikums zu erreichen, so Stegemann, müssen die dargestellten dramatischen Situationen auf dramaturgisch glaubwürdigen Handlungen beruhen und „plausibel und verstörend zugleich“ sein. Glaubwürdigkeit sei dabei das entscheidende Kriterium, und „Glaubwürdigkeit ist … ein durch das Drama erzeugtes Gefühl, der Geschichte seine Aufmerksamkeit schenken zu wollen“.

Aufhebung

Sein Unglück / ausatmen können // tief ausatmen / so daß man wieder / einatmen kann // Und vielleicht auch sein Unglück / sagen können / in Worten / in wirklichen Worten / die zusammenhängen / und Sinn haben / und die man selbst noch / verstehen kann / und die vielleicht sogar / irgendwer sonst versteht / oder verstehen könnte // Und weinen können // Das wäre schon / fast wieder / Glück

Im postdramatischen Diskurs hingegen trete an die Stelle der Glaubwürdigkeit von Figur und Handlung „die Ehrlichkeit des Effekts“. Aber wie soll man damit operieren in einer Zeit, „in der die harmlose Simulation von Konflikten ein ferner Traum ist“, fragt Stegemann im Jahr 2008. Eine Frage, die, ganz abgesehen von militärischen Auseinandersetzungen, in den letzten Jahren nichts an ihrer Dringlichkeit verloren hat, im Gegenteil. Die Diskussionen zur Rolle der verschiedenen Social-Media-Plattformen in diesem Zusammenhang scheint auch gerade erst begonnen zu haben …

Der postdramatische Diskurs, so schreibt Stegemann, wird ägerlich, „wo er sich zum ästhetischen Maßstab erhebt und mit eben dieser Sprache nicht das gegenwärtige Theater analysiert, sondern dem Theater seine weitere künstlerische Entwicklung vorschreiben will“.

Drei Fragen zugleich

Darf ein Gedicht / in einer Welt / die an ihrer Zerrissenheit / vielleicht untergeht / immer noch einfach sein? // Darf ein Gedicht / in einer Welt / die vielleicht untergeht / an ihrer Zerrissenheit / anders als einfach sein? // Darf eine Welt / die vielleicht an ihrer / Zerrissenheit untergeht / einem Gedicht / Vorschriften machen?

Die Hybris der Postdramatik besteht darin, den Diskurs um das selbstgenügsame Zeichen erweitert zu haben, denn, wie Stegemann abschließend bemerkt, „(d)amit wird die ganz Welt theatral und jede Zufälligkeit theatralisch geadelt. Das mimetische Theater dagegen gründet seine Kunst auf der Sinnlichkeit des Spiels und der darin verhandelten Bedeutungen. Der theatralische und dramatische Anteil des Theaters setzen im dialektischen Spiel eine Komplexität frei, über die nur das Theater verfügt und die eben sinnlich und rational zugleich ist. Es ist nicht einzusehen, wieso die Sprengung dieser Dialektik einen Gewinn darstellen soll. Die unendliche Zunahme möglicher Bühnenereignisse, die der postdramatische Diskurs ermöglicht, kann es wohl nicht sein.“

Einige Irrwege

Wer sich abwendet von der Schönheit / der begeht / Verrat an der Schönheit des Lebens / und an der Schönheit der Welt // Wer sich abwendet von der Häßlichkeit / der begeht / Verrat an den Leiden des Lebens / und kämpft nicht mehr gegen Unrecht // Wer nur noch die Schönheit sieht / der geht in die Irre / Wer nur noch die Häßlichkeit sieht / der geht in die Irre / Wer nur noch den Kampf gegen / Unrecht sieht / der geht in die Irre // Wer glaubt nie zweifeln zu dürfen / an der Schönheit / an der Häßlichkeit oder sogar / am Kampf gegen Unrecht / der ist so arm geworden / wie der der zweifelt / und glaubt nie mehr glauben zu dürfen

Neben dem bereits erwähnten Porträt „Wir sind ein Tun aus Ton“ gibt auch die englischsprachige Dokumentation „Erich Fried: Exiles“ aus dem Jahr 1988 einen Einblick in Leben und Arbeit von Erich Fried.

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