In Landschaftsgärten und Naturparks werden immer auch gesellschaftliche Vorstellungen und Ideale ins Bild gesetzt. Ein Essay zur Inszenierung von Landschaft …
„Im Augenblick befinden sich die besten Partien unserer Gegend noch nicht in Privatbesitz; die Landschaft gehört niemandem, und der Wanderer kann sich erfreulicherweise verhältnismäßig frei bewegen. Doch irgendwann kommt wohl die Zeit, da dies alles aufgeteilt und man sogenannte Landschaftsparks oder Lustgärten anlegen wird, in denen dann nur einige wenige einer eng umgrenzten und exklusiven Lust frönen; dann, wenn Zäune sich vervielfachen …“
Henry David Thoreau, Vom Wandern (1862)
„… ein Garten im großen Stil ist eben nur eine Bildergalerie, und Bilder verlangen ihren Rahmen.“
Hermann Fürst von Pückler-Muskau
„Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen / Und haben sich, eh man es denkt, gefunden; / (…) Und wenn wir erst in abgemeßenen Stunden / Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden, / Mag frei Natur im Herzen wieder glühn.“
Johann Wolfgang Goethe, Kunst und Natur (1800)
„Die Kunst ist der nächste Nachbar der Wildnis.“
Karl Ganser, Geograph und Stadtplaner, in großen Lettern über dem Südeingang zum Naturpark „Schöneberger Südgelände“
Wenn man im „Schöneberger Südgelände“ in Berlin spazieren geht, befindet man sich vermutlich auf der Suche nach etwas Entspannung abseits der Stadt, in der Natur. Denn die wuchert auf dem zum Naturpark umgestalteten Gelände eines ehemaligen Rangierbahnhofes unaufhörlich, seit dieser 1952 stillgelegt wurde. Um den Lebensraum für die unzähligen sich hier niedergelassenen Lebensarten zu schonen wurden auf insgesamt 4,2 Kilometer Wege angelegt, die den Besucher durch den Naturpark und die darin – zwischen alten Bahngleisen, verrosteten Signalanlagen und sich selbst überlassenem Wald – platzierten künstlerischen Objekte im „Giardino secreto“ führen.
Etwa 600 Meter dieses Weges bestehen aus einem langen, gerade verlaufenden Stahlsteg, realisiert von der Bildhauergruppe „Odious“ – einer Gruppe, die ausnahmslos aus bisweilen abstrakt arbeitenden Stahlbildhauern besteht und die sich „mit selbstironischem Verweis auf die Widerständigkeit ihrer Materialien und Produktionsmethoden“ nach dem englischen Begriff „odious“ für „hässlich, abstoßend“ benannt hat, wie das Georg-Kolbe-Museum zu einer Ausstellung der Gruppe, deren Erfolg „unter anderem durch den Kritiker Heinz Ohff“ befördert wurde, im Jahr 2012 schreibt.
Der im Jahr 2000 errichtete Naturpark im Berliner Süden vermittelt dem urbanen Besucher schnell die Illusion, sich mitten in einer ländlichen Umgebung, mitunter in der Wildnis, zu befinden. Natur erfahren ist hier so selbstverständlich, dass man ihr bald kaum mehr besondere Beachtung schenkt. Das ändert sich, sobald man den Stahlsteg betritt, plötzlich rückt die Natur ins Zentrum der Aufmerksamkeit, wie die Theaterwissenschaftlerin Sabine Schouten über einen Besuch des Naturparks in einem Beitrag zum Tagungsband „Kunst der Aufführung – Aufführung der Kunst“ (2004) schreibt, „(d)enn nach einiger Zeit geht der Hauptweg des Parks in einen breiten Metallsteg über … `Zum Schutz der Pflanzenwelt´, wie ein Schild informiert, geht es von hier an nur etwa einen Meter über dem Boden schwebend weiter. Wir ließen uns davon zunächst kaum irritieren, betraten den Steg und setzten Weg und Gespräch fort – dennoch hatte sich etwas verändert. Die Unterhaltung kam ins Stocken. Stattdessen rückte plötzlich die Natur ins Zentrum unserer Wahrnehmung. Was vorher fast unbemerkt am Wegesrand lag, drängte sich nun auf: das Spiel der Sonne in den Gräsern, das Rauschen in den Blättern, der schwere Duft des Ginsters. Schließlich blieben wir stehen, der sommerlichen Szene für einen Augenblick unsere ganze Aufmerksamkeit schenkend.“
Der aus dem Wegenetz herausgehobene Metallsteg hat die Wahrnehmungssituation verändert: Er inszeniert, wie Schouten sagt, „die räumliche und zeitliche Strukturierung der Wanderung für den Besucher“ und ermöglicht damit die beschriebene Naturerfahrung; er inszeniert die Parklandschaft als Naturszene, die gesteigerte Gegenwartserfahrungen erlaubt, die als „Momente der Intensität“ wahrgenommen werden, in einem Prozeß, den man mit Schouten „aufgrund der ständigen Korrelation von Inszenierung und Wahrnehmung als Aufführung bezeichnen könnte“.
Schouten führt aus, dass der Parkbesucher, wie in einer Theateraufführung, „vom Interaktionsraum der ihn umgebenden Natur separiert“ wird, ihm also „potentieller Bewegungsraum entzogen (wird), indem er zum Darbietungsraum gemacht wird. Dieser räumliche Entzug geht mit einer Reduktion von Sinneswahrnehmung einher. (…) Konnte ich die Gräser und Sträucher am Weg zuvor näher anschauen, jederzeit berühren oder daran riechen, so werden diese Möglichkeiten der intensiven sinnlichen Erfahrung durch den Steg erschwert. Paradoxerweise ist es aber erst diese Entzugssituation, die mich den Duft des Ginsters und das Lichtspiel bewusst wahrnehmen lässt – warum?“, fragt Sabine Schouten.
Es ist, als ob die Natur ihren Auftritt hätte: Der Metallsteg bewirkt eine Verschiebung der Aufmerksamkeit und folgt dabei einer theatralen Gestaltungspraxis, indem zuvor unauffällige Wahrnehmungsinhalte – die Natur – dem unmittelbaren Zugriff entzogen und so ins Bewusstein gerückt werden. Auch im Theater wird Aufmerksamkeit professionell produziert: „Es bedient sich nicht nur der Trennung von Zuschauerraum und Bühne, um das Interesse der Zuschauer zu bündeln, sondern hat mit Techniken wie der Verdunkelung oder der konformen Sitzausrichtung weitere Methoden gefunden, die den sensuellen Entzug des Publikums verstärken. So wird dem Theaterbesucher durch die Verdunkelung seine unmittelbare Umgebung visuell entzogen, und die Bestuhlung reduziert den Bewegungsradius auf ein Minimum. Dieser Reizentzug fördert die Wahrnehmungsbereitschaft des Zuschauers, indem seine Aufmerksamkeit idealiter in vollem Umfang auf die Bühne kanalisiert wird.“
Diese theatralen Praktiken werden vom Zuschauer nicht als störend empfunden, solange sie, wie im gewöhnlichen Illusionstheater, „eine irritationsfreie Wahrnehmung gewährleisten“, schreibt Schouten. Die sensorische Deprivation wird im Gegenteil „als Ermöglichung maximaler Einfühlung und als angenehm wahrgenommen“, solange die Aufführung die Konvention dieser Aufführungspraxis und die theatrale Kanalisierung von Aufmerksamkeit als fremdbestimmten Vorgang nicht problematisiert. Das ist im postdramatischen Theater der Gegenwart anders, hier werden die Wahrnehmungsprozesse selbst zum Inhalt des Theaters. Bis dahin allerdings ist es im wahrsten Sinne des Wortes ein weiter Weg …
Am Anfang dieses Weges, der Inszenierung von Landschaft, stand womöglich einfach ein rasch gezogener Strich auf einem Blatt Papier, eine sanft geschwungene Linie, der einem schnurgeraden Weg einen gekrümmten Verlauf gab, flüchtig eingezeichnet vielleicht in eine Skizze, die als Vorlage zur Umgestaltung einer bestehenden Naturszene diente. So zumindest war es bei Joseph Peter Lenné (1789-1866), der neben Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871) sicherlich mit zu den bedeutendsten deutschen Landschaftsbildnern gehört, wie der bereits erwähnte Heinz Ohff in einer Biographie über „Joseph Peter Lenné“ (2012) schreibt. Lennés Wege waren „stets leicht gekrümmt und immer so, dass eine harmonische Raumordnung entsteht“, die Wegeführung stand dabei stets am Anfang seiner Landschaftsentwürfe.
Lenné jedoch war zunächst gar kein Landschaftsbildner, sondern als Gärtner tätig. Und was hier für die einzelne Person gilt, läßt sich in einer globalen Perspektive auch für die Entwicklung insgesamt konstatieren: Am Anfang war der Garten – die Gärtnerei selbst dürfte beinahe so alt sein wie die Menschheit –, der inszenierte Landschaftsgarten oder Park kommt erst später, er ist eine genuine Erscheinung des 18. Jahrhunderts. So steht Lenné als Landschaftsgestalter zwar am Beginn der Moderne, aber doch beinahe am Ende einer Entwicklung: Seine Aufgabe ist es, so formuliert es Ohff, „neue Impulse in die Spätzeit des romantischen Landschaftsgartens zu bringen“.
Zur Geschichte der Landschaft
Natur war immer schon menschlichem Einfluss unterworfen, Landschaft immer schon auch Kulturlandschaft. Um ihr Land, ihre Landschaft, nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) nicht nur durch wirkungslose Verordnungen vor der allgemeinen Nutzung zu schützen, sahen sich ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts etliche Landesherren gezwungen, ihren Besitz durch Mauern und Zäune von der Umgebung abzutrennen und zu schützen – sie begannen, einen „Garten“ anzulegen, wie Hansjörg Küster in seiner „Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa“ (2010) ausführt. Denn genau das bedeutet der Begriff Garten zunächst: Gemeint ist damit kein Nutz- oder Ziergarten in unserem heutigen Verständnis, sondern zunächst einmal einfach nur ein abgeschlossener, abgegrenzter und geschützter Bereich. Das wird, wie Küster bemerkt, „an der sprachlichen Verwandtschaft zwischen `Garten´ und dem slawischen Wort `gorod´ oder `-grad´ (für Stadt) deutlich“. Aus dieser Wortendung, auf die viele Stadtnamen in Osteuropa enden, entwickelten sich in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Begriffe, die aber stets einen abgegrenzten Bereich bezeichnen. Genauso ist aus dem deutschen Wort „Zaun“, der den „Garten“ eingrenzt, auch das englische Wort „town“ und das niederländische „tuin“ entstanden. „Die nach außen hin abgegrenzten Gärten gibt es aber genauso wie die Stadt nur dort, wo urban geprägte Menschen leben, die ihren Lebensraum gegenüber einer außerhalb liegenden Wildnis abgrenzen wollen; insofern gehören Stadt und Garten stets zusammen“, schreibt Küster in seiner „Geschichte des Waldes“ (2013).
Vor fremder Nutzung geschützt, konnten die Fürsten zunächst mit und in ihren Ländereien erfolgreich Wirtschaftspolitik betreiben und Kapital akkumulieren, das ihnen erlaubte, neue Residenzstädte zu errichten. Bis in die frühe Neuzeit entstanden überall in Deutschland repräsentative Anwesen (Schlösser), häufig am Rande der Städte, wo sie mitunter bestehende Pfalzen ausbauten, und in der Nähe von Mühlen (der Legende nach störte sich Friedrich II. am Geklapper der Mühle beim im Jahr 1745 erbauten Schloss Sanssouci in Potsdam, weshalb er dem Müller anbot, ihm die Mühle abzukaufen, was der jedoch ablehnte. Daraufhin soll ihn der König ermahnt haben: „Weiß er wohl … dass ich Ihm seine Mühle nehmen kann, ohne einen Groschen dafür zu geben?“ Worauf der Müller erwiderte: „Ja, Ew. Majestät … wenn das Kammergericht in Berlin nicht wäre!“).
Da die neuen Residenzen bisweilen am Rande beziehungsweise vor den Toren der Stadt errichtet wurden, blickten die Landesherren mindestens auf einer Seite in freies, unbebautes Land, das noch dazu häufig dicht bei Bächen oder Flüssen lag. Dort legten sie ihre Gärten an, „anderweitig nutzen ließen sich diese Niederungsbereiche nicht“, weiß Küster, da sie bisweilen von Hochwasser bedroht waren. (Schon seit jeher wurden Siedlungen immer in der Mitte eines Hanges angelegt, wie auch Cato schon wusste: „Erstrebenswert ist also eine in Wärme und Kälte gemäßigte Atmosphäre, wie sie etwa auf halben Hängen zu herrschen pflegt, wo sie nicht, in Niederungen eingesenkt, zur Winterzeit von Reif erstarrt oder im Sommer in der Gluthitze brät, noch zu den höchsten Erhebungen emporgehoben, bei den geringsten Windstößen und Regenschauern zu jeder Jahreszeit wütet. Die beste Lage ist also die am halben Hang …“, genau dort, wo übrigens auch die Burgunder ihre besten Lagen für die Weinrebe verortet haben.)
Hatte die mittelalterliche Burg die Natur noch ausgegrenzt, wurde sie nun in Form einer Gartenanlage von der Umgebung abgegrenzt, wo, wie Küster bemerkt, „die Folgen von Übernutzung nicht zu übersehen“ waren: Hat der enorme Holzbedarf oft zum Kahlschlag einer Region geführt, wandeln sich die geschützten Landschaftsgärten zu blühenden „Oasen im weithin verwüsteten Land“. Hier sollten, schreibt Küster, „Naturerscheinungen auf Dauer oder immer wieder in gleicher Weise zu sehen sein. (…) Durch Beständigkeit sollte sich ein Garten von seiner Umgebung absetzen …“. Da sich das Erscheinungsbild eines Landschaftsgartens jedoch permanent wandelt, ist auch die Arbeit daran ein nie endender Prozess: Die Umwandlung von Natur in eine Kulturlandschaft bedarf der dauernden Anstrengung des Gärtners (ein Bild, das im „Weinberg des Herrn“ nur allzu gern von christlichen Apologeten aufgenommen wurde).
Der Französische Barockgarten
Während bei der Gartengestaltung die praktischen Erfahrungen mit bereits bekannten Gehölz- und Pflanzenarten genutzt wurden (verwendet werden mussten solche, die es überlebten, wenn man sie regelmäßig schneitelte oder in eine ungewöhnlich kunstvolle Fasson schnitt), orientierten sich die Landesherren bei der Anlage ihrer Gärten am barocken französischen Landschaftsgarten. Das Vorbild dazu hatte seit dem Jahr 1661 der Gartengestalter André Le Nôtre (1613-1700) für König Ludwig XIV., den Sonnenkönig, errichtet: Vor der Hauptstadt Paris, in Versailles, entstand ein riesiges Schloss mit einem Park, einem weitläufigen Garten, „in dem das zentralistische Prinzip des Absolutismus der Natur aufgezwungen wurde“, wie Küster bemerkt.
Im Garten von Versailles wurde der Stil des französischen Barockgartens von Le Nôtre zum Ausdruck einer vom Menschen beherrschten Natur: „Alles ist streng abgezirkelt, die Wege sind mit Kies bestreut, die Kanten scharf abgestochen, die Beete in Buchsbaum eingefasst mit spitzwinkligen Kanten, die Bäume kubisch, pyramidisch oder phantastisch beschnitten, dass sie aussehen wie abstrakte stereometrische Gebilde oder exotische Tiere, aber nicht mehr wie Bäume“, schreibt Heinz Ohff in diesem Zusammenhang, „(m)an kann ihn wohl auch tatsächlich als die Krönung der naturfernen Parkkunst anssehen – die nun wirklich total unterworfene Natur …“.
Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein sollte Le Nôtres Stil vorherrschend bleiben – und in Versailles in einem Ausmaß, wie man es bis dahin noch nicht gesehen hatte. Zwar legten sich bereits die durch ihr diszipliniertes Wirtschaften zu Reichtum gekommenen italienischen Patrizier bürgerliche Renaissance-Garten an (das gilt insbesondere für die Toskana, beispielsweise der von Niccoló Tribolo gestaltete Garten der Villa Medici in Castello bei Florenz), die mit ihrer geometrischen Grundordnung, ihren regelmäßigen Wegen und ihren symmetrisch, mit ornamentalen Mustern, angelegten Beeten und Rabatten zum demonstrativen Ausdruck rationaler Naturbeherrschung wurden, nun jedoch erhält der zum Park erweiterte Garten einen gänzlich anderen Maßstab: In den weiträumigen Schloß- und Gartenanlagen wie in Versailles (oder auch in Karlsruhe beispielsweise) blickt der absolutistische Regent von seinem „am Schnittpunkt von zentrierter Natur und zentrierter Stadt“ errichteten Schloss aus in schier endlose Schneisen, die bisweilen in den Wald geschlagen wurden, der in Schlossnähe zum nun so genannten Französischen Barockgarten wurde. Küster bemerkt in diesem Zusammenhang: „Der geometrisch gestaltete Garten bekam riesige Dimensionen; seine Wege zogen sich kilometerweit schnurgerade durch die Lande, an den Balustraden oberhalb der Gärten stehend, konnte man deren äußere Begrenzung nicht erkennen. Idealerweise sollten die Gartenwege nie enden, sondern das ganze Land durchmessen, in dessen Mittelpunkt sich der Herrscher im Schloß stehen sah.“
Waren die Schneisen nicht sowieso schon in den Wald geschlagen, bepflanzte man in der Barockzeit vielfach Straßenränder planmäßig mit Bäumen, bevorzugt auch an den Zugängen zu den Schlössern, „wo die Bäume Spalier standen wie Gardegrenadiere und den Besucher einstimmen sollten auf die Macht des Hausherrn“, wie Alexander Demandt in seiner Kulturgeschichte „Der Baum“ (2014) schreibt. Solche Pflanzungen nannte man Allee, ein Begriff, der bereits im 17. Jahrhundert im Deutschen übernommen wurde.
Allerdings, so bemerkt Ohff, war Mitte des 18. Jahrhunderts auch schon das „Donnergrollen“ jener beiden Revolutionen zu vernehmen, die dann am Ende des Jahrhunderts dem Absolutismus und seiner Ordnung ein Ende bereiten sollten: der Amerikanischen (1775-1783) und der Französischen (1789-1799). Schon mit den politischen Umwälzungen, die der Siebenjährige Krieg (1756-1763) mit sich brachte, wandte man sich von den Ideen des französischen Absolutismus ab. Stattdessen rückte England, der politische Bündnispartner von Preußen, hierzulande mehr ins Blickfeld, und man begann, sich bei der Gestaltung seiner Gärten an den Prinzipien der englischen Parkanlagen zu orientieren. Im sogenannten Englischen Garten, weiss Küster, „sollte nicht demonstriert werden, wie sehr der Mensch die Natur beherrschte, es sollte sich vielmehr das, was man für Natur hielt, frei entfalten können“. Hier entwickelten sich, wie Ohff schreibt, „Ideen für einen Garten aus Landschaft statt aus beschnittener und vergewaltigter Natur“. Im Englischen Garten wird der Park, als erweiterter Garten, zum Landschaftsgarten.
Der Garten als Modell der Gesellschaft
Im Englischen Garten werden gänzlich andere Ideen ins Bild gesetzt als im französischen Barockgarten. Treffend bringt das der liberale englische Essayist Joseph Addison (1672-1719) auf den Begriff, der zwischen 1699 und 1703 den Kontinent bereiste und nach seinem Besuch in Versailles eine Abkehr vom französischen Park zugunsten von „irregularity, asymmetry, wildness“ (Unregelmäßigkeit, Asymmetrie, Wildnis) forderte. Die Absage an absolutistische Ordo-Vorstellungen findet hier vielleicht ihren dichtesten Ausdruck. Damit verbunden ist ein völlig verändertes Natur- und auch Raumempfinden: Die Gartenlandschaft soll nicht mehr als Ausdruck absolutistischer Repräsentanz in Erscheinung treten, sondern zum Spiegel eines subjektiven Naturgefühls werden und auch „der Vorstellung einer allgemeinen menschlichen, nicht standesgebundenen Natur“, wie der Philosoph Winfried Herrmann in seinem Essay „Der Landschaftsgarten“ (1992) schreibt. Anders gesagt: Der Landschaftsgarten wird zu einem Modell für Gesellschaft, so Herrmann, „in dem die zentralen Gedanken der Aufklärung materielle Gestalt annehmen“.
Wie in den Gärten Le Nôtres spiegelt sich so auch in den englischen Parklandschaften der Geist der Epoche seiner Entstehung wider, in beiden kommen die gesellschaftlichen und kulturellen Vorstellungen ihrer Zeit zum Ausdruck. Dabei lassen sich verschiedene Prinzipien beobachten: Betrachtet man die Entwicklung der Landschaftsgestaltung, ging es zunächst um die totale Beherrschung der Natur, alle natürlichen Erscheinungen wurden einer abstrakten Gestaltung unterworfen. Nun deutet der Englische Landschaftsgarten bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts, vor den politischen Revolutionen, das Ende des Absolutismus und der mit ihm verbundenen Ästhetik an – rückt mit ihm doch auch deutlich ein aufgeklärter Freiheitsgedanke ins Spektrum der politischen Vorstellungen.
Einer der Urheber dieser Vorstellung ist zweifelsohne Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), dessen Ideen ungemein auf die „Gartenrevolution“, wie Ohff sagt, eingewirkt haben. Er hat zwar nie die ihm zugeschriebene Forderung: „Zurück zur Natur!“ aufgestellt, aber mit ihm findet das Natürliche, das Unverbildete, dazu die Glaubens- und Meinungsfreiheit Einzug in die aufgeklärte Gedankenwelt – gerade zu der Zeit, als sich in England Ideen für einen natürlichen Garten aus Landschaft entwickelten.
Mit Rousseau werden Natur, Gefühl und Tugend zu den entscheidenden Begriffen einer aufklärerischen Öffentlichkeit, die mit der Emanzipation des Gefühls die Emanzipation des Menschen aus der Unfreiheit der rationalen Ordnung des Absolutismus verband. Der Entfaltung und Entwicklung des Gefühls und der unverfremdeten eigenen Natur galt fortan die Aufmerksamkeit – hierin lag auch, so weiss Herrmann, „der Schlüssel zur sittlichen Entwicklung des Menschen … In der Ursprünglichkeit des menschlichen Empfindens sah Rousseau die wahre, nicht von der Kultur überformte Natur des Menschen hindurchscheinen“. Die Forderung „Zurück zur Natur!“ besagt demnach auch: „Zurück zur Tugend!“.
Natur wird hier von Rousseau zwar als die innere Konstitution des Menschen bezeichnet, aber, wie Herrmann bemerkt, „(d)a die äußere Natur als Symbol des inneren Empfindens gilt, wird das unmittelbare Erleben der äußeren Natur zur Metapher für die eigene, verschüttete Natur. In der freien, nicht verfremdeten Natur tritt dem Zivilisationsmenschen sein eigentliches Wesen entgegen“.
Mit der Verschiebung der Aufmerksamkeit auf das menschliche Gefühl wird zugleich auch der unverstellte Blick auf die äußere Natur, die Landschaft, möglich. Auch sie muss, Rousseau zufolge, von allen Spuren der Zivilisation befreit werden. Auch wenn er dabei nicht ausdrücklich auf das Thema Gartengestaltung eingeht (Rousseau eröffnet eher eine anthropologische Dimension), liegt hier doch der Grundgedanke für den Englischen Landschaftsgarten, den andere dann aufgreifen – und den Friedrich Schiller (1759-1805) mit dem Freiheitsgedanken verbindet.
In seinen Anmerkungen „Über den Gartenkalender auf das Jahr 1795“ unterscheidet Schiller ganz grundsätzlich zwischen der Ordnung des Barockgartens, dessen oberstes Gesetz die Regelmäßigkeit sei, und der Freiheit als Merkmal des Landschaftsgartens. Während der Barockgarten die „lebendige Vegetation“ und „organische Natur“ der Freiheit beraube, konnte es „(e)inem aufmerksamen Beobachter seiner selbst nicht entgehen, daß das Vergnügen, womit uns der Anblick landschaftlicher Szenen erfüllt, von der Vorstellung unzertrennlich ist, daß es Werke der freien Natur, nicht des Künstlers sind. Sobald also der Gartengeschmack diese Art des Genusses bezweckte, so mußte er darauf bedacht sein, aus seinen Anlagen alle Spuren eines künstlichen Ursprungs zu entfernen. Er machte sich also die Freiheit … zum obersten Gesetz; bei ihm mußte die Natur, bei diesem die Menschenhand siegen“, bisweilen mit der Heckenschere fest im Griff.
In seinen sogenannten Kalliasbriefen geht Schiller noch einen Schritt weiter und verbindet die Freiheit mit der Schönheit. Ausgangspunkt hier bildet die Frage, ob die Idee der Freiheit eine Entsprechung im Bereich der Erscheinungen habe – auch in den Erscheinungen der Natur. Von Freiheit, so sagt Schiller, könne da gesprochen, wo Erscheinungen der Natur ihren eigenen Regeln folgen. Schiller zufolge zeige sich nur dort, wo der Künstler die seinem Objekt innewohnenden Regeln beachtet, wirklich die Schönheit. In seinem Brief vom 8. Februrar 1793 kommt er zu dem Schluss: „Schönheit also ist nichts anderes, als Freiheit in der Erscheinung.“
Der Englische Landschaftsgarten
Der Englische Landschaftsgarten mit seinem Ideal der ungezähmten Natur ist zunächst nur ein geistiges Gebilde, eine literarische Fiktion. Schriftsteller wie John Milton, der im Jahr 1667 „Paradies Lost“ veröffentlichte, beklagten schon länger den Verlust von natürlichen Ideallandschaften, der bereits erwähnte Joseph Addison ist Anfang des 18. Jahrhunderts der erste, der sein Unbehagen an der Kultur des französischen Barockgartens äußert. Er erlangte in England Ruhm durch sein patriotisches Poem „The Campaign“ („Der Feldzug“), in dem er den Sieg von John Churchill, Duke of Marlborough (und Vorfahr von Winston Churchill), gegen die Franzosen im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) feierte. Marlboroughs Triumph in der Schlacht von „Blenheim“, dem schwäbischen Blindheim, im Jahr 1704 war für ihn auch ein Sieg über die absolutistische Tyrannei des Sonnenkönigs. Der Sieg in der Schlacht brachte Marlborough das Schloss „Blenheim Palace“ samt weiträumigem Park, gestaltet von Lancelot Brown, als Geschenk, während das Gedicht Addison eine Stellung im diplomatischen Dienst einbrachte, seine im Jahr 1713 verfasste Tragödie über „Cato“ verhalf ihm sogar zum Amt eines Staatssekretärs …
Addison steht am Anfang des Umbruchs des Verständnisses von Garten hin zum Landschaftsgarten. Er war der Meinung, dass es die Aufgabe eines Gartens sei, durch die Auswahl bestimmter Naturszenen Stimmungsbilder zu schaffen. Mit Rousseau rückte das Gefühl, die Empfindung in den Fokus der Aufmerksamkeit: Die Natur vermochte die Gefühle der Menschen zu bewegen beziehungsweise der Mensch die Natur im Sinne seiner Gefühle zu gestalten. In diesem Sinne sollte der Landschaftsgarten in der Romantik zu einer Art Ideallandschaft werden, die zur kontemplativen Naturerfahrung einlädt.
Das setzt als erster der Schriftsteller Alexander Pope (1688-1744) in die Praxis um: Pope wollte, wie Ohff schreibt, „die Einstellung des Menschen zur Natur im Sinn politischen Freiheitswillens verändert sehen“, deshalb begann er im Jahr 1718, verrmutlich als erster, sein Anwesen in Twickenham (an der Themse) nach den neuen Vorstellungen umzugestalten.
Pope legte den Garten seiner Villa in Twickenham nach den Grundsätzen Addisons – Unregelmäßigkeit, Asymmetrie und Wildnis – an: Seine Wegeführung verlief ohne System und der gesamte Landschaftsgarten wirkte asymetrisch. Der Journalist Udo Leuschner beschreibt den Garten folgendermaßen: „Die Mitte nimmt ein rundes Rasenstück ein, an das sich ein Hain anschließt. Von einem Aussichtshügel reicht der Blick über Hain und Rasen (…) Es gibt keine wirklich durchgehenden Achsen und Perspektiven. Der besondere Stolz des Besitzers ist ein Tunnel, der das Haus und die daran vorbeiführende Landstraße unterquert, um den hinter dem Haus gelegenen Hauptteil des Gartens mit dem schmalen Vordergarten am Ufer der Themse zu verbinden. Pope hat diesen Tunnel mit seltenen Mineralien als Grotte und den Eingang als Ruine ausgestalten lassen.“
Popes Garten ist so etwas wie der Ursprung des Englischen Landschaftsgartens, während William Kent (1685-1748) als Begründer des klassischen Landschaftsgartens gilt. Von den in seinem Stil gestalteten Landschaftsgärten sind nur noch drei erhalten, das über 1.000 Hektar große Stourhead in Wiltshire (ab 1743) ist vielleicht der bedeutendste. Auch in ihm findet sich eine Grotte, die an jene in Twickenham erinnert, überhaupt ist Wasser auch hier ein wichtiges Gestaltungselement. Wege und Blickachsen führen nicht wie in den französischen Barockgärten in die Ferne, sondern zum Zentrum des Landschaftsgartens, einem durch einen Damm aufgestauten See: „Ein lang gestreckter, künstlicher See in einem lauschigen Tal, sanft gewelltes Land, malerische Ausblicke, natürlich gepflanzte Baumgruppen, zwischen denen – schon seit dem frühen 18. Jahrhundert – Rhododendronsträuche wuchern, man kommt sich vor wie in einem klassizistischen Bild“, schreibt Ohff, „eine intime Landschaft. Aber sie wird durchsetzt von Bauten, meist Tempeln, antiken Göttern gewidmet … Noch soll Kunst die Natur veredeln und erhöhen“, es soll damit ein Gefühl von Erhabenheit erzeugt werden.
Das ändert sich bereits mit Lancelot Brown (1716-1783) im etwa 800 Hektar großen Park des oben erwähnten Blenheim Palace, sicherlich sein bedeutendster Landschaftsgarten, den er ab dem Jahr 1764 gestaltete. Brown verwendete oft den Begriff „Capability“ („Fähigkeit“) wenn es um die Umgestaltung einer Landschaft ging, weshalb er bald nur noch so genannt wurde. Er gilt als der Romantiker – und war vielleicht sogar der erfolgreichste englische Landschaftsgestalter. Mit ihm verlieren die klassizistischen Bauten an Bedeutung, stattdessen rückt die Natur weiter in den Vordergrund: Auch in Blenheim bildet, wie Ohff bemerkt, „ein künstlicher See Mittel- und Höhepunkt einer abwechslungsreichen Landschaftsgestaltung“. Auch hier wurde, um den See zu schaffen, der heute vor dem Palace liegt, ein nahegelegener Fluss aufgestaut.
Humphrey Repton (1752-1818) schließlich ist der dritte bedeutende englische Gartengestalter. Er ist als einziger auch nach den Revolutionen tätig und gilt als „Nachromantiker“, der „hin und wieder schnurgerade Wege gelten (lässt)“, wie Ohff schreibt, und „keine künstlichen Seen mag“. Bei ihm vermischen sich die beiden Stile etwas, „wenn auch die Natur nach wie vor dominiert“. Wichtig für Repton ist das von ihm propagierte Prinzip der „Zonierung“: Repton untergliederte den Gesamtraum des Landschaftsgartens (zu dem auch Wälder und offenes Land, bisweilen landschaftliche Nutzflächen, gehören) in verschiedene Zonen, die optisch zwar zusammengehören, aber doch, bisweilen durch Zäune, voneinander getrennt sind. Damit machte er auch die zuvor von Kent etablierte Integration des sogenannten „pleasuregrounds“ rückgängig.
Der Pleasureground ist eine an den Garten anschließende Rasenfläche, die den Landsitz umgab und vom eigentlichen Park trennte, wenngleich die Landschaft perspektivisch geöffnet blieb und dem adeligen Hausherrn so gegenüber den anderen, bürgerlichen Parkbesuchern das Privlileg erlaubte, den Ausblick auf „la belle nature“ zu genießen, ohne seine komfortable Umgebung verlassen zu müssen.
Darüber hinaus diente der Rasen dem Landadel in den Sommern vor der Revolution aber zu repräsentativen Anlässen, insbesondere auch zum afternoon tea, einer Erfindung des 18. Jahrhunderts, oder zum Picknick, das bereits in der Antike praktiziert wurde und hier nun wieder kultiviert wurde, bevor es dann im 19. Jahrhundert, im Viktorianischen Zeitalter, auch unter den Bürgern populär wurde. Als Repton den Pleasureground wieder vom Parkgelände absetzte, zeigte er insofern auch an, dass der Freiheitsimpuls der französischen Revolution inzwischen ermattet war und die Restauration des Adels in Europa bereits eingesetzt hatte.
Nichtsdestotrotz hatte sich der englische Stil bei der Gestaltung des Landschaftsgartens durchgesetzt: Nach 1760 erobert der Englische Landschaftsgarten den Kontinent, selbst Frankreich, wo man ihn „Jardin romantique“ nennt. In Preussen sorgte insbesondere die von Napoleon 1806 verhängte Kontinentalsperre gegen England noch einmal für einen Schub bei der Umwandlung der bestehenden Landschaft in einen Landschaftsgarten, denn nun entfielen die lukrativen Exportmöglichkeiten für Getreide nach England: Dass die Getreidepreise in den Keller fielen erleichterte manchem Gutsbesitzer zweifelsohne den Rückzug aus der Landwirtschaft und die Umwidmung seines Landes.
Inszenierung von Landschaft
Im Englischen Landschaftsgarten wird die Natur expressiv und Landschaft zu einer Art Theaterkulisse. Der Gartengestalter verändert die Physiognomie der Landschaft, wodurch der Landschaftsgarten durchaus als Inszenierung von Naturerfahrung verstanden werden kann: Den Gestaltern der Anlagen ging es darum, bei den durch die Landschaft spazierenden Menschen verschiedene Empfindungen hervorzurufen. Der Landschaftsgarten sollte auf das Gemüt wirken, Reize stimulieren: durch sein kontrastreiches, sanft gewelltes Gelände, durch die feuchten und kühlen Plätze an den aufgestauten, verwinkelten Seen, durch die kleinen Teiche und klammen Grotten, die als Rückzugsorte dienen konnten, durch die verschieden platzierten schattigen Baumgruppen und Gebüsche, durch die offenen, sonnigen Rasenflächen et cetera.
Durch den permanenten Wechsel all dieser Elemente sollten den Besuchern ständig neue Perspektiven eröffnet werden und Natur sich nach jeder Wegbiegung anders und neu erfahren lassen. Deshalb auch die für den Englischen Landschaftsgarten so typischen gekrümmten oder gewundenen Wege: Sie dienten der Inszenierung der Landschaft, indem sie jeweils neue Blicke oder Sichtachsen auf neue Naturszenen beziehungsweise Stimmungsbilder eröffnen. Der Spaziergänger sollte stets, auch über Umwege, zu neuen und überraschenden Szenen geführt werden, die sich seinem Blick bislang entzogen haben, was zusätzlich für spannende Reize sorgt.
In seinem fünfbändigen Werk über die „Theorie der Gartenkunst“ gibt der bedeutendste Gartentheoretiker des 18. Jahrhunderts in Deutschland Christian Cay Lorenz Hirschfeld (1742-1792) explizit an, durch welche Auswahl von Naturelementen, aber auch Farben und Geräusche et cetera „Szenen“ bestimmter Gefühlsqualitäten hervorgebracht werden können. Er verwendet dabei eine Sprache, die sich in einer gewissen Nähe zur naturalistischen Bühnenbildnerei befindet. Als „Szenen“ bezeichnet Hirschfeld Naturarrangements, in denen eine bestimmte Atmosphäre beziehungsweise Stimmung herrschen soll: „heiter“, „heroisch“, „ernst“ oder „sanft-melancholisch“ beispielsweise. Im Hinblick auf letztgenanntes schreibt er zum Beispiel: „Die sanftmelancholische Gegend bildet sich durch Versperrung aller Aussicht; durch Tiefen und Niederungen; durch dickes Gebüsch und Gehölz, oft schon durch bloße Gruppen von hohen, stark belaubten, nahe aneinandergedrängten Bäumen, in deren Wipfeln ein hohles Geräusch schwebt; durch stillstehendes oder dumpfmurmelndes Gewässer, dessen Anblick verdeckt ist; durch Laubwerk von einem dunklen und schwärzlichen Grün, durch tief herabhängende Blätter und überall verbreitete Schatten; durch die Abwesenheit alles dessen, was Leben und Wirksamkeit ankündigen kann. In einer solchen Gegend fallen sparsame Lichter nur durch, um den Einfluß der Dunkelheit vor dem Traurigen oder Fürchterlichen zu beschützen. Die Stille und die Einsamkeit haben hier ihre Heimat. Ein Vogel, der ungesellig umherflattert, ein unverständliches Geschwirre unbekannter Geschöpfe, eine Hohltaube, die in dem hohlen Wipfel einer entlaubten Eiche girrt, und eine verirrte Nachtigall, die ihre Leiden der Einöde klagt – sind zur Ausstaffierung der Szene schon hinreichend.“
Hirschfeld beschreibt hier ein ganzes Tableau an Reizen, die beim Betrachter bestimmte, sanft-melancholische Gefühlsregungen hervorrufen sollen. Nichts soll willkürlich platziert werden, sondern alles hat seine szenische Bedeutung und ist auf die Erregung eines bestimmten Gefühls hin arrangiert beziehungsweise inszeniert. Die Abfolge verschiedener Szenen eines Landschaftsgartens ist dabei idealerweise auf die Wahrnehmungsmöglichkeiten eines Spaziergängers abgestimmt, womit der Wegeführung bei der Konzeption des Landschaftsgartens die größte Bedeutung zukommt. Wege verbinden die unterschiedlichen Naturszenen untereinander und schließen bisweilen, wie Herrmann feststellt, „die optisch nach außen hin offene Anlage durch einen rundumlaufenden `belt´ zusammen“.
Natürliche Elemente des Landschaftsgartens
Ähnlich wie Hirschfeld hat auch Alexander von Humboldt (1769-1859) in seiner Landschafts- und Naturphysiognomie eine Zugangsweise zur Natur, in der er die natürlichen Formen in ihrem szenischen Charakter identifiziert. Im großen Unterschied zu Johann Wolfgang von Goethe unterstellt Humboldt der Natur kein inneres Wesen, das dann in der physiognomischen Form zum Ausdruck kommt, sondern glaubt vielmehr, dass Natur etwas ganz und gar Äußerliches ist, sich allein in seiner Erscheinung offenbart. Entsprechend schreibt er seinen „Ansichten der Natur“ (1807): „Wer fühlt sich nicht, um selbst nur an nahe Gegenstände zu erinnern, anders gestimmt in dem dunkeln Schatten der Buchen; auf Hügeln, die mit einzeln stehenden Tannen begrenzt sind; oder auf der Grasflur, wo der Wind in dem zitternden Laube der Birke säuselt? Melancholische, ernst erhabene, oder fröhliche Bilder rufen diese vaterländischen Pflanzengestalten in uns hervor. Der Einfluß der physischen Welt auf die moralische, das geheimnisvolle Ineinanderwirken des Sinnlichen und Außersinnlichen gibt dem Naturstudium, wenn es zu höheren Gesichtspunkten erhebt, einen eigenen, noch zu wenig erkannten Reiz.“
Wie Hirschfeld gibt Humboldt verschiedene Naturelemente an, deren Zusammenwirken verschiedene Stimmungen bewirken sollen, an anderen Stellen seines Werkes wird Hirschfeld, was die Mittel zur Stimmungserzeugung betrifft, allerdings noch deutlicher. So schreibt er etwa im Kapitel Wasser: „Die Dunkelheit hingegen, die auf Teichen und anderen stillstehenden Gewässern ruhet, verbreitet Melancholie und Traurigkeit. Ein tiefes, schweigendes, von Schilf und überhängendem Gesträuch verdunkeltes Wasser, das selbst das Licht der Sonne nicht erhellt, schickt sich sehr wohl für Sitze, die diesen Empfindungen gewidmet sind, für Einsiedeleyen, für Urnen und Denkmäler, welche die Freundschaft abgeschiedenen Geistern heiligt.“ Entsprechend im Abschnitt über Gehölz beziehungsweise den Wald: „Besteht er dabey aus bejahrten an die Wolken ragenden Bäumen, und aus einem dichten und sehr dunklen Laubwerk, so wird sein Charakter Ernst und eine gewisse feyerliche Würde seyn, der eine Art von Ehrfurcht einflößt. Gefühle der Ruhe durchschauern die Seele, und lassen sie ohne eine vorsetzliche Entschließung, in ein gelassenes Nachsinnen, in ein holdes Staunen dahinschweben.“
Wasser eignet sich laut Hirschfeld also ausgezeichnet, effektvolle Szenerien zu gestalten, denn es kommt, wie er auch ausführt, der Forderung nach abwechselnden Reizen und unterschiedlichen Szenen entgegen. Insbesondere melancholische und erhabene Gefühle lassen sich durch Wasser erregen, in Verbindung mit einem Grabmal oder einer realen Begräbnisstätte (wie beispielsweise beim ehemaligen Grab Rousseaus im Park von Ermenonville, Fünfzig Kilometer nordöstlich von Paris, bevor seine sterblichen Überreste ins Pariser Panthéon überführt wurden).
Immer wieder treten auch Wasserfälle in Erscheinung, die bisweilen ein Gefühl der Erhabenheit suggerieren. Herrmann bemerkt diesbezüglich, dass das Bild herabstürzender Wassermassen den Eindruck „von elementarer Naturgewalt“ vermittelt, „(ü)berhaupt soll bei der Verwendung natürlicher Elemente jeder Anschein von menschlicher Einflussnahme vermieden werden“. Stattdessen soll, ganz im Sinne Rousseaus, die Korrelation von äußerer Natur beziehungsweise Landschaft und menschlicher Natur zum Ausdruck kommen.
Zu den natürlichen Elementen gehört natürlich auch der Boden. Wie beim Wein das Terroir, bestimmt vor allem anderen die Bodengestaltung, das Terrain, das gesamte Erscheinungsbild des Landschaftsgartens. Durch eine hügelige Gestaltung werden „Ausblicke“ geschaffen, eine gras- und baumbestandene Hügellandschaft, bemerkt Herrmann, „bildet in der Regel den idealen Raum für einen Landschaftsgarten“.
Naturszenen in Englischen Landschaftsgärten sind gewissermaßen zwar dramatisch inszeniert, Natur in diesen Szenen konzentriert, gleichwohl soll sich die Parklandschaft nicht von seiner natürlichen Umgebung abgrenzen. Deshalb spiegeln die Englischen Landschaftsgärten diese Umgebung bisweilen wider, wobei durchaus eine Art „common sense“ in Bezug darauf bestand, wie eine ideale Gartenlandschaft auszusehen hatte: Sie hatte ihren strukturellen Ursprung in der baumbestandenen südenglischen Wiesenlandschaft, die von alters her der Weideviehhaltung diente und insofern eine Hudelandschaft war. (Auf eine solche Landschaft bezieht sich auch Milton in seinem bereits erwähnten Gedichtepos „Paradise Lost“.) Wo die Gärten nicht ohnehin dort angelegt wurden, wo zuvor das Vieh auf die Weide geschickt worden war, wurden Hügel der reizvollen Wirkung wegen oftmals auch künstlich geschaffen. Und Bäume wurden so gepflanzt, dass sie sich wie die einzeln stehenden Hudeeichen frei entwickeln konnten – auch wenn ihnen dann die vom Vieh erzeugte Fraßkante fehlte, unter denen man sich gerne zum bereits erwähnten Picknick versammelte, wie dies auf etlichen Gemälden aus der Zeit dargestellt ist.
Interessanterweise wurden die englischen Vorstellungen von der idealen Gartenlandschaft auch auf dem Kontinent übernommen: Von Friedrich Ludwig Sckell (1750-1823) beispielsweise in dem im Revolutionsjahr 1789 angelegten Englischen Garten in München; oder in den Wörlitzer Anlagen in der Elbniederung bei Dessau. In beiden Fällen sind ehemalige Hudelandschaften zum Park umgebaut worden, in denen malerische Baumindividuen mit weit ausladenden Ästen in dem Terrain stehengeblieben sind und das Grünland dazwischen seit jeher rasenartig kurzgehalten war.
Ansonsten jedoch konzentrierte man sich bei der Verwendung botanischer Elemente nicht nur auf Pflanzen, die in der Vegetation bereits vorhanden waren, sondern es wurden vielfältige Gehölze und andere Gewächse verpflanzt, auch exotische Pflanzen. Es ist das Zeitalter der Entdeckungen, man denke nur an James Cook (1728-1779) oder etwas später den bereits erwähnten Alexander von Humboldt (1769-1859). So fanden etliche Gehölze aus fremden Regionen mit anderem Klima in europäischen Gärten eine neue Heimat, sofern sie die Kälte nördlicher Breiten aushielten, zum Beispiel Rosskastanien, Robinien, Tulpenbäume, Japanische Lärchen oder Gingkos.
In Kombination von Grünflächen, Bäumen, Baumgruppen und Büschen, weiß Herrmann, „soll eine interessante Abstufung von Grüntönen erzielt werden. Der Landschaftsgarten ist somit ein Ensemble verschiedener Grün- und gedeckter Brauntöne, in dem andere Farben, z. B. die der Blumen, nur eine untergeordnete Rolle spielen“.
Dennoch wurden in den eigens errichteten Botanischen Gärten (der von Berlin entstand bereits im Jahr 1679) auch eigentlich tropische Gewächse herangezogen, wenn sie nicht zu empfindlich waren. Ansonsten mussten für kälteempfindliche Pflanzen besondere Schutzmaßnahmen getroffen werden. Auf der berühmten Weinterrasse auf dem Südhang von Sanssouci beispielsweise hat man deshalb mit Fensterglas verschließbare Nischen für Reben und andere, exotischere Obstsorten wie Feigen konstruiert, die bei praller Sonne geöffnet und bei Kälte geschlossen werden konnten. Andere empfindliche tropische Gewächse hielt man als Kübelpflanzen, die nur im Sommer im Park standen und den Winter in der beheizten Orangerie überdauerten. Gezüchtet wurden in den Botanischen Gärten auch Gewächse und Blumen wie etwa Koniferen, die millionenfach in bürgerlichen Gärten zu finden waren, wie sie dann langsam im 19. Jahrhundert entstanden, oder, wie im Falle der Tulpen, in den Niederlanden Ende des 16. Jahrhunderts zur ersten geplatzten Spekulationsblase in der Geschichte des Kapitalismus führten.
Classical und Gothic Revival in der Landschaftsinszenierung
Neben natürlichen Gestaltungselementen wie der Bodengestalt beziehungsweise dem Terrain, Wasser, botanischen Elementen wie Gehölzen, aber auch Licht und Schatten, Farben, Steinen oder Felsen, gibt es auch, ganz im Sinne William Kents, künstliche Elemente, die bei der Gestaltung eines Landschaftsgartens eingesetzt werden: dazu gehören insbesondere alle Bauwerke. Auch diese Gestaltungselemente fungieren dabei, wie die natürlichen, nicht als Zeichen für etwas, sondern sie sollen die Szene selbst erzeugen, die Atmosphäre und Stimmung gewissermaßen heraufbeschwören. Das tun sie insbesondere auch dann, wenn es ihnen – wie eingangs bereits ansgesprochen – gelingt, überwältigende „Momente der Intensität“ beziehungsweise ästhetisch auffällige Augenblicke hervorzubringen, die sich auch der rationalen Kontrolle durch den Betrachter entziehen.
Der Landschaftsgärtner sollte Hirschfeld zufolge wissen, durch welche Kombination der unterschiedlichen Gestaltungselemente einer Landschaftsszene solche Momente beziehungsweise eine bestimmte Atmosphäre und Stimmung erzeugt werden kann. Zwei gestalterische Grundtendenzen lassen sich dabei im Landschaftsgarten bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts beobachten, und zwar sowohl in der architektonischen Formensprache als auch im Landschaftsbild: In beiden kommt eine Sehnsucht nach dem Süden – der Antike – und eine zunehmende Rückbesinnung auf die einheimische nordische Landschaft zum Ausdruck.
Entsprechend zeichnen sich zwei stilistische Strömungen bei der Landschaftsgestaltung ab, die bisweilen jedoch immer gemeinsam auftreten: Es sind dies das Classic Revival und das Gothic Revival. Während der Klassizismus der Renaissance bestrebt ist, der Antike eine neue Bedeutung abzugewinnen, bezieht sich der neugotische Stil mit einer romantischen Sehnsucht auf eine unwiederbringliche Vergangenheit. Herrmann unterscheidet diesbezüglich zwischen natürlichen und künstlichen Stilelementen und bemerkt dazu: „Als klassisch oder sentimental wird eine auf wenige markante Erscheinungen zurückgedrängte Landschaft bevorzugt, oder man greift auf ein malerisches, die Phantasie anregendes Landschaftsbild zurück, das sich durch Stilpluralismus auszeichnet. (…) Jede Erscheinungsform ist eine Komposition aus beidem …“
Das zentrale artifizielle Moment eines Landschaftsgartens ist bisweilen das, in Anlehnung an den Landsitz so genannte, Landhaus, dessen unmittelbare Umgebung von Garten und Pleasureground geprägt ist. Das Landhaus ist oft im klassizistischen Stil des Neopalladianismus errichtet, in England genauso wie beispielsweise in Wörlitz, wo zwischen 1769 und 1773 eines der ersten Gebäude in diesem Stil in Deutschland errichtet wurde (der „Englische Sitz“, ein Pavillon, der hier im Jahr 1765 entstand, ist tatsächlich das erste klassizistische Bauwerk auf dem Kontinent und damit das früheste Zeugnis für den neuen Stil). Anders als noch im Barockgarten bildet es in der Anlage eines Englischen Landschaftsgarten allerdings nicht mehr das optische und strukturelle Zentrum, sondern über seinen Standort entscheidet allein „der Aspekt der harmonischen Einbindung in die Landschaft“, wie Herrmann bemerkt.
Zum repräsentativen Landhaus gehörten allerdings auch Wirtschaftsgebäude wie die ganzen landwirtschaftlich genutzten Gebäude – Landschaftsgärten hatten nicht nur einen erholsamen, sondern immer auch einen wirtschaftlichen Zweck –, die Stallungen oder die Unterkünfte für die Bediensteten. Bei diesen Funktionsbauten wurde häufig versucht, sie durch pittoresk wirkende Stilelemente zu kaschieren, häufig in einem neugotischen Stil, und ihnen ein dekorativeres Aussehen zu geben. Die Gärtnerei in Wörlitz ist ein Beispiel dafür, wie solche nicht-repräsentativen Gebäude dennoch in eine ästhetisierte Szenenfolge eingebunden wurden. Auch Brücken gehörten zu diesen Zweckbauten, die nebenher noch eine dekorative Funktion ausüben sollten.
Wesentlicher Aspekt der Inszenierung der Landschaftsgärten waren jedoch die Staffagegebäude, die keinerlei funktionale Aufgaben erfüllten, dafür aber, wie Herrmann sagt, „wesentlich den bedeutungstragenden Teil der Gartenbebauung“ bildeten, indem sie zu Trägern von aufklärerischen Ideen wie Freiheit und Toleranz wurden: „Die Antikenrezeption im 17. und 18. Jahrhundert hat den Boden für eine Verbindung griechisch-römischer Mythologie mit den Ideen der Aufklärung bereitet. In emblematischer Verdichtung nehmen die Ideen Gestalt an. Gewissermaßen in der Form eines säkularisierten Kultes wird hier an Altären und in Tempeln dem Genius der Natur und dem Genius des Menschen gleichermaßen gehuldigt“, schreibt Herrmann. Schön zu sehen ist das an den vielen Tempeln wie beispielsweise am Monopteros-Tempel im Englischen Garten in München.
Während Kapellen und insbesondere Tempel als Embleme für die Aufklärung fungieren und eher über den Verstand zu erfassen sind, verkörpern andere Staffagegebäude emotionale Werte ohne inhaltliche Bedeutung und werden einfach nur zur Erzeugung von Stimmungen und Atmosphären errichtet. Dazu gehören Grotten genauso wie Einsiedeleien für sanft-melancholische Landschaftsszenen, aber auch Schäferhütten oder Scheinruinen, die bisweilen im gotischen Stil gebaut wurden wie beispielsweise in Sanssouci, was ihnen den authentischen Charakter eines mittelalterlichen Bauwerks gab.
Die Ruine ist Ausdruck der Vergänglichkeit und wurde, darauf verweist Herrmann, mit der Melancholie in Verbindung gebracht, womit sie „einen Blick auf die Bewegung der Geschichte (eröffnet) – denn der Landschaftsgarten, selbst Ausdruck eines vorwärts weisenden geschichtlichen Bewußtsseins – versteht sich nicht als ein ursprüngliches Paradies, aus dem die Bewegung der Zeit verbannt ist“. Herrmann bemüht hier, ohne es auszusprechen, das Bild von Walter Benjamins Engel der Geschichte aus „Geschichtsphilosophische Thesen“ (1940), eigentlich eine Bildbeschreibung von Paul Klees „Angelus Novus“, das Benjamin im Jahr 1921 erworben hat. Darauf ist ein Engel dargestellt, der „das Antlitz der Vergangenheit zugewendet (hat). Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“
Der Landschaftsgarten in Deutschland
Dadurch, dass die Landschaft im englischen Garten in Hinblick auf ihre ästhetische Erfahrung gestaltet beziehungsweise inszeniert wird, ist auch der Landschaftsgarten nicht Natur im eigentlichen Sinne, sondern „er stellt Natur dar“, wie Herrmann sagt. Ihm zufolge orientierte sich die englische Landschaftsgärtnerei mit ihrer Formensprache zu Beginn 18. Jahrhunderts zunächst an Kompositionsprinzipien der Landschaftsmalerei. Als ordnendes ästhetisches Element, führt Hermann aus, wurde die Vedute übernommen, also die wirklichkeitsgetreue, wiedererkennbare Darstellung einer Landschaft. Die räumliche Wirkung wurde hier insbesondere auch durch den Schattenwurf der zahlreichen Bäume erzeugt, deren Pflanzung entsprechend nach einem zuvor bildhaft komponierten Ordnungsprinzip erfolgte.
Ist der englische Landschaftsgärtner zuerst Schriftsteller (Joseph Addison, Alexander Pope), wird er nun zu einem ausgebildeten Landschaftsmaler wie tatsächlich William Kent … Dann jedoch wird die Landschaftsgestaltung von Hirschfeld schon bald als eigenes Medium charakterisiert, schließlich, und darauf hebt er ab, konstituiert sie auch keine flache Leinwand, sondern einen dreidimensionalen Raum, der eine simultane Wahrnehmungsweise erfordert: „Visuelle Eindrücke konkurrieren mit Geräuschen und Gerüchen, und wie sich einzelne Naturelemente bewegen, bewegt sich der Betrachter im Landschaftsensemble fort“, schreibt Hermann in diesem Zusammenhang und ergänzt: „Die Gartenkunst stellt ihre Effekte auf den ständig wechselnden Blickwinkel des Betrachters ab. Das erfordert andere Prinzipien …“ Über den Schriftsteller und den Landschaftsmaler wird der Landschaftsgärtner schließlich zum Landschaftsbildner und die Landschaftsgestaltung zum Anliegen bedeutender Architekten wie beispielsweise bei Humprey Repton, der bisweilen gemeinsam mit dem Architekten und Städtebauer John Nash (dem London unter anderem Regent Street und Park verdankt) arbeitete …
In Deutschland hingegen beklagt Friedrich Schiller noch Ende des 18. Jahrhunderts einen gartengestalterischen Dilettantismus, durch den die Landschaften oft zu „pittoresken Verniedlichungen“ gerieten. Das liegt ihm zufolge daran, dass sich die Landschaftsgestalter hierzulande noch zu sehr an der Malerei orientierten, die die Natur jedoch nur in einem verkleinerten Maßstab darstellen kann. Der Dilettant vergisst, so Schiller in seinen Anmerkungen „Über den Gartenkalender …“, „daß der verjüngte Maßstab … auf eine Kunst nicht wohl angewendet werden konnte, welche die Natur durch sich selbst repräsentiert und nur insofern rühren kann, als man sie absolut mit Natur verwechselt“. Man könne Natur nur „durch Natur, nicht durch ein künstliches Medium nachahmen oder auch gar nicht nachahmen, sondern [nur] neue Objekte erzeugen“.
– Goethes „Wahlverwandtschaften“ –
Einer dieser gartengestalterischen Dilettanten – ohne zu wissen, ob Schiller auch ihn meinte – war Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), der in jungen Jahren in Weimar maßgeblich an der Gestaltung des Parks an der Ilm (1776) beteiligt war und später mit „Die Wahlverwandtschaften“ (1809) auch einen Roman verfasst hat, der von der Erschaffung eines romantischen „Baumgartens“ im englischen Stil handelt. Der Roman – ein konservativer Liebesroman – spielt in einer ländlichen Umgebung und erzählt von einer äußerlich geordneten, aber innerlich brüchigen Ehe in der gehobenen Gesellschaft. Als den Eheleuten jeweils eine andere Person gegenübertritt, zu der sie sich hingezogen fühlen, wird ihnen allmählich klar, dass sie nicht füreinander geschaffen sind. Ohne wirkliche Handlung, kreisen alle Gespräche des Romans darum. Zunächst zwar nicht wirklich, sondern nur in Gedanken erfolgt der Ehebruch, schließlich jedoch tatsächlich die Trennung, ohne sich aber voneinander Scheiden zu lassen …
Ähnlich wie beim französischen Barock- und dem englischen Landschaftsgarten werden zwei Prinzipien deutlich: Der Mensch bewegt sich grundsätzlich zwischen Ordnung und Freiheit, das heißt der natürlichen Leidenschaft tritt die Sittlichkeit als eine kulturell oder moralisch bedingte Notwendigkeit gegenüber, das gilt insbesondere für die gehobene Gesellschaft. Goethe schildert die gesellschaftliche Entfremdung von der Natur: „Das Blühen und Vergehen trägt den Menschen nicht mehr, es wird von ihm gemeistert“, schreibt Ernst Beutler in einem Nachwort, „(a)n die Stelle des Wachsens tritt das Propfen, an die des Waldes der Park“ – nicht mehr unberührte Natur, die eingespannt ist in die jahreszeitliche Entwicklung und das Vergehen und Werden, sondern artifizielle Landschaft und die Technik der Propfung, die eigentlich ein gebräuchliches Verfahren der Veredelung (auch im Weinbau) ist, nun jedoch nur noch als Sinnbild für die zivilisatorische Gewalt an der Natur fungiert.
Nicht nur „alte Eichenbäume“ und „hohe Lindenalleen“ sind Kulisse – im ganzen Roman treten vorwiegend immer wieder, symbolisch, Pappeln und Platanen in Erscheinung: die Pappel ist der Baum der Trauer, die Platane steht für Unfruchtbarkeit. So wird von Goethe insgesamt eine Umgebung entworfen, in der Landschaft nur noch als eine vom Menschen degenerierte, zugerichtete Natur erscheint und der Mensch selbst als von den Zwängen der Zivilisation deformiert. Das wirkliche Leben, aber auch die Ehrfurcht und der Respekt vor der natürlichen Ordnung und der von Goethe geheiligten göttlichen Schöpfung, scheinen an ihr Ende gekommen zu sein.
Beschrieben ist so gewissermaßen das Negativ jenes Bildes, das Rousseau entwirft: Für ihn macht die Landschaft dem Menschen sein Entwicklungspotential sichtbar. Der Landschaftsgarten, der der ursprünglichen Natur nachempfunden ist, soll das Gefühl ansprechen, über das der Mensch sich seines natürlichen Daseins bewusst werden soll. Herrmann bemerkt in diesem Zusammenhang: „Das Gefühl, das sich in Übereinstimmung mit der sittlichen Natur des Menschen weiß, erinnert als `sittliche Einsicht´ den Menschen an die geschichtliche Entwicklung, die ihn von seiner Natur fortgeführt hat.“ Über die Erfahrung des Landschaftsgartens als einer dem Menschen gemäßen Natur soll eine Gesellschaft erwachsen, die der Natur des Menschen wieder gerecht wird. Nichts davon jedoch in Goethes pessimistischem Roman …
– Gartenreich Dessau-Wörlitz –
… vieles davon aber im „Gartenreich Dessau-Wörlitz“, wo zwischen 1764 und 1800 drei ursprünglich eigenständige Gartenanlagen um den Wörlitzer See, einem toten Arm der Elbe, zum ersten natürlichen Landschaftspark in Deutschland zusammengefasst wurden. Der seit 1758 regierende Fürst Leopold III. Friedrich Franz (1740-1817), genannt Fürst Franz von Anhalt-Dessau, hatte hier gemeinsam mit seinem Gärtner Johann Friedrich Eyserbeck (1734-1818) der Aufklärung in verschiedenen Szenen zur physiognomischen Erscheinung verholfen, die perzeptive und kognitive Wirkung haben und alle Sinne des Besuchers in Anspruch nehmen sollten.
Die Anregung zu diesem Landschaftsgarten hatten der Fürst und sein Architekt Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736-1800) von einer Englandreise mitgebracht, das schon in dieser Zeit in ästhetischer Hinsicht die Avantgarde verkörperte: Anstelle von Ornament und barocken Schnörkeln treten klare Formen nach dem Vorbild der italienischen Renaissance, das heißt „(d)ie Ästhetik, die wir im Gartenreich in überschwänglichem Maße finden, basiert auf der Ethik der Aufklärung“, sagt Sven Kielgas, seit 2015 Besitzer des im palladianischen Stil errichteten Landhauses von Fürst Franz, in einem Zeitungsinterview. „Das Gartenreich ist gebauter Liberalismus. Mit der Entscheidung für den englischen Garten und den palladianischen Architekturstil verkündet Fürst Franz: Ich bin ein Liberaler. Das sieht man etwa daran, dass in Wörlitz, obwohl es offizielle Sommerresidenz des Hauses Anhalt-Dessau war, alles Militärische fehlt.“
Wörlitz, so schreibt Ohff, „gleitet ins Land hinein, nirgends findet sich ein Zaun. Man ahnt nicht wo der Park, in den Kornfelder – einzigartig in der Welt – integriert sind, anfängt oder das Land aufhört“. So sind in die weiträumige, offene Landschaft neben romantischen Partien also auch landwirtschaftliche Nutzflächen integriert. Das Credo von Fürst Franz lautete: Alles, was schön ist, muss auch nützlich sein. Dafür steht gerade auch die Fürstliche Domäne, deren Mittelpunkt das Landhaus bildete. „Die Domäne“, sagt Kielgas, „war der innovation hub des Fürstentums. Von überall pilgerten die Besucher auf diesen Musterhof, um hier den agrartechnischen Fortschritt zu studieren.“ Denn dank der Einführung moderner Anbaumethoden war es Fürst Franz gelungen, aus seinem verarmten Landstrich in den Elbniederungen eine blühende Landschaft zu machen, die für die Gartengestaltung bis weit ins 19. Jahrhundert hinein Bedeutung haben sollte. Selbst Goethe sprach bewundernd von „elysischen Feldern“, einem irdischen Paradies, wie es für Milton längst verloren schien.
Mit dem Verweis auf das Paradies relativiert Goethe seine skeptische, zivilisationskritische Perspektive der „Wahlverwandtschaften“ und zeigt ein alternatives Bild auf, auf das auch Rousseau rekurriert um das Ideal der „natürlichen Ordnung“, der der Landschaftsgarten folge, herauszustellen. Für Rousseau ist hier jene, wie Herrmann sagt, „auf den Menschen reinigend wirkende Kraft der ursprünglichen Natur“ versammelt, „die ihn von den Deformationen durch die verhängnisvolle Zivilisation befreien soll“, wie sie im Roman von Goethe aufgezeigt werden. Bleibt dem Menschen das ansonsten versagt, lässt es sich nun im gelungenen Landschaftsgarten wie in Wörlitz erfahren – wo Rousseau auch auf einer nach ihm benannten Insel eine besondere Würdigung erfährt. Entsprechend entwickelt sich das Gartenreich auch zu einem Zentrum der Aufklärung in Deutschland.
Die größte Parkanlage nach englischem Vorbild jedoch sollte in der Umgebung von Berlin und Potsdam entstehen, aber nur in Teilen fertig werden, weil schließlich die Stadt schneller wuchs als ihre Gärten. Insbesondere Peter Joseph Lenné machte sich bei der Gestaltung der Englischen Gärten an den Havelseen verdient. Dort war das lokale Klima so feucht und wintermild wie weit und breit nicht, so dass hier Englischer Rasen und Rhododendron gediehen. Wo er mit seinen exotischen Pflanzungen scheiterte, wie im Park von Babelsberg, sprang Hermann Fürst von Pückler-Muskau ein. Pückler begab sich selbst nach England, um sich ein Bild von der Landschaft und deren Gestaltung zu schaffen. Nach diesem Muster formte er den Muskauer Landschaftspark sowie den Park von Branitz.
– Pücklers Inszenierungen –
Eine Szene am Berliner Ku`damm, mitten am Nachmittag irgendwann im Jahr 1815 auf der Terrasse des Café Kranzler, wo die gesamte Berliner Gesellschaft wie gewöhnlich versammelt ist und beobachten kann, wie auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Vierergespann aus den Stallungen eines jungen Mannes hinausgelenkt wird … Mehrere Male fährt er mit der Kutsche „Unter den Linden“ auf- und ab, bevor er schließlich vor dem Café stoppt und aussteigt. Nu?, mag man sich fragen. Nun, die Kutsche von Fürst Pückler, den hier alle kennen, wurde nicht von Pferden, sondern von vier prachtvollen Hirschen gezogen …
Das ist ist nur einer von unzähligen extravaganten Auftritten von Fürst Hermann von Pückler-Muskau (1785-1871), und so ist auch niemand darüber verwundert, dass zu seinen Bediensteten nicht nur der berühmte Schnellläufer Mensen Ernst gehört, der als Kurier die Korrespondenzen zwischen der Berliner Stadtwohnung Pücklers und Schloss Branitz zu Fuß übermittelt, sondern auch der durch seine Zwergengestalt auffällige Billy Masser, seines Zeichens Sekretär und Hofmarschall des Fürsten.
Entsprechend aufwändig ist der Lebensstil von Pückler, nachdem er 1811 die Herrschaft Muskau-Branitz als Erbe übernommen hatte. Für einen Landadligen, so meint er vorausschauend zu erkennen, ist wohl kein Platz mehr in einer kapitalistischen, von der Industrialisierung geprägten Gesellschaft (zumindest wenn man nicht vom Schlag eines pommerschen Landjunkers ist wie etwas später Otto von Bismarck). Umso heftiger reagiert er und verwandelt das Unzeitgemäße seiner Existenz in eine Form von Theatralik und Exaltiertheit. Sein Leben mündet, so Herrmann, „in eine extreme Form der Selbststilisierung, die ihren Ausdruck auch in der Inszenierung aristokratischer Lebensweise in seinen Gartenlandschaften finden sollte“.
In seiner unzeitgemäßen Existenz bleibe dem Landadel gewissermaßen nur eine „poetische Existenzweise“, so das trotzige Resümee Pücklers, die sich nur in der Selbstinszenierung behaupten kann, deren natürliches Medium der Raum beziehungsweise die „Ausdehnung“ sei. Damit rücken für Pückler insbesondere auch die Gartenlagen in den Fokus, die er, seiner Verbundenheit zu den Idealen der aristokratischen englischen Kultur entsprechend, ausbauen will. Er selbst schreibt dazu: „In der höheren Ausbildung des genießenden Lebens hat sich auch die Landschaftsgärtnerei dort in einer Ausdehnung entwickelt, die früher keine Zeit und kein Land in diesem Maße gekannt zu haben scheint“.
Die aristokratische Lebensauffassung mündet in einer Auffassung vom „genießenden Leben“, wie Pückler sagt, die ihren höchsten Ausdruck in der räumlichen Weite des Landschaftsgartens findet, gewissermaßen als Verlängerung der Selbstinszenierung. Gleichzeitig ist im Landschaftsgarten auch eine gesellschaftliche Bedeutung konserveriert. Hermann bemerkt in diesem Zusammenhang: „Anders als im 18. Jahrhundert ist nicht mehr die vorwärtsweisende Idee, das Entwicklungspotential des Menschen aufzuschließen, um ihm so seine bessere Zukunft vorzustellen, Ausgangspunkt des Entwurfs, sondern vielmehr das Wissen um das Obsolete einer Existenz- und Lebensweise, der es auf Dauer nicht beschieden sein wird, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit eine Rolle zu spielen. Gerade in der Ausklammerung der realen gesellschaftlichen Bewegung entwickelt das `Modell Landschaftsgarten´ unter den Händen Fürst Pücklers seine regenerierende Kraft – nicht indem der Landschaftsgarten eine bürgerliche Zukunft antizipiert wie bei Rousseau, sondern indem er zum Refugium vor den Anmaßungen eben dieser bürgerlichen Gesellschaft wird: ‚Euer ist das Geld und die Macht – Laß dem Armen ausgedienten Adel seine Poesie, das einzige, was ihm übrig bleibt‘.“
Der Muskauer und der Branitzer Park spiegeln als seine bedeutendsten Schöpfungen den aristokratischen Lebensentwurf Pücklers wider. Insbesondere im Muskauer Park wollte er ihm Ausdruck verleihen. Pücklers Lebensauffassung allerdings ist kostspielig und die Gestaltung des Landschaftsgartens verschlingt Unsummen (sie wird vielleicht im Sinne Georges Batailles zu einer Poesie der Verschwendung). Für Pückler ist das zunächst nur durch die Mitgift seiner 1817 angetrauten Frau Lucie zu finanzieren, die die Tochter des preußischen Staatskanzlers Karl August von Hardenberg (1750-1822) ist, dem König Friedrich Wilhelm III. auf Wunsch seiner Frau Luise in der nachnapoleonischen Zeit die innenpolitischen und wirtschaftlichen Aufgaben überlässt (den kulturellen Wiederaufbau jedoch will der König selbst übernehmen, beispielsweise bei der Umgestaltung des Potsdamer Neuen Gartens).
In seinen „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ (1834) polemisiert Pückler gegen die „Mode, sogenannte englische Anlagen zu machen“, solange man dazu nur schlicht die Formen übernehme, ohne jedoch der Idee Ausdruck zu verleihen: „Eine große landschaftliche Gartenanlage muß auf einer Grundidee beruhen“, schreibt er schon ziemlich zu Beginn. In Muskau inszeniert Pückler deshalb insbesondere neugotische Bilder – er verbindet sie, wie Hermann sagt, „zu einer romantischen Landschaft, die in ihrer an das Mittelalter erinnernden Szenerie auch zum Symbol der geschichtlichen Legitimität des Hauses Pückler-Muskau wird“. Vor diesem Hintergrund verzichtet Pückler insgesamt weitestgehend auf exotische und antike Stilelemente, da er diese in einer nordeuropäischen Landschaft als unpassend und problematisch empfindet. Die Verbindung von historisch gegebenem Zweck und stilistischer Authentizität sind für ihn maßgeblich.
Das gilt auch für das Schloss, dass aber gemäß seiner Formel vom „genießenden Leben“ zunächst auch dem Komfort und der Repräsentation dienen muss. Gleichwohl muß auch hier die Einheit von Zweck und Stil gewährleistet sein. Noch einmal Hermann in diesem Zusammenhang: „Wenn Pückler die Umgestaltung mittelalterlicher Schlösser zu komfortablen Wohnstätten propagiert, einen Nachbau im neugotischen Stil aber strikt ablehnt, so weist er damit zugleich den Anspruch zurück, die im Stand des Adels begründeten Formen herrschaftlicher Architektur für die Zwecke des Bürgers zu profanisieren.“
Muskau entwickelt sich im Verlauf der Jahre zu einem Arkadien, zum größten deutschen Landschaftspark – mit seinen 830 Hektar mindestens hinsichtlich der flächenmäßigen Ausdehnung –, für dessen Gestaltung er auch gerne die Hilfe von John Adey, Sohn seines bewunderten Vorbilds Humphrey Repton, wahrnimmt. Adey ist fasziniert von Pückler und öffnet ihm einige Türen bei seiner zweiten Englandreise (1826 bis 1829).
Diese zweite Reise wird notwendig, weil Pückler das Geld ausgeht: Nachdem das Vermögen von Lucie aufgebraucht ist, läßt sich Pückler pro forma scheiden, um durch eine neue Heirat zu weiterem Kapital zu kommen. Diese Absicht ist es, die ihn nach England führt, wo seine Pläne in der Londoner Gesellschaft jedoch schnell bekannt werden, wie er in den „Briefen eines Verstorbenen“ (1830) schreibt. So sieht sich Pückler im Jahr 1845 gezwungen, seine Herrschaft Muskau, die durch die Anlage des imposanten Landschaftsgartens einen erheblichen Wertzuwachs erhielt, zu verkaufen und ins benachbarte Branitz zu übersiedeln, wo er aber ebenfalls unverzüglich mit den Planung für einen Englischen Landschaftsgarten begann, die er ab 1846 umsetzte.
Steht bei Lenné, wie eingangs geschildert, am Anfang der Planung ein Strich auf dem Papier, pflegte Pückler seine Wege mit dem Spazierstock direkt in den nackten Boden zu zeichnen, bemerkt Ohff in der Biographie „Der grüne Fürst“ (2007). Aber auch das stand bei ihm immer am Beginn, so auch im Park von Branitz. Nach der Festlegung der Wege, ging Pückler an den Aushub der Seen und Wasserläufe sowie, gleichzeitig, das Abstecken der Baumpflanzungen, zuletzt kamen die Rasenflächen. Alle seine Anlagen, sagt Pückler, seien so berechnet, dass sie nach 150 Jahren den höchsten Grad ihrer Entfaltung erreicht haben (ein Besuch in einem seiner Gärten dieses Jahr, seinem 150. Todesjahr, könnte sich also lohnen).
Obwohl Pückler unmittelbar nach der Übersiedlung mit den Planung begann, zeigte er wenig Interesse, sich auch dauerhaft hier niederzulassen, sondern überließ Branitz zunächst der pro forma geschiedenen Fürstin. Pückler selbst begab sich auf Reisen (unter anderem nach Italien, die stürmischen Ereignisse der Märzrevolution 1848 erlebt er in Berlin) und hielt sich längere Zeit in Babelsberg auf, wo er maßgeblich an der Gestaltung der dortigen Anlagen mitwirkte, während in Branitz in erster Linie die Fürstin am Entstehen des Parks unmittelbar beteiligt war. Ihr Vorschlag war es auch, das Haus mit einer Terrasse zu umgeben, ganz Humphrey Repton folgend, der Terrassen und Balustraden wieder in den Landschaftsgarten eingeführt hatte.
Ganz im Sinne der Fürstin konzipierte Pückler den Park in Branitz also nach dem Zonierungsprinzip, wobei er die Terrasse des Schlosses üppig mit Pflanzen ausstatte. Die reiche Ausstattung, die im Eingangsbereich mit Kübelpflanzen und auf der Westseite mit Immergrünen erfolgte, folgte den oben erwähnten stilistischen Strömungen und schuf einen fließenden Übergang zwischen Gebäude und Pleasureground. Um diesen Gartenraum ließ Pückler auf drei Seiten eine „Italienische Mauer“ errichten, die von einer mit Weinreben umrankten Pergola ergänzt wurde und so einen intimen Gartenraum entstehen ließ, wobei damit in erster Linie der Wirtschaftshof kaschiert werden sollte. Später wurde die Mauer und die morsche Pergola abgerissen und durch einen blauen Zaun ersetzt, wodurch sich auch wieder ein reizvoller Blick auf das Gelände eröffnete, wo sich an den Pleasurground der „Innere Park“ anschloss, der dann in eine Feldflur, die sogenannte „ornamental Farm“ überging. Außerhalb des Landschaftsgartens dehnten sich in Richtung Cottbus wirschaftliche Nutzflächen und Kiefernwälder aus.
Ansonsten finden sich im Branitzer Park viele romantische Hohlwege und mehrere künstliche Seen (auch ein „Ökonomiesee“ auf dem Gelände der Gutsökonomie) mit Wasserkanälen, die von Pückler in der ehemals kargen Kiefernheide geschaffen wurden. Die Wasserflächen mit ihren abwechslungsreich geformten Uferlinien bildeten für Pückler ein wichtiges Gestaltungselement, auch, weil sich auf ihrer Oberfläche die Umgebung spiegelt und so je nach Tages- und Jahreszeit sowie Lichtverhältnisse andere Stimmungen wiedergibt. Die Inseln in den Seen kaschieren die wirkliche Dimension des Sees und haben mitunter auch den Effekt, dass der Wasserspiegel optisch größer erscheint.
Beim Aushub der Seen wurden umfangreiche Erdbewegungen durchgeführt, die sich für die Schaffung einer Hügellandschaft nutzen ließen, unter anderem für den 30 Meter hohen „Hermannsberg“, die grundsätzlich für eine Fülle abwechslungsreicher Aussichtsmöglichkeiten sorgen. Die ausgehobene Erde wurde von Pückler aber auch für den Bau einer Erdpyramide genutzt – sowie den sogenannten „Tumulus“ im Parksee, der in den Jahren 1856/57 entstand. Der Tumulus beziehungsweise die Erdpyramide sind Pücklers „einziger eigener, avantgardistischer und konzeptioneller neuer Beitrag zur Gartengenkunst“, bemerkt Ohff: „In der ideal gestalteten Natur erscheint plötzlich ein streng geometrisch geformter Fremdkörper. Da er begünt ist … wird die Fremdartigkeit der Stereometrie zwischen natürlichem Wachstum, das nicht einmal einen rechten Winkel duldet, herabgemildert.“
Beim Tumulus handelt es sich um einen prähistorischen Grabhügel, mit dem Pückler, wie Herrmann anmerkt, „der versinkenden feudalen Epoche ein die Jahrhunderte überdauerndes Denkmal setzen wollte“. Tatsächlich wurde der 1871 im Alter von 85 Jahren verstorbene Fürst darin umgebettet, das heißt, bevor die Umbettung erfolgte musste der zwergenhafte Hofmarschall die sterblichen Überreste des Fürsten erst in einem Säurebad auflösen. Gewissermaßen als eine letzte Extravaganz ließ Pückler den Tumulus mit Wildem Wein bepflanzen, so dass er sich im Herbst leuchtend rot färbt. Von der Höhe her wird er von der Landpyramide überragt. Auf deren Spitze trägt das kronenförmige Gußeisengeländer den Spruch: „Gräber sind die Bergspitzen einer fernen neuen Welt.“
Muskau und Branitz sind die letzten klassischen Landschaftsparks in Deutschland, hier findet die an die Natur angelehnte, weiträumige romantische Parkgestaltung ihren letzten Ausdruck. Wenngleich Zeitgenossen, ist der nur vier Jahre jüngere Peter Joseph Lenné (1789-1866) bereits mit gänzlich anderen Herausforderungen konfrontiert: Wurden die Landschaftsgärten bisher für die gehobene Gesellschaft geschaffen – und dies praktisch mit unerschöpflichen finanziellen Mitteln – so sieht sich Lenné in Berlin mit einer ständig wachsenden Großstadt konfrontiert, die im frühindustriellen Zeitalter Grün- und Erholungsflächen für die benachteiligten unteren sozialen Schichten, das arbeitende Proletariat, bitter nötig hatten. Diese Grünflächen allerdings waren noch nicht einmal geplant worden.
– Das Berlin Lennés –
Unter den bisherigen Landschaftsgärtner waren etliche dilettierende Adlige, auch Pückler zählt zu ihnen. Man kann das bei ihm vielleicht besonders an den von ihm ungeliebten Blumenbeeten sehen, die bisweilen, wie in Muskau, völlig überladen arrangiert waren, auch wenn er ansonsten „einen sicheren Geschmack besitzt“, wie Ohff schreibt. Unabhängig von Geschmacksfragen befanden sich jedenfalls erstaunlich wenig ausgebildete Gärtner unter ihnen. Peter Joseph Lenné (1789-1866) nun ist eine seltene Ausnahme davon. Er stammte aus einer uralten Bonner Gärtnerfamilie und war selbst gelernter Gärtner, bevor er sich in Paris weiterbildete und in Wien, wo er als „Kaiserlicher Garteningenieur“ an der Umgestaltung des Parks von Laxenburg maßgeblich beteiligt war, erstmals als Landschaftsgärtner tätig wurde.
Von vornherein wird Lenné protegiert und hoch geachtet. Entsprechend verlief seine Karriere glatt steil nach oben bis zum Gartendirektor und endlich Generaldirektor aller königlich-preußischen Gärten. An der Spitze eines eigenen Mitarbeiterstabes hat er die Gärten nahezu aller preußischen Schlösser neu gestaltet und das Gesicht der Stadt Berlin, auch das seiner Umgebung, mitgeprägt.
Angefangen hat dieser Weg, als man jemanden für die Arbeiten am Potsdamer Neuen Garten suchte. Zuvor war Johann August Eyserbeck aus Wörlitz abgeworben worden, aber bereits 1801 unvorhergesehen erst 39-jährig gestorben. Abgeworben wurde auch die führende Kapazität im Forstwesen, Georg Ludwig Hartig (1764-1837), der seit der Niederlage gegen Napoleon die Stelle des preußischen Oberlandforstmeisters bekleidete und sicherlich der bedeutendste Forstwissenschaftler der Zeit war. Auf einer Inspektionsreise in die im Zuge des Wiener Kongresses 1815 an Preußen gefallenen Rheinprovinzen wird Hartig auf den 26-jährigen Bonner Hofgärtner Peter Joseph Lenné aufmerksam. Er bietet ihm eine Stelle als Gärtner in Sanssouci an, eigentlich weit unter den Fähigkeiten Lennés, dennoch nimmt er sie ohne lange zu zögern an.
Kaum angekommen, wird er von Staatskanzler Hardenberg beauftragt, den Pleasureground seines neu erworbenen Gutes, zwischen Berlin und Potsdam an der Havel gelegen, standesgemäß zu gestalten. Es bleibt unklar, weshalb Hardenberg dafür nicht seinen Schwiegersohn Pückler heranzieht, möglicherweise fand er ihn, wie Ohff anmerkt, „zu leichtfertig und extravagant“. Jedenfalls bedeutet das für Lenné den Durchbruch in Berlin und Potsdam.
Trotz des Auftrags von Hardenberg sollte es aber noch etwas dauern. Zunächst war Lenné noch vornehmlich als Gärtner in Sanssouci tätig. 1822 dann bekommt er Gelegenheit für eine Dienstreise nach England. Sie sollte Lennés Stil wesentlich beeinflußen beziehungsweise wandeln und auch dafür sorgen, dass er von nun an zunehmend mit weiträumigeren, landschaftsgestalterischen Angelenheiten betraut wird. Deutlich sind jetzt eine optimale Wegeführung und seine eigene Handschrift seither ist auch, wie Ohff meint, an den „sanft geformten Hügeln mit den Baumgruppen, den überlegenen Einbezug von Wasserflächen, großen vorhanden und neu geschaffenen kleinen“ erkennbar. Insbesondere aber bei den Sichtachsen und Ausblicken, die die von Lenné gestalteten Landschaftsgärten insgesamt größer erscheinen lassen.
Für Lenne hat das Natürliche bei der Gestaltung Vorrang, ihre Schönheit gelte es durch die Kunst zu veredeln, wie er sagt. Entstehen soll daraus, ähnlich wie bei Pückler, eine Einheit zwischen Zweck und Schönheit: „Das eigentümliche der englischen Gartenanlagen“, schreibt Lenné, „besteht in der Sorgfalt, das Zweckmäßige mit dem Schönen zu verbinden“.
Das möchte Lenné auch in Sanssouci, auch hier soll nach seinen Plänen ein Englischer Landschaftsgarten entstehen. Ohff schreibt in diesem Zusammenhang: „Optisch bezieht Lenné in diesen Plan schon teilweise jenes Gelände mit ein, das erst ein paar Jahre später – mit auf sein Drängen – vom König erworben werden kann und wo das Schinkel-Lennésche Gesamtkunstwerk Charlottenhof entstehen wird“. Mit Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) hat Lenné des öfteren Zusammengearbeitet – zum bürgerlichen Garten gehörte ein Haus, zum bürgerlichen Haus gehörte ein Garten. Die landschaftsgärtnerischen Projekte wurden dadurch zweifelsohne noch teurer. Lenné selbst war, wie Ohff weiss, ein „sparsamer Mann, im Beruf und daheim. Luxuriös ist anscheinend nur der Weinkeller gewesen. Er enthielt stets die besten Tropfen von Rhein und Mosel, dagegen – aus patriotischen Gründen – nie französische Lagen“.
Zunächst jedoch stehen Umgestaltungen in Potsdam auf dem Programm. Zuerst am Neuen Garten, was ihn noch Jahrzehnte beschäftigen wird, sodann auf der Pfaueninsel, die Lenné 1829 beginnt. Das lang gestreckte Wegenetz auf der Insel geht auf ihn zurück, er versucht damit die landwirtschaftlich genutzten Flächen in den Gesamtplan für die Insel zu integrieren.
Klein-Glienicke zwischen Potsdam und Berlin, an der Havel gelegen, sollte er für Prinz Karl gestalten. Während Schinkel eine klassizistische Architektur beisteuerte, schuf Lenné einen Pleasureground mit kleinen Teichen und Inseln sowie Sichtschneisen hinüber nach Potsdam und Babelsberg.
In Klein-Glienicke war auch Lennés großer Rivale Pückler zugegen, bevor der ihm dann in Babelsberg einen Auftrag wegschnappen wird. Dort hatte sich Lenné bereits betätigt, aber die von ihm gepflanzten exotischen Ziersträucher, mit denen er seinen Gärten gewöhnlich besondere Akzente verleiht, sind in der Hitze des Sommers vertrocknet – eine Berieselungsanlage war nicht vorhanden und Gärtner, die Giessen sollten, wollte sich Prinz Wilhelm nicht leisten. Nicht allein deshalb – aber Prinz Wilhelm zog Pückler vor, der zwar über keine gründlichen botanischen Kenntnisse verfügte, aber in seinen Gärten auch durchweg nur einheimische Gewächse pflanzte.
In Klein-Glieniche hingegen war Pückler für Lenné wichtig, hatte er doch aus England eine Technik mitgebracht – eine Art überdimensionaler Schubkarre –, die es ermöglichte, ausgewachsene Bäume zu versetzten. Er hat dieses Gerät und die damit verbundene Umpflanztechnik zwar nicht selbst erfunden, sondern englischen Gärtnern durch Bestechungssummen abgekauft, wie Ohff weiß, dennoch erlaubte das Lenné, hier etwa 25.000 Bäume zu verpflanzen, die er aus dem Park in Wörlitz erhalten hatte, viele schon 40 bis 60 Jahre alt.
Glienicke war Lennés letzter Auftrag für einen Landschaftsgarten, nun, etwa ab 1840, beginnt seine städteplanerische Phase. Im 19. Jahrhundert wuchsen die Städte über ihre mittelalterlichen Begrenzungen hinaus. Hatte Berlin im Jahr 1810 etwa 150.000 Einwohner, waren es nur neun Jahre später bereits 200.000 und 1831 dann eine Viertelmillion, bevor man im Jahr 1840 330.000 Einwohner zählte, womit sich die Zahl innerhalb von etwa 30 Jahren verdoppelt hat. Stadtmauern werden damit überflüssig und in den meisten Fällen auch abetragen. An ihrer Stelle sollen Grünflächen entstehen. Damit sich die Stadt nicht ungehemmt in die Umgebung hinaus ausbreitet, ohne Beachtung landschaftlicher Strukturen, wurde Lenné zunehmend für die Planung der Grünanlagen im Rahmen der Ausweitung der Stadt einbezogen. So wird mit ihm der Park zu einer urbanen Angelegenheit.
Lenné hat sein Leben lang gegärtnert und Parks oder Gärten entworfen, nun dehnte er seinen Arbeitsethos, wie Ohff schreibt, „mit gleicher Ausschließlichkeit“ auf Städtebau und Stadtpflege aus. Waren die Gartengestalter bisher vielleicht nur Utopisten, dann traten bei Lenné nun, wie Ohff sagt, „bare Notwendigkeiten“ hinzu, die den Landschaftsgarten verändern mussten – hin zu Grüngürtel, Erholungslandschaft, Stadt- und Volkspark. Öffentliche Grünflächen sollten als Gegenpol zur wachsenden ungesunden Industrie dienen und zur Erholungsfläche, nicht nur für eine privilegierte Minderheit, sondern für jedermann werden. Das hatte vor Lenné auch schon der bereits erwähnte Hirschfeld in seiner „Theorie der Gartenkunst“ (1785) angesprochen: „Eine ansehnliche Stadt muß in ihrem Umfang oder in ihrer Nachbarschaft einen oder mehrere offene Plätze haben, wo sich das Volk … versammeln und sich ausbreiten kann, wo eine freye und gesunde Luft athmet und die Schönheit des Himmels und der Landschaft sich wieder zum Genuß öffnet. (…) Alle gelangen hier ungehindert zu ihrem Rechte, sich an der Natur zu freuen.“
In den meisten Residenzstädten fungierten bereits die Schlossgärten als Stadtgärten, in denen die Stadtbevölkerung spazieren gehen konnte. Das galt, zwar eingeschränkt, aber zumindest regelmäßig, auch für die Parkanlagen der Hohenzoller in Potsdam und Berlin (im Gegensatz übrigens zu den Habsburgern und den Romanows). Wo es keine herrschaftlichen Parks gab, in den Hansestädten zum Beispiel oder den ehemaligen Freien Reichsstädten, begann man nun Volksparks anzulegen. Solche Anlagen für die Öffentlichkeit entstanden entweder auf der grünen Wiese (wie in Hamburg) oder – ganz in der Nähe der Innenstädte – an der Stelle ehemaliger Befestigungsanlagen beziehungsweise Stadtmauern. Wie Hansjörg Küster in seiner „Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa“ (2010) berichtet, pflanzte man in diesen öffentlichen Anlagen gerne heimische Baumarten wie Linden und Eichen, aber auch die Rosskastanie wurde zu einem „Charakterbaum städtischer Grünanlagen“.
Zu Ende des 19. und im frühen 20. Jahrhundert wurden viele weitere Parks angelegt. In der Zeit um 1900 wurden in den Vorstädten der unaufhaltsam wachsenden Metropolen neuartige architektonische Konzepte umgesetzt, bei denen man sich vor allem von englischen Vorbildern inspirieren ließ. Die Wandlung der Gartenidee schon im bürgerlichen 19. Jahrhundert und dann weiter von der Utopie, die nur von ganz Reichen zu verwirklichen war, zur allgemeinen Nutzung durch das „Volk“, hatte sich zuerst in England vollzogen, wo inzwischen bereits die dritte oder vierte Generation tätig war, und wo bereits Repton gemeinsam mit dem Architekten Nash für die Umsetzung städtischer Gartenideen sorgte.
Zu den neu entstanden Vorstadtsiedlungen gehörten bereits private Gärten, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts von den neu entstandenen Gartenbaubetrieben gestaltet werden konnten und insbesondere in bürgerlichen Privatgärten die Pflanzungen von Hecken und Gebüsch, Obst- und andern Bäumen vornahmen. Aus der Beobachtung der Gewächse in den Schlossgärten ließ sich eruieren, welche Pflanzen sich am besten für eine Bepflanzung eigneten.
Auch Landhaussiedlungen mit weiträumigen Gärten wurden angelegt, die in den Berliner Vororten Dahlem, Schlachtensee und Nicolasee eher Dimensionen kleiner Parks hatten. Die Gartenstadtbewegung entstand ebenfalls in dieser Zeit und verfolgte das Ziel, den finanziell benachteiligten Bevölkerungsschichten das Wohnen im Grünen und eine reformorientierte Lebensweise zu ermöglichen.
Zu all diesen eher privaten Initiativen, traten Lennés Anstrengungen für öffentliche Grünflächen in Berlin als eine Art Grüne Lunge. Eines seiner Hauptprojekte dabei ist der Berliner Tiergarten, den er in so gut wie lebenslanger Arbeit umgestaltet. Er bleibt sein Sorgenkind, beinahe bis zuletzt. Schon der Name weist darauf hin, dass es sich früher um einen waldartigen Forst handelte, der zur Jagd genutzt wurde. Doch schon Friedrich der Große, solchem Vergnügen „abhold“, öffnete ihn als Promenade für die Berliner Bevölkerung. Mit seinen zahlreichen Wassleräufen schien Lenné der Tiergarten zu wild, zu sumpfig, zu dunkel, um als Bürgerpark dienen zu können. Er schreibt dazu: „Das Innere des Waldes liegt … ungenutzt da, nur hin und wieder irrt ein Einsamer auf den schmalen Pfaden umher. (…) Keine sonnigen Gänge und wenig lichte Plätze …. Die wenigen breiten Wege, auf denen man noch etwas freier Luft wie Sonnenschein erhaschen kann, werden wiederum an schönen und festlichen Tagen in anderen Beziehungen durch die hier zusammengedrängten Volksmassen ungenießbar. (…) Den Hauptgegenstand der neuen Anlagen bieten die großen Wasserzüge dar. Vor allem muß der Park gesund sein, daß er benutzt und genossen werden kann.“
Ab 1833 legte man also zuerst einmal die Sümpfe trocken und verbreiterte die Wasserläufe. Anschließend beseitigte man die Wildnis und legte einen künstlichen See, den Neuen See, an, schaffte Lichtungen und die Rasenplätze und durchzog das Ganze mit einem neuen Wegenetz. Davon ist heute nicht mehr viel geblieben, zwischen 1949 und 1959 schuf man praktisch einen neuen Garten.
Zur Entlastung der Spree plant Lenné als nächstes die Errichtung des Landwehrkanals. Fast übergangslos wird er ab 1845 zum Stadtplaner. In zehnjähriger Arbeit wird der Landwehrkanal zum Schiffahrtsweg für all diejenigen Schiffe ausbaut, die die Stadt nur passieren wollen, ist doch die Spree mit nur einer Schleuse ständig überlastet. Da er dabei die Stadt so gut wie umgrub, tauften ihn die Berliner boshaft-liebevoll „Buddelpeter“.
Neben diesen Großprojekten entsteht zwischen Hasenheide und Zoo ein von Lenné komplett neu geplanter urbaner Straßenzug, der durchweg von Grünflächen begleitet wird: Von der Gneisenau- und der Yorckstraße über den Dennewitzplatz, den Nollendorfplatz, die Kleiststraße und den Wittenbergplatz bis zum – ebenfalls von Lenné gestalteten – Zoo reicht der Straßenzug. Dass der bei den Yorckbrücken noch dazu unter der Eisenbahn hindurchgeführt werden musste „verstärkt noch den planerischen Gesamteindruck“, wie Ohff sagt.
Den Zoologischen Garten am Ende des Straßenzuges hat ebenfalls Lenné angelegt, aber auch den heute „Tierpark“ genannten Zoo in Lichtenberg: Er hatte hier den 1821 erhaltenen Auftrag, den von Kanälen rechteckig eingefassten Park des Schloss Friedrichsfelde in einen Landschaftsgarten umzuwandeln und zu erweitern. Aber auch davon ist seit der Umwandlung des Parkes 1955 nichts erhalten geblieben.
Neben dem Landwehrkanal enstehen noch der Luisenstädtische Kanal unter seiner Leitung sowie der Mariannenplatz, mit dem er das trostlose Krankenhaus Bethanien aufwerten möchte. Moabit, Tempelhof und Schöneberg erhalten von Lenné ihre zukünftige Gestalt und auch der heutige Mehringplatz (damals Belle-Alliance-Platz) wurde von ihm entworfen, genauso wie Lustgarten, Leipziger Platz, Opernplatz, Hausvogteiplatz et cetera. „Es gibt“, sagt Ohff, „kaum einen Platz in der preußischen Hauptstadt, den er nicht mit Grün- und Blumenschmuck versehen hätte“.
Nichts erscheint Lenné zu gering und nicht beachtenswert, „(denn) je weiter ein Volk in seiner Kultur und in seinem Wohlstande fortschreitet, desto mannigfaltiger werden auch seine geistigen und sinnlichen Bedürfnisse. (…) Dahin gehören dann auch die öffentlichen Spazierwege, deren Anlage und Verfielfältigung in einer großen Stadt nicht allein des Vergnügens wegen, sondern auch aus Rücksicht auf die Gesundheit dringend empfohlen werden muß.“
Um die Gesundheit und die Hygiene macht sich nach dem Tod Lennés im Jahr 1866 sicherlich auch sein städtebaulicher Nachfolger James Hobrecht (1825-1902) verdient. Zusammen mit dem Arzt Rudolf Virchow (1821-1902) organisierte Hobrecht ab 1869 den Bau einer Kanalisation zur Ableitung der Abwässer und sorgte für eine zentrale Trinkwasserversorgung. Seinen Namem trägt jedoch auch ein Plan zur oberirdischen Neugestaltung Berlins, in dessen Folge die wilhelminischen Mietskasernen Einzug in der Stadt halten. Der Plan Hobrechts steht am Anfang der Entwicklung zur Steinernen Stadt und Hobrecht selbst insofern auch für den fünften Hinterhof. Lenné hingegen bleibt in Berlin als Gestalter der Grünen Lunge der Stadt in Erinnerung.
Der Wein zum Text …
Die katalanische Region Roussillon liegt im äußersten Süd-Westen Frankreichs direkt an den Pyrenäen, in einer extrem vielgestaltigen Gegend, wo unterschiedlichste Naturszenerien wie in einem Englischen Landschaftsgarten auf engstem Raum zusammengefaßt sind: Eine sanfte Hügellandschaft zieht sich durch die nur wenigen Kilometer zwischen der gewaltigen Gebirgslandschaft im Hinterland und dem schmalen Küstenstreifen am Mittelmeer, es ist, als ob sich das Gebirge praktisch direkt aus dem Mittelmeer erhebt, eben „Mar i Muntanya“.
Auf einem der pittoresken Hügel in dieser extrem heissen, trockenen und windigen Landschaft, von wo aus man einen überwältigenden Blick auf den Horizont über dem Mittelmeer hat, liegt die bei Weinenthusiasten berühmte Ortschaft Calce, Hauptstadt der biodynamischen Winzer des Roussillon, angeführt vielleicht von Gérard Gauby, über den auch der junge deutsche Thomas Teibert hierher geriet, wo er die „Domaine de l`Horizon“ gründete und sich schon mit dem ersten Jahrgang 2007 einen Namen machte, bevor er 2010 als bester Newcomer Frankreichs geehrt wurde.
An der hohen Qualität hat sich seither nichts geändert: Sein 2018 „Mar i Muntanya“ aus Syrah und Grenache ist zwar nur der Basiswein des Weinguts, aber auch er profitiert von dem herausragenden Terroir der Gegend mit seinen Schiefer– und Kalkböden. Der Wein hat einen sehr aromatischen Charakter ohne zu fruchtig zu sein. Es dominieren Kirscharomen, daneben dunkle Beeren, eine pfeffrige Würze, die an die typischen Garrigue-Kräuter der Region erinnert, sowie etwas Karamell. Extrem zurückhaltendende, samtige Tannine. Ein ungemein saftiger und dennoch frischer Wein mit enormem Trinkfluss, man möchte das Glas gar nicht mehr absetzen …
