Im Johannesevangelium wird die Kreuzigung in Analogie gesetzt zur Opferung des Pessachlamms, Jesus zum Lamm Gottes/Agnus Dei. Das jüdische Pessach wird zum christlichen Ostern umgedeutet und neu inszeniert …
„Denn noch hatten sie die Schrift, dass er von den Toten auferstehen müsse, nicht verstanden.“
Das Johannesevangelium (20,9) über die Jünger am leeren Grab Jesu
Dem Johannesevangelium zufolge fand Maria am Sonntag nach der Kreuzigung Jesus Grab leer vor, nur die Leinenbinden, in die der Leichnam gewickelt war, lagen noch dort. Die selbe Szene wird auch in den synoptischen Evangelien erwähnt, allerdings anders als im Evangelium nach Johannes: Während Jesus hier bereits einbalsamiert begraben wurde, heißt es zum Beispiel im letzten Kapitel des Markusevangeliums, dass außer Maria noch zwei weitere Frauen dabei waren, die „wohlriechende Öle“ bei sich hatten, um den Leichnam „zu salben“. Das erscheint seltsam, denn vermutlich wäre damals in Jerusalem niemand auf die Idee gekommen, einen schon beerdigten Leichnam im nachhinein einzubalsamieren, das entsprach nicht der Begräbnissitte. Diese Szene jedoch zeigt, dass man dem Markusevangelium zufolge offensichtlich nicht darauf vorbereitet war, dass Jesus schon vor dem Ende der Zeiten auferstehen konnte. Das gilt ebenso für die Jünger, denn auch sie hatten, wie es im Evangelium nach Johannes (20,9) heißt, „die Schrift, dass er von den Toten auferstehen müsse, (noch) nicht verstanden“.
Nicht zuletzt eine Lektüre des Johannesevangeliums macht insofern deutlich, dass man die Texte des Neuen Testaments nicht losgelöst von der Geschichte, der Schrift, respektive der jüdischen Tradition begreifen kann. Das gilt insbesondere auch für unser heutiges Ostern, das in seinem christlichen Ursprung das Fest der Überwindung des Todes, der Auferstehung Jesu ist, und zwar deshalb, weil der Kreuzestod Jesu von den Verfassern aller kanonischen Evangelien mit dem jüdischen Pessach in Verbindung gebracht wird, auch wenn das Johannesevangelium von der Chronologie der Synoptiker abweicht: Den synoptischen Evangelien zufolge wird Jesus am Nachmittag nach dem Pessachmahl gekreuzigt, bei Johannes hingegen stirbt er schon einen Tag vorher (am 14. Nissan), um drei Uhr nachmittags. Das war vielleicht der 6. April 30, eine genaue Datierung ist allerdings schwierig. Zumindest der Todestag ist aber in allen Evangelien ein Freitag. Strittig jedoch bleibt das Letzte Abendmahl: Den Synoptikern zufolge war es ein Pessach- beziehungsweise Sedar-Mahl, dem Johannesevangelium zufolge fand es bereits einen Tag vorher statt.
Dass Johannes das Todesdatum um einen Tag nach vorne, an den Vortag von Pessach, verschiebt, macht vor allem aber theologisch einen bedeutenden Unterschied, denn zu dieser Zeit wurden vor dem Tempel, der jüdischen Tradition entsprechend, tausende Lämmer geopfert (das Lamm-Opfer ist vorgeschrieben, aufgespießt wird es in Kreuzform). Das Johannesevangelium stellt also eine Analogie her zwischen der Schlachtung der Pessachlämmer und der Kreuzigung Jesu – Jesus selbst wird hier zum Opferlamm beziehungsweise Lamm Gottes. Dieser Ausdruck: Lamm Gottes, in lateinischer Sprache Agnus Dei, kommt nur im Johannesevangelium (1,29) vor, wenn Johannes der Täufer Jesus als „das Lamm Gottes“ erkennt, „das die Sünde der Welt hinwegnimmt“. Bis auf eine kurze Wiederholung kurz nach dieser Stelle taucht diese Bezeichnung nirgendwo sonst, weder im Alten noch im Neuen Testament, auf.
Das ist jedoch nicht der einzige Rekurs auf die alttestamentarisch festgehaltene jüdische Tradition, konkret auf Pessach, in Zusammenhang mit Kreuzestod und Auferstehung Jesu: Ein weiterer Bezug ist darin zu sehen, dass Jesus am Kreuz nicht die Beine gebrochen werden, wie es bei Johannes heißt (19,32-33). Das entspricht einer alttestamentarischen Verordnung in Exodus (12,46), die das Brechen der Knochen des Pessachlamms verbietet. Und insbesondere auch mit jener Szene, in der Jesus am Kreuz ein mit Essig getränkter Schwamm auf einem Ysoprohr gereicht wird, das dafür überhaupt nicht geeignet ist, weil der Pflanzenstängel viel zu dünn ist, lenkt das Johannesevangelium (19,29) die Aufmerksamkeit auf ein traditionelles jüdisches Ritual, bei dem das Blut des Pessachlammes mit dem Ysopstängel auf die Türpfosten gestrichen wird. In einer weiteren Anweisung zu Pessach in Exodus (12,22) heißt es dazu: „Und nehmt ein Büschel Ysop, taucht es in das Blut, das in der Schale ist, und bringt etwas von dem Blut, das in der Schale ist, an den Türsturz und an die beiden Türpfosten.“
Von dem traditionellen Ritual, seine Türpfosten mit Blut zu markieren, stammt auch das hebräische „Pessach“ ab, dessen Wortstamm soviel heißt wie „auf-/gegen-/zurückstoßen“ oder „abprallen“ und laut Exodus (12,13) aber mehr bedeutet: Das Blut an der Tür ist ein Schutzzeichen für Jahwe während seines Strafgerichts an den ägyptischen männlichen Erstgeborenen in der Nacht des Exodus: „Und das Blut soll euch ein Schutzzeichen sein an den Häusern, in denen ihr seid. Ich werde das Blut sehen und an euch vorübergehen …“
All diese Bezüge und Analogien stellen also eine Verbindung von Ostern zum jüdischen Pessach her – das dann eine christliche Umdeutung und Neuinszenierung erfährt. Hier, im jüdischen Pessach, hat das christliche Osterfest seinen Ursprung.
Ursprung von Pessach
Pessach ist, wie die vielen Verweise bereits erahnen lassen, eine Erinnerungsfeier an den Exodus, den Auszug der Israeliten aus Ägypten ins „Gelobte Land“. Das ist Jahwes Rettungstat der Israeliten aus der Sklaverei und konstituiert sie überhaupt erst als Volk, als „Gottes Volk“.
Als „rituell inszeniertes Gedächtnis des Exodus“, wie Reinhard Meßner in seiner „Einführung in die Liturgiewissenschaft“ (2001) sagt, rekurriert Pessach dabei seinerseits auf eine ältere Tradition. Einen Ausgangspunkt für das Verständnis von Pessach im Hinblick auf seine christliche Umdeutung bietet in diesem Zusammenhang das 16. Kapitel („Anweisungen für die Feste“) des deuteronomischen Kalenders, wo alle wichtigen jüdischen Feste geregelt sind, auch das Doppelfest Pessach/Mazzot (das Fest der ungesäuerten Brote, die als Brot der Wanderung stehen, wie Bitterkräuter für die Bitternis der ägyptischen Sklaverei). Insbesondere diese beiden, ursprünglich selbstständigen, Feste sind am Beginn des jüdischen Monats Nissan zum Gedächtnis der „Urheilstat Gottes“ an seinem Volk Israel, des Exodus, zu begehen.
Das Essen des ungesäuerten Brotes an Pessach wurde von Mazzot übernommen und besteht aus zwei Handlungen: Zum einen dem Opfer, das nur am Jerusalemer Tempel dargebracht werden darf, zum anderen dem gemeinsamen Pessachmahl in der Nacht. Das Pessach ist insofern als eine Art Leidensgedächtnisfeier zu verstehen: Erinnert werden soll an die Zeit der Unterdrückung in Ägypten, wie es in Deuteronomium (6,21-23) heißt: „Wir waren Sklaven des Pharao in Ägypten, der Herr aber führte uns mit starker Hand heraus aus Ägypten (…) uns aber führte er von dort heraus, um uns hierher zu bringen und uns das Land zu geben …“
„Durch die kultisch in allen Generationen realisierte Identifizierung entsteht Gottes Volk und wird von Jahwes einmaliger Rettungstat her immer neu als Einheit erfahren“, schreibt Meßner. Im Gedenken daran an Pessach erfährt sich das ganze jüdische Volk in seiner Identität, insofern sind alle Israeliten „vom Exodus betroffen und finden sich in ihm als in einer identitätsstiftenden Geschichte“, wie Meßner sagt. Dabei ist das gemeinsame Gedächtnis nicht allein auf den Exodus bezogen, sondern auf die gesamte im Pentateuch, den fünf Büchern Mose, erzählte Geschichte. Es geht also nicht allein um die Befreiung aus einer unterdrückenden Gesellschaft unter Moses, sondern auch um die Gabe des „Gelobten Landes“ beziehungsweise die Eroberung unter Josua und die gerechte Lebensordnung gemäß der zuvor am Sinai empfangenen Thora, der jüdischen Gesetze.
Pessach ist insofern nicht allein Leidensgedächtnisfeier, sondern erinnert wird auch des umfassenden Heils, das Jahwe erwirkt hat. Entsprechend werden der Pessachnacht vier Heilsnächte zugeordnet:
- Die Nacht der Schöpfung der Welt,
- die Nacht der Offenbarung an Abraham,
- die Nacht des Exodus und
- die Nacht der endgültigen (eschatologischen) Erlösung durch den Messias.
Diese vier Nächte finden sich auch in frühchristlichen Lektionsordnungen, wobei vor allem die Messiaserwartung an Pessach zum wichtigsten Ausgangspunkt der christlichen Rezeption wird, wo sie umgedeutet und auf die Person des Jesus übertragen wird.
Ein weiteres wichtiges Motiv von Pessach ist für die christliche Rezeption wichtig, nämlich das Sündopfer. Pessach ist auch der Ort der Gnade und Sühne Jahwes, entsprechend wird ihm ein Opfer dargebracht, bisweilen ein Opferlamm. Dieses Motiv ist entscheidend für die Deutung des Kreuzestodes von Pessach her: Das Pessachlamm, das die eschatologische Sühne bringt, „ist der am Kreuz sein Leben hingebende Christus“, wie Meßner schreibt, eben das „Lamm Gottes“ des Johannesevangeliums.
Wichtig für das am Vorabend von Pessach stattfindende Mahl (Sedar) ist auch der Wein: Die Mischna (Traktat Pesachim, Kapitel 10), wo die Pessach-Ordnung geregelt wird, schreibt vier Becher Wein für das Pessachmahl vor, die in bestimmten Abständen getrunken werden und die vier Verheißungen Gottes symbolisieren sollte, also wie die Israeliten aus Ägypten 1. herausgeführt, 2. errettet, 3. erlöst und 4. von Jahwe als Volk angenommen werden. Auch die Kommunion geht auf diese Tradition beziehungsweise auf Jesus Christus zurück, der als Jude vor dem Pessachfest einen Kelch mit Wein genommen und vier Mal davon getrunken haben soll.
Wein bei den Israeliten
Schon früh, möglicherweise bereits im 6. oder 5. Jahrtausend vor Christus, wurde in Palästina Wein kultiviert. Die wohl älteste schriftliche Bemerkung dazu wurde in Ägypten gefunden: In einer Inschrift aus dem Jahr 2375 vor Christus heißt es, dass Truppen des Pharao in Israel eine Revolte niedergeschlagen und dabei Städte und Weinstöcke zerstört hätten.
Dennoch wird Wein auch für die sogenannte Zeit der Patriarchen (2000-1400 vor Christus) als typisches landwirtschaftliches Erzeugnis in Palästina beschrieben. Am Ende dieser Zeit hielten sich die Israeliten noch in Ägypten auf, aber auch hier hatte der Weinbau – den die Phönizier hierher gebracht hatten – für sie Bedeutung. Zumindest beklagen sie die Entbehrung von Wein, als Gott sie nach dem Exodus aus Ägypten (um 1250 vor Christus) zunächst in die Wüste führte. In Numeri (20,5) heißt es: „Und warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt? Um uns an diesen elenden Ort zu bringen, wo man nicht säen kann, wo es keine Feigenbäume oder Weinstöcke oder Granatapfelbäume gibt und kein Wasser zum Trinken?“
Dabei hatte Moses bereits Kundschafter ausgeschickt. Die kamen in der Nähe von Hebron nach Nahal Eschkol, ins später so genannte „Traubental“, „wegen der Traube, die die Israeliten dort geschnitten hatten“, wie es in Numeri (13,24) heißt. Diese abgeschnittenen Trauben, “zu zweit an einer Stange“ (Numeri 13,23) transportiert, dienten bei ihrer Rückkehr als Beweis, dass das von Gott verheißene „Gelobte Land“ gefunden war.

Das israelische Tourismusministerium hat für sein Logo die werbende Botschaft der von Moses gesandten Kundschafter gewählt
© zeevveez, flickr
In der Zeit Mose, um 1300 vor Christus, werden auch die Vorschriften für den Opferkult definiert, jedenfalls wird im Buch Exodus (29,40f) das Weinopfer erstmals ausdrücklich erwähnt, im Gegensatz zu andern Opfern. Praktisch relevant wurde das Weinopfer allerdings vermutlich erst, als sich die Israeliten in Kanaan ansiedelten und dort Weinbau betrieben.
Als sich die Israeliten in Palästina niedergelassen haben (um 1230 vor Christus) wurden sie, wie im Deuteronomium (28,39) gefordert, zu Weinbauern: „Weinberge legst du an und pflegst sie …“ In Palästina wurde fast überall Weinbau betrieben, auch in Gebieten, in denen man das aufgrund der klimatischen Bedingungen vielleicht nicht erwarten würde wie beispielsweise am Toten Meer und im südlichen Negev. Ansonsten werden Samaria genannt, das Ostjordanland, Silo, Sichem, Timna und das bereits genannte Eschkoltal bei Hebron. Jesaja (16,7-10) nennt außerdem Pflanzungen in Heschbon, Sibma, Jaser, Sibma und Elale.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in Gezer, nahe bei Jerusalem, eine kleine, beschriftete Kalksteintafel aus der Zeit um 1000 vor Christus gefunden: der sogenannte „Kalender von Gezer“ – eines der ältesten hebräischen Schriftdokumente. Es handelt sich dabei um ein landwirtschaftliches und gartenbauliches (Weinbau) Schriftdokument, das eng mit Kalendarien und mit der frühen Agrarkultur zu tun hat: Auf sieben Zeilen werden in einer groben, archaischen Schrift bäuerliche Tätigkeiten aufgezählt, die zugleich auch den jährlichen Zyklus der Landarbeit beschrieben. Es werden zwölf Monate aufgezählt, von denen acht miteinander verbunden sind, und die in diesen Monaten zu verrichtenden Arbeiten des Säens und Erntens. Die Anweisungen beginnen mit September/Oktober: „Zwei Monate der Ernte, zwei Monate der Aussaat, zwei Monate der Spätsaat, der Monat des Flachsziehens, der Monat der Gerstenernte, der Monat der Ernte und (ihres) Abschlusses, zwei Monate der Weinlese (oder: des Rebenschneidens), der Monat des Sommers. Abi(hu) [wohl der Name des Schreibers]“.
Von jüdischen Pessach zum christlichen Ostern
Der Wein symbolisiert im Alten Testament die Verbindung der Israeliten zu ihrem Gott, er wird, wie Paul-Georg Gutermuth in „Der Wein und die Bibel“ (2007) ausführt, „zum Maßstab für die Treue und Untreue des Gottesvolkes im Verhältnis zu Jahwe“. In „Das Lied vom Weinberg“ des Propheten Jesaja (5,1-7) zum Beispiel wird der Weinstock zum alttestamentliches Bild für das gesamte Volk Israel. Jesaja schreibt: „Mein Freund hatte einen Weinberg, an steiler Höhe, überaus fruchtbar. Und er grub ihn um und befreite ihn von Steinen, und er bepflanzte ihn mit edlen Reben, und in seiner Mitte baute er einen Turm, und auch eine Kelter schlug er darin aus. Und so hoffe er, dass er Trauben trage (…) Der Weinberg des Herrn der Heerscharen ist das Haus Israel, und die Männer aus Juda sind, was er aus Leidenschaft gepflanzt hat.“
Während im Johannesevangelium das Bild vom Weinstock als Volk Israel aufgegriffen und umgeschrieben wird, wenn Jesus in der Geschichte „Der wahre Weinstock“ (15,1-17) sagt: „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weinbauer“, greifen die synoptischen Evangelien das jüdische Verständnis von Wein als dem Symbol für den alt(testamentarisch)en Bund zwischen Israeliten und Jahwe in der Szene des Letzten Abendmahls auf, das zwar als Pessachmahl geschildert wird, wo aber die Bedeutung des Wein zum Symbol für den Neuen Bund umgeschrieben wird.

Auch wenn die drei Weinstöcke auf dem Etikett den Gekreuzigten in Golgata ähneln, bietet die gleichnamige Domaine am Ostertag eine gänzlich säkulare Alternative zum Blut Christi.
Das 14 Hektar große Weingut aus Epfig im Elsass wird seit 1998 biodynamisch betrieben, zunächst von André Ostertag, heute von seinem Sohn Arthur. Angebaut werden überwiegend weiße Rebsorten, allen voran Riesling (auf fast der Hälfte der Anbaufläche). Insgesamt werden 16 verschiedene Weine hergestellt, die in die Kategorien „Vins de Fruits“ (junge Gutsweine, bei denen die Frucht im Vordergrund steht), „Vins de Pierre“ (Lagenweine „vom Stein“, die das Terroir ausdrücken sollen) und „Vins de Temps“ (überreife und edelfaule Weine, die Zeit brauchen) unterteilt sind.
Der 2018 Riesling „les jardins“ („die Gärten“) ist ein „Vin de Fruit“, den, wie alle Weine dieser Kategorie, ein grünes Etikett mit „tanzenden Weinstöcken“ ziert. Nach der Handlese werden die Trauben unentrappt gepresst und anschließend 11 Monate im Edelstahltank ausgebaut, um die Fruchtaromen des Rieslings zu erhalten. Entstanden ist ein eher kräftiger, aber dennoch frischer Wein mit Kräuteraromen, zurückhaltenden Zitrusnoten, einer leichten Bitternote (Grapefruit und Orangezeste), Aromen von Lindenblütenhonig und überreifem Pfirsich sowie gelben Früchten. Eher körperreich und breit im Mund, der Geschmack ist langanhaltend. Macht mehr Spass als es der christliche Karfreitag erlaubt und ist auch nicht unbedingt zwingend zu Lamm zu empfehlen …
Die Christen, die zunächst nichts anderes als eine jüdische Gruppe waren, feierten ursprünglich zweifelsohne auch Pessach. Dann jedoch gaben sie ihm vom Kreuzestod Jesu und der Messiaserwartung eine neue Deutung und schrieben es in einem christlichen Sinn um: Aus dem jüdischen Pessach wird das christliche Ostern. Neben der Umschreibung des Messiasbegriffs und der Neuinterpretation der Weinsymbolik wird das insbesondere auch in der Analogie deutlich, die im Johannesevangelium zwischen dem alttestamentarischen Opferlamm und Jesus als Lamm Gottes hergestellt wird.
Durch diese Analogisierung wird die Kreuzigung zur Opferung – zur rituellen, heiligen Handlung schlechthin –, und die Passionsgeschichte zur Geschichte einer heiligen Opferhandlung nach antikem Vorbild. Damit jedoch wird die Passion auch in eine Verbindung zum Theater gebracht: Auch das Theater hat sich in der Antike aus der Organisation kultischer Opferriten entwickelt. Die Tragödie (tragodia) weist ihrem begrifflichen Ursprung nach auf zeitlich weit zurückliegende, blutige Opferrituale hin und bedeutet einer Erklärung zufolge nichts anderes als: „Gesang anläßlich eines Bockopfers“ („Bock“ ist das männliche Schaf, welches „Lamm“ heißt, wenn es nicht älter als ein Jahr ist).

Aufgrund seines Stellenwertes in der Liturgie ergibt sich bald auch Bedeutung für das „Lamm Gottes/Agnus Dei“ in der bildenden Kunst, wie hier in Jan van Eycks „Die Verehrung des Lammes“ (einem Detail aus dem Genter Altarbild aus dem Jahr 1432). Spätestens ab dem 6. Jahrhundert ist es zentrales Christussymbol in der Malerei. Ikonographisch dominiert, wie zunächst die Jesusdarstellung auf dem Kruzifix, das triumphierende Lamm im Sinne eines siegenden Christus. Gerne wird das Lamm dazu auch mit einer Fahne als Symbol für die Auferstehung dargestellt.
Der Kreuzestod Jesu nötigt die Christen für ihr umgedeutetes „Pessach“ zu einer neuen Liturgie, bei der das Agnus Dei zum festen Bestandteil der religiösen Inszenierung wird: die Messe wird zu Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus mit Benedictus und nun noch Agnus Dei . Bereits im sogenannten römischen Messritus (wann genau das erfolgte ist unklar, fest steht aber, dass um das Jahr 200 Griechisch als Liturgiesprache durch Latein ersetzt wurde), weiß Reinhard Meßner, ist es Teil der Kommunion („Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis“ / „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt: erbarme dich unser“) und ab dem 8. Jahrhundert, als die Verwendung der römischen Liturgie von Karl dem Großen verbindlich festgeschrieben wurde, wird die Vorbereitung der Kommunion als „Schlachtung des Lamms“ bezeichnet, symbolisch dargestellt durch die Brechung des Brotes. (Auch in der protestantischen Liturgie kommt das Agnus Dei vor, und zwar in der deutschen Übersetzung als „Christe, du Lamm Gottes“ und mit einer Luther-Melodie.) Einbezogen werden dabei nicht nur Vorstellungen aus dem Johannesevangelium, sondern ebenso alttestamentarische aus der jüdischen Tradition.
Dabei wurden zwei ursprünglich konkurrierende Vorstellungen innerhalb des Urchristentums vereint beziehungsweise zusammengefasst: Zum einen beging man Pessach als Gedenken an die Passion Jesu, also an die Leidensgeschichte (das fand immer am 14. Nissan statt, dem Johannesevangelium entsprechend), andererseits gab es eine Tradition, bei der die Auferstehung am Sonntag danach im Zentrum stand. Während Pessach also einerseits als Passion verstanden wird, wird es in der anderen traditionellen Vorstellung als ein mit der Auferstehung verbundener Übergang (transitus) in die Theologie eingeführt. Das Subjekt dieses Übergangs ist nicht zuerst „Christus“, wie in der Tradition von Pessach als Passion, „sondern der Mensch, der vom Tod zur Auferstehung übergeht, vom fleischlichen zum geistigen Leben …“, wie Reinhard Meßner bemerkt.
Beide traditionellen Vorstellungen wurden nun im 4. Jahrhundert durch Augustinus (354-430) vereint, wobei der Sonntag auf dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 als Termin für „Ostern“ – das neue, christlich umgeschriebene Pessach – im christlichen Jahresfestkreis festgelegt wird. Augustinus definiert Pessach als transitus per passionem: „Durch sein Leiden ging nämlich der Herr vom Tod zum Leben hinüber, und er bereitete uns, den Gläubigen, einen Weg in seine Auferstehung, damit auch wir vom Tod zum Leben hinübergehen.“
So wird das neue Pessach mit Augustinus, wenn auch nicht ausschließlich, ein Fest der Auferstehung Jesu. Denn gedacht werden soll beidem: der Passion und dem Übergang. Deshalb dehnte Augustinus die Feierlichkeiten des neuen Pessach, des christlichen Ostern, auf drei Tage aus – das sogenannte „Ostertriduum“ von Karfreitag bis Ostersonntag: Einer Trauerphase, die aus mindestens einem Fastentag besteht (dem Karfreitag, in Erinnerung an die Passion), folgt eine solche der Freude (der Ostersonntag, im Zeichen der Auferstehung), wobei der Übergang in der christlich-katholischen Kirche gemeinsam liturgisch als Nachtwache (Vigil) begangen wird, wo das Osterfasten gebrochen und der Passionsbericht gelesen wird. Meßner schreibt in diesem Zusammenhang: „Die Vigil als Wartezeit war ganz realistisch auf die Wiederkunft Christi in dieser Nacht ausgerichtet. Man fastet (liest, legt aus, betet) mindestens bis Mitternacht, im allgemeinen … bis zum frühen Morgen (zum Hahnenschrei, ca. 3 Uhr).“
Die Nachtwache ergibt sich im Christentum aus der Entdeckung des leeren Grabes Jesu „früh am Morgen, als eben die Sonne aufging“, wie es im Markusevangelium (16,2) heißt. Deshalb sollte man bis zur Morgenröte wachen. (Dies knüpft auch an die Exodustradition der Israeliten an, wo Gott in der Nacht des „Vorübergehens“, dem hebräischen Pessach, wachte.) Im Christentum hat sich daraus die Morgenröte als Symbol der Auferstehung entwickelt – und wahrscheinlich auch der deutsche Begriff „Ostern“: Das neuhochdeutsche Ostern geht etymologisch auf das altgermanische Aus(t)ro zurück, das Morgenröte bedeutet und sich im Althochdeutschen zu ost(a)ra, Plural ostarun entwickelte (der Wortstamm ist mit Eos verwandt, dem altgriechischen Namen der Göttin der Morgenröte, und auch mit dem lateinischen aurora, Morgenröte). Ēostra ist jedenfalls erstmals im Jahr 738 belegt.
Ostern ist also nicht in erster Linie eine Erinnerungsfeier, sondern „das an Christus Geschehene wird in der kultischen Feier die Lebenswirklichkeit der Hörer. Die liturgische Feier von Ostern ist die Gegenwartsgestalt des gekreuzigten, auferweckten und zum Vater erhöhten Christus“, wie Meßner bemerkt. Die gottesdienstliche Feier findet dabei an den „drei österlichen Tage(n) vom Leiden, vom Tod und von der Auferstehung des Herrn“, wie der offizielle Titel des Triduum sacrum heißt, statt. Sie beginnen am Vorabend des Karfreitags, dem Gründonnerstag, mit der „Messe vom Letzten Abendmahl“ (wo auch die Verbindung mit dem alttestamentlichen Pessach und dem Exodus der Israeliten aus Ägypten hergestellt wird). Ihr folgt am Karfreitag die „Feier vom Leiden und Sterben Christi“ mit der (bisweilen gesungenen) Lesung der Johannespassion und dem „Lied vom Weinberg“ (Jes 5,1-7) im Zuge der sogenannten „Verehrung des Kreuzes“. In der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag findet die Vigil mit der Eucharistie statt. Der Ostersonntag schließlich ist der Festtag der Auferstehung Jesu Christi.
Passions- und Osterspiele
Ähnlich wie den Jüngern, die nicht verstehen, dass Jesus am Ostersonntag auferstehen muss, wie es in der Schrift steht, wird es die nächsten Jahrhunderte vermutlich noch der überwiegenden Mehrheit der Gottesdienstbesucher gegangen sein: Eh schon des Lesens unkundig, werden auch noch die Messen bis in die Lutherzeit hinein in unverständlicher Sprache, in Latein, gehalten. Damit die Kirchenbesucher dem Inhalt der Messe dennoch folgen können, werden bei besonderen Anlässen im Laufe der Zeit begleitende dramatische Darstellungen dargeboten. So waren auch die Gottesdienste in der Osterzeit im Laufe der Jahrhunderte Veränderungen unterworfen.
Heute noch manchmal praktiziert wird beispielsweise eine Auferstehungsfeier (elevatio crucis), in der der ursprünglich von Jerusalem-Pilgern mitgebrachte Brauch, an Karfreitag ein Kreuz in ein „Heiliges Grab“ zu legen, abgewandelt mit einer Hostie, vollzogen wird, die dann in der Osternacht wieder aus dem Grab „erhoben“ wird. Dieses Schauspiel wird mancherorts verbunden „mit der dramatischen Darstellung des Sieges des auferstandenen Christus über den Teufel und den Tod im Medium des Dialogs des Ps 23 (24)“, wie Meßner weiß.
Im Mittelalter kamen weitere szenische Aufführungen hinzu: War es zunächst nur die dramatische Darstellung der Auffindung des leeren Grabes durch die Frauen, wurde die Osterfeier „bald durch weitere Szenen erweitert (Apostellauf, Erscheinung von Maria von Magdala usw.); dadurch entstanden eigenständige, von der Liturgie verselbständigte Osterspiele, nach deren Vorbild auch andere Mysterienspiele (Passions-, Weihnachts-, Fronleichnamsspiele u.a.) gestaltet wurden. Diese Spiele, deren ältestes und wichtigstes das Osterspiel ist, sind die bedeutendste Wurzel des europäischen Musiktheaters“, schreibt Meßner außerdem.
Osterspiele
Osterspiele sind die älteste Gruppe der Geistlichen Spiele. Geistliche Spiele sind die dominierende Gattung des mittelalterlichen Theaters vom 13. bis zum 17. Jahrhundert und stellen einen eigenständigen Typus dar, der weder Verbindungen zum antiken Theater noch zum neuzeitlichen Drama besitzt. Inhaltlich sind sie bisweilen eng mit dem christlichen Heilsdogma verbunden (Auferstehung Christi und Verkündigung des Evangeliums vom Anbruch des Heils in der Welt) und dienten strikt der Veranschaulichung des Dogmas, das heißt die Aufführungspraxis ist wesentlich von kirchlichen Vorstellungen geprägt.
Ihren Ursprung haben die geistlichen Spiele als Erweiterungen der in der Osterliturgie verwendeten Texte (Tropen), wie zum Beispiel der von Klerikern zeremoniell dargestellte Besuch der drei Marien am Grab des gekreuzigten Christus (visitatio sepulcri). Szenen wie diese um die Grablegung und Auferstehung Jesu werden ab dem 12. Jahrhundert zum festen Bestandteil der Osterspiele.
Die Aufführungen jedoch bleiben zunächst noch illustrativ in den liturgischen Handlungsablauf eingebunden und besitzen keinen selbstständigen Charakter. Wenn später jedoch theatrale Elemente wie schauspielerische Verkörperungen biblischer Figuren, Rollendarstellung und Dialog hinzukommen, wird die durch die Liturgie beziehungsweise den Messritus vorgegebene Grenze zum Theater überwunden. Osterspiele stehen insofern in keinem Zusammenhang mehr zum Ostergottesdienst und die Aufführungen fanden außerdem auch nicht mehr in der Kirche, sondern im öffentlichen Raum, auf Plätzen, statt.
Zurückgegriffen wurde aber dennoch auf biblische Episoden, die jedoch keine Verwendung in der kirchlichen Liturgie fanden – Szenen um Pilatus, Herodes, Luzifer und die ihm dienenden Teufel, oder Christi Abstieg in die Hölle (descensus), schließlich ist Jesus erst am dritten Tag „von den Toten“ auferstanden, insbesondere aber auch komische Szenen wie beispielsweise der Wettlauf der beiden Jünger zum leeren Grab, das Maria entdeckt hat.
Passionsspiele
In dem Maße, wie sich die Aufführungen gegenüber dem kirchlichen Kalender verselbständigen und zu öffentlichen Ereignissen werden, werden sie auch umfangreicher und es entwickeln sich Darstellungen der gesamten Leidens- und Heilsgeschichte. Die Konzentration auf die Passionsgeschichte und den Kreuzestod Jesu hat im deutschsprachigen Raum ab dem 15. Jahrhundert zu einer eigenen Gattung geführt: den Passionsspielen.
Die Oberammergauer Passionsspiele sind heutzutage sicherlich das weltweit bekannteste dieser Art. (Sie wurden 2014 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen.) Die Dorfbewohner des bayerischen Oberammergau stellen hier in einer mehrere Stunden dauernden Aufführung die letzten fünf Tage im Leben von Jesus nach. Erstmals aufgeführt wurde ein Passionsspiel in Oberammergau im Jahr 1634 um ein Versprechen nach überstandener Pest einzulösen. Von 1680 an galt ein zehnjährlicher Aufführungsrhythmus, in der Regel im letzten Jahr eines Jahrzehnts, die für das Jahr 2020 vorgesehene Aufführung jedoch wurde aus bekannten Gründen auf 2022 verschoben.
All das steht in Zusammenhang mit einer Frömmigkeit, die bereits im 12. Jahrhundert ihren Anfang nahm und das Glaubensbewusstsein katholischer Christen bis heute beeinflusst. Neben Franz von Assisi ist hier insbesondere auch Bernhard von Clairvaux zu nennen, mit dem eine Konzentration auf den Mensch Jesus und sein Leiden erfolgt. Dieses Leiden soll durch Fasten und Meditation affektiv vergegenwärtigt werden, „(d)urch affektives Sich-Hineinversetzen in das Leben Jesu, vor allem seine Passion“. Dabei werden zum einen die Geburt Jesu (verbunden mit einer Verehrung von Maria) sowie eben die Passion Christi, der leidende Jesus, zentral. Die Auferstehung verliert ihr gegenüber merklich an Bedeutung.
Die Meditation soll zur affektiven Begegnung mit dem leidenden Jesus führen, zu Mitleid (compassio), was dann von Ignatius von Loyola in seinen „Exerzitien“ (1548) aufgegriffen wird. Reinhard Meßner bemerkt in diesem Zusammenhang: „Hatte die altkirchliche und frühmittelalterlich-monastische Meditation [eines Bernhard von Clairvaux] in nichts anderem bestanden als in der ständigen Verkostung des Wortes der Schrift selbst, so tritt sie jetzt als eigener Akt zur Schriftlesung hinzu. Die Lesekundigen meditieren das Leben Jesu …“
Zur selben Zeit ändert sich auch die Darstellung des gekreuzigten Jesus: Ist auf dem frühmittelalterlichen Kruzifix noch ein siegreicher, triumphierender und gekrönter Jesus mit offenen Augen zu sehen, so dominiert beim gotischen Kruzifix von nun an der leidende Jesus mit geschlossenen Augen und sich krümmendem Körper. Und auch durch Dramatisierung – wie zum Beispiel in der Auferstehungsfeier – soll Mitleid (compassio) erregt werden, ohne es nachzuahmen.
Das gilt auch für die Pilger in Jerusalem: Auch hier, so Meßner, sei der liturgische Ablauf während der Karwoche (von Palm- bis Ostersonntag) nicht so zu begreifen, „als ob man das irdische Leben und die Passion dramatisch nachspielen wollte. Die Jerusalemer Pilger- und Stationsliturgie ist vielmehr eine gerade diesem Ort angepaßte Weise der Christusanamnese: der liturgischen Vergegenwärtigung des Christusmysteriums, deren wichtigstes liturgisches Medium ausgedehnte Schriftlesungen, nicht dramatische Inszenierungen der Stationen des Lebens Jesu sind.“