Weinglossar

China

China gilt als der Zukunftsmarkt für Wein. Etwas über sieben Prozent des weltweiten Weinkonsums findet bereits auf chinesischem Boden statt – und er steigt weiter um etwa 15 Prozent jährlich. Trotzdem beträgt der Verbrauch, unter Berücksichtigung der Bevölkerungsdichte, pro Kopf lediglich etwa zwei Flaschen pro Jahr. Hier steckt also ein enormes Potential – und insbesondere den Bordelaiser Produzenten ist es gelungen, hier Umsatz zu machen.

Inzwischen aber investieren Chinesen nicht mehr nur in teure Weine (auch aus dem Burgund), sondern direkt in ausländische Weingüter, zumeist mit wirtschaftlichem Interesse. Und sie beginnen auch, Wein im eigenen Land zu produzieren: angeblich stehen etwa 830.000 Hektar in China unter Reben – das „Land der Mitte“ wäre bereits an zweiter Stelle der Wein produzierenden Länder weltweit.

Weinreben sind im äußersten Westen Chinas spätestens seit dem 2. Jahrhundert bekannt. Zu dieser Zeit wurde daraus vermutlich bereits Wein hergestellt. Im Osten Chinas wurden europäische Rebsorten Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt. Doch erst im späten 20. Jahrhundert trat Traubenwein in Chinas (städtischer) Gesellschaft in Erscheinung. Chinas Liebe zu Rebweinen („putao-jiu“ im Gegensatz zu „jiu“, was alkoholische Getränke im Allgemeinen bezeichnet) wurde unter anderem zur Senkung der Getreideimporte gefördert, sodaß sich die Gesamtrebfläche des Landes, inklusive der Flaschen für Tafeltrauben und Rosinen, eben auf 830.000 Hektar vervielfachte seit dem Jahr 2000.

Angeblich werden 11,4 Millionen Hektoliter Wein produziert, das sind 1,51 Millionen Tonnen Trauben, die zu Wein verarbeitet werden – wenngleich diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind, da unabhängige Zahlen kaum erhältlich sind. Außerdem wird auch in China – wie bisweilen in Asien üblich – immer noch importierter Traubenmost beziehungsweise Traubenmostkonzentrat mit einheimischem Wein vermischt: Von Gesetz wegen muss Wein in China nur 70 Prozent vergorenen Traubenmost enthalten – doch bleiben solche fragwürdigen Mischerzeugnisse dem Inlandsmarkt vorbehalten. Denn die chinesischen Produzenten haben durchaus den Anspruch, eigenen Premiumwein zu machen. Durchweg werden bestens ausgebildete chinesische Önologen beschäftigt, die in Europa studiert haben.

Um auch mit ihren Weinen an die Weltspitze zu kommen scheuen sie keinen Aufwand – und selbst Spitzenönologen wie Gerard Colin, der vorher in Bordeaux bei „Château Lafite-Rothschild“ tätig war, arbeiten inzwischen dort: China bringt die bestehenden Verhältnisse in der Weinwelt jetzt schon gehörig durcheinander.

Dabei war es noch Anfang des Jahrhunderts schwer, einen chinesischen Qualitätswein zu finden. Oft genügten (passable) Bordeaux-Kopien, oft unausgereift und eichenlastig. 2010 tauchten erstmals sorgfältig bereitete und wirklich in China gewachsene Weine auf. Sie gehen noch weitgehend auf Initiative von ausländischen Weinberatern (oder Investoren) zurück. Aber die Welt war verblüfft, als der „Jiabeilan 2009“ bei den „Decanter World Wine Awards“ 2011 einen internationalen Titel holte. (Sein Etikettt trägt die Fußabdrücke der Tochter des Kellermeisters.)

Dank seiner riesigen Ausdehnung bietet China eine immense Vielfalt an Böden und verschiedenste Breitengrade. Problematisch für den Rebbau ist dabei vor allem das Klima: Während die meisten Küstenregionen, insbesondere im Süden und in der Mitte Chinas, zu Unzeiten für den Weinbau vom Monsun heimgesucht werden, drohen im Landesinneren Fröste. Hier leidet man unter kontinentalen Extremen, sodaß die Reben jeden Herbst zum Schutz vor den Winterfrösten eingegraben werden müssen – zum Beispiel in der Provinz Ningxia. Das führt sicher zu einer Erhöhung der Produktionskosten. Derzeit jedoch lohnt sich der Aufwand gerade so, vielleicht führt die anhaltende Landflucht in China aber auch zu einer steigenden Mechanisierung des arbeitsintensiven Weinbaus.

China_Weinanbaugebiete

Derzeit gibt es 18 Weinanbaugebiete in China – und auf den ersten Blick scheint die Halbinsel Shangdong im Osten Chinas ideal für den Anbau von Vitis-vinifera-Sorten zu sein. In ihrem maritimen Klima benötigen Reben keinen Frostschutz, und es gibt gut dränierte Südhänge. Hier siedelten sich auch die ersten modernen Weingüter und Kellereien an. Heute haben etwa ein Viertel der inzwischen mehreren Hundert Weingüter Chinas ihren Hauptsitz auf der Halbinsel, deren Hauptproblem Pilzerkrankungen im Spätsommer und Herbst sind. Wichtigster Erzeuger hier ist „Changyu“ (mit Lenz Moser) und, gemeinsam mit der Familie Castel aus Bordeaux, „Changyu-Castel“. Ebenfalls in der Provinz tätig ist „Château Lafite-Rothschild„, das seit 2009 mit dem chinesischen Riesen „CITIC“ zusammenarbeitet.

Die Stadt Yantai in der Provinz Shandong gilt auch als Chinas „Hauptstadt des Weins“ mit einer eigenen Hochschule für Önologie. Hier wird Wein wieder als Heilmittel begriffen, das hat eine lange Geschichte und Tradition (und erlebt gerade wieder eine Renaissance): Weinbau wurde in China schon vor über 9.000 Jahren betrieben und vor etwa 2.000 Jahren brachte ein Gesandter des Hofes über die Seidenstraße verschiedene Rebsorten aus Zentralasien mit.

Weiter landweinwärts hat die Provinz Hebei den Vorteil, noch näher an Peking zu liegen. Ihr Potential scheint noch nicht ausgelotet, doch aufstrebende Winzer wandern beständig weiter nach Westen.

„Grace Vineyards“ wurde 1997 in der Provinz Shanxi gegründet und brachte bis 2004 bereits einige der besten Weine Chinas hervor. Probepflanzungen scheiterten zunächst am Arbeitskräftemangel, der Wärme sowie den wenig durchlässigen Böden. Diese Probleme wurden offenbar gelöst.

Inzwischen erkundet man aber auch die Provinzen Ningxia und Gansu weiter im Westen. Ningxias Provinzregierung will neu erschlossenes Land auf den kieshaltigen Ostufern des Gelben Flusses in 1.000 bis 2.000 Meter Höhe zur wichtigsten Weinregion machen. Etwa 200 Produzenten haben sich inzwischen auf den kargen, aber mineralhaltigen Böden niedergelassen. Die Region ist sehr steinig und ein ehemaliges Bett des Gelben Flusses, das in eine Schwemmebene verwandelt wurde. Die Vegetationszeit ist von April bis November. Noch ist unklar, wie sich der Weinbau hier entwickelt – die Vorraussetzungen jedenfalls sind gut.

In der Provinz Xinjiang im äußersten Nord-Westen, wo ein Großteil der Bevölkerung muslimisch ist, nutzten Bewässerungssysteme das Schmelzwasser aus den höchsten Bergen der Welt, doch die Anbausaison ist kurz – oft reifen die Beeren nicht aus (viele werden zu Tafeltrauben oder Rosinen). Zudem liegen die Weinberge tausende Kilometer von den Märkten entfernt.

Die Provinz Yunnan liegt im Süd-Westen Chinas, nahe Tibet, und ist vom Himalayagebirge beeinflusst. Der Himalaya zieht sich in einem über 3.000 Kilometer langen Bogen von Pakistan im Westen bis Myanmar im Osten. Der Himalaya trennt den indischen Subkontinent von Zentralasien. In geologischen Zeiträumen bemessen ist er noch jung: seine Entstehung beginnt vor etwa 40 bis 50 Millionen Jahren, als die indische Kontinentalplatte von Süden her mit der eurasischen zusammenstößt und sich unter diese schiebt. Ein Prozess, der immer noch andauert: bis heute wächst das Himalayagebirge um etwa ein Zentimeter pro Jahr – alle 8.000er unseres Planeten befinden sich hier und natürlich der Mount Everest, der höchste Berg der Welt mit einer Höhe von 8.848 Meter.

Aus den Gletschern des Himalayagebirges speisen sich die großen Flüsse Asiens wie etwa Indus, Brahmaputra oder Ganges im Süden – aber auch der Mekong hier im Norden. Der Mekong ist die Lebensader von gleich sechs Ländern Südostasiens. Seine genaue Länge ist umstritten, je nachdem, welche Quelle im tibetischen Hochland man mitzählt. So schwanken seine Angaben von 4.200 bis 4.900 Kilometern Länge, praktisch überall an seinen Ufern findet aber eine intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung statt, in der Provinz Yunnan auch Weinbau.

Neben Monsunregen und Schnee, Eis und Wind bearbeiten auch die zahlreichen Flüsse die Berge des Himalayagebirges unablässig und graben tiefe Täler zwischen den Felsen. In Yunnan gibt es gleich drei große Flüsse, darunter den Mekong, die fruchtbare Täler für den Weinbau durch das Gebirge gegraben haben. Und Weinbau wird hier schon seit 150 Jahren betrieben, seit katholische Missionare aus Frankreich ihn hierher brachten (Cizhong gilt als Zentrum des katholisches Glaubens in China, 80 Prozent der Bevölkerung sind hier katholisch). Oberhalb von 5.000 Metern endet die Vegetationszone ohnehin, tatsächlich aber produziert die privat geführte „Shangri-La Winery“ mit chinesischer und australischer Fachkompetenz bis auf 3.000 Meter im Hochland von Deqen erstklassigen Cabernet Sauvignon – in der Tat ein Vorstoß in neue Gefilde.

So entlegen wie es ist, bietet Yunnan dank seiner Breitengrade wesentlich mildere Winter als anderswo im Landesinneren. Und auch die Flüsse wirken ausgleichend auf die hohen Temperaturunterschiede zwischen Tag- und Nacht, die in diesen Höhen möglich sind und auf die die Reben empfindlich reagieren. (Da es in der Region sehr feucht ist, werden die Trauben zum Schutz in Folie eingepackt.)

In den meisten chinesischen Weinen kommen mittlerweile auch einheimische Rebsorten zum Einsatz. Am bekanntesten ist das Drachenauge, die Traube aus der der „Great Wall“ bereitet wird, die Marke, die jährlich 13 Millionen Flaschen absetzt, und damit Marktführer bei einheimischen Weinen im westlichen Stil ist. Beichun, eine Hybride der in Nord-China beheimateten Rebenart Vitis amurensis ist gut an das raue Klima im Grenzgebiet angepasst. Die beeindruckensten Ergebnisse aber zeitigen Weine aus den eingeführten Sorten Chardonnay, Riesling, Pinot Noir, Meunier, Cabernet Sauvignon und Gamay.

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