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Sizilien

Mit rund 130.000 Hektar Rebfläche ist Sizilien die größte Weinbauregion Italiens. Allerdings wird nur ein winziger Teil der Produktion unter dem DOC-Siegel in Flaschen abgefüllt: Nur drei Prozent der Fläche ist klassifiziert, nur ein Viertel wird abgefüllt, der Rest ist Fasswein – billiger Tafelwein, der dem Export beziehungsweise dem Verschnitt gilt.

Sizilien_Weinanbaugebiete

Weinmarkt

Bis in die Mitte der 1990er Jahre war die riesige Insel eigentlich nur für den alkoholverstärkten Marsala bekannt, lediglich ein Dutzend Betriebe exportierten ihre Weine. Das änderte sich mit der zunehmenden Konkurrenz aus der Neuen Welt: Sizilien mit seinem für den Wein optimalen, heißen und trockenen Klima wurde als Antwort auf die kräftigen Rotweine aus Übersee in den Blick genommen und man begann ein EU-gefördertes regionales Enwicklungsprogramm umzusetzen. Allerorts wurde in modernste Technologie investiert und es flossen Milliarden-Subventionen zur Vermarktung. Sizilien wurde zu einer der größten Anbauregionen Europas.

Dabei wurden achtzig Prozent der Produktion von nur fünfzig Genossenschaften geleistet. Und immer noch sind etwa drei Viertel der erzeugten Weine aus weißen Rebsorten – absurd genug, wenn man bedenkt, daß die Südostspitze südlicher liegt als Tunis: Sizilien ist heiß, und heiße Winde aus Afrika kommen noch dazu. Mehr als die Hälfte aller Weinberge muß künstlich bewässert werden.

Konkurrierte Sizilien lange um den Rang der produktivsten Weinregion Italiens, so hat heute Venetien einen größeren Ausstoß. Entschieden stellt man sich inzwischen zunehmend auf eine zeitgemäße Ökonomie ein: Qualität statt Quantität, autochthone Rebsorten, statt internationale. Dennoch werden noch immer nur rund 7.600 Hektar, nur drei Prozent, als DOC-Wein verkauft, beispielsweise als DOC Sicilia, die die gesamte Insel umfaßt. Ingesamt gibt es zwar 24 DOCs und sogar eine DOCG: Cerasuola di Vittoria – gleichwohl dominieren nach wie vor Massenweine, die als IGT Terre di Sicilia etikettiert und verkauft werden.

Weinbau

Sizilien ist mit etwa 25.000 Quadratkilometer die größte Mittelmeerinsel und überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Weinbau findet hier allerdings fast immer in den küstennahen Regionen statt, im Landesinneren findet man nur selten Landwirtschaft. Hier gibt es weite Landstriche ohne jeden Fluss oder Bach, kaum Bäume. Oft findet man hier nur eine zerstörte und ausgelaugte Landschaft vor. Dabei war Sizilien einmal eine üppig bewaldete, wasserreiche Insel – die Kornkammer des Römischen Reiches. Sie wurde aber insbesondere von den sizilianischen Adeligen heruntergewirtschaftet: Ende des 17. Jahrhunderts zieht die sizilianische Aristokratie in die Stadt, nach Palermo – dem Sitz der spanischen Vizekönig, die in Sizilien seit 1412 regieren – und überläßt ihre Ländereien Verwaltern. Diese mafiösen Gabelotti übernehmen nun die absolutistischen Privilegien (das Recht, alle und alles zu beherrschen) und die Kontrolle des Territoriums – das sie ganz im Sinne der spanischen Vorbilder und ihrem System des feudalistischen Großgrundbesitzes verwalten, mit dem sie weltweit ihre Kolonien und die Menschen die dort lebten wie eine sizilianische Zitrone auspressten und sie dann ihrem Schicksal überließen.

In Europa hielt sich dieses System nur in zwei Regionen bis ins 20. Jahrhundert: im südspanischen Andalusien und in Süditalien. In Sizilien, aber auch in Kalabrien und Kampanien, ist es der Nährboden für die Cosa Nostra, in Kalabrien für die ’Ndrangheta und in Kampanien (Neapel) für die Camorra – während sich die Landschaft und die Landwirtschaft auf dem ausgelaugten Boden im Landesinneren Siziliens von der Ausbeutung nicht mehr wirklich erholte. Die Menschen flüchten vom Land in die Städte an der Küste, an die sich von nun an auch zunehmend die Landwirtschaft und der Weinbau verlagerte.

Die wichtigste unter den 24 kleinen, qualitätsbedachten DOCs ist vielleicht die DOC Etna, unter der sich 15 bis 20 Weingüter versammelt haben. Der Ätna ist mit seinen 3.300 Metern der größte aktive Vulkan Europas – und dominiert auch die Landschaft hier im Osten Siziliens, hat er doch die dreifache Höhe der ihn umgebenden Gebirgszüge. In Süditalien liegt eine große geologische Störungungszone, wo die europäische- und die afrikanische Kontinentalplatte aufeinander treffen – und genau an der Grenze dieser Platten liegt der Ätna mit seinen vier Gipfelkratern und über 350 Nebenkratern an seinen Flanken, die jederzeit ausbrechen könnten.

Weine stammen hier von alten, ertragsarmen Reben, die in großer Höhe gedeihen, bis zu 900 Meter. Hanglagen gibt es auf Sizilien eigentlich nur am Ätna, sonst findet der Weinbau – anders als in Sardinien – überwiegend in der Ebene statt. Ein Grund für die Qualität der Weine vom Ätna liegt insbesondere auch daran, dass die Hanglagen keine Drahtrahmen-Erziehung erlauben: nach wie vor ist die gebräuchliche Form der Reberziehung am Ätna die von den Griechen eingeführte Form des Alberello, das heißt die Erziehung der Rebstöcke in Form kleiner Büsche, die Handarbeit verlangen.

Besonders im Südosten des Ätna sind die Weinparzellen extrem steil mit karger Lavaerde. Trockenmauern und Terressanweinbau (sogenannte „Custeri“) schützen das kostbare Erdreich, damit es nicht ausgewaschen oder abgetragen wird. Alberello-Erziehung und Pfähle aus Kastanienholz sorgen für Halt.

Die Region um den 3.350 Meter hohen Ätna ist mit 1.200 Quadratkilometer riesig. Verglichen dazu nimmt der Weinbau nur eine winzige Stellung ein – und steckt fast noch in den Anfängen, denn gängige europäische Reben tun sich schwer im Mikroklima des Vulkans mit seiner Mischung aus Höhenlagen, Sonne und dicht gesetzten hundertjährigen Reben, die auf erstarrtem Magma gedeihen müssen. Selbst Nero d`Avola reift hier in 900 Meter Höhe nicht aus.

Trotz des fruchtbaren Bodens, der eine schwarz-graue Farbe hat, kommen viele Rebsorten mit den extremen Temperaturgefälle an den Hängen zwischen Tag und Nacht schlecht zurecht. Gelesen werden kann in der Regel erst im Oktober, so kühl ist es. Deshalb setzt man hier verstärkt auf autochthone Rebsorten – und auch der burgundische Terroir-Gedanke rückt zunehmend ins Bewußtsein der Winzer, allen voran Alessio Planeta. Sein Cousin Diego Planeta hat das Potential der heimischen Rebsorten schon früh erkannt und Pionierarbeit geleistet.

Seit 1973 ist Diego Planeta Präsident der „Cantine Settesdi“ in Menfi, eine der größten Kellereigenossenschaften in Europa. In dieser Funktion sorgte er dafür, dass sich die 2.300 Genossen bereits 1985 verstärkt den heimischen Rebsorten widmeten. Darüber hinaus sorgte er dafür, daß die geeigneten Standorte für die Anpflanzung dieser Reben erforscht wurden.

Ebenso wie Diego gehört auch Cousin Alessio zu den treibenden Kräften der innovativen Weinszene Siziliens. Mit rigorosem Qualitätsanspruch und modernster Technik führte er Planeta zu einem der bekanntesten Weingüter Italiens. Inzwischen gehören sechs Weingüter zu Planeta, die auf der ganzen Insel verteilt liegen.

Weinreben

Die beiden Sizilianischen Reben, die am Ätna besonders gut zurecht kommen, sind: Nerello Mascalese und Nerello Cappucio. Beide sind traditionell hier beheimatet und wachsen auch nur hier, haben sich den harten Bedingungen angepasst. Aus ihnen erzeugt man den DOC Etna Rosso, einen aromatischen Wein mit reichlich Säure und Tannin, Aromen roter Sauerkirschen, Cranberrys und Himbeeren, zu denen sich manchmal noch getrocknete Kräuter gesellen. Im Verlauf der Flaschenreifung mildern sich die Tannine und es können sich pilzartige Noten entwickeln. Nerello Mascalese gibt Tannine und würzige Noten, Nerello Cappucio Frucht und Farbe. Beide Rebsorten stehen bisweilen als sogenannter Mischsatz in einer der vielen kleinen Parzellen, deren Erdreich oft durch Trockenmauern aus Lavagestein vor Erosion geschützt werden.

Die Rebsorte aber, die Sziliens Ruf für autochthone Weine begründete ist die Rebsorte Nero d`Avola. Die „Schwarze aus Avola“ ganz im Südosten der Insel ist die typische und am häufigsten angebaute Rotweinrebsorte Siziliens. Nero d`Avola ist eine relativ körperreiche Traube und liefert einen Wein mit mittlerer Säure- und Tanningehalt sowie Aromen von Pflaumen und Schwarzkirschen. Oft werden sie in einem fruchtigen Stil für baldigen Genuss bereitet, ambitionierte Erzeuger streben jedoch eine eher konzentrierte und komplexe Art an.

Nero d`Avola wächst im frischen, durch große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht geprägten Mikroklima der Berge rund um Palermo ebenso, wie in den von der Sonne geküssten und vom Wind erfrischten fruchtbaren Hügel um Menfi und Agrigento im Südwesten – gedeiht jedoch insbesondere in Noto im Südosten Siziliens. Und sie ist neben der Frappato die Hauptrebsorte des einzigen DOCG-Weins der Insel, des Cerasuolo di Vittoria, ebenfalls im Süden der Insel, benannt nach der kirschroten Farbe.

Ermöglicht wurde der Erfolg von Nero d`Avola durch Diego Planeta beziehungsweise der „Cantine Settesoli“ in Menfi, die mit ihrer „Mandrarossa“-Linie in ganz Europa erfolgreich sind. Diese Linie stellt die Oberklasse der Produktion der 1958 gegründeten Genossenschaft dar. Spitzenprodukt aber ist der „Chardonnay Laguna Secca“ (DOC Sicilia) – einen früher von Meer bedeckten Landstreifen.

Viele der angebauten Weißweinsorten wurden früher für die Produktion von Marsala verwendet. Aber Marsala ist passé, inzwischen sind fast nur noch trockene Weißweine gefragt. Allerdings reifen auch die autochthonen Weißweine im heißen Sizilien schnell. Die große Hitze, die für den Marsala noch von Vorteil war, ist für die moderne Weißwein-Erzeugung wenig förderlich. Durch sie werden nämlich die fragilen Fruchtaromen und die Säure am Weinstock zermürbt.

Eine Rebsorte, die die Hitze besser verträgt als die ehemalige Hauptrebsorte des Marsala (Cataratto, der auf mehr als 40.000 Hektar wächst und der einen bald zu trinkenden fruchtigen Wein ergibt) ist eine andere ehemalige Marsala-Rebsorte: der Grillo. Grillo ist grauburgunderartig, mit weniger Frucht, etwas breiterem Mundgefühl. Dennoch wartet er mit Aromen von Zitrus und Steinobst auf und wird gewöhnlich nicht in Eiche ausgebaut. Andere Weißweinsorten sind Fiano, Inzolia und Trebbiano.

Außerdem kommt auch etwas Malvasia vor, zum Beispiel auf den Liparischen Inseln nördlich von Sizilien, wo er mit der Malvasia delle Lipari eine eigene DOC hat. Die insgesamt sieben Liparischen Inseln dürften durch den Stromboli bekannt sein – einem Vulkan, von dem etwa 930 Meter über und etwa 2000 Meter unter Wasser liegen und dessen beide Gipfelkrater sich vor ungefähr 5.000 gebildet haben. Er ist einer von etwa zwanzig noch aktiven Vulkanen in Italien. Seit 1934 stößt er durch mehrere kleinere Krateröffnungen mehrmals pro Stunde Asche aus und ist insofern ständig aktiv (man dieses vielen kleinen Ausbrüche auch „strombolianisch“, weil sie hier erstmals beobachtet wurden). Gefährlich ausgebrochen ist er zuletzt 2019, eine größere Eruption jedoch hatte er 2002, als sich die Lavaströme über sechs Monate die Hänge des Vulkans ins Meer wälzten.

Zu den Liparischen Inseln gehört mit Vulcano noch eine zweite Vulkaninsel, die seit römischer Zeit dem Vulkanismus sogar ihren Namen verleiht. Auch hier herrscht viel poröses Bimsgestein vor, ansonsten sind die für den Weinbau förderlichen Böden trocken und steinig, aber auch reich an Mineralien (Eisen, Zink und Magnesium).

Außerdem werden auch noch einige Weine von Muscat auf Sizilien produziert, beispielsweise der aprikosendurftende Moscato di Noto. Aus der Nähe stammt der aus der Moscato bianco (Muscat Blanc à Petits Grains) erzeugte Moscato di Siracusa. Die bekanntesten stammen aber aus der Muscat d`Alexandrie-Traube, die hier „Zibbibo“ heißt – auch der süße, dunkle Moscato di Pantelleria.

Der Name „Zibibbo“ leitet sich angeblich vom afrikanischen Kap Zibibb ab – das sich jedoch auf keiner Karte finden läßt. Allerdings bedeutet „zabib“ auf Arabisch „kleine Traube“ beziehungsweise „Rosine“ – der Name hat also vermutlich arabische Ursprünge. Und tatsächlich liegt die vom Scirocco windumtoste Vulkaninsel Pantelleria mit ihren fruchtbaren Böden auch gerade einmal sechzig Kilometer von Tunesien entfernt, während es nach Sizilien schon etwa hundert Kilometer sind. Dennoch gehörte das kleine Eiland zu Italien – von hier aus könnte sich die Bezeichnung also verbreitet haben. Aber obwohl sich Zibbibo respektive Muscat d`Alexandrie in ganz Süditalien verbreitet hat, wird – auf ganz Italien bezogen – nur etwa ein Drittel soviel mit dieser Muscat-Varietät angebaut, wie mit dem insbesondere im kühleren Norden dominierenden, insgesamt etwas hochwertigeren Muscat Blanc à Petits Grains.

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