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Umbrien

Das wasserreiche, „grüne“ Umbrien liegt komplett im Landesinneren von Italien und ist entsprechend das einzige Weinanbaugebiet südlich der Po-Ebene, das keinen Küstenzugang besitzt. Klimatisch gesehen ist es vielfältig: Es ähnelt dem der Toskana, ist in den Hochebenen im Norden aber kühler als im Chianti-Gebiet und eher kontinental geprägt. Im Süden, in Montefalco, ist das Klima zwar etwas mediterraner, aber nicht völlig vom Mittelmeer beeinflußt.

Umbrien_Weinanbaugebiete

Weinbau wird in Umbrien auf 12.000 Hektar betrieben. Es gibt 15 DOCs und zwei DOCGs. Die wertvollsten Beiträge kommen dabei von der weißen Grecchetto, die körperreiche, nussig-intensive Weißweine liefert, und der dickschaligen roten Sagrantino. In Mode kam auch Trebbiano, der beim bekanntesten Weißwein Umbriens als Verschnittpartner genutzt wird, dem DOC Orvieto: Er wird ursprünglich um das auf einem Vulkansteinfelsen (Tuffstein) thronende Städtchen Orvieto produziert (dem heutigen Orvieto-Classico-Gebiet) und ist eine Cuvée aus dem neutraleren Trebbiano mit besserem Grecchetto, der einen mineralisch nussigen Wein ergeben kann, der sich sogar für den Holzfassausbau eignet.

Orvietos haben einen schlanken Körper, einen mittleren bis hohen Säuregehalt und Aromen von Grapefruit und Pfirsich. Bei den besseren dominiert der Grecchetto-Anteil. Er wird bisweilen unter Sauerstoffausschluß vinifiziert und kalt vergoren.

Angesehener als der weiße Orvieto ist allerdings der rote DOCG Montefalco Sagrantino, der von vierzig Weingütern auf etwa 750 Hektar erzeugt wird. Er wird von der dickschaligen Sagrantino-Traube bereitet, die in der Hochebene um Montefalco wächst. Einst bekannt als „Cors Coronae“ wurde das Dorf Mitte des 13. Jahrhunderts vom Stauferkaiser Friedrich II. (1194-1250) umgetauft, der dort während seines Aufenthalts eine hohe Zahl von Falken bemerkte.

Unweit von Montefalco, im Dom San Rufino in Assisi, wurde Friedrich II. getauft – ein paar Jahre, nachdem dort der später als Franz von Assisi bekannt gewordene Heilige getauft wurde. Franz kam 1181 oder 1182 zur Welt und wurde hier als Giovanni getauft, Francesco war nur der Kosename, mit dem ihn später aber auch, der Legende nach, Christus vom Kreuz herab anreden sollte. Assisi unterstand zu dieser Zeit mal dem Papst, mal dem deutschen Kaiser, dessen Statthalter 1198 aus der Burg über der Stadt vertrieben wurde. Lebhafte Zeiten waren das also – Zeiten sozialen Umbruchs. Und wären sie nicht schon lebhaft genug, führten die freien Städte untereinander auch noch Krieg. Assisi zog 1202 zu Feld gegen Perugia. Das liegt gerade einmal 30 Kilometer entfernt. Franziskus geriet dabei in Gefangenschaft und saß ein Jahr lang fest in der Nachbarstadt, was er aber frohen Mutes ertragen haben soll. Danach zog es ihn in die Welt hinaus: er wollte Ritter werden, obwohl er nicht adlig war, sondern nur der Sohn eines reichen Kaufmanns und Vertreter jenes Bürgertums, das zu sich in dieser Zeit gerade erst etablierte. Dennoch machte er sich auf den Weg nach Apulien, kam aber nicht weit: Schon in Spoleto, das gerade einmal ein paar Hügel weiter liegt, gemahnte ihn ein Traum zur Umkehr.

Bestimmt durchwanderte Franz auf seinem Rückweg auch den ein oder anderen Weinberg in der Region. Vermutlich hat man damals schon die Rebsorte Sagrantino angebaut. Deren Ursprünge, die heute als umbrisch angesehen wird, sind zwar unbekannt, aber man vermutet, dass sie aus Griechenland kommt und auch von ihnen nach Süditalien mitggebracht wurde. Bekannt wurde sie allerdings erst später: Eine Kellerei, die am meisten zur Bekanntheit des Sagrantino beigetragen hat, war ab den 1990er Jahren die von Arnaldo Caprai. Er brachte als erster moderne Sagrantinos auf den Markt – weniger traditionelle, kräftige und tanninreiche. Heute gibt es Sagrantino in zwei Versionen: als kräftigen Sagrantino di Montefalco und als fruchtbetonten Montefalco Rosso, der weitere (internationale) Rebsorten enthalten kann.

Dass Umbrien auch zu Sangiovese-Weinen fähig ist, bewies in den 1970er Jahren Giorgio Lungarotti, der in seinem Gut in DOC Torgiano als erster damit experimentierte. Heute firmiert der DOCG Torgiano Rosso Riserva sogar als zweiter DOCG-Wein Umbriens. Der „Torgiano Rosso Rubesco Monticchio Riserva DOCG“ war der erste Wein, den Lungarotti entwickelte.

Torgiano liegt etwa zwanzig Kilometer westlich von Assisi. Das ist eine alte Stadt – den Minervatempel an der Piazza in Assisi haben die Römer hinterlassen. Er bleibt von den vielen Pilgern jedoch bisweilen unbeachtet, denn sie zieht es weiter: zur Basilika San Francesco in der Nähe. Denn in ihrer Krypta werden die Gebeine des heiligen Franz von Assisi verwahrt. Die Basilika liegt mitten in der fruchtbaren, hügeligen Landschaft Umbriens, die sich wie die Bühne eines Theaters ausbreitet, auf der zahlreiche Heilige aufgetreten sind und in der Franz den Vögeln gepredigt hat. Die Vogelpredigt hat wirklich stattgefunden, auf einem Feld bei Bevagna in Sichtweite Assisis.

Davor ereignete es sich, es war ein Tag im Jahr 1206, als Francesco in ein das kleine Kloster San Damiano unterhalb von Assisi kam, das damals wohl sehr baufällig war. Als Franz eintrat und betete, vernahm er vom Kreuz die Stimme Christi: „Franziskus, geh und bau mein Haus wieder auf, dass, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät.“ Francesco nahm die Aufforderung wörtlich und beschaffte Geld zum Wiederaufbau des Klosters – und zwar, indem er es seinem reichen Vater stahl. Dieser, ins Herz getroffen, verklagte den Sohn vor dem Bischof, so enttäuscht war er von ihm. Francesco aber riss sich die Kleider vom Leib und war sie ihm hin. Nichts wollte er mehr haben, was seinem Vater gehörte: „Du bist nicht mehr mein Vater. Mein Vater ist der da oben“, entgegenete er ihm. Und der Bischof? Der bedeckte Francescos Blöße und gab ihm seinen Segen.

In das Kloster von von San Damiano zog 1212 eine Gemeinschaft frommer Frauen um die später heilig gesprochene Klara von Assisi. Sie lebten hier in strenger Armut und Abgeschiedenheit nach den Regeln des heiligen Franz – und wurden als Orden der Klarissen bekannt. Eine Orchidee im Refektorium des Ordens markiert noch heute jenen Platz, den Klara 40 Jahre lang inne hatte. An dem Ort, an dem 1226 der heilige Francesco starb, steht heute die Basilika Santa Maria degli Angeli. Sie liegt zu Fuße des am Hang gelegenen Assisi und ist, wie auch die Basilika San Francesco in Assisi selbst, eine Basilica maior, das heißt eine der sechs ranghöchsten katholischen Kirchen (die übrigen vier Basilicae maiores stehen allesamt im Vatikan). Mächtig wölbt sie sich über jener kleinen, alten Kapelle, in der sich Franz oft aufhielt und in deren Nähe er dann sterben sollte.

1208 hatte er hier eine Predigt über die Aussendung der Jünger Jesu gehört: „Gebt alles den Armen, nehmt nichts mit auf den Weg.“ Das war der eigentliche Beginn der franziskanischen Bewegung. Franz zog seine Schuhe aus und ging von nun an in grober Kutte, um die er einen Strick gebunden hatte. Bald schlossen sich ihm erste Gefährten an. „Dies ist die Pforte zum ewigen Leben“, steht über dem Eingang der kleine Kapelle.

Eine kleine Kapelle in einem großen Dom – eine Kirche in der Kirche. Ganz sich einverleiben konnte Rom Franz und seine Anhänger nie. Die franziskanische Bewegung, bald nach dem Tod des Gründers gespalten, blieb doch immer das etwas Andere in der katholischen Glaubenswelt.

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