Venetien ist mit 74.000 Hektar Rebfläche nach Sizilien und Apulien das drittgrößte Weinanbaugebiet Italiens. Etwa 46.000 Hektar davon sind dabei als „Denominazione di origine controllata (DOC)“ oder höherwertige „Denominazione di origine controllata e garantita (DOCG)“ klassifiziert und die dort hergestellten Weine insofern gesetzlich geschützt.
Die Region im Hinterland von Venedig, die terra ferma, ist nur etwa zu einem Drittel flach, das heißt im Norden liegen die Alpenausläufer (Dolomiten) und im Süden dehnt sich eines der größten Anbaugebiete bis in die Po-Ebene. Im Westen verläuft das Veneto bis zum Gardasee. Bedeutendere Weine entstehen ausnahmslos in den Ausläufern der Alpen sowie in vereinzelten Hügelgebieten vom Gardasee ostwärts bis Conegliano im Prosecco-Gebiet.

Geschichte des Weinbaus
Weinbau war im Veneto lange eher unbedeutend – mit Wein allerdings hatte Venedig schon länger zu tun: Die enge Verbindung von Venedig und dem Wein zeigt sich nicht zuletzt an den vielen Glasmanufakturen auf der Insel Murano vor Venedig. Dort begann im 13. Jahrhundert das Handwerk der Glasbläserei. Aus den Werkstätten wurden nach und nach Großbetriebe – und so entwickelte sich Venedig zu einem Zentrum des Kunsthandwerks. Wein war auch immer schon ein begehrtes Handelsobjekt im Mittelmeerraum – und da Venedig in der Zeit zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert die wichtigste Seemacht war, kontrollierte „La Serenissima“ auch den Weinhandel: Nicht nur, dass die Venezianer auf vielen Inseln selbst Wein anbauten, es mußten auch alle Lieferungen in Venedig verzollt werden.
Venedig nutzte seine günstige Stellung zum Meer schon immer und stoß schon früh mit seinen Handelsschiffen bis in den damals noch fernen Orient vor. Marco Polo wurde sicherlich zum berühmtesten Entdecker – er brach Mitte des 13. Jahrhunderts zu seiner Reise nach China auf. So erschlossen sie neue Märkte und Venedig wurde mehr und mehr zu einem bedeutenden Handelszentrum.
Der Handel ließ eine erfolgreiche Kaufmannsklasse entstehen, stärkte aber auch die Macht der Patrizierfamilien: die einträglichsten Handelsrouten beherrschten sie. Nur den weniger einträglichen Handel überließ man den zur Mittelschicht gehörenden Kaufleuten – und dazu gehörte aber auch der Weinhandel. Etwa 200 Familien, darunter viele führende Kaufmannsfamilien, bestimmten, wohin die Galeerenkonvois segelten und mit welchen ausländischen Königen man Verträge abschloss.
Malvasia war zu dieser Zeit die wichtigste Rebsorte: Sie galt als edelste Traube und war – entgegen dem sonstigen Weinhandel – allein den Adligen und Patriziern vorbehalten. (Etliche Straßennahmen in Venedig nehmen noch heute auf die Malvasia Bezug.) Der süße Malvasia wurde beispielsweise im damals venezianischen Kreta angebaut. Wein war (neben Öl) das Hauptexportgut der Insel und kretischer Wein löschte auch nach der Übernahme der Herrschaft auf der Insel durch die Türken im Jahr 1536 (beziehungsweise endgültig 1669) den Durst von Konsumenten im Niltal und der osmanischen Ägäis. Über die Ägäis regierte seit dem Tod Suleymans des Prächtigen im Jahr 1566 Sultan Selim II., der auch „Selim der Säufer“ genannt wurde – und obwohl der Konsum von Wein nicht im Einklang mit dem islamischen Gesetz stand, wurder er von einem Vertrauten, Joseph Nasi, der ein Monopol auf den Transport von Wein aus Kreta hatte, versorgt. Selbst die Ausbreitung des Islam setzte dem Weinanbau auf Kreta kein Ende. (Joseph Nasi erhielt dafür den Titel „Herzog von Naxos“, das schon seit der klassischen Antike als Insel des Dionysos bekannt war.)
Mit der Niederlage der Venezianer gegen die Osmanen auf Kreta 1669 ging auch eine Epoche zu Ende. Dem Bedeutungsverlust als Seemacht folgt nun die Entwicklung des Hinterlands von Venedig, der sogenannten Terra ferma. Zwar gab es Weinbauern, die hier schon seit jeher Reben kultivierten, ihre kleinen Parzellen, oft nur wenige Hektar oder noch kleiner, dienten jedoch dem Eigenbedarf und wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Oft aber verarbeiten die Weinbauern ihre Ernte gar nicht selbst, sondern verkauften sie an Kellereien, die die Trauben dann weiterverarbeiteten. Diese Händler haben sich hier auf dem Land niedergelassen, nachdem Venedig seit dem Ende des 15. Jahrhunderts seinen jahrhundertelangen Einfluss im Mittelmeerraum zu verlieren begann. Zu dieser Zeit entdeckten die großen Patrizierfamilien der Handelsmetropole Venedig das Hinterland der Lagunenstadt und begannen, dort teure Villen zu errichten, die mitunter vom berühmtesten Architekten der Zeit, Andrea Palladio, entworfen wurden, und das Brachland im Veneto systematisch zu kultivieren und zu bewirtschaften. So beginnt gewissermaßen die Geschichte des modernen Weinbaus im Veneto, insbesondere jene in der traditionellen Heimat des Prosecco.
Venedig und seine Lagune
Natur- und Kulturlandschaften sind an der nördlichen Adria seit Jahrhunderten eng miteinander verwoben. Das gilt schon immer auch für die seichte Lagune vor Venedig: Sie ist etwa 550 Quadratkilometer groß, wird von mehreren natürlichen Wasserstraßen durchzogen und ist durch zahlreiche Inseln und Landzungen weitgehend vom Meer abgegrenzt
Durch die vielen Einmündungen der Alpenflüsse vermischen sich in der Lagune Salz- und Süßwasser, entsprechend gibt es hier eine Pflanzenwelt, die beides verträgt. Insgesamt weist die nördliche Adria einen wesentlich geringeren Salzgehalt auf als weiter südlich, dafür aber bedeutend mehr Nährstoffe und organisches Material – und dadurch mehr Fische (Seezunge, Knurrhahn et cetera), aber auch mehr Algen (oft herrscht ein zu hoher Nitratgehalt in der Adria). Auf Venedigs Fischmarkt, der Pescheria, gibt es auf jeden Fall alle möglichen Meeresfischen aus der Lagune – alles, was die Adria zu bieten hat.
Mit ihren reichen Fischgründe brachte die Lagune nicht nur reiche Erträge für die Vogelwelt und die alteingesessenen Fischerfamilien (Lagunenfischer, die noch immer mit Reusen an den Einmündungen der Kanäle Aale, Meereschen, Goldbrassen und vieles mehr fangen), sondern sie boten auch Schutz. So wuchs Venedig hier heran, „La Serenissima“: Als viele Römer im 5. Jahrhundert vor den einfallenden Hunnen nach Norden fliehen mussten, gelangten sie bis zur Lagnune von Venedig, wo sie endlich Schutz fanden und nicht mehr verfolgt wurden – die Sümpfe und die Malaria hielten ihnen fortan die Verfolger vom Leibe. Doch wie ließen sich hier, mitten in den Sümpfen und im flachen Wasser, Häuser bauen? Die Venezianer wußten sich zu helfen: sie trieben Baumstämme in den Meeresgrund und bauten darauf ihre Fundamente (allein für die Rialto-Brücke wurden über 12.000 Lärchenstämme verbaut). So konnte eine ganze Stadt auf Pfählen entstehen – wie das obere Stockwerk des Dogenpalastes am Markusplatz auf Säulen.
Bevor die Habsburger 1852 eine Eisenbahnlinie von Verona nach Venedig errichteten – und damit eine erste Brücke, die die Lagunenstadt mit dem Hinterland verband -, die dann zur wichtigsten Verkehrsverbindung wurde, hatten Flüsse als Transportwege große Bedeutung für Venedig und sein Hinterland. Insbesondere der Piave war lange entscheidend für die Lagunenstandt, gelangten doch viele wichtige Rohstoffe, unter anderm verschiedene Hölzer aus den Wäldern im Alpenraum, über ihn in die Adria und von dort aus in die Stadt. Dazu konnten die Flößer den in Ufernähe zur Adria bereits in der Antike geschaffenen „Litoranea Veneta“ nutzen. (Der „Litoranea Veneta“ ist ein Wasserweg, der parallel zur Adriaküste immer im geschützen Binnenland durch Lagunen und Flüsse, die mit Kanälen zu einem schiffbaren System verbunden wurden, führt. Dadurch musste man nie aufs offfene Meer hinaus und es war bei jedem Wetter sicher. Er ist nach wie vor befahrbar.)
Die Habsburger in Venedig
Seit dem Wiener Kongress von 1815 gehörte Venedig zusammen mit der Lombardei als Königkriech Lombardo-Venetien für ein paar Jahrzehnte zum Habsburgerreich. Erzherzog Ferdinand-Maximilian (1832-1867), der spätere Kaiser von Mexiko, lebte hier als Stellvertreter der Habsburger. Im Frühjahr 1857 wurde der verhasste Generalgouverneur Feldmarschall Radetzky (1766-1858) in den Ruhestand geschickt und der zwei Jahre jüngere Bruder von Kaiser Franz-Joseph wird von ihm zum Stellvertreter der apostolischen Majestät ernannt. Vorher war der Erzherzog Marinekommandant in Triest (offizieller „Marinebeauftragter“), wo er eine österreichische Mittelmeerflotte aufgebaut hat.
Der Erzherzog war für seine Liebe zur Botanik bekannt und hat schon früh Herbarien angelegt und Pflanzlisten erstellt. Schon in Triest hat er im Park von Miramare einen Englischen Garten mit alpinen und mediterranen Pflanzen, vor allem Blumen, angelegt sowie auch einen Barockgarten – mit dem Hintergedanken vielleicht, auch die Natur zu beherrschen. Neben dieser ästhetischen Leidenschaft, wollte der Erzherzog aber auch Neues und Fremdes kennenlernen und ist – anders als der konsevative Kaiser in Wien – an Neuerungen interessiert. So wird unter ihm 1852 die Eisenbahnbrücke gebaut, die Venedig fortan mit Verona verbindet..
Bereits 1859 geht dann allerdings Mailand für die Habsburger verloren verloren – es braucht neue Pläne für Lombardo-Venetien. Erzherzog Ferdinand-Maximilian wollte ein eigenes Königreich Lombardo-Venetien, was aber in Wien abgelehnt wurde. Er suchte deshalb mehrmals um Entlassung als Generalgouverneur an, aber der Bruder kommt ihm – noch nicht – entgegen. Die Unabhängigkeitsbestrebungen in Norditalien sind aber zu diesem Zeitpuntk schon nicht mehr aufzuhalten – und Guiseppe Verdi (1813-1901) schreibt, nicht nur mit dem Gefangenenchor in Nabucco, die Musik dazu. Es gilt Viva Italia statt Gott erhalte unseren Kaiser!
Sieben Jahre nach Mailand geht 1866 schließlich auch Venedig verloren – und damit auch endgültig das Königreich Lombardo-Venetien. Der Erzherzog reist für mehrere Monate nach Brasilien – und lässt sich schließlich auf ein politisches Abenteuer in Mexiko ein, das allerdings in einer Tragödie enden sollte: Von einem Kriegsgericht wurde 1867 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Der Piave entspringt im Grenzgebiet zu Österreich am Monte Peralba in den Karnischen Alpen in 1.842 Meter Höhe und fließt von hier aus bis in den Golf von Venedig. Über ihn wurden jahrhundertelang Steine und Eisenerz, das am Ursprung des Piave in Sappada, zu Deutsch Plodn (das Dorf wurde vor etwa 1.000 Jahren von deutschsprachigen Tirolern aus dem Pustertal gegründet), nachweislich bereits seit 1334 bergbaulich abgebaut wird, aus den Alpen nach Venedig transportiert. Insbesondere aber auch Fichten- und Lärchenholz vom Tilliacher Joch in Osttirol gelangte so, gedriftet und geflößt, hierher – steht die Lagunenstadt doch auf Millionen von Holzpfählen.
So gelangten abertausende Baumstämme nach Venedig – und dafür sorgte auch eine Person, die man damit vielleicht gar nicht in Verbindung gebracht hätte: Etwa 30 Kilometer flussabwärts von der Quelle des Piave, in Pieve di Cadore, wurde Tiziano Vecellio (1488-1576) geboren, der später als Tizian bekannt wurde. Weniger bekannt ist, dass auch er, gemeinsam mit seinem Bruder Francesco, im Holzhandel mit Venedig engagiert war und einige Sägewerke in Perarolo an der Piave betrieb. Später ließ er sich für Portraits der Habsburger Monarchen Maximilian I., Karl V. und Ferdinand I. auch mit Waldgebieten entlohnen.
Der Piave eignete sich weniger dafür, befahren zu werden – das ist bei der Etsch anders. Allerdings natürlich noch in den Alpen, wo sie in der Nähe vom Reschenpass in den Ötztaler Alpen entspringt. Über diesen Alpenpass verlief einstmals die 700 Kilometer lange Via Claudia Augusta, die erste Römerstraße nach von Italien nach Süddeutschland. Die Etsch durchfließt zunächst den Südtiroler Vinschgau, bevor sie südlich von Bozen durch den Zufluss der Eisack an Tiefe gewinnt und von hier aus auch mit Schiffen befahren werden kann.
Bei einem alten Zollhaus in Bronzolo – hier kamen ab dem 12. Jahrhundert schon die Waren von Süden (vor allem Getreide) an und von hier aus fuhren die Floße dann zunächst Richtung Verona. Südlich von Verona fließt die Etsch weiter in die flache Po-Ebene und dann bis in den Golf von Venedig. Hier mündet sie bei Chioggia, südlich von Venedig, in eine vielseitige Auenlandschaft.
Südlich von Chioggia mündet auch der Brenta in die Adria. Er wurde im 16. Jahrhundert umgeleitet, als er – aufgrund des Schwemmmaterials, das er die Lagune von Venedig transportierte – hierin umgeleitet wurde. Der Brenta entspringt südöstlich von Trient beim Caldonazzosee im Trentino, in der Nähe der südlichen Kalkalpen, und setzt seinen 174 Kilometer langen Lauf durch das venezianische Tiefland fort bis in die Po-Ebene.
Der Brenta mündete ursprünglich mitten in Venedig in die Adria, dort, wo heute der Canal Grande ist. Er ist also gewissermaßen die natürliche Verlängerung der Brenta. Der Brenta hingegen wurde durch die Umleitung zu einem etwa vierzig Kilometer langen Kanal, dessen Ufer von mondänen Villen von Andrea Palladio gesäumt sind. Er führt von der Stadt Padua in die Lagune von Venedig.
Der Po wiederum entspringt im Hinterland von Turin an der französisch-italienischen Grenze und fließt dann – wenn er nicht unter einem dramatischen Wassermangel leidet wie zuletzt – gemächlich durch das Veneto Richtung Adria. Das Geschiebe, dass er mit sich transportierte, hat lange die Küstenlinie der Lagune von Venedig immer weiter Richtung Meer geschoben. Dadurch veränderte sich sein Delta und die Lagune drohte zu verlanden, weshalb man seine Einmündung dann weiter südlich von der Lagune abgetrennt hat. Heute bilden fünf große und hunderte kleine Kanäle das Delta des Po – und auch die Landschaft zwischen Etsch und Po im Landesinneren, die Po-Ebene, ist von zahlreichen Kanälen und Flüssen geprägt.
Alle diese Flüsse im Rücken der Stadt, allen voran der Po, transportieren Unmengen von Geschiebe in die Adria. Die stetige Ablagerung schuf nicht nicht nur die berühmten Sandstrände, sondern drohte schon vor Jahrunderten die Lagune von Venedig verlanden zu lassen: Die oberitalienische Küste von Venedig bis Grado ist auf einer Länge von etwa 140 Kilometer gewissermaßen ein einziger Sandstrand – Land, Flüsse und Meer gehen hier ineinander über, eine exakte Grenze kann nicht gezogen werden. Um eine komplette Verlandung der Lagune zu verhindern, hatten die Venezianer deshalb im Lauf der Jahrhunderte in gewaltigen technischen und wasserbaulichen Anstrengungen versucht, alle Flüsse, die früher in die Lagune mündeten, in die Adria umzuleiten. Sie sollten mit ihren großen Geschiebemengen – das gilt insbesondere für den Po – von der Lagune ferngehalten werden. Hätte man den Po nicht durch einen künstlichen Kanal nach Süden umgeleitet, säße Venedig heute auf dem Trockenen.
Aber die Sedimentablagerungen lassen auch immer wieder neues, fruchtbares Land entstehen – durch sie sind die Erträge etwa um ein Zehnfaches höher als anderswo. Um dieses Land nutzen zu können wurden auch Kanäle und Dämme, Überläufe und Schleusen geschaffen, um das Meerwasser insbesondere bei Flut und Hochwasser abzuleiten und – wie ursprünglich die Sümpfe, in denen die Anopheles-Mücke die Malaria übertrug – trocken zu legen. Schon Leonardo da Vinci (1452-1519) konstruierte dazu die ersten Wasserschleusen.
So entstand über Hunderte von Jahren eine unverwechselbare Kulturlandschaft: Mit der Umleitung des Po hatte der Kampf gegen die Natur begonnen, um landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen – und dieser Kampf geht bis heute weiter. Im Delta des Po werden heute bei Ebbe Vongole (Venusmuscheln) geerntet, die zuvor am Meeresgrund wuchsen, sowie Miesmuscheln, die an Netzen gezüchtet werden (Schläuchen, die nicht bis an den Boden reichen). Sie sind es auch, die das Plankton aus dem Brackwasser filtern und es so reinigen.
Bei Hochwasser ist diese Wasserwirtschaft nicht möglich – und überhaupt ist die Hochwassergefahr vor dem Hintergrund des steigenden Meeresspiegels eine der größten Bedrohungen Venedigs, abgesehen davon, dass es permament die Mauern umspült und die Fundamente schädigt. Es entsteht jedenfalls regelmäßig bei Wetterumschwüngen im späten Frühjar, wenn sich die Wolken am nahen Alpenmassiv stauen: Warme, feuchte Luft aus dem Süden trifft dann auf kalte Strömungen aus dem Norden, was zu heftigen Unwettern in Venedig führen kann. Wenn der Wind dann auch noch das Meer aufpeitscht besteht Hochwassergefahr (Aqua Alta) in der Lagunenstadt. Die Hochwassergefahr ist am Höchsten, wenn die Flut mit dem Scirocco, einem Wind aus dem Südosten, zusammentrifft. Das gilt auch im feuchten und kalten Herbst, wenn nicht ein kalter Wind aus dem Norden Nebel in die Lagunenstadt bringt.
Anbauregionen
Hinter Belluno durchzieht der Piave die Ausläufer der Dolomiten und fließt dann weiter in die Ebene. Hier wird an seinen Ufern heute viel Wein angebaut – allerdings entstehen daraus hauptsächlich Massenweine. Sieht man vom Weinanbaugebiet Piave und der Po-Ebene ab, wo feuchte Nebel die Pilzgefahr erhöhen und ebenfalls hauptsächlich Massenweine aus internationalen Rebsorten entstehen, findet Qualitätweinbau im Veneto in insgesamt 32 DOCs und 14 DOCGs statt, die sich in folgenden klimatisch und geographisch unterschiedlichen Regionen befinden:
- Bardolino am Gardasee mit seinen Sand– und Kiesböden (Moränenhügel) im Südwesten des Sees.
- Valpolicella in den Lessini-Bergen, einem Vulkanmassiv mit weichem Tuffstein nördlich von Verona.
- Soave in der hügeligen Gegend östlich von Verona.
- Prosecco in den Bergen von Treviso nördlich von Venedig.
Das Klima im Veneto ist insgesamt – sieht man von Alpeneinflüssen ab – warm mit mäßigem Niederschlag. Kühlende Einflüsse ergeben sich meistens aus der Höhenlage (das gilt insbesondere im Valpolicella-Gebiet und dem Kerngebiet des Prosecco), die für eine größere Kontinentalität sorgt, während Brisen vom Gardasee die Weinberge im Westen der Region kühlen.
Bardolino
Den Gardasee teilen sich die Lombardei und das Veneto – die Grenze verläuft mitten durch den See. Wein wird aber rund um ihn angebaut. Im Veneto, auf der östlichen Seite, liegt neben der noch zur Lombardei gehörigen DOC Lugana die DOC Bardolino, benannt nach dem gleichnamigen Ort direkt am See. Weine von hier und aus den Nachbargemeinden Lazise und Garda tragen traditionell die Bezeichnung „Classico“. Vor der Einführung der DOC 1968 kamen zum Bardolino-Gebiet einige weitere Orte in der östlichen und südlichen Umgebung dazu, für die der Zusatz „Classico“ nicht erlaubt ist.
Die verwendeten Rebsorten sind in der gesamten Region gleich, nämlich Corvina, Corvione, Rondinella und Negara. Wird Negara durch Molinara ersetzt, entsteht daraus Valpolicella. In kleineren Mengen dürfen auch Sangiovese und Barbera eingesetzt werden für mehr Geschmackstiefe.
Bardolino ist ein leichter Rotwein vom See, der durch seine Fruchtigkeit überzeugt, selten durch seine kräftigen Gerbstoffe (DOCG Bardolino Superiore entspricht eher noch dem Valpolicella). Wie im lombardischen Valtenesi wird auch in Bardolino noch ein unbeschwerter Rosé-Wein produziert, der DOC Bardolino Chiaretto aus Corvina und Rondinella, der mit seiner knackigen Frische perfekt zur Fischküche des Sees paßt.
Die Sammelbezeichnung DOC Garda gilt sowohl für Verschnitte der venetianischen Anbaugebiete als auch für die Weißweine der DOC Bianco di Custoza, der in neun Gemeinden weiter südlich produziert wird.
Valpolicella
„Die Welt ist nirgends außer diesen Mauern; / Nur Fegefeuer, Qual, die Hölle selbst. / Von hier verbannt, ist aus der Welt verbannt …“, sagt Romeo aus dem Hause Montague in einer bekannten Tragödie (3. Akt, 3. Szene). Und obwohl Shakespeare nie hier war, ist es ist eine Liebeserklärung an Verona – vor allem aber an Julia. Eine Liebe, die dieser Stadt bis heute ihren Glanz verleiht.
Regiert wurde Verona aber nicht von den Capulets und Montagues, sondern seit 1260 von den Della Scala, Scaliger genannt – und das war eine mörderische Dynastie, Despoten, die für die nächsten 127 Jahre ihre Untertanen terrorisierten. Keine Liebe also. Andererseits aber gelang es ihnen auch, Dante Alighieri (1265-1321) hier Exil anzubieten. Überschwänglich bedankte er sich dafür – nachdenklich aber steht heute eine Statue von ihm im Zentrum der Stadt. Schon damals beschrieb Dante kritisch die argwöhnische und düstere Stimmung unter den Menschen, die hier lebten – und erwähnte in diesem Zusammenhang tatsächlich auch die Capulets und Montagues …
Wie Laura für Francesco Petrarca, war Julia in der Vorstellung der Veroneser immer blond – die hellen Haare als Symbol einer übernatürlichen Lichtgestalt. Ob sie gelebt hat, ist unklar, vermutlich nicht, ihren Balkon jedenfalls hat es nie gegeben, er wurde nie gebaut. Die Scaliger aber bauten und befestigten die Stadt – was den Untergang ihrer Dynastie schon 1387 nicht verhindern konnte. Nach ihnen waren es die Venezianer, die weiter an den Festungsanlagen bauten. Sie ergänzten die mächtige Militärarchitektur in der Stadt aber auch durch filigranere Gebäude, wie beispielsweise den Palazzo Maffei. Das barocke Prunkgebäude mit dem venezianischen Löwen davor ist Ausdruck einer gelösten Stimmung, wie sie Dante noch nicht erfahren hatte. Erst mit der Übernahme der Herrschaft durch die Venezianer Anfang des 15. Jahrhunderts begann tatsächlich eine lange friedvolle Zeit in Verona.
Der Palazzo Maffei befindet sich an der Piazze delle Erbe, einem Platz, der schon von den Römern – die in Verona auch ein berühmtes Amphitheater hinterlassen haben, das sich im Sommer inzwischen immer in eine Opernbühne verwandelt, insbesondere auch für die Dramen von Giuseppe Verdi (1813-1901) – als öffentliches Forum genutzt wurde und der heute sicherlich einer der schönsten Marktplätze Italiens ist. Der Name des Platzes – „Erbe“ für „Kräuter“ – erinnert dabei an eine Zeit, in der hier auf dem Markt noch hauptsächlich Gemüse verkauft wurde. Die Bedeutung des Marktes damals hat heute vielleicht die Messe in Verona eingenommen – und es ist sicherlich kein Zufall, dass die größte Weinmesse Italiens, die Vinitaly, jedes Frühjahr in Verona stattfindet.
Wer sich über italienischen Wein informieren möchte, besucht die Weinmesse, ansonsten aber wird in der Umgebung von Verona selbst auch Wein hergestellt – und zwar kein unbekannter. Denn in der hügeligen Reblandschaft nördlich der Stadt befindet sich das Gebiet für Valpolicella. Hier ist die Heimat verschiedener Weine mit unterschiedlicher Stilistik:
- Valpolicella (frisch-fruchtig)
- Ripasso (feinwürzig)
- Recioto (süß)
- Amarone (kraftvoll)
In Valpolicella wachsen die Reben auf über 7.800 Hektar und werden von etwa 2.300 Weinbauern kultiviert. Das Gebiet wird einerseits klimatisch geprägt von den Lessiner Bergen im Norden mit seinen Böden aus Kalkstein, Lehm und Vulkanstein (und damit einer entsprechend langsamen Reifung und säurereicheren Trauben), und dem flacheren Süden mit Kies– und Sandböden, die etwas mehr Wärme speichern (sodaß die Trauben mehr Frucht offenbaren). Durch die Fallwinde der Alpenausläufer im Norden, dem mediterranen Einfluß des Gardasees im Westen und der Adria im Südosten ist das jeweilige Mikroklima von Tal zu Tal oft grundverschieden.
Das Valpolicella wird in drei Gebiete unterteilt:
- Zona Classica: im Westen mit Fumane, Marano, Negrar, San Pietro und Sant`Ambrogo, Rebberge zwischen 70 und 400 Meter Höhe
- Valpantana: im Osten
- Täler von Illasi, Mezzane und Cazzano mit Rebbergen bis 500 Meter Höhe
Die meisten besseren Valpolicellas stammen aus den schwieriger zu bearbeitenden Hanglagen des Classico-Gebietes. Die Reben stehen hier besonders dicht auf Kiesterrassen und werden vertikal erzogen, am Drahtrahmen, um möglichst viel Geschmack zu entlocken. Vielfach wird auch die Pergolaerziehung auf der „Pergola-Veronese“ kultiviert, die durch die Beschattung und ein dickes Laubdach für ausgewogenes Traubenmaterial sorgt.
Der Basiswein der Anbauzone is der DOC Valpolicella, ein frisch-fruchtiger, kraftvoller Rotwein, de nach Kirschen duftet und für Trauben des gesamten Gebietes gilt. Valpolicella ist stets ein Verschnitt aus:
- Corvina: dünnschalig, viel Säure, Aromen von Kirsche und Bittermandel
- Corvione: reich an Polyphenolen, verleiht Struktur und Körper
- Rondinella: aromatisch und reich an Farbe
- Molinara: ertragsstark, einfach
Etwas kräftiger als der DOC ist der DOC Valpolicella Superiore, der mindestens ein Jahr reifen muß, bevor er auf den Markt kommt und einen etwas höheren Alkoholgehalt hat.
Eine Besonderheit ist der DOC Valpolicella Ripasso: Beim Ripasso-Verfahren wird der Basis-Valpolicello für rund 15 bis 20 Tage in Kontakt mit dem Trester der Amarone-Produktion gebracht. Der Wein wird dadurch kräftiger, er gewinnt an Struktur und Langlebigkeit.
Die Trauben des süssen DOCG Recioto della Valpolicella werden für 100 bis 120 Tage angetrocknet. Danach werden sie gepresst und der Most vergoren. Dabei wird der Zucker nicht vollständig zu Alkohol umgewandelt. Das Ergebnis ist ein süsser Passito mit geringerem Alkoholgehalt: „Passito“ leitet sich von „appassito“ für „verwelken“ ab, wobei der Vorgang des Rosinierens, der Trockenvorgang, „appassimento“ genannt wird. Seinen Ursprung hat dieses Verfahren im antiken Rom, wo man bereits einen Süßwein namens „Passum“ aus rosinierten Beeren hergestellt hat. Nach demselben Prinzip entsteht auch ein Recioto di Soave.
Auch der DOCG Amarone della Valpolicella ist ein Passito. Im Gegensatz zum Recioto ist ein Amarone aber nicht süß, sondern – wie der Name ja schon sagt – bitter („amaro“). Vermutlich wurde der Begriff „amarone“ ursprünglich für einen Recioto secco, einen trockenen Recioto, verwendet. Erstmals jedenfalls tauchte der Name „Amarone“ in den 1930er Jahren auf einem Etikett auf. 1968 wurde dem Gebiet schließlich die DOC verliehen.
Für die Produktion von Amarone werden die Trauben (Corvina: 45 bis 95 Prozent, eventuell ersetzt durch Corvinone: maximal fünfzig Prozent und Rondinella: fünf bis dreißig Prozent, den Rest dürfen andere Rebsorten ausmachen) früh gelesen (im Unterschied zum Recioto), das heißt zwischen Ende September und Anfang Oktober, wenn sie noch reichlich Säure haben. Anschließend werden sie in Trockenräumen, sogenannten „fruttai“, ausgelegt und 100 bis 120 Tage angetrocknet (im Herbst gibt es hier oft Nebel, der die Antrocknung beeinflußt). Während dieses Prozesses in zum Teil offenen Räumen verlieren die Trauben unter ständiger Luftzirkulation etwa die Hälfte ihres Gewichtes und sie verändern ihren Charakter grundlegend: die Säure wird vermindert, das Verhältnis von Glucose und Fructose wechselt und es kommt zu einer Erhöhung an Resveratol (einem charakteristischen bitteren Geschmacksstoff).
Dieser Vorgang der „Rosinierung“ wird „appassimento“ genannt: Wasser verdunstet und Zuckersäure und Extraktstoffe bleiben umso konzentrierter zurück. Die Pressung erfolgt vor oder kurz nach Weihnachten. Die Trauben enthalten extrem viel Zucker, aus dem während der Gärung viel Ethanol entsteht. Damit die üppigen Aromen des späteren Amarone nicht in einer Überdosis Alkohol ertrinken, bleiben die Beerenschalen erst mal im abgepressten Most liegen – oft mehrere Monate -, denn so zieht der Wein Gerbstoffe aus, die ihn später langlebig machen. Gleichzeitig passiert aber etwas, daß manche als das „miracolo del amarone“ bezeichnen, denn die Hefe hört hier nicht bei 15 Volumenprozent Alkohol auf zu arbeiten, sondern erst bei 16 Volumenprozent und mehr – was an einem speziellen Hefestamm liegt.
Nach dem Abpressen erfolgt die Vinifikation, das heißt ein mindestens zweijähriger Ausbau in (slowenischen) Eichenholzfässern und in der Flasche. Riservas müssen sogar vier Jahr in Holz reifen. Während der Reifung zieht sich sich die Fermentation monatelang hin, in denen der Wein oxidiert. Entsprechend ist Amarone granatfarben und duftet nach Trockenfrüchten, Tabak und Gewürzen.
„Valpolicella“ heißt übersetzt so viel wie „das Tal der vielzähligen Keller“. Einer der bedeutendsten Winzer der Region war sicherlich der 2012 verstorbene Giuseppe Quintarelli.
Soave
Soave bedeutet „sanft“ und stammt wohl vom Volksstamm der „Suebe“ ab, der Schwaben, die im 6. Jahrhundert nach Norditalien eingewandert sind. Das Soave-Gebiet liegt östlich von Verona und gliedert sich wie Valpolicella in zwei Teile: die Dolomitenausläufer im Norden sowie eine Ebene im Süden, unweit des Po. Das Classico-Gebiet im Norden ist ein schmales Band von Hügeln, das zuerst 1931 kartiert wurde: Die Hänge von Soave bis Monteforte d`Alpone, etwa fünf Kilometer weiter östlich gelegen, sind das historische Kerngebiet.
Die Böden sind vulkanischen Ursprungs sowie aus Kalk und Lehm. Sie sind von Natur aus kühl, was zusammen mit der Höhenlage die Entwicklung der Trauben verlangsamt – mit der Folge, dass diese aromatisch voll ausreifen, aber nichts von der Säure verlieren. Der Höchstertrag hier ist auf 98 Hektoliter pro Hektar festgelegt, was immer noch viel ist, denn die Wurzeln müssen auf dem mineralhaltigen, vulkanischen Basaltgestein mit der Kalk-Lehm-Auflage – einem insgesamt gut drainierten Boden – tief wurzeln um an Nährstoffe zu kommen. In der Ebene wachsen die Reben in sandigen Schwemmlandböden. Sie haben mehr Frucht und weniger Säure.
Die Hauptrebsorte für Soave-Weine ist Garganega (sie muss mindestens siebzig Prozent des Weines ausmachen), daneben wird Trebbiano die Soave verwendet. Ein klassischer DOC Soave ist eher fruchtig-elegant und säurearm, die besseren wie ein DOC Soave Superiore, der erst ein Jahr nach der Lese auf den Markt darf und dessen Ertrag auf siebzig Hektoliter pro Hektar begrenzt ist, haben Mandel- und Zitrusaromen. Eine Riserva muß sogar zwei Jahre reifen.
In Soave werden rund achtzig Prozent der insgesamt 7.000 Hektar von Genossenschaften bewirtschaftet, die sich immer wieder um noch höhere Erträge (derzeit 105 Hektoliter pro Hektar) bemühen – zu Lasten der Qualität. Besserer Soave – reinsortig von Garganega gemachter – entsteht in der DOC Gambellara.
Prosecco
Etwa achtzig Kilometer nördlich von Venedig liegt das Ursprungsgebiet und die Heimat des Prosecco. Inmitten einer idyllischen Hügellandschaft wächst hier der Wein für den Prosecco aus der Rebsorte Glera. Die Weingärten dafür liegen oberhalb der weiten venezianischen Po-Ebene und schmiegen sich eng an das Dolomitenmassiv im Norden. Die Region macht schon einen etwas alpinen Eindruck mit ihren steilen und kargen Abhängen, auf denen die Reben wachsen. Der Boden ist ein durchlässiger Lehm–Kalkboden und bildet einen idealen Untergrund für Reben, während die Fallwinde aus den Bergen für kühle Nächte in der mediterranen Gegend und für ausreichend Säure und Frische in den Trauben sorgen.
Bewirtschaftet wird das traditionsreiche Rebland dabei von Weinbauern mit kleinen Parzellen, oft nur wenige Hektar oder noch kleiner, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Sie verarbeiten die Ernte nicht selbst, sondern verkaufen sie gewöhnlich an Kellereien, die die Trauben zu Prosecco weiterverarbeiten. Diese Prosecco-Händler haben sich hier auf dem Land niedergelassen, nachdem Venedig seit dem Ende des 15. Jahrhunderts seinen jahrhundertelangen Einfluss im Mittelmeerraum zu verlieren begann. Zu dieser Zeit entdecken die großen Patrizier-Familien der Handelsmetropole Venedig das Hinterland, die Terra ferma, und begannen das Brachland systematisch zu kultivieren und zu bewirtschaften. So beginnt auch die Geschichte des Weinbaus im Prosecco-Gebiet.
Während die Weinproduktion schon wesentlich älter ist, wird der Schaumwein Prosecco im Veneto erst seit dem Jahr 1876 produziert. Seit diesem Jahr kommt eine Methode zur Anwendung, die sich „Metodo Italiano“ oder „Metodo Martinotti“ nennt und von Antonio Carpenè als „Metodo di Spumantizzayone Conegliano Valdobbiadene“ eingeführt wurde. Bei dieser Methode der Schaumweinbereitung handelt es sich um eine Alternative zur traditionellen Flaschengärung – nämlich um eine sogenannte Tankgärung: Bei diesem Verfahren findet nach einer sanften Abpressung und dem Ausbau des Grundweins im Stahltank, die Zweitgärung nicht in der Flasche, sondern in einem geschlossenen Drucktank statt, in dem die Kohlensäure gefangen wird. Danach wird der Schaumwein dann direkt, ohne langen Hefekontakt (zwar mindestens einen Monat, aber höchstens zwei Monate), gefiltert und unter Druck auf die Flasche abgefüllt.
Durch die Verwendung der Tankgärungsmethode bei der Herstellung von Prosecco gibt es entscheidende Unterschiede zwischen Prosecco und Champagner:
- Anders als bei der traditionellen Flaschengärung findet zwar auch bei Prosecco eine zweite Gärung des Grundweines aus der Glera-Traube statt, allerdings nicht mit Hefekontakt in der Flasche, sondern in einem geschlossenen Drucktank.
- In diesem Stahltank wird die Gärung etwas früher als bei Champagner durch Kühlung unterbrochen, dadurch wird nicht der ganze Zucker in Alkohol umgewandelt, weshalb der Prosecco auch etwas süßer schmeckt.
- Anschließend wird dann nach wenigen Wochen die Hefe, die die zweite Gärung in Gang gesetzt hat, herausgefiltert und der Prosecco abgefüllt – es findet also kein monatelanger Hefekontakt wie bei Champagner statt. Entsprechend schmeckt man bei Prosecco auch keine Hefe- oder Briochearomen.
- An die Stelle der Biochenoten durch die Hefe treten bei Prosecco praktisch nur die Aromen des Grundweins aus der Glera-Traube, insbesondere Aromen von grünem Apfel und Melone.
- Durch das Kühlen und Filtern des Prosecco – und da üblicherweise auch kein biologischer Säureabbau (BSA) beim Grundwein durchgeführt wurde – wird versucht, die frisch-fruchtigen Aromen der Glera-Traube zu bewahren.
- Neben diesem frisch-fruchtigen Charakter hat Prosecco typischerweise auch immer etwas mehr Süße als Champagner oder Sekt.
Mit der von Carpenè eingeführten „Metodo Italiano“ werden neben echten Schaumweinen – sogenannten Spumante mit mindestens 3,5 bar Druck – auch nur leicht perlende Versionen – Frizzante mit weniger Kohlensäure und einem geringeren Druck zwischen 1 und höchstens 2,5 bar – erzeugt. Weil außerdem die zweite Gärung bei Spumante etwas länger dauert, ist auch die Perlage viel feiner und der Schaum cremiger und langanhaltender als bei einem Frizzante (dennoch darf bei Frizzante, anders als bei Perlweinen, keine Karbonisierung erfolgen). Am offensichtlichsten ist der Unterschied zwischen Frizzante und Spumante beim Verschluss – der nur bei einem Spumante immer, wie bei einem Champagner, aus einem pilzförmigen Korken besteht, der aufgrund des höheren Drucks in der Flasche mit einem Drahtgeflecht („Agraffe“) gesichert ist.
Prosecco wird heutzutage nicht mehr nur in der ursprünglichen Hügellandschaft produziert, sondern in einem ausgedehnten Gebiet, das sich über Venetien bis ins Friaul erstreckt: „Prosecco“ war lange der Name für eine Rebsorte, zum Schutz vor Plagiaten änderten die Produzenten im Jahr 2009 den Namen der verantwortlichen Rebsorte jedoch in „Glera“ und registrierten deren ursprünglichen Namen „Prosecco“ als Bezeichnung für das Weinanbaugebiet: „Prosecco“ ist also seither nicht mehr der Name einer Traubensorte, sondern bezeichnet das Produktionsgebiet – das in diesem Zusammenhang auf Gebiete im Friaul erweitertet wurde. Von dort stammt auch der neue Name „Glera“: Er fungierte im Friaul schon immer als Synonym und stammt von einer kleinen Region in der Nähe von Triest, in der auch eine Ortschaft existiert, die „Prosecco“ heißt. Wein wurde dort schon seit den Römern produziert (sie nannten die Ortschaft „Pucinum“ und den Wein „Vinum Pucinum“) – aber „Prosecco“ dürfen die Winzer der Region ihren Schaumwein erst neuerdings nennen.
Mit der Gesetzesänderung von 2009 verhinderte man, dass „Prosecco“ auch in anderen Regionen hergestellt werden kann, denn seither darf der Schaumwein nur noch unter den oben geschildeten kontrollierten Bedingungen (sanfte Abpressung des Grundweins und Vinifikation in Stahl, Tankgärungsverfahren mindestens dreißig Tage lang) in neun genau umrissenen Provinzen erzeugt werden, die zur „Denominazione di Origine Controlata (DOC)“ („Geschützter Ursprung“), aufgewertet wurden: Treviso, Belluno, Vicenza, Padua, Venezia, Trieste, Gorizia, Udine und Pordenone. Das bedeutet, dass nur noch der Most von Glera-Trauben aus diesen neun Provinzen zu „Prosecco“ verarbeitet werden darf, wobei die DOC Prosecco dieses Gebiet komplett umfasst.
Innerhalb der neun Provinzen des Proseccogebietes gibt es aber auch noch andere geschützte Herkunftsbereiche für den Schaumwein, die wichtigste ist sicherlich die DOCG Conegliano-Valdobbiadene, die das ursprüngliche Kernland des Prosecco umfasst. Diese Region befindet sich in der Provinz Treviso und gehört seit 2018 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Insgesamt 15 Gemeinden befinden sich hier mit 180 Kellereien, die die etwa 7.500 Hektar hügelige Rebfläche bewirtschaften. Die Rebsorte Glera wächst hier in einer von den Venezianern als „la marca gioiosa“ („freudvolle Gegend“) genannten Region, jedoch auf steilen Kalksteinhängen, weshalb man auch von „viticultura eroica“, „heldenhaftem Weinbau“, spricht.
Die Region zwischen den Ortschaften Conegliano und Valdobbiadene ist die ursprüngliche Heimat des Prosecco, entsprechend wurde sie auch mit dem höchsten italienischen Prädikat als „Denominazione di Origine Controllata e Garantita (DOCG)“ („kontrollierter und garantierter Ursprung“) ausgestattet. Denn während die Reben für den einfachen DOC Prosecco meistens in der heißen Ebene stehen, befinden sich die Rebflächen des ursprüngliche Kernlands weiter oben in einem Hügelgebiet, wo die Reben von den kühlen Nächten profitieren und eine gute Säurestruktur aufbauen können. Außerdem schreiben die DOCG-Regularien eine strenge Begrenzung der Erntemengen vor, damit nur wertvollstes Lesegut für die Herstellung des Prosecco verwendet wird.
Hier, an den Hängen des Bergs Cartizze in Valdobbiadene, wächst auch der vielleicht spannenste, jedenfalls aber der hochwertigste Prosecco: der DOCG Prosecco Superiore di Cartizze. Er wächst auf einem 107 Hektar großen Gebiet nahe Valdobbiadene, wobei die Reben auf einem steilen Hang aus Mergel, Sandstein und Lehm stehen, der sich wie ein Amphitheater krümmt, in dessen Kessel sich die Sonne fängt und dafür sorgt, dass die spät reifenden Trauben genügend Licht und Wärme bekommen. Die Einzellage Cartizze ist die begehrteste Lage innerhalb des riesigen Prosecco-Gebietes. Auf etwa fünf Prozent der Fläche wird hier weniger als ein Prozent der Erntemenge erzeugt: Es sind die besten Trauben, die die Region hervorbringt.
Cartizze wird fast ausschließlich „Dry“ ausgebaut – ansonsten unterscheidet man aber folgende Geschmacksrichtungen bei Prosecco, wobei „Extra Dry“ vielleicht die verbreiteste ist:
- Brut Nature: 0 bis 3 Gramm Restzucker pro Liter
- Extra Brut: 0 bis 6 Gramm Restzucker pro Liter
- Brut : 0 bis 12 Gramm Restzucker pro Liter
- Extra Dry: 12 bis 17 Gramm Restzucker pro Liter
- Dry (sec, secco, asciutto, trocken): 17 bis 32 Gramm Restzucker pro Liter
- Medium Dry (demi sec, halbtrocken): 32 bis 50 Gramm Restzucker pro Liter
- Dolce (süss): über 50 Gramm Restzucker pro Liter
Wie Cartizze bezeichnet auch der DOCG Prosecco Superiore Rive einen Lagenprosecco. Er muß aus einer einzigen von insgesamt 43 Gemeinden kommen und wächst auf steileren Hängen als der Cartizze. Sowohl für den Rive als auch den Cartizze sind, anders als bei den anderen Prosecco, traditionelle Flaschengärung vorgeschrieben!
Eine weitere DOCG neben Conegliano-Valdobbiadene ist die DOCG Prosecco Colli Asolani (oder Asolo Prosecco). Auch hier nimmt Glera mit 85 Prozent den Hauptbestandteil ein, daneben wird Chardonnay und Pinot Nero (Spätburgunder), sowie Weiß- und Grauburgunder verwendet.
Seit 2021 gibt es außerdem auch noch einen DOC Prosecco Rosé. Dabei handelt es sich um einen im Tankgärungsverfahren hergestellten Spumante, der genau wie der normale DOC Prosecco auch aus mindestens 85 Prozent Glera bestehen muss, die restlichen 15 Prozent und auch die Farbe steuert Pinot Nero bei, also die hierzulande als Spätburgunder bekannte Rebsorte. Abgesehen davon, dass der Prosecco Rosé immer ein Schaumwein (Spumante) sein muss, ist auch vorgeschrieben, dass die Trauben des Grundweins aus einem Jahrgang stammen müssen. Deshalb handelt es sich bei ihm auch immer um einen sogenannten „Millesimato“, einen Jahrgangsprosecco – der darüber hinaus nur in den Geschmacksrichtungen von Brut Nature bis Extra Dry – mit maximal 17 Gramm Restzucker pro Liter also – erhältlich ist.