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Schweiz

Wein aus der Schweiz ist außerhalb des eigenen Landes kaum bekannt – weniger als ein Prozent der Produktionsmenge wird exportiert (davon aber die Hälfte, 300.000 Liter, nach Deutschland). So weiß auch kaum jemand, dass in der Schweiz über 200 verschiedene Rebsorten angebaut werden (auch wenn nur fünfzig davon auf über zehn Hektar) angebaut werden.

Schweiz_Weinanbaugebiet

Weinbau

Die Schweiz ist geprägt von den Alpen, die sich insgesamt über eine Gesamtfläche von fast 200.000 Quadratkilometern erstrecken. Mit 82 Bergen über 4.000 Meter Höhe zählen die Alpen zu den größten Gebirgen der Erde, wobei bis auf eine Ausnahme alle diese 4.000er in den Westalpen liegen, also in Frankreich, Italien und insbesondere auch in der Schweiz. Nichtsdestotrotz wird hier in fast allen 26 Kantonen Wein angebaut (mit jeweils eigener Gesetzgebung auch für den Weinbau), die sich jedoch insbesondere auch klimatisch sehr voneinander unterscheiden.

Sechs Weinregionen stehen dabei im Vordergrund, vier davon decken sich mit den gleichnamigen Kantonen:

  • Wallis (deutsch und französisch)
  • Waadt (französisch)
  • Tessin (italienisch)
  • Genf (französisch)

In folgenden Regionen findet man Weingärten mehrerer Kantone:

  • Drei-Seen-Land (deutsch und französisch)
  • Deutsch-Schweiz (deutsch und rätoromanisch)

Nach Jahrzehnten der Isolation, in denen die Schweiz Schutzzoll erhob, wird nirgends in der Schweiz preiswerter Massenwein produziert – obwohl mit nur 15.000 Hektar Rebfläche fast regelmäßig so hohe Erträge erreicht werden wie bei den deutschen Nachbarn. Das und die Chaptalisierung (wo nötig) sorgen trotz steiler Hänge – Weinbau findet in der Schweiz hauptsächlich in einer Höhe von 400 bis 600 Meter statt – und hoher Unterhaltskosten dafür, daß sich der Weinbau lohnt. Dabei liegen in der Schweiz einige der höchsten Weinberge Europas. Sie ist Heimat der ersten Rebgärten, die an Europas großen Weinflüssen Rhein und Rhône angelegt wurden. Beide Flüsse entspringen im Gotthardmassiv.

Klima

Die Höhenlage der Reben (bis auf 1.100 Meter Höhe an den Hängen des Visperterminen im Wallis), die Bodenbeschaffenheit und die Neigung der Weinhänge variieren praktisch ebenso stark wie das Klima, aber insbesondere im bergigen Graubünden hilft der Föhn, dass die Trauben ausreifen.

Der Föhn ist ein warmer Südwind, der in den Alpen als Fallwind auf der windabgewandten Seite der Berge auftritt und insbesondere in Tälern, die durch ihre Nord-Süd-Ausrichtung oft unter Föhneinfluß stehen, für ein spürbar milderes Klima sorgt. Im Frühjahr bringt er die Wärme Italiens mit, was zu einer deutlich früheren Schneeschmelze führt, und im Herbst verlängert er die Vegetationsphase der Trauben und sorgt dafür, dass sie genügend Zeit haben um auszureifen. Überhaupt wäre Landwirtschaft ohne den warmen Föhn in den Alpen kaum möglich. Oft transportiert der Föhn außerdem Saharastaub mit sich der eine düngende Wirkung hat. Aber so segensreich der Wind auch ist – er kann auch Sturmstärke erreichen und hat dann auch eine zerstörerische Wirkung. Gerade im Herbst kann der Föhn Lawinen auslösen, schneisen in den Wald schlagen und für große Schäden sorgen.

Im Herbst und im Frühjahr tritt der Föhn am häufigsten auf. Er steigt dann von Italien kommend über den Alpenhauptkamm – und bläst vom Berg kommend weit in den Voralpenraum hinein. Wo Luft gezwungen wird über ein Gebirge zu steigen, kühlt es sich unweigerlich ab – es bilden sich Wolken und regnet. Oben angekommen, hört der Regen auf und die Wolken haben sich aufgelöst. Die Luft, die dann ins Tal bläst, ist extrem trocken und hat nur noch eine Luftfeuchtigkeit von etwa 10 bis 15 Prozent.

Rebsorten

Grundsätzlich werden in allen Kantonen Trauben für die Weinherstellung angebaut. In den letzten Jahren liefern die Kantone der französischsprachigen Westschweiz über vier Fünftel der Gesamtmenge, während nur 17 Prozent der Rebfläche in der deutschsprachigen Schweiz zu finden sind. Aktuell werden dabei etwa zu 57 Prozent Rotwein angebaut, zu 43 Prozent Weißwein – davon der Großteil (62 Prozent) Chasselas (was einer Rebfläche von etwa 3.800 Hektar entspricht).

Die weiße Rebsorte Chasselas begnügt sich mit durchschnittlich guten Standorten, will allerdings vor zu kalten Winden geschützt stehen. Bevorzugt eignen sich tiefgründige, nicht zu trockene Böden, aber sie reift auch auf flachgründigen Gesteinsverwitterungs- und auf Kalkböden. Bei mittelfrüher Reife und durchschnittlichem Mostgewicht können auf fruchtbaren Standorten 100 Hektoliter pro Hektar erreicht werden. Da die Beeren nicht sehr anfällig für Fäulnis sind, läßt ein Abwarten im Herbst eine höhere Qualität zu. Allerdings gab es in jüngster Vergangenheit auch eher schlecht Jahre: 2016 konnten nur etwa 65 Prozent, 2017 sogar nur knapp über fünfzig Prozent der üblichen Menge produziert werden. Zuletzt hat sich auch in der Schweiz die Klimaerwärmung bemerkbar gemacht. (Sechzig Prozent des Bedarfs der Schweiz wird sowieso durch Importe gedeckt – unter anderem viele Burgunderweine -, in diesen Jahren sogar die vierfache Menge der Eigenproduktion von durchschnittlich einer Million Hektoliter Jahr bei durchschnittlich 75 Hektoliter pro Hektar.)

Chasselas-Reben werden weltweit angebaut – in Deutschland konzentriert sich ihr Anbau nahezu ausschließlich auf das badische Markgräflerland zwischen Freiburg und der Grenze zur Schweiz. Dort stehen 1.100 Hektar von insgesamt 1.140 in Deutschland – sie wird hier Gutedel genannt.

Mit 5.000 Jahren ist Gutedel/Chasselas eine der ältesten Kulturreben der Welt. Ihre Urheimat wird in Palästina vermutet, der Anbau am mittleren Nil (vor 5.000 Jahren) gilt als verbürgt. Von Oberägypten aus wurde sie vermutlich durch die seefahrenden Phönizier weiter verbreitet und vor über 500 Jahren auch in der Schweiz eingeführt. Anfang des 16. Jahrhunderts gelangte der Gutedel in französische Anbaugebiete: Südwestlich von Mâcon sollen die Reben bei dem Ort Chasselas angebaut worden sein. Eine Erklärung für das bis heute in den französisch sprechenden Anbaugebieten der Schweiz gängige Gutedel-Synonym. Eine große Verbreitung in Deutschland erfuhr der Gutedel durch die Aktivitäten des Markgrafen Friedrich von Baden, der 1780 aus Vevey am Genfersee Pflanzgut einführte.

Chasselas ist eher geschmacksneutral, nicht sehr expressiv und spiegelt sehr gut das Terroir, auf der sie gedeiht, wider. Ihrer zurückhaltenden Aromatik (in der Nase) steht im Idealfall eine subtile Mineralität entgegen, sowie eine ausgeprägte Säure, weshalb sie auch einen Klassiker zu Käsefondue ist (Käsefondue besteht übrigens aus je einem Drittel Emmentaler, Appenzeller und Grayezer. Dazu passt eigentlich nur Chasselas – oder Schwarztee). Dafür jedoch, um einem Überschuss an Säure entgegenzuarbeiten, wird in der Schweiz oft ein biologischer Säureabbau (BSA) durchgeführt (um ein ausgeglicheneres Zucker-Säure-Verhältnis zu erhalten). So erhalten Chasselas-Weine eine besonders milde Art.

Mehr Anteil am Rebsortenspiegel als Chasselas hat nur Pinot Noir mit 4.000 Hektar, womit die Schweiz an achter Stelle weltweit ist. An dritter Stelle steht die Gamay-Traube mit etwa 1.300 Hektar. Sie hat in der Schweiz die zweitgrößte Verbreitung der Welt nach dem Beaujolais. Hier aber wird er nicht mit der Máceration Carbonique verarbeitet.

Seit den 1980er Jahren erfreuen sich die autochthonen Rebsorten wieder zunehmender Beliebtheit: Mit Petite Arvine (177 Hektar) und anderen ist das Wallis hier Vorreiter, doch auch andere Regionen besinnen sich auf ihre Wurzeln. Ansonsten fanden viele französische Rebsorten aus anderen Weinbauregionen in der Schweiz eine zweite Heimat – etwa die Savagnin Blanc (127 Hektar) aus den Savoyen (im Wallis unter Heida bekannt), Pinot Gris (230 Hektar) sowie die im Tessin vorherrschende Merlot (1.100 Hektar), die 1906 aus dem Bordeaux eingeführt wurde, nachdem die Reblaus fast die gesamte Region zerstört hatte. Insbesondere aber Pinot Noir wurde seit Ende der 1990er Jahre gepflanzt und macht heute einen Großteil der Rebflächen aus. Andere internationale Rebsorten wanderten erst später ein, weshalb das Dreigespann: Chasselas – Pinot Noir – Gamay das Gros ausmacht.

Allerdings gibt es immer noch einige typische Schweizer Weine, wie zum Beispiel:

  • Dôle: eine traditionelle rote Assemblage aus dem Wallis, die zu 85 Prozent aus Pinot Noir und Gamay besteht beziehungsweise im Wallis zu 100 Prozent aus Pinot Noir und Gamay oder 85 Prozent Pinot Noir und Gamay und anderen walliser Sorten
  • Fendant: 100 Prozent Chasselas und 100 Prozent aus dem Wallis
  • Completer: in Graubünden beziehungsweise in der „Bündner Herrschaft“ zwischen Chur und Zürich
  • Bondola: im Tessin, das praktisch nur Rotwein erzeugt
  • Oeile de Perdrix („Auge des Rebhuhns“): Rosé aus Pinot Noir, wobei in Neuenburg zehn Prozent Pinot Gris oder Pinot Blanc dazugegeben werden können (nicht in der restlichen Schweiz)
  • Non Filtré: Neuenburger moussierender Chasselas-Primeur aus der dritten Januar-Woche

Anbaugebiete

Zu Beginn der 1990er Jahre führten die Kantone ein Appellationssystem nach französischem Vorbild ein. Doch die komplexeren und oft infrage gestellten Ursprungsbezeichnungen der Weine folgen in jedem Kanton einer eigenen Logik. Im Wallis und in Genf etwa sind die Rebsorten ausschlaggebend, während das Waadtland den Erzeugungsort als Grundlage nimmt. Dasselbe gilt für die Qualitätsangaben, die ebenfalls von Region zu Region variieren. (2001 wurde das früher übliche Strecken Schweizer Weine mit Importweinen verboten.)

In der Ostschweiz wachsen rund 17 Prozent der Schweizer Weine, meist auf isolierten, exponierten Lagen, auf denen auch Pinot Noir ausreift, der im 17. Jahrhundert aus Frankreich kam. Die Kantone Aargau, Zürich, Schaffhausen und Thurgau liefern die besten Ergebnisse sowie die Bündner Herrschaft in Graubünden (am jungen Rhein bei Chur). Spezialität der Region ist die alte, seltene Rebsorte Completer.

Deutsch-Schweiz

Unter der Bezeichnung „Deutsch-Schweiz“ werden 17 Weinkantone (überwiegend der Ost-Schweiz) zusammengefaßt, die gemeinsam auf etwa 2.650 Hektar Anbaufläche kommen. Die Deutsch-Schweiz wiederum läßt sich in drei große Bereiche einteilen:

  • im Westen befinden sich die Weingebiete der Kantone Basel (105 Hektar) und Aargau (400 Hektar)
  • im Zentrum Zürich (640 Hektar), Schaffhausen (490 Hektar) mit dem sogenannten „Schaffhausener Blauburgunderland“ beim Rheinfall, wo guter Pinot Noir auf recht kalkhaltigen Böden in den Jura-Voralpen wächst, sowie Thurgau (270 Hektar) am südlichen Ufer des Bodensees.
  • im Osten St. Gallen (220 Hektar) und Graubünden (410 Hektar).

Das wichtigste gemeinsame Merkmal dieser äußerst vielfältigen Region ist, dass überall vorwiegend Pinot Noir angebaut wird und Müller-Thurgau. Müller-Thurgau ist eine Kreuzung aus Riesling und Madleine royal, die von dem Schweizer Dr. Müller aus dem Thurgau gezüchtet wurde und hier oft auch Riesling-Sylvaner genannt wird. Dr. Müller lebte von 1850 bis 1927 und züchtete Müller-Thurgau in der deutschen Forschungsanstalt Geisenheim, was auch den Erfolg der Rebsorte in Deutschland erklärt: den knapp über 400 Hektar in der Schweiz stehen nämlich über 13.500 Hektar (13 Prozent Rebflächenanteil) in Deutschland gegenüber (überwiegend in Rheinhessen mit 4.400 Hektar und Baden mit 2.700 Hektar sowie der Pfalz, wo 2.300 Hektar stehen).

Müller-Thurgau reift früh und liefert unkomplizierte, manchmal blumige, mit feinen fruchtigen Muskataroma versehene Weine. Die Säure fällt eher mild, bei Weinen mit nördlicher Herkunft mitunter auch etwas betonter aus. Der Ausbau erfolgt meist in Edelstahltanks, mit denen gut die Frische und der Sortenduft erhalten werden kann. Er gilt als ertragssicher. Tragen sie die Bezeichnung Rivaner auf dem Etikett, so kann man davon ausgehen, dass es sich um einen trockenen, eher jugendlichen, leichten und frischen Müller-Thurgau handelt.

Tessin

Bis auf die Alpen, die für den Weinbau zu kalt sind, wird fast überall in der Schweiz Wein kultiviert. Dabei ist das Tessin das einzige Schweizer Weinbaugebiet südlich der Alpen. Es wird bereits vom Meeresklima erfasst, das ergiebig Niederschläge, aber auch viel Sonne mit sich bringt. Ideale Bedingungen also für die aus dem Bordeaux eingeführte Rebsorte Merlot, die hier seit einem Jahrhundert die Vorrangstellung einnimmt. Sie gedeiht auf 95 Prozent der knapp über 1.000 Hektar Rebfläche – sowohl auf den steil abfallenden Terrassenhängen im Norden des Kantons (Granit), als auch an den sanft ansteigenden Lagen im Süden (Kalk– und Lehmböden).

Verbreitet ist hier im mediterranem Klima mit den häufigen Niederschlägen die Pergolaerziehung: So kann der Wind die Reben besser trocknen (und die Trauben bilden weniger Zucker und Alkohol). Im Tessin wird der Merlot bisweilen zu Weißwein verarbeitet und oft im Barrique ausgebaut. (Blanc(s) de Noir(s) fallen in der Schweiz in die Kategorie Weißwein.) So stammen aus dem Tessin einige der renomiertesten Weine. Auf 14 Hektar wird auch die Neuzüchtung Gamaret angebaut, ein Rotwein. Rebsortenweine aus dem Tessin gelangen unter der Bezeichnung „Ticino DOC“ in den Handel.

Drei-Seen-Land

Das Tessin liegt im Süden der Schweiz an der Grenze zu Italien. Hier befinden sich der Lago Maggiore und der Lugana-See. Die Region im Westen der Schweiz mit dem Namen Drei-Seen-Land gruppiert sich mit insgesamt 930 Hektar Weinbaufläche um den Bielersee (221 Hektar) im Kanton Bern, den Murtensee (105 Hektar) mit dem „Vully AOC“, der einzig kontrollierten Ursprungsbezeichnung die auf zwei Kantone (Waadt und Freiburg) aufgeteilt ist, sowie den Lac de Neuchâtel, auch Neuenburgersee genannt, mit 604 Hektar der größte der drei Bereiche. An den sanft abfallenden Hängen, die sich vom Neuenburgersee in der französischen Schweiz bis zu den deutschsprachigen Jura-Voralpen mit ihren lehm– und kalkhaltigen Böden erstrecken (ganz im Nordwesten der Schweiz besitzt der Kanton Jura etwa sieben Hektar Rebberge) dominieren zwei Rebsorten: Die einzige AOC-bewilligte Rebsorte ist Pinot Noir mit 445 Hektar – aus der auch er einzigartige Rosé „Oeil-du-perdrix“ („Auge des Rebhuhns“) bereitet wird -, sowie Chasselas, die in der Schweiz auf 62 Prozent der Gesamtrebfläche angebaut wird (was 3.800 Hektar entspricht).

Waadt

Wird Weißwein aus der französischen Schweiz ohne Rebsortenangabe verkauft, handelt es sich immer um 100 Prozent Chasselas. Und wenn darüber hinaus nichts anderes angegeben ist, ist der Wein auch trocken. Das gilt insbesondere für Weine aus der Region Waadt. Seit Jahrhunderten versorgen die Winzer der Suisse romande, der französischen Schweiz, die deutschsprachigen Kantone im Norden mit ihnen.

Waadtland ist „Chasselas-Land“. Hier reifen die Weintrauben langsam im milden Klima des Genfer Sees – über 60 Prozent (fast 2.300 Hektar von 3.800 Hektar) sind ausschließlich der Chasselas vorbehalten. Die Erträge liegen generell relativ hoch, dennoch bringen die besten Weinberge am nördlichen Ufer des Genfer Sees in den Weinberterrassen der Region Lavaux die weltweit charaktervollsten Erzeugnisse aus der leichten Traube hervor.

Die Rebflächen am Genfer See befinden sich am Nordufer zwischen Montreux im Osten und Lausanne etwa in der Mitte des Sees. Die Landschaft hier ist sicherlich eine der schönsten in der Schweiz – und wie geschaffen für Weinbau. Denn die mächtigen Berge der Savoyer- und Waadtländer Alpen strecken sich im Süden und Osten gen Himmel und halten so die kalten Winde ab. Die Berge und der See sorgen für ein mildes Klima in einer alpinen Region – ideal für Pinot Noir, die klassische Rebsorte für Weine aus kühleren Regionen. Doch eigentlich ist das Lavaux das Reich für Weißweine – und eben insbesondere auch Chasselas.

Bodenbeschaffenheit, Luftfeuchtigkeit, die sonnige Lage – dieses Terroir ist ideal für die weiße Rebsorte. Wenn am Morgen die Sonnenstrahlen den Nebel vertrieben haben, scheinen sie direkt in die Weinberge. Die Winzer hier sprechen mitunter sogar von „drei Sonnen“, die die etwa 800 Hektar Rebfläche des Lavaux verwöhnen – so erklären hier die Leute das besondere Mikroklima, das ihren Wein so einzigartig macht. Sie meinen damit zum einen die Sonnenstrahlen, die direkt auf die Rebstöcke treffen, zum anderen den Wärme spendenden Genfer See, der darüber hinaus noch zusätzlich Licht reflektiert. Außerdem auch noch die Steinterrassen in den Weinbergen, die die Wärme speichern und insbesondere Nachts wieder abstrahlen.

Lac Léman heißt der Genfer See auf französisch und „Lem an“ nannten ihn bereits die Kelten: „Grosses Wasser“. Er ist nicht nur der zweitgrößte See Mitteleuropas, sondern er ist auch bis zu 300 Meter tief – ein riesiger Wärmespeicher mit Temperaturen um die 25 Grad Celcius im Sommer, der, anders als manchmal der Bodensee, selbst im härtesten Winter nicht zufriert. Wie ein gigantischer Spiegel reflektiert er die Sonnenstrahlen und wärmt so auch Felsen und Mauern in den Weinbergen.

Den Wein brachten die Römer an den Lacus lemanus, führte doch eine wichtige Römerstraße entlang des Seeufers. Sie erkannten das Potential der Landschaft, die in der Eiszeit entstanden ist: Denn wiie er das Becken des Genfer See gegraben hat, so sind auch die Hänge, auf denen die Weinberge des Lavaux stehen, vom eiszeitlichen Rhône-Gletscher geformt. Gletscher waren es auch, die die mineralienreichen Böden zwischen den Felsen abgelagert haben. Um sie in den Hängen zu halten, begannen Zisterziensermönche aus dem Kloster Citeaux im Burgund im Mittelalter, ab dem 12. Jahrhundert, die schwindelerregend steilen Hänge urbar zu machen und mit Mauerwerk befestigte Terrassen anzulegen, auf denen sie Rebstöcke pflanzten. Mit dem Terrassenweinbau steigerten sie Ertrag und Qualität des Weines und legten gewissermaßen den Grundstein für den modernen Weinbau am Genfersee. Gleichwohl kommt es noch immer zur Erosion der wertvollen Erde und so muss die vom Regen abgeschwemmte Krume immer wieder in die Weinberge zurückgetragen werden.

Die Häuser in den Winzerdörfer am Genfer See stehen heute dicht gedrängt – die Erde ist hier kostbar. Manche Weinbauern bewirtschaften seit über zwanzig Generationen dieselben Weingärten. Von all den Winzerdörfern ist vielleicht Saint-Saphorin das bekannteste, seine Geschichte reicht bis in die Römerzeit. Auf einer Grabstätte aus frühchristlicher Zeit im 5. Jahrhundert wurde auch die Dorfkirche von Saint-Saphorin errichtet. In benachbarten Gemeinden im Zentrum der Region gedeihen außerdem zwei AOC Grand Crus: Der tongeprägte Calamin ist 16 Hektar groß und befindet sich in der Gemeinde Epesses, während die 54 Hektar von Dézelay in der Gemeinde Puidoux liegen und mehr Kalk aufweisen (Chasselas wurzeln hier zwölf Meter tief in SchieferGranitKalk-Gestein). Der Calamin gerät eher flintig, der Dézeley ruhig beziehungsweise rauchig.

Das Dézelay ist das Terroir mit den steilsten Lagen im Lavaux. Bis heute ist die Arbeit in diesen Weingärten mühsam. Eine Hilfe sind da schwindelerregende Ein-Schienen-Bahnen, sogenannte Monorail. Sie transportieren Menschen und Material bis in die obersten Terrassen und helfen, die gelesenen Trauben zu bergen.

Auch der Bereich La Côte zwischen Lausanne und Genf am Südende des Sees widmet sich der Chasselas, hier entsteht tradition aber auch der rote Savagnin, ein Verschnitt aus der Gamay und der lokalen Pinot-Sorte Servagnin (langsam entsteht auch feiner Merlot oder Gamaret, eine Kreuzung aus Gamay und weißem Reichensteiner). Die Landschaft hier ist offener und nicht so gebirgig: Die Rebflächen finden sich in der Ebene genauso, wie weiter östlich in den 450 bis 600 Meter hohen Ausläufern der Alpen in der dritten Region des Waadlands, der sogenannten Chablais. Hier erreicht die Chasselas um Aigle, Ollon und Yvorne rekordverdächtige Reifegrade.

Im Norden des Kantons erstrecken sich an den Ufern des Neuenburger- und Murtensees noch die kleineren Appellationen Bonvillars, Côtes-de-l`Orbe und Vully. Als eine Besonderheit gilt auch hier der sogenannte „Waadländer Pott“ – eine 0,7 Liter fassende Flasche.

Genf

Weinbau hat im Waadtland eine lange Tradition. Diese Weibautradition – sowie die wunderbare Landschaft – konnte mithilfe von akribischer Landschaftspflege und -planung erhalten werden. Daneben aber denkt man in der Schweiz aber auch innovativ: Insbesondere in der Region Genf hat sich hier mehr getan als in in den anderen Gebieten.

Juragebirge, Voralpen, Genfersee und Rhône schaffen in der Region Genf ein ganzes Mosaik von Mikroklimas. Dies und die ebenso vielfältigen Bodenbeschaffenheiten regen die Winzer hier dazu an, den traditionellen Rebenbestand (Gamay, Chasselas, Pinot Noir, Gamaret und Chardonnay) um neue Sorten wie Merlot und Sauvignon Blanc zu erweitern. Insgesamt 25 Rebsorten werden inzwischen angebaut. Ein französischer Einfluß ist dabei unverkennbar (auch 100 Hektar auf französischem Gebiet zählen zur Appellation Genf).

Die 1.400 Hektar Rebfläche verteilen sich auf drei Gebiete: Das Mandemont (mit Satigny als größter Weinbaugemeinde des Landes) am rechten Ufer der Rhône gelegen, wo die reifsten, genussvollsten Chasselas-Erzeugnisse herkommen. Außerdem das Gebiet Entre Arve et Lac, das relativ milden Wein erbringt, sowie das Areal Entre Arve et Rhône, ebenfalls mit milden, eher blassen Weinen, die hier auf lehmigen und sandigen, mancherorts aber auch kies– und kalkhaltigen Böden wachsen.

Wallis

Bei Genf verläßt die Rhône die Schweiz und fließt nach Frankreich in Richtung Mittelmeer. Zuvor wird sie überall gesäumt von Weinbergen: in Genf und den charakteristischen, nach Süden ausgerichteten sanften Hügeln des Waadtlandes – ein fast ununterbrochener Gürtel rebenbestandener Südhänge säumt das Nordufer des Flusses – und schließlich auch in dem tiefen Tal, das sich die junge Rhône in ihrer Quellregion im Gotthardmassiv in den Alpen gegraben hat.

Hier am Oberlauf der Rhône im Kanton Wallis, in der größten Schweizer Weinregion (fast 5.000 Hektar), ragen spektakuläre, oft terrassenförmig angelegte Weinberge mitten in den Alpen auf. Die Rhône hat hier eine tiefe Schneise gegraben in ein Tal, dass sich vor 20.000 Jahren nach dem Rückzug der Gletscher gebildet hat. Hier herrscht ein einzigartig gemäßigtes, kontinentales Klima, in dem es durch die Höhe (zwischen 500 und 700 Meter mit durchschnittlichen Temperaturen von 16 Grad Nachts im Sommer) nicht schwül ist und aussergewöhnlich trocken: der durchschnittliche Niederschlag liegt mit 400 bis 650 Millimeter pro Jahr bei etwa zwei Drittel der Regenmenge von Bordeaux. Seit dem Mittelalter bauen die Winzer deshalb Kanäle („bisses“) für die Versorgung mit Bergwasser.

Gemeinsam mit den alpinen Bedingungen mit strahlender Sonne und heftigem Föhn (deshalb gibt es praktisch keinen Hagel und keine Spätfroste) im Herbst entsteht so ein Mikroklima, in dem sich insbesondere spätreifende Sorten wohl fühlen und konzentrierte, hochreife Weine entstehen. Dabei handelt es sich oft um regionaltypische Sorten – eine reichhaltige Palette von über fünfzig verschiedene Rebsorten, die auch von der unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit profitieren: die mineralischen Böden bestehen aus Kalk mit verwittertem Granit, Schiefer, aber auch Kies und Geröll.

Die Rebberge des Wallis erstrecken sich über 100 Kilometer Länge entlang der Rhône, nicht selten in terrassierten Steillagen mit Tröpfchenbewässerung. Die ersten Reben stehen bei Brig (hier werden Lafnetscha, Himbertscha, Gwäss alias Gonais Blanc und Heida angebaut). Gleich südwestlich liegt in Visperterminen auf 1.100 Meter über dem Meer, fast im Schatten des Matterhorns, einer der höchsten Weinberge Europas. Die Heida gerät dort sehr konzentriert und reichhaltig.

Weinbau im großen Stil – fast vierzig Prozent der Schweizer Produktion finden hier statt – beginnt kurz vor Sierre, einem der trockensten Orte der Schweiz, und reicht bis Martigny. Hier arbeiten 20.000 Winzer, von denen jedoch nur 500 selbst Wein erzeugen.

Die beherrschende weiße Traube des Wallis ist Fendant (wie die Chasselas hier heißt!). Das rote Pendant ist der Dôle. Den größten Erfolg unter den 27 weißen Trauben im Wallis verzeichnet die Petite Arvine. Ihre nervige Säure und ihr beträchtlicher Extrakt entfalten sich im trockenen Klima von Sion und Martigny besonders gut (8.000 Kilogramm pro Hektar und 56 Hektoliter pro Hektar dürfen hier maximal gelesen werden). Petite Arvine kann gut Zucker einlagern und ist aromatisch. Traditionell wird sie mit einem biologischen Säureabbau (BSA) vinifiziert und hat Aromen reifer gelber Früchte sowie typische Aromen kandierter Früchte, von Orangenschale, außerdem ist sie mit ihrer Mineralik eine gute Speisenbegleiterin.

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