Weinglossar

Balkan

Die meisten ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken sind im Weinbau aktiv und blicken auf eine lange Tradition zurück. Ihre Weine aber finden bisweilen nur lokales Interesse: Die wenigsten sehen jemals ein Etikett, sondern die Abfüllungen werden vor Ort konsumiert oder von industriellen Großproduzenten en gros verkauft. So bleibt die Qualität der Weine aus Slowenien und Kroatien bisher unerreicht.

Balkanregion_Weinanbaugebiete

Bosnien und Herzegowina

Das gebirgige Binnenland von Bosnien und Herzegowina war einst ÖsterreichUngarns wichtigste Weinregion. Noch heute entstehen bei Mostar aus der seltenen, erstaunlich fruchtigen, autochthonen Rebsorte Zilvaka einige aromareiche, nach Aprikose duftende Weißweine. Inzwischen dominiert aber die schlichtere, dunkelschalige Blatina.

Nach den Kriegen der 1980er Jahre blieben weniger als 4.000 Hektar Rebland übrig, unter anderem südlich von Mostar in der Herzegowina.

Bosnien und Herzegowina_Weinanbaugebiete

Die Weinanbauflächen liegen dort direkt am Fluss Neretva, der die karstigen Berge des Dinarischen Gebirges von Norden nach Süden durchquert, bevor er in Kroatien in die Adria fließt. Während der Oberlauf des Flusses von dichten Wäldern gesäumt ist – mehr als sechzig Prozent der Fläche von Bosnien und Herzegowina sind bewaldet und Holzwirtschaft der wichtigste Wirtschaftszwei des Landes – findet weiter südlich auch Weinbau an seinen Ufern statt. Der Neretva sorgt dort für das notwendige Wasser im trockenen, sonnenverwöhnten mediterranen Klima. Nicht umsonst wird die Herzegowina auch „das Kalifornien des Balkans“ genannt.

In Mostar verbindet eine alte Brücke über den Neretva die beiden Ufer, die als die schönste Brücke des Balkan gilt. Sie gab der Stadt auch ihren Namen: „Brücke“ heißt in der bosnischen Sprache „Most“, „Stari Most“ bedeutet „Alte Brücke“. Schon 1566 wurde sie vom osmanischen Architekten Mimar Hayreddin, einem Schüler des legendären Sinan (1490?-1588) – dem bedeutendsten Baumeister des Osmanischen Reiches – im Auftrag des Sultans erbaut. Genau 1.088 Steinblöcke setzte er für und verband die Quader mit Eisenkrampen. An der schmalsten Stelle der von der Neretva gegraben Schlucht trug nun ein schlankes Gewölbe über den Fluss.

Die alte Brücke von Mostar überspannt den Fluss in etwa zwanzig Meter Höhe, und zwanzig Meter in etwa beträgt auch die Entfernung zwischen den Ufern. Wie groß die Entfernung aber zwischen den beiden Stadtteilen ist, die sie verbindet, ist schwer einzuschätzen. Denn Mostar ist seit dem unheilvollen Bürgerkrieg, Bosnienkrieg (1992-1995) genannt, eine geteilte Stadt – als die Brücke zerstört wurde und einstürzte. Über 400 Jahre lang hatten Christen und Moslems gemeinsam auf beiden Seiten des Flusses gelebt. Seit dem Ende des Krieges aber leben die beiden Kulturen getrennt voneinander, jeder auf seiner Seite.

Seit die Türken Bosnien erobert hatten, gehörte Mostar zum Osmanischen Reich und war ein wichtiger Handelsplatz auf dem Balkan. Denn die Brücke verband nicht nur die beiden Stadtteile, sondern auch das Hinterland mit der Küste. Und abgesehen vom Warenstrom verband die geschwungene steinerne Brücke auch Kulturen. Doch die alte islamische Brücke ist inzwischen neu: sie wurde nach ihrer Zerstörung im Krieg 2004 rekonstruiert, um aufs Neue zwei Welten miteinander zu verbinden. Auch Kroatien beteiligte sich daran, schließlich war es auch seine Artillerie, die die Brücke mit Granaten beschoss. Dreizehn von ihnen trafen – und Unglück haben sie auch gebracht. Zeit, das sich etwas ändert, dachte man sich vielleicht. Und womöglich ist die Brücke heute tatsächlich noch wichtiger, als sie es in der Vergangenheit ohnehin schon war!

Serbien

Serbien besitzt eine lange Weinbautradition und hat heute etwa 60.000 Hektar Weingärten, die aber nicht alle bewirtschaftet werden. Fünf industrielle Großkellereien (darunter das Unternehmen „Navip“ mit 1.700 Hektar Rebland) kontrollieren die Produktion, doch auch die Weine der inzwischen über 40 Kleinerzeuger sind sehr vielversprechend. Serbien ist bei seinen Rebsorten eher konservativ: Die dunkle Prokupac erbringt kräftige Rotweine, während die nur selten bemerkenswerte Weißwein-Sorte Smederevka/Suederevo zu halbtrockenen Gewächsen verarbeitet wird (in Sumadija südlich von Belgrad). Serbiens ältester Weinberg heißt Zupa und liegt 130 Kilometer südlich von Belgrad. Der Zupsko Crno („Roter Zupa“) ist ein Verschnitt aus Prokupac und der leichten Plovdina.

Die autonome nördliche Provinz Wojwodina (mit dem berühmten Carlowitz) teilt das extreme Klima der nördlich in Ungarn gelegenen Tiefebene. Welschriesling (Laski Rizling) ist verbreitet, vielversprechend sind aber Pinots in allen drei Farben. Das beste Potential haben die Weingärten auf der Fruska Gora, einem Mittelgebirge, das die flache Landschaft der Wojwodina entlang der Donau nördlich von Belgrad durchbricht. Hier entstehen aromatische Weißweine aus Gewürztraminer und Sauvignon Blanc. Die Landschaft erinnert stark an Kroatiens Binnenland im Westen, während die beiden nördlich gelegenen Bereiche Subotica und Banat an der Grenze zu Ungarn und Rumänien mit ihren Sandböden eher ungarisch geprägt sind. Hier wird die rote Kadarka und die weiße Ezerjó aus Ungarn angebaut.

Serbien_Weinanbaugebiete

Knapp dreißig Kilometer hinter dem kroatischen Vukovar fließt die Donau durch Serbien und seine zwei größten Städte Novi Sad und Belgrad. Wie ansonsten bisher Klöster, thronen hier Burgen über der Donau: als natürliche Grenze zwischen Nord- und Südeuropa war der Fluss oft das Schlachtfeld, auf dem Osmanen, Ungarn und Serben um die Vorherrschaft kämpften. Um ihre Grenzen zu stärken, wurden gerade an den Ufern des Flusses viele Festungen errichtet. Einige dieser Festungen erinnern auch heute noch an die turbulente Geschichte dieser Region. In Novi Sad beispielsweise, gleich nach der kroatischen Grenze, liegt mit der Petrovaradin-Festung eine der mächtigsten Festungen Europas am Ufer der Donau. Sie wurde von den Habsburgern in mehr als 80 Jahren Bauzeit nach ihrem endgültigen Sieg über die Osmanen 1716 errichtet. Etwas weiter erreicht die Donau dann Belgrad.

Belgrad gilt als Tor zum Balkan – danach ist die Donau auf ihrem letzten Drittel. Hinter der mittelalterlichen Festung Ram wird die Donau ein weiteres Mal zur Grenze: auf 230 Kilometern Länge teilen sich von hier ab Serbien und Rumänien den Fluss. In der Nähe von Moldova Veche erreicht die Donau ihre breiteste Stelle: fünf Kilometer sind es hier von Ufer zu Ufer – als wäre sie ein See. Danach schlängelt sich der Fluss durch eine Schlucht, die „Eisernes Tor“ genannt wird – ein Durchbruchstal zwischen den serbischen Karpaten und dem Banatagebirge in Rumänien.

Kurz vor dem Eisernen Tor erhebt sich majestätisch eine weitere Festung: Golubac aus dem 14. Jahrhundert. Sie stand immer wieder im Fokus von Serben, Ungarn und Osmanen, denn strategisch gesehen ist die Festung ein optimaler Kontrollpunkt. Der Fluss zwängt sich von hier aus durch enge Schluchten mit bis zu 300 Meter hohen Felswänden. An ihrer schmalsten Stelle ist die Donau an dieser Stelle gerade einmal 150 Meter breit. Dieser Abschnitt galt wegen seiner Stromschnellen und Strudeln als der gefährlichste überhaupt. Noch im letzten Jahrhundert wurden Schiffe deshalb vom Ufer aus durch die enge Passage gezogen.

1972 wurd das „Eiserne Tor 1“ in Betrieb genommen – eines von zwei Wasserkraftwerken: 450 Meter lang mit einer 50 Meter hohen Staumauer – die fünftgrößte der Welt. Dieses Bauwerk veränderte den Charakter der Donau entscheidend, denn sie hat dadurch ihre Gefährlichkeit verloren, wurde ruhig und langsam. Die vielen Stromschnellen und Wirbel sind seither Geschichte. Dafür hat sie durch den Damm eine Tiefe von etwa 50 Meter erreicht – das ist ihre tiefste Stelle. Das Kraftwerk ist ein Gemeinschaftsprojekt von Serbien und Rumänien, entsprechend wird auch der durch die Donau gewonnene Strom brüderlich geteilt: etwa 15 Prozent des rumänischen Gesamtbedarfs werden hier produziert.

Kosovo

Die Weinindustrie des Kosovo stützte sich lange auf den Export von „Amselfelder“, einen süßen Verschnitt, doch Serbiens Blockade verhinderte das lange. Inzwischen ist Rahovec/Orahovac mit 22.000 Hektar wichtigstes Anbaugebiet und „Stone Castle“, das wichtigste, exportorientierte Unternehmen des Landes, seit 2006 privatisiert.

Kosovo_Weinanbaugebiete

Montenegro

In Montenegro sind etwa 4.300 Hektar mit Reben bestockt – und mit dem Weingut „13 Jul-Plantaze“ befindet sich das größte Weingut Europas in dem Balkanstaat: etwa 2.310 Hektar zusammenhängende Rebfläche werden allein von diesem Weingut bewirtschaftet. Früher wurde fast ausschließlich nach Russland exportiert, das hat sich seit 1990 deutlich geändert.

Rund 70 Prozent der Rebfläche sind mit Vranac bestockt, einem dunklen, tanninreichen Rotwein. Unter dem Namen Kratosija ist auch die aus Kroatien stammende Rebsorte Primitivo (Zinfandel) verbreitet. Bei Weißwein dominiert Krstac, ein grasiger Wein, der insbesondere um den Skutarisee im Süden des Landes angebaut wird.

Montenegro_Weinanbaugebiete

Der Skutarisee, auch Skadarsee genannt, ist mit einer Fläche von 530 Quadratkilometer der größte See des Balkans. Man vermutet, dass auch der See aus einer der in der Region häufig zu findenden „Polje“ entstanden ist – einer Bodenvertiefung durch den Einsturz eines unterirdischen Hohlraums. Jedenfalls befindet sich der See sich in einer der für den Balkan typischen Karstregion mit hohen Niederschlagsmengen und ist fast vollständig von von hohen Bergen umgeben. Im porösen Karstgebirge versickern die Niederschläge schnell und so hat sich im Verlauf Jahrtausende in der Region das größte unterirdische Süsswasserreservoir der Welt gebildet – ein hochkomplexes hydrogeologisches System, von dem der See nur der sichtbare Teil ist. Den unsichtbaren stellt ein unterirdisches labyrinthisches System aus mehreren hundert Kilometer langen Röhren und Höhlen dar, die die unterirdischen Quellen für den Skutarisee bilden, wobei der Kalk und das Gips das Wasser mineralisieren.

Während der heißen und trockenen Sommermonate mit Temperaturen um die 40 Grad schrumpft der Skutarisee auf bis zu ein Drittel seiner Größe – erst im Frühjahr wächst seine Fläche wieder an. Das Wasser schafft dann ein riesiges Feuchtgebiet, das wichtig für die zahlreichen Zugvögel wie den Krauskopfpelikan ist. Insgesamt 260 Vogelarten besiedeln die Süsswasserlandschaft.

Die Feuchtigkeit schafft ein besonderes Mikroklima, in dem sich auch viele Pflanzen wohl fühlen. Zum Problem aber wurde auch hier die Überdüngung in der Landwirtschaft im Uferbereich des Sees, die grundsätzlich zu Verlandung führt, das heißt zur Entstehung von Grasland. Um das zu verhindern, wurde 1983 für den montenegrinischen Teil des Skutarisees mit dem „Skadarsko Jezero Nationalpark“ ein umfassendes Naturschutzgebiet geschaffen. Schließlich hat sich Montenegro in die Verfassung geschrieben, dass das Land nicht nur ein „demokratischer“, sondern auch ein „ökologischer“ Staat ist – während der albanische Diktator Enver Hoxha am Südufer des Sees in den 1970er Jahren alle Bäume fällen ließ und stattessen zahlreiche Betonbunker errichtete.

Albanien

Albaniens Weinindustrie überlebte die Osmanen und die kommunistische Planwirtschaft mit 4.000 Hektar Rebfläche. Die einzigartige Kombination aus mediterranem Klima und einheimischen Trauben lohnt die Weiterentwicklung mit Hilfe aus Italien.

An der Grenze zwischen Albanien und Nord-Mazedonien liegt der Ohridsee – die Grenze verläuft mitten durch ihn. Der etwa 30 Kilometer lange, durchschnittlich etwa 15 Kilometer breite und an der tiefsten Stelle 300 Meter tiefe See ist in seiner heutigen Form über eine Million Jahre alt. Entstanden ist er bereits vor vier Millionen Jahren, als sich hier unterirdische Gesteinssschichten bewegten und eine tiefe Kluft in die Erde rissen. Sie füllte sich dann mit unterirdisch fließendem Wasser aus den umliegenden Karstgebirgen, die aus mehreren Quellen im sandigen Grund in den See sprudelten – der Ohridsee war entstanden, einer der ältesten und tiefsten Seen der Welt. Die zahlreichen byzantinischen Gebäude an seinen steilen Ufern erzählen von mehr als 2000 Jahren Menschheitssgeschichte, als Ohrid noch im Fokus der orthodoxen Kirche stand.

Der prähistorische Quellsee ist nicht nur der älteste See Europas, sondern gilt auch als das Gewässer mit der höchsten Biodiversität weltweit. Allein über 200 autochthone Pflanzen- und Tierarten, die es weltweit nur noch hier gibt, vervollständigen den enormen Artenreichtum. Zu diesen lebenden Fossilien gehört auch die Ohrid-Forelle, eine endemische Spezies mit vier Unterarten. Allerdings ist sie bedroht von Verschmutzung und Überfischung, sodass ihre Population immer weiter schrumpft. Das liegt insbesondere auch daran, dass es in Albanien und Nord-Mazedonien unterschiedliche Umwelt- und Fischereigesetze gibt: Während die Fischerei in Nord-Mazedonien streng verboten ist, dürfen die Fischer aus den urigen Dörfern am albanischen Ufer des Sees die gefährdete Ohrid-Forelle legal fangen. Ein großes Problem für die Nord-Mazedonier – neben dem der zunehmenden Vermüllung des einzigartigen Sees. Inzwischen will sogar die UNESCO den Ohridsee auf die Liste des gefährdeten Welterbes setzen.

Nord-Mazedonien

An der Grenze zu Griechenland entstehen auf den Weinbergen der Republik Nord-Mazedonien auf 22.400 Hektar bessere Weine, seit sie in privater Hand sind. Von den rund 80 Weinbaubetrieben ihrer drei Anbauregionen ist Podvardarje aus dem Vardar-Tal das bedeutenste. Hier dominiert Vranac, der oft mit Cabernet Sauvignon und Merlot verschnitten wird. Unter dem Namen Kratosija ist auch die aus Kroatien stammende Rebsorte Primitivo (Zinfandel) verbreitet. Die vielen Smederevka werden mit Sodawasser verdünnt. Zilavka erbringt einen kräftigen trockenen Wein mit frischer Säure.

Nord-Mazedonien_Weinanbaugebiete
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