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Apulien (Puglia)

Apulien befindet sich am Absatz des „italienischen Stiefels“ und ist mit einer Rebfläche von 90.000 Hektar die zweitgrößte Weinregion des Landes. Etwa ein Fünftel der Gesamtmenge des italienischen Weins wird hier produziert, dabei sind drei Viertel Produktion allerdings als Verschnittwein für den Norden (und Frankreich), für die Herstellung von rektrifiziertem Traubenmostkonzentrat (RTK) und Wermut oder als Rohstoff für die Destillieranlagen gedacht (mit denen man sich auch anderswo in Europa seines Weinsees entledigt).

Apulien_Weinanbaugebiete

Die etwa 90.000 Hektar sind in 32 DOCs und vier DOCGs eingeteilt, von denen die wichtigsten die folgenden sind:

  • Primitivo di Manduria
  • Salice Salentino
  • Puglia (IGT)

Apulien ist die flachste Anbauregion in Italien, was die Weinbergpflege zwar erleichtert, aber wenig Möglichkeiten für eine Flucht vor der gnadenlosen Sommerhitze in höhere Lagen bietet. Außerdem haben Rodungsprämien der Europäischen Union – um den europäischen „Weinsee“ trocken zu legen hat die EU in zwei Programmen 1988 und 2007 Prämien für die Reduzierung der Rebflächen bezahlt (insbesondere in Apulien und im Languedoc) – dazu geführt, dass leider oft alte, schwierig zu bearbeitende Buschreben ausgerissen wurden, die nicht maschinell bearbeitet werden können, aber wenigstens einen natürlichen Schutz vor der Sonne hätten bieten können. Eine ungünstige Situation für Reben in einer Gegend mit vielen Hochebenen.

Salice Salentino

Insbesondere die Rebsorte Negroamaro („schwarz-bitter“ von italienisch „Niger“ und griechisch „Mavros“) hat sich über lange Zeit jedoch an das heiße Klima Apuliens gewöhnt und eine dicke Schale entwickelt, die sie unempfindlich gegen Hitze macht. Sie wurde um etwa 800 v.u.Z. von den Griechen eingeführt. Seine Flaschenkarriere begann er in den 1980er Jahren, als Cosimo Taurino begann die Trauben später zu ernten. Dadurch verloren sie an Flüssigkeit und die Aromen konzentrierten sich: Kirsch- und Rumtopfaromen der überreifen Trauben sorgen für ein angenehmes Gleichgewicht zur feinen Herbe im Abgang auf, Gerbstoffe machen sich in Form einer Note von delikaten schwarzen Oliven bemerkbar.

Das mit Abstand bedeutenste Anbaugebiet für Negroamaro ist um den Ort Salice Salentino. Hier gibt es fruchtbare rote Böden im Inland und kalkhaltige nahe dem Meer. In beiden wächst Negroamaro sehr gut. Für italienische Verhältnisse ist er spätreifend (Ende September/Mitte Oktober). Die Rettung vor der Hitze des Sommers sind die Nächte, die etwas kühler sind und eine stabile Säure garantieren.

Manduria

Etwas berühmter als Negroamaro dürfte vielleicht die Rebsorte Primitivo sein. Sie ist genetisch identisch mit der kalifornischen Zinfandel, aber kroatischen Ursprungs. Unter dem Namen „Primitivo“ wird sie in Italien erstmals 1799 erwähnt – und heute hauptsächlich in Apulien angebaut. Dort wird sie traditionell im westlichen Salento kultiviert, vor allem auf den kalk– und eisenhaltigen Böden in Manduria, ihrer vielleicht bekanntesten Herkunft: Primitivo di Manduria DOCG.

Ihren Namen hat sie aufgrund des Umstands erhalten, dass sie selbst für italienische Verhältnisse früh ausreift, nämlich bereits im August. Ihre Bezeichnung ist ein Verweis auf diese relativ frühe Reife der Traube im Vergleich zu anderen süditalienischen Sorten, bedeutet „primeuve“ doch nichts anderes als „frühe Traube“ im Sinne von „als erste reifend“. Später wandelte sich der Name dann in „Primitivo“. Die Rebsorte ist jedenfalls eine spätreifende Sorte und insofern ideal geeignet für ein warmes, mediterranes Klima – und folglich auch für alle genannten Anbaugebiete. Als wuchskräftige Pflanze fühlt sie sich insbesondere auch auf kargen Böden mit einer guten Drainage wohl. Sie kann dabei aber unter Trockenstress leiden – und ist andererseits bei zu viel Feuchtigkeit anfällig für Pilzerkrankungen und Fäulnis.

Eine Besonderheit der Rebsorte ist – ähnlich wie bei Chenin Blanc – der unterschiedliche Reifegrad der einzelnen Beeren innerhalb einer Traube: die Beeren reifen unterschiedlich aus, sodass sich reife und weniger reife Beeren in einer Traube bisweilen nebeneinander befinden. Deshalb sind mehrere Lesedurchgänge von Hand nötig, um unreife Trauben nicht mitzulesen, was natürlich sehr aufwändig ist.

Außerdem verwandeln sich reife Trauben – anders als bei Cabernet Sauvignon, mit dem er manchmal verglichen wird – relativ schnell in Rosinen, wenn sie nicht zügig geerntet werden. Nicht zuletzt deshalb sind für die Rebsorte zwar warme, aber nicht zu heiße Bedingungen perfekt – idealerweise etwas in der Höhe (wo Mourvèdre vielleicht nicht mehr ausreifen würde), wo die Witterung etwas kühler ist und sich der Wachstumsverlauf dadurch etwas verlangsamt. In Kalifornien praktiziert man das nördlich des warmen Napa Valley, wo die für Feuchtigkeit empfindliche Zinfandel, beispielsweise in der Appellation Dry Creek Valley, an den Bergflanken oberhalb der Nebellinie angepflanzt ist, wo sie von den kühleren Temperaturen profitiert.

Bleibt die Rebsorte zu lange zu viel Wärme ausgesetzt, bildet sie zum Beispiel beim Primitivo di Manduria in den vielen Sommerstunden Apuliens durch die Fotosynthese sehr viel Zucker auf, der dann während der Gärung in hohe Alkoholwerte metabolisiert (umgewandelt) wird. Oftmals jedoch hat die Rebsorte schon so viel aufgebaut, dass nicht der gesamte Zucker umgewandelt wird. Die Weine bleiben folglich süss. Das ist früher durchaus öfter passiert – so ist etwa der Primitivo Dolce naturale DOCG entstanden.

Heute liest man zwar früher, dennoch entstehen aus Primitivo fruchtige, körper- und alkoholreiche Weine, die kaum Säure aufweisen (insbesondere die vielen Landweine, die als IGT Puglia vermarktet werden). Etwas weniger wuchtig, dafür etwas würziger und aromareicher sind sie, wenn Primitivo im Ertrag reduziert wurde und aufgrund des Ausbaus im Barrique, der auch etwas weiche Tannine beisteuert. Mitunter werden Primitivo auch mit etwas Malvasia Nera verschnitten, durch den insbesondere florale Noten hinzukommen. Grundsätzlich sind die kellertechnischen Methoden und Möglichkeiten bei den zahlreichen Genossenschaften in Apulien zwar nicht so ausgefeilt wie in den vielen modernen „Wineries“ in Kalifornien, dennoch werden auch hier mitunter charaktervolle Weine gemacht.

Castel del Monte

Im Norden Apuliens liegt das Castel del Monte des Stauferkönigs Friedrich II., wo in gleich zwei DOCGs Nero di Troia, eine historische Varietät, angebaut wird und mit der DOCG Castel del Monte Bombino Nero die einzige Rosé-DOCG Italiens steht. Bombino Nero hat viel Säure und wenig Zucker. Daraus ergibt sich ein frischer, süffiger, aromatisch-salziger Wein.

Im südlichen Apulien ist die Reberziehungsform des Alberello, die Buscherziehung, charakteristisch. Die Pflanzen erreichen dadurch ein Alter von mehr als achtzig Jahren. Ebenfalls charakteristisch für Apulien sind die vielen weißen Trulli: kleine, dickwandige Häuser mit kegelfömigen Runddächern, die in Trockenbauweise errichtet wurden, also ohne Mörtel. Sie halten im Sommer kühl und im Winter warm und haben hier eine lange Tradition als Hirtenhütten (in Form solcher Hütten findet man die Trulli auch oft in den Weinbergen Rheinhessens). In Alberobello entstand in diesem Stil sogar eine ganze Stadt, als der Feudalherr im 17. Jahrhundert entschieden hat, dass man hier Wohngebäude fortan nur noch als Trulli bauen darf, da diese keine echten Häuser seien. So sparte eine Steuer, die auf neue Siedlungen fällig gewesen wäre.

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