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Rioja

Etwa 63.500 Hektar werden in Rioja heute als Rebfläche genutzt. Als Anbaugebiet kann die Region dabei auf eine lange Geschichte zurückblicken – die Umstellung auf modernen, gewerblichen Weinbau allerdings erfolgte erst Ende des 19. Jahrhunderts, aufgrund der Reblauskatastrophe im benachbarten Bordeaux emigrierten damals nämlich viele Winzer nach Rioja. Sie veränderten die Region und den Weinbau: mit ihnen wurde Rioja zum Massenanbaugebiet und erlebte seine wirtschaftliche Blütezeit.

Geschichte

Ab 1860 begannen Marqués de Riscal und Marqués de Murrieta in Rioja damit, die ersten gewerblichen Bodegas des modernen Weinzeitalters, mit Flaschenabfüllung, zu errichten. Sie orientierten sich dabei am Chateau-System von Bordeaux, wo sich die Weinberge um das Weingut im Zentrum befanden. Dadurch war der Weg zu den Rebstöcken kürzer und wirtschaftlicher – und eine Verarbeitung der Reben ökonomischer. Auf den großen Weingütern wurde der Wein fortan auch, nach einer jahrelangen Reifung in kleinen Eichenfässern, in Flaschen abgefüllt.

Zentrum des Weinbaus in Rioja war um 1870 Haro: von hier aus führte die neu gebaute Eisenbahn zum Hafen von Bilbao und von dort aus nach Frankreich. In Haro konstruierte Gustave Eiffel (1832-1923) auch erstmals einen freitragenden Dachstuhl ohne Stützen – und zwar für das Fasslager von „CVNE“. Denn große Lagerhallen für die kleinen Holzfässer wurden von nun an gebraucht: der lange Ausbau im Barrique sollte zum charakteristischen Merkmal traditioneller Riojas werden.

Zwar kam bereits 1850 der erste „moderne“, im Barrique ausgebaute, Rotwein auf den Markt, aber erst jetzt begann man, nach französischem Vorbild, mit dem massenhaften Ausbau der Weine in den kleinen Holzfässern. 95 Prozent der Weine werden im Rioja heutzutage so ausgebaut. Mit circa 1,3 Millionen Barriques findet sich in Rioja die höchste Dichte der Welt. Verwendet wurde traditionell amerikanische Eiche (die für die intensiven, süßeren Kokos- und Vanillenoten im Rioja-Wein verantwortlich ist), inzwischen wird aber auch viel französisches Holz benutzt (das etwas feinere Würzaromen in den Wein bringt, Nelke beispielsweise) – wenn auch vornehmlich von spanischen Küfern in Logrono verarbeitet.

Reifung

Obwohl der Ausbau der Weine im Barrique aus Bordeaux übernommen wurde, gibt es doch einen erheblichen Unterschied: Anders als in Bordeaux mit seinem Subskriptionssystem und der anschließenden Reifung des Weins in der Flasche im Keller des Käufers, kommen die Weine aus Rioja immer schon trinkfertig, das heißt fertig gereift, auf den Markt. An der Farbe des Rückenetiketts erkennt man das Alter der gereiften Weine:

  • hellgrün: Generico beziehungsweise Joven
  • hellrot: Crianza
  • dunkelrot: Reserva
  • blau: Gran Reserva

Ein Joven wird ohne Eichenausbau abgefüllt, ein Vino de Crianza muss mindestens zwölf Monate in „barricas“ verbracht habe, eine Reserva drei Jahre gereift sein, davon ebenfalls zwölf Monate im kleinen Eichenfass und eine Gran Reserva muss fünf Jahre alt sein und davon zwei Jahre im Barrique verbracht haben.

Die Kategorien „Reserva“ und „Gran Reserva“ wurden speziell zur Honorierung der Eichenreifung eingeführt – auch wenn immer mehr Erzeuger inzwischen mehr nach Intensität statt nach Alter streben. Deshalb wird länger eingemaischt und früher abgefüllt. Typisch für „Crianzas“ hingegen ist die sogenannte Kohlensäuremaischung („Máceration Carbonique“) mit ganzen Trauben. Wein wird in Rioja während der Reifezeit traditionell mit Sauerstoff in Kontakt gebracht, indem man ihn – ähnlich wie in einem Solera-System – von einem Barrique ins andere umfüllt, wobei die Sedimente im alten Fass verbleiben. Die Weine sind dadurch nicht trübe.

Rioja_Weinanbaugebiete

Anbaugebiete

Als erstes Anbaugebiet Spaniens wurde Rioja 1926 gesetzlich eingegrenzt und erhielt 1991 als einzige Region in Spanien neben dem Priorat den DOCa-Status als höchstmögliche Klassifizierung ihrer Weine. Die DOCa Rioja erstreckt sich innerhalb der Weinanbauregion Oberer Ebro, das heißt über 120 Kilometer entlang des Ebro, und gliedert sich in drei Unterzonen, die sich um die Hauptstadt Logrono gruppieren:

  • Rioja Alavese im baskischen Nordosten (Alava), nahe des Kantabrischen Gebirges („Sierra de Cantabria“), das alle Wolken von Alavese fern hält, mit kalkhaltigen Böden
  • Rioja Alta im Nordwesten, aber südlich des Ebro
  • Rioja Baja im Süden (auch „Oriental“ genannt), entspricht mit seinem Kieselboden der südlichen Rhône, ist aber kühler

Ohne die massive Felswand des Kantabrischen Gebirges hätten die Reben keine Chance gegen die heftigen Atlantikwinde. Das gilt insbesondere für Rioja Alavese und Rioja Alta, die beide unter atlantischem Einfluß stehen. In Rioja Baja ist das Klima weniger atlantisch-maritim, deshalb kann Garnacha hier ausreifen, während man in Rioja Alta und Rioja Alavese hauptsächlich auf Tempranillo setzt. Das Klima ingesamt ist geprägt von heißen Sommern und strengen Winter: 2017 sind fast fünfzig Prozent der Ernte in Rioja wegen Frostschäden ausgefallen. Der jährliche Niederschlag ist gering, weshalb Trockenheit ein ernstzunehmendes Thema für die Winzer ist.

Die höchste Region des Rioja ist das Rioja Alta mit Logrono als Zentrum und Haro als weitere bedeutende Stadt. Etwa ein Drittel der Rebfläche von insgesamt 63.500 Hektar stehen hier. Die Weinberge liegen auf einer Höhe von 500 bis 800 Metern (in Ribera del Duero zum Vergleich, wo ebenfalls überwiegend Tempranillo angebaut wird, sind es ebenso 700 bis 800 Meter).

Die Böden in Rioja Alta befinden sich am Südufer des Ebro und bestehen aus rotem, eishaltem Ton, sowie Schwemmlandböden von den sieben Zuflüssen des Ebro. Das Klima hier ist etwas kühler – es gibt etwa eine Differenz von zwei Wochen bei der Erntezeit im Vergleich zum südlicheren Rioja Baja.

Am Nordufer, in Rioja Alavese, gibt es mehr Südhänge und einheitlichere Ton– und ärmere Kalkböden: die Böden werden hier heller („cremiger“). Zusammen mit der Exposition Richtung Sonne bestehen so optimale Reifebedingungen, entsprechend finden sich viele kleine Toperzeuger hier. Etwa 11.500 Hektar sind mit Rebstöcken bepflanzt.

In Rioja Baja sind 18.000 Hektar bepflanzt. Der Boden besteht aus Schluff und Ton, die Hauptrebsorte ist Garnacha (Grenache) und Reben sind praktisch die einzige Nutzpflanze. Hier herrscht eher mediterranes Klima, entsprechend kann die die Garnacha-Rebe gut ausreifen. Die Lese dauert bis Mitte November. Wie im katalonischen Priorat hilft auch hier eine Nord-Ost-Ausrichtung für elegantere Weine. Die Landschaft ist ein Flickenteppich aus kleinen Parzellen mit niedrigen Buschreben (traditionell hatte früher jede Familie eine eigene Parzelle, deshalb ist heute die Region sehr zersplittert). Rioja Baja ist aufgrund des Windes „cierzo“ und des geringen Niederschlages trocken.

Im gesamten Rioja gibt es bislang keine Bodenklassifizierung nach dem Vorbild Burgunds. Diese wurde erst 2019 eingeführt: Über dem Bereichswein steht seither der Ortswein („municipio“) und darüber der Einzellagenwein („vineto singular“). Wie beispielsweise Telmo Rodriguez versucht auch Alvaro Palacios den Terroirgedanken des Burgund (oder auch des Verbands der Prädikatweingüter (VDP) in Deutschland) in Rioja zu etablieren (und darüber hinaus in ganz Spanien). Auf seine Initiative wird das neue Bezeichnungssystem eingeführt.

Bei den insgesamt nur etwa 600 Erzeugern in Rioja stand bisher immer der Stil der Weine im Vordergrund, nicht das Terroir. Auch deshalb sind hier nur zehn Prozent der Reben älter als vierzig Jahre und nur ein Prozent über 100-jährige Reben. Die dominierende Rebsorte ist dabei Tempranillo, der auf insgesamt 51.000 Hektar (von 65.000) angebaut wird. Tempranillo heißt übersetzt: das „Frühchen“, das heißt er hat einen kurzen Wachstumszyklus und gedeiht in kühleren Bereichen mit großen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht am Besten, da er von Natur aus wenig Säure hat. In wärmeren Gegenden wie dem Rioja Baja fehlt den Weinen aus der dickschaligen Tempranillo-Traube mitunter die nötige Säure.

Tempranillos wurden traditionell als Buschrebe erzogen, da er aber kräftig und aufrecht wächst – anders als beispielsweise Syrah, der Unterstützungssysteme unbedingt braucht – kann Tempranillo auch am Drahtrahmen erzogen werden, was seine maschinelle Bearbeitung möglich macht.

Da es in Rioja traditionell immer weniger ums Terroir, als um den Weinstil ging, war Rioja eine klassische „blending area“, wo verschieden Rebsorten miteinander verschnitten wurden und Weine mit wenig Extraktion und langer Reifezeit im Barrique entstanden – die weniger von Frucht als von Eichenholznoten bestimmt waren. Tempranillo wurde dabei gerne mit saftigen Traubensorten wie beispielsweise Garnacha – die im warmen Rioja Baja am besten gedeiht – verschnitten, von deren Körper, Alkohol und Duft Tempranillo profitiert.

In Rioja kann Garnacha (und andere Sorten) im Verschnitt mit Tempranillo auftauchen, in den besten Weinen jedoch ist sie eher selten. Dem eher traditionellen Verständnis eines Rioja-Weines steht dabei inzwischen ein moderneres gegenüber, bei dem Tempranillos reinsortig gemacht werden – bei dem man bestrebt ist, die Fruchtaromen und Tannine zur Geltung zu bringen. Entsprechend maischt man hier lange ein, wodurch die Extraktion höher ist, und läßt die Weine dafür umgekehrt kürzere Zeit reifen. Dadurch entstehen elegantere Weine – keine ausgesprochenen Tanninpakete mehr. Ein solcher Tempranillo-Wein hat dann weniger Geschmacksnuancen von Tabakblättern, Gewürzen oder auch Leder, sondern womöglich fruchtigere Aromen von Kirsche, Brombeere und Pflaume.

Tempranillo und Garnacha, die in Rioja Baja am Besten gedeiht, dominieren den Weinbau. Weniger verbreitet in Rioja sind Mazuelo (Carinena), die farbintensive, säure- und tanninreiche Weine liefert („der grobe Klotz“), sowie Graciano, mit kraftvollen Aromen dunkler Früchte, Säure und Tannin, außerdem Maturana tinta für Schwarzbeerigkeit.

Etwa ein Siebtel der in Rioja gepflanzten Reben liefert Weißwein. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um die säuerliche Viura (Macabeo) – es gibt aber noch sieben weitere zugelassene Sorten wie beispielsweise Malvasia. Viele Bodegas verzichten inzwischen auf langjährige Fassreifung und erzeugen ihre Weißweine durch lange, langsame Gärung mit sofortiger Abfüllung um die primären Traubenaromen einzufangen sowie ihre Frische. Etwa 15 Prozent der Produktion besteht aus blassen Rosados.

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