Rheinhessen erstreckt sich nördlich der Pfalz am linken Ufer des Rheinknies zwischen Alzey, Worms, Mainz und Bingen. Im Osten wird das Weinanbaugebiet vom Rhein begrenzt, dessen Nebenflüsse wie Appelbach Wiesbach, Selz und Pfrimm die Region durchziehen.
Mit 26.500 Hektar Rebfläche ist Rheinhessen das flächenmäßig größte deutsche Anbaugebiet für Qualitätswein. Etwa die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche wird hier dem Weinbau gewidmet, mehr als 100 Millionen Rebstöcke stehen im Anbaugebiet. Diese Anbaubaudichte bedeutet, dass beinahe ein Viertel der gesamten deutschen Weinproduktion aus den 133 Weinorten in Rheinhessen stammt.

Klima
Rheinhessen zählt mit 1.700 Sonnenstunden jährlich zu den wärmsten und trockensten Anbaugebieten in Mitteleuropa. Gleichwohl wird die Region von mehreren Höhenzügen umschlossen: Im Schutz von Odenwald (rechts vom Rhein), Taunus (im Norden), Hunsrück (Nord-Westen) und Nordpfälzer Bergland (im Westen) gibt es wenig Niederschlag und milde elf Grad Celsius Durchschnittstemperatur.
Landschaft
Rheinhessen befindet sich am nördlichen Ende des Oberrheintales. Es ist ein Tafel- und Hügelland, das von bewaldeten Mittelgebirgen umrahmt ist. Im Süden geht es in die Rheinebene über. Insgesamt ist die Landschaft in der letzten Kaltzeit geformt worden und geprägt durch den Wechsel von meist waldfreien Plateaus aus Kalkstein und den durch Hügel und Niederungen gegliederten breiten Tälern der Bachläufe in Böden mit weichem Mergeln.
Das günstige Klima wird durch das Geländerelief variiert. Die nahen Mittelgebirge erhöhen den durchschnittlichen Jahresniederschlag auf 600 Millimeter, während in den Trockeninseln im Windschatten östlich des Hunsrück nur etwa 500 Millimeter zu verzeichnen sind, anderswo in Rheinhessen sogar nur 400 Millimeter. Ausserdem ist es in den Tälern im Sommer etwas wärmer als auf den Plateaus, zusätzlich sind die sonnenzugewandten West-, Ost- und insbesondere auch die Südhänge in Rheinnähe etwas wärmer.
Boden
Wo sich seit dem Wiener Kongress 1815 das Weinanbaugebiet Rheinhessen befindet, war im Erdzeitalter des Tertiär (vor 65 bis 2,6 Millionen Jahren) ein Meer, das sogenannte Mainzer Becken. Als das Mainzer Becken vor etwa fünfzig Millionen Jahren einstürzte entstand hier der Oberrheingraben – und mit ihm der „Rote Hang“ mit seinen Steillagen im Bereich Nierstein.
Mit dem Tertiär beginnt die sogenannte „Erdneuzeit“ beziehungsweise das Kanäozoikum (davor war die „Erdmittelzeit“, das Mesozoikum, in der zum Beispiel das Pariser Becken der Champagne entstanden ist). Mit Beginn dieses Erdzeitalters beschleunigte sich im Zusammenhang mit der Bildung der Alpen der Einbruch des Oberrheingrabens – ein Teil einer schon 300 Millionen Jahre bestehenden Schwächezone der Erdkruste. Damals sank an seinem nordwestlichen Ende eine Krustenscholle mit ein, allerdings nur um einige hundert Meter, aus der sich das sogenannte Mainzer Becken entwickelte.
Das Mainzer Becken war ursprünglich nur eine Meeresbucht, brach allerdings vor etwa 34 Millionen Jahren so tief ein, dass über den Oberrheingraben eine Verbindung zu den Weltmeeren entstand. Genau wie heute waren an der damaligen Küste des Urmeeres Kiese, Sande und Gerölle zu finden, die bis heute erhalten sind. Vor etwa 24 Millionen Jahren – im Miozän – entstand das Kalksteinstockwerk, dessen Reste heute die Plateaus in Rheinhessen bilden. Erst vor etwa 11 Millionen Jahren zog sich das Urmeer zurück und es beginnt nun eine Phase mit Hebungs- und Abtragungsprozessen, wobei der Rheingraben mit Sediment gefüllt wird. Nach wie vor sinkt der Oberrheingraben um etwa 1 Millimeter pro Jahr und ist mittlerweile mit einem etwa 4.000 Meter mächtigen Sedimentpaket gefüllt. Aus dieser Zeit etwa stammen auch die ersten Zeugnisse des Urrheins.
Der Rote Hang im Bereich Nierstein hat seinen Namen von einer Bodenformation, die älter als die Kalkablagerungen des Urmeeres im Tertiär ist: dem Rotliegend, einem etwa 280 Millionen Jahre alten (und damit aus dem Paläozoikum stammenden), toten, eisenhaltigen roten Tonstein, der sich jedoch erst im Tertiär rot färbte und zum Namensgeber für den linksrheinischen Roten Hang wurde. Über diesem Rotliegend liegt heute gut durchlüfteter, schiefriger Sandstein mit reichlich Nährstoffen, der aber ein schlechter Wasserspeicher ist, das heißt die Reben müssen im insgesamt doch recht niederschlagsarmen Rheinhessen tief wurzeln, um an die Nährstoffe in den uralten Sedimenten zu gelangen.
Ansonsten herrscht Kalk und Löss vor, ein relativ tiefgründiger Boden mit relativ wenig Wasser-Beeinflussung, was gut für frühreifende Sorten wie Müller-Thurgau oder Grau- und Weißburgunder ist. Lössböden finden sich insbesondere am nördlichen Rand des rheinhessischen Plateaus zwischen Mainz und Ingelheim. Im Bereich Bingen findet sich auch Quarzit am Scharlachberg (die geologisch älteste Bodenformation der Region), Kalkstein in Westhofen, Schiefer, Vulkangestein – und Porphyr in Siefersheim (Heerkretz) an der Grenze zur Nahe.
Bereiche
Trotz der Größe ist Rheinhessen in nur drei Bereiche aufgeteilt:
- Nierstein
- Bingen
- Wonnegau
Rheinhessen ist eigentlich ein eher flaches beziehungsweise sanft hügeliges Land, es wird auch als „Land der tausend Hügel“ bezeichnet (auf den Hügeln sind – als eine kleine Besonderheit Rheinhessens – etwa 30 bis 40 weiße Trulli aus dem 18. Jahrhundert verteilt: kleine, bunkerartige weiße Häusschen mit Runddach, wie sie aus dem italienischen Städtchen Alberobello in Apulien bekannt sind, wo ganze Wohnhäuser so gebaut sind).

Der gute Ruf des rheinhessischen Weines gründet sich aber auf die einzige Ausnahme davon: die Steillagen des Roten Hanges am Westufer des Rheins im Bereich Nierstein, wo einige der körperreichsten Rieslinge Deutschlands entstehen. Dieses als „Rheinterrasse“ bekannte Gebiet von Nackenheim über Nierstein bis Oppenheim bietet mit seiner mineralischen Hanglage aus Rotliegend ideale Bedingungen für körperreichen Riesling. Das gilt insbesondere auch für die Einzellagen am Niersteiner „Roten Hang“.
Die Grand Cru-Lagen am Roten Hang wie beispielsweise Hipping oder Pettenthal stehen konträr zu der im Jahr 1971 mit der Einführung des deutschen Weingesetzes entstanden Massenweinbezeichnung „Niersteiner Gutes Domtal“, die von 16 Gemeinden bewirtschaftet wird. Mit dem Niersteiner Glöck liegt am Roten Hang auch die älteste urkundlich erwähnte Einzellage Deutschlands: der Niersteiner Glöck taucht bereits im Jahr 742 erstmals schriftlich auf.
Im Bereich Bingen liegt viel warmer, roter Schieferverwitterungsboden, der finessenreiche Silvaner und Rieslinge hervorbringt. Ausserdem findet man hier auch Quarzitböden, die den Weinen eine deutlich mineralische Note verleiht. Eine Besonderheit im Bereich Bingen ist der von der Nahe bekannte purpurfarbene Porphyrboden im Siefersheimer Heerkretz – der größten deutschen Porphyr-Lage (die nur etwa zehn Kilometer vom Rotenfels an der Nahe entfernt liegt). Porphyr ist vulkanischen Ursprungs und sehr quarzreich und sauer (der ph-Wert liegt bei etwa 3,5 bis 4, während normales Ackerland einen Wert von 6 bis 6,5 aufweist). Er ähnelt damit Granit– und Schiefer-Weintypen. Die Weinberge um Ingelheim sind bekannt für hervorragende Spätburgunder.
Der Bereich Wonnegau ist eine der wärmsten und trockensten Gegenden in Deutschland. Es herrschen kleinschotterige bis steinige Böden vor, die von Löss, schwerem Lehm und Kalk geprägt sind – Überbleibsel des Urmeers vor etwa vierzig Millionen Jahren.
Rebsorten
Vielleicht aufgrund des warmen Klimas gehört Rheinhessen zu den großen Rotweinanbietern (vor allem aus Ingelheim im Bereich Bingen), obwohl das Verhältnis von Weiß- zu Rotwein etwa siebzig zu dreißig Prozent beträgt. Vorne liegt dabei Dornfelder, er wird auf einem Drittel der Rebfläche angebaut.
Bei Weißwein liegt nicht Riesling vorne, sondern die frostresistente, zuckerreiche und säurearme Müller-Thurgau mit 4.300 Hektar. Aber Rheinhessen besitzt auch die weltweit größte Fläche für Scheurebe (die ja in Alzey gezüchtet wurde und heute noch auf 900 Hektar steht). Dasselbe gilt auch für Silvaner, allerdings geht die Anbaufläche für Silvaner kontinuierlich zurück, trotz der Einführung der geschützten Ursprungsbezeichnung „RS“ für „Rheinhessen-Silvaner“: Wurde dieser noch in den 1950er Jahren auf fast drei Viertel der Rebflächen angebaut, steht er heute nur noch auf etwa neun Prozent.
Weine, die unter der Vermarktungsbezeichnung Selection Rheinhessen auf den Markt kommen wollen, müssen strengen Qualitätskriterien entsprechen: Sie müssen aus mindestens 15 Jahre alten Rebstöcken der klassischen Sorten gekeltert und zuvor von Hand gelesen worden sein, wobei maximal 55 Hektoliter pro Hektar produziert werden dürfen und die Trauben bei der Lese mindestens neunzig Oechslegrad aufweisen müssen.