Die Legende besagt, dass Karl der Große (747/48 bis 814) an einem eiskalten Morgen von seinem Schloß in Ingelheim (in Rheinhessen) über den Rhein blickte und bemerkte, dass nur auf dem Johannisberg der Schnee geschmolzen war, woraufhin er unverzüglich Anweisungen gegeben haben soll, dort Weinreben zu pflanzen. Das war der Beginn des Weinbaus im Rheingau.

Heute erstrecken sich etwa 3.100 Hektar an Südhängen über dreißig Kilometer am Nordufer des Rheins im Westen (zwischen Wiesbaden und Assmannshausen) sowie östlich von Wiesbaden am Main. Hier am großen Rheinbogen (Rheinknie) fließt der Rhein von Osten nach Westen, weil ein Taunus-Ausläufer im Norden den Fluss aufhält und ihn zur Richtungsänderung nach Westen zwingt.
Nur etwa 2,5 Prozent von Deutschlands Weinproduktion werden hier erzeugt, was jedoch in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Region für den Weinbau in Deutschland steht.
Klima
Der Rheingau besteht nur aus einem Bereich – Johannisberg –, wo der Taunus einen natürlichen Schutz vor kalten Winden und Niederschlägen bietet und ein mildes Klima (10,6 Grad) begünstigt mit 500 Millimeter Niederschlag und 1.600 Sonnenstunden. Hinzu kommt, dass sich der Rhein im Laufe von Jahrmillionen einen heute 200 bis 300 Meter tiefen Graben in das sich mit Unterbrechungen hebende plateauartige Schiefergebirge gefressen hat. Dadurch entstanden oft steile Hänge, auf denen die Reben in einem perfekten Winkel zur Sonneneinstrahlung stehen.
Die besonders günstigen Bedingungen für das milde Klima werden außerdem noch dadurch gefördert, dass der Rhein nur hier in einer ungefähren Ost-West-Richtung fließt, wodurch die Reben nach Süden hin ausgerichtet sind und den ganzen Tag von der Sonne beschienen werden. Auch der Rhein selbst sorgt dafür, das kalte Luftströme sofort abtransportiert werden. Darüber hinaus erreicht der Rhein hier eine Breite von bis zu 400 Metern und wirkt so als riesiger Spiegel, der das Licht und die Sonnenwärme auf ideale Weise reflektiert.
Rebsorten
Der Rhein schafft äußerst gute Bedingungen für Weinbau – und es wird verständlich, warum sich die bedeutenden Weingebiete in Deutschland meistens an den Ufern von Flüssen in waldreichen Regionen befinden. Insbesondere für spätreifende Sorten wie den Riesling sind die Umstände perfekt: Die Jahresdurchschnittstemperatur des Rheingaus liegt deutlich über zehn Grad Celsius und auch die Zahl der Sonnenstunden ist um zwanzig Prozent höher als beispielsweise an der Mosel. Milde Winter und warme Sommer führen dazu, dass der trockene und halbtrockene Riesling im Rheingau sehr viel häufiger vorkommt als an der Mosel und hier achtzig Prozent der Produktion ausmacht.
Riesling stellt heute also den Hauptanteil der Weinerzeugung im Rheingau dar – und mit ihm hat gewissermaßen auch alles angefangen, als im Jahr 1720 erstmals ein zusammenhängende Weinberg aus einem einzigen, „reinen Satz“ geschaffen wurde, indem die Benediktinerabtei den Johannisberg mit 294.000 Riesling-Rebstöcken bepflanzte. Erstmals vertraute man allein auf eine einzige Rebsorte und verzichtete umgekehrt darauf, verschiedene Reben im Mischsatz anzupflanzen, wie das bis dahin üblich war.
Der erste „reine Satz“ in Deutschland ist Ausdruck dafür, wie gut die Anbaubedingungen für Riesling am Rhein sind. Am Main, in Hochheim, wo etwa 250 Hektar stehen, ist es sogar noch etwas wärmer – was für vollere, körperreichere Weine sorgt. Aus Hochheim stammt der Riesling, den die englische Königin Victoria (1837 bis 1901) sehr schätzte. „Hock“ war lange Zeit in England ein feststehender Ausdruck für deutschen Riesling.
Der Rebengürtel an den Ausläufern des Taunus ist Kernbereich des Rheingaus. Nach oben begrenzt durch den Waldrand, nach unten durch den Rhein, ist es ein kleines Gebiet, das mit etwa achtzig Prozent beziehungsweise 2.500 Hektar allein mit Riesling bestockt ist – mehr als an der Mosel. (12,5 Prozent sind mit Spätburgunder bepflanzt, insbesondere auf den Schieferböden am Assmannshäuser Höllenberg.) Und auch der Stil des Rheingauer Rieslings unterscheidet sich deutlich von dem der Mosel: Die Weine sind durchweg voller, die Säure ist weiniger. Das liegt am wärmeren Klima.
Boden
So kompakt das Gebiet auch ist: Es gibt erhebliche Lagenunterschiede. Sie gehen auf die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit und Sonnenexposition der Weinberge zurück, wobei die berühmten Lagen des Rheingau fast alle im Kernbereich liegen: Kiedricher Gräfenberg (Robert Weil), Hattenheimer Nussbrunnen, Oestricher Lenchen, Rüdesheimer Schlossberg und andere.
Drei verschiedene Bodenarten lassen sich im Rheingau unterscheiden:
- am Rüdesheimer Berg herrscht Schiefer vor (hier ist mit achtzig Prozent auch die steilste Lage: Berg Schlossberg, wo starke Bewindung für ein trockenes Mikroklima für „Große Gewächse“ von Riesling sorgen)
- im mittleren und östlichen Rheingau sandiger Lehm und Löss in tieferen sowie
- Quarzit in den höheren Lagen.
Lagenklassifikation
Die unterschiedliche Güte der Rebflächen wurde in einer Lagenkarte, die der Rheingauer Weinbauverband 1999 herausgegeben hat, parzellengenau markiert, als die Riesling-Charta im „Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP)“ aufging. Diese Lagenkarte war die Grundlage für das „Erste Gewächs“, das der Rheingau schon vor den „Ersten Lagen“ des VDP eingeführt hat. Hier im Rheingau hat der Terroirgedanke des VDP seinen Ursprung, nur hier heißt das „Große Gewächs“ „Erstes Gewächs“, woraus die „Große Lage“ wurde. Bis heute ist Hessen das einzige Bundesland, in dem eine Lagenklassifikation Gesetzeskraft hat.
Spätlese und Kabinett
Während Eisweine eher selten gelesen werden, sind die großen edelsüßen Rheingauer Auslesen legendär. Angeblich führten im Jahr 1775 Unfähigkeit und Glück zur Entdeckung der Vorzüge der sogenannten „Edelfäule„, das heißt angeblich wurde auf Schloss Johannisberg die Spätlese entdeckt: In dieser Zeit gehörte das Schloss mit seinen ausgedehnten Weinbergen dem Abt von Fulda, ohne dessen Erlaubnis die Weinlese nicht beginnen durfte. 1775 verspätete sich der Legende nach der Bote des Abtes, der „Reiter Karl“, um zwei Wochen. Die Trauben waren da bereits von einem Pilz, Botrytis cinerea, befallen und schienen an den Reben zu faulen (die „Edelfäule“ bewirkt, dass die Frucht schrumpft und der natürliche Zuckergehalt steigt). Obwohl man dachte, die Ernte sei ruiniert, brachten die Trauben dennoch eine noch nie dagewesene Qualität. So war die Verspätung des Boten Grundstein für die „Spätlese“ (heute zählt nur noch das Mostgewicht).
Verbürgt ist außerdem, daß im Kloster Eberbach (einem ehemaligen Zisterzienserkloster) 1730 ein sogenannter „Cabinettkeller“ eingerichtet wurde, woraus dann der „Kabinettwein“ entstand.